Herb­st 2020.: Die AHA-Regeln — Abstand hal­ten, Hygiene-Maß­nah­men beacht­en, All­t­ags­maske tra­gen — bes­timmten den All­t­ag. Auch an der Uni kon­nten fast alle Ver­anstal­tun­gen lediglich online stat­tfind­en. Ler­nen und Lehren war unter diesen Bedin­gun­gen eine Her­aus­forderung. Beson­ders schw­er hat­ten es diejeni­gen, die zu diesem Zeit­punkt ein Studi­um auf­nah­men, aktuell ins dritte Semes­ter starten und noch nie den „nor­malen“ Studieren­de­nall­t­ag erleben kon­nten. Zu ihnen gehören die 19-jährige Sozi­olo­gie — und Psy­cholo­gie Stu­dentin Chris­tiane sowie die ein Jahr älteren ange­hen­den Erziehungswissenschaftler:innen Dominik und Kathrin.

Wie blick­en sie auf das nun anste­hende Semes­ter? Die has­tuzeit hat schriftlich nachgefragt.

In der Zeit der Coro­na-Pan­demie wün­schen sich viele Studierende einen “nor­malen” Uniall­t­ag zurück. Illus­tra­tion: Tan­ja Möller

has­tuzeit: Wenn ihr eure bish­erige Stu­dien­zeit in einem einzi­gen Adjek­tiv zusam­men­fassen müsstet, welch­es wäre es?

Chris­tiane: langweilig.

Dominik: uner­wartet.

Kathrin: entspan­nt.

Abge­sagte Ersti-Par­tys, geschlossene Clubs, keine hitzi­gen Diskus­sio­nen im Sem­i­nar­raum. Inwieweit war es den­noch möglich, in Halle anzukom­men und ein soziales Umfeld aufzubauen?

Chris­tiane: Es war sehr schwierig und durch diese Sit­u­a­tion kon­nte ich in Halle nicht richtig ankom­men. Ich würde auch ehrlich gesagt ungern in Halle bleiben.

Dominik: Ich habe schon vor Coro­na zwei Semes­ter einen anderen Stu­di­en­gang besucht, aber da wenig Kon­tak­te geknüpft. Durch Coro­na war alles auf jeden Fall erschw­ert und umständlich. Ein­fach Men­schen ansprechen passiert im Online-Meet­ingraum ja auch nicht.

Kathrin: Am Anfang gab es noch ein paar Ver­anstal­tun­gen in Präsenz, wodurch ich Leute tre­f­fen kon­nte. Ich habe auch Men­schen durch gemein­same Präsen­ta­tio­nen oder durch Sem­i­nare ken­nen gel­ernt. Da ich nicht unbe­d­ingt unter Men­schen­massen sein muss, war dieser Unistart für mich nicht beson­ders schlimm, den­noch hat der Aus­tausch und das Face-to-Face an vie­len Eck­en gefehlt.

Kön­nt ihr euch eigentlich mit dem Label Student:in identifizieren?

Chris­tiane: Auf jeden Fall. Die Ansprüche durch das Online-Semes­ter sind eher gestiegen, wenn ich Altk­lausuren mit meinen Klausuren vergleiche.

Dominik: Ja, auch wenn ich die Befürch­tung habe, als „Coro­na-Stu­dent“ abgestem­pelt zu wer­den. Trotz dessen, dass die Poli­tik Student:innen häu­fig über­sieht, sind die Coro­na-Semes­ter aber trotz­dem Anlass gewe­sen, neue Erfahrun­gen zu machen und an Auf­gaben zu wachsen.

Kathrin: Auch wenn wir keinen üblichen Start hat­ten, ist der All­t­ag durch die Sem­i­nare und die Uni­ver­anstal­tun­gen geprägt. Außer dass der soziale Kon­takt weniger präsent war, würde ich mich gemein­sam mit anderen Student:innen, die früher mit dem Studi­um begonnen haben, dem Label unterordnen.

Ein­mal angenom­men, die Coro­na-Pan­demie hätte es nicht gegeben. Inwieweit wäre das let­zte Jahr für euch mut­maßlich anders verlaufen?

Chris­tiane: Ich wäre jet­zt in Lateinameri­ka und hätte mein Spanisch verbessert.

Dominik: Ich wäre wahrschein­lich bess­er in Halle und im All­ge­meinen mit Leuten verknüpft. Außer­dem wären meine Moti­va­tion­sprob­leme sich­er nicht so schwerwiegend.

Kathrin: Ich kann mich Dominik in dem Punkt anschließen, dass meine Moti­va­tion­sphasen wohl nicht so gelit­ten hät­ten. Den­noch füh­le ich mich durch die Per­so­n­en, die ich im Studi­um ken­nen­gel­ernt habe, durch meine WG und meinen Mini-Job sehr gut in Halle angekommen.

Viele Studierende hat­ten seit Aus­bruch der Pan­demie mit dem The­ma Ein­samkeit zu kämpfen. Illus­tra­tion: Tan­ja Möller

Und dann kam alles doch ganz anders: Die Aus­gangslage im Herb­st 2020 war bei vie­len sich­er ähn­lich: Fremde Stadt, keine Fre­unde und Studi­um auf Dis­tanz. War für euch die Prob­lematik Ein­samkeit ein präsentes Thema?

Chris­tiane: Ja, ich habe mich lei­der sehr oft ein­sam gefühlt und auch die weni­gen Tre­f­fen mit Kommiliton:innen haben mir da nicht geholfen.

Dominik: Auf jeden Fall. Durch Coro­na mussten Tre­f­fen immer müh­selig geplant wer­den und waren teil­weise sog­ar unter­sagt, was häu­fig zu Frust geführt hat. Da Halle aber nah an meinem früheren Wohnort liegt, war das nicht so schlimm.

Kathrin: Durch die anfangs geknüpften Kon­tak­te und die WG fühlte ich mich nicht allzu alleine. Den­noch wurde es mir durch die Onlin­ev­er­anstal­tun­gen und den lan­gen Win­ter nicht leicht gemacht, da man kaum vom Bild­schirm und aus seinem Zim­mer wegkam.  Manch­mal mache ich mir selb­st Stress oder denke: Lebe ich mein Unileben über­haupt ganz aus? Aber wenn das auf­grund der Sit­u­a­tion nicht möglich ist, dann ist es eben so. Für mich selb­st möchte ich mir vornehmen, nicht das anzus­treben, wie es sein sollte, son­dern das, wie es ger­ade ist, zu schätzen. 

Die Befra­gung „Studieren zu Zeit­en der Coro­na-Pan­demie“ des Deutschen Zen­trums für Hochschul- und Wis­senschafts­forschung, kurz DZHW, ermit­telte, dass rund zwei Drit­tel der Student:innen im Som­merse­mes­ter starkem- bis sehr starkem Stress aus­ge­set­zt waren. Auch die Bew­er­tung der seel­isch-emo­tionalen Ver­fas­sung fiel um zwei Drit­tel schlechter aus, als vor Aus­bruch der Pan­demie. Kon­ntet auch ihr bei euch oder eurem Umfeld eine schlechtere emo­tionale Ver­fas­sung beobachten?

Chris­tiane: Ich war schon sehr oft trau­rig und gestresst.

Dominik: Auf jeden Fall. Viele mein­er Mit­men­schen und ich sind im All­ge­meinen gestresst. Und dann kam noch Coro­na hinzu — ein weit­er­er Fak­tor, über den Men­sch sich Sor­gen macht.

Kathrin: Der Sit­u­a­tion entsprechend fand ich den Umfang an der Uni entspan­nt und gut zum „reinkom­men“.

Trotz Sor­gen und Stress: Kön­ntet ihr euch vorstellen, dass Studierende wie ihr, die ihr Uni­ver­sitätsstudi­um bish­er nur in Online-Lehrver­anstal­tun­gen ausüben kon­nten, der Sit­u­a­tion geschuldete Charak­ter­stärken entwick­elt haben?

Chris­tiane: Da fällt mir lei­der nichts zu ein.

Dominik: Ich denke, nicht nur Studierende, son­dern auch Lehrkräfte kon­nten aus der Sit­u­a­tion bish­er etwas mit­nehmen, und wenn es nur ein biss­chen Kom­pe­tenz im Bere­ich Tech­nik und Soft­ware für Kon­feren­zen ist. Sicher­lich sind aber dafür andere Kom­pe­ten­zen bei vie­len, auch bei mir, auf der Strecke geblieben, wie zum Beispiel die Sozialkompetenzen.

Kathrin: Ich denke, Flex­i­bil­ität und Selb­st­ständigkeit kön­nten dazuge­hören, durch den min­imierten Aus­tausch war man oft auf sich alleine gestellt.

Das Leib­nitz-Insti­tut für Psy­cholo­gie und die Uni­ver­sität Tri­er ermit­tel­ten in ein­er Studie, dass sich rund 60 Prozent der Studieren­den in der Zeit der Coro­na-Pan­demie Sor­gen um den eige­nen Stu­di­ener­folg macht­en. Inwieweit kön­nt ihr euch und eure Leis­tun­gen in das Ergeb­nis einordnen? 

Chris­tiane: Ich bin eigentlich mit meinen Klausurnoten sehr zufrieden. Die Hausar­beit­snoten sind lei­der nicht so gut, das haben wir aber auch nie gelernt.

Dominik: Für den Lern­er­folg fand ich die Sit­u­a­tion nicht schlimm. Häu­fig ist es sog­ar ein­fach­er, Inhalte nochmal zu fes­ti­gen, zum Beispiel wenn Vor­lesungsvideos hochge­laden wurden.

Oft wird das The­ma in den Medi­en schlecht gemacht: „Studierende ver­nach­läs­sigt von der Poli­tik“, „keine Präsenz“ und so weit­er. Aber dabei wird manch­mal vergessen, dass die Pan­demie ein ein­ma­liges Erleb­nis in einem Men­schen­leben ist und wir sich­er mit gutem Gefühl auf die Zeit zurück­blick­en und etwas daraus mit­nehmen werden.

Kathrin: Ich habe mir keine Sor­gen um meinen Stu­di­ener­folg gemacht. Wie ich schlussendliche abschnei­de, hängt von mir und nicht von der Sit­u­a­tion selb­st ab.

Wäre es eur­er Mei­n­ung nach möglich, dass die Online-Lehre Vorteile aufweist, die in Zukun­ft stück­weise in Präsen­zver­anstal­tun­gen einge­bun­den werden?

Chris­tiane: Videoauf­nah­men sind sehr prak­tisch, wenn man sich Sachen nochmal anguck­en möchte.

Dominik: Aufze­ich­nun­gen von Inhal­ten sind wirk­lich prak­tisch gewe­sen, um nochmal etwas zu wieder­holen. Aber auch spon­tane Videokon­feren­zen hoffe ich in Zukun­ft häu­figer zu sehen. Das macht die Pla­nung von Ver­anstal­tun­gen bei Aus­fällen oder ähn­lichem sehr viel leichter.

Kathrin: Ich kann mich Dominik nur anschließen, zudem sind gewisse Sprech­stun­den oder auch Ver­anstal­tun­gen, die online stat­tfind­en, prak­tisch, da man flex­i­bel sein kann und nicht an einen Ort gebun­den ist.

Welche Aspek­te der Präsen­zlehre sehnt ihr am meis­ten herbei?

Chris­tiane: Kon­tak­te zu knüpfen.

Dominik: Mit vie­len Leuten in einem prall gefüll­ten Hör­saal sitzen.

Kathrin: Die Kommiliton:innen und Dozent:innen zu sehen und tief­gründi­ge Gespräche zu führen.

Mit welchen Gefühlen blickt ihr demzu­folge auf das kom­mende Hybrid-Semester?

Chris­tiane: Ganz viel Vorfreude!

Dominik: Etwas ängstlich. Die Lehre ist voll­ständig in Präsenz ange­set­zt, während hierzu­lande, zumin­d­est nach dem Stand vom 20. August 2021, die Coro­na-Fal­lzahlen wieder stark steigen.

Kathrin: Ich bin sehr ges­pan­nt, allerd­ings gehe ich da nicht mit vie­len Erwartun­gen rein, um nicht allzu ent­täuscht zu sein, falls es doch nicht klap­pen sollte.

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