Am Mittwoch wird es mal wieder ernst: Halles Studierende wählen ihre hochschulpoli­tis­chen Vertreter. Sieben von denen, die das gerne wer­den wollen, stell­ten sich und die Posi­tio­nen ihrer Grup­pen am Don­ner­stag im Rah­men der Löwen­runde vor. Sie disku­tierten über Geld, Toi­let­ten, radikale Kom­mili­to­nen und Parkuhren in der Bib – aber auch darüber, ob Salat eine Mahlzeit sein kann.

Der Löwe, der kurz vor Beginn der diesjähri­gen Diskus­sion­srunde an die Tafel des großen Hör­saals gemalt wird, kön­nte auch als Kätzchen durchge­hen. Das Klis­chee von der „Poli­tik im Kleinen“, das die oft belächelte Hochschulpoli­tik – nicht nur in Halle – mitunter umwe­ht, drängt sich kurz auf.

Doch kann an dieser Stelle Ent­war­nung gegeben wer­den: Die sieben Damen und Her­ren von eben­so vie­len Hochschul­grup­pen, die an diesem früh­som­mer­lichen Don­ner­stagabend vor unge­fähr 60 Gästen im Melanchtho­ni­anum auf dem Podi­um Platz genom­men haben, geben sich redlich Mühe, diesem Klis­chee nicht zu entsprechen. Sie alle wirken äußerst engagiert beim vor­tra­gen und vertei­di­gen ihrer Positionen.

Foto: Sophie Ritter

Die Löwen­runde ist mit­tler­weile ein fes­ter Bestandteil des hochschulpoli­tis­chen Betriebes an der MLU; der Ruf des Löwen ertönte auch in diesem Jahr eine knappe Woche vor dem Urnen­gang. Tra­di­tionell bietet dieser Abend den bekan­ntesten Hochschul­grup­pen der Uni Halle die Möglichkeit, direkt zu den poten­ziellen Wäh­lern zu sprechen. Wirk­lich gut angenom­men wird dieses Ange­bot von den Studieren­den nicht – auch dieser Umstand muss schon als tra­di­tionell beze­ich­net wer­den, viele Rei­hen im Saal bleiben leer. Die, die gekom­men sind, scheinen sich oft­mals schon entsch­ieden zu haben, wem sie am kom­menden Mittwoch ihre vie­len Stim­men geben – darauf deutet jeden­falls die ungle­iche Applaus-Verteilung bei Rede­beiträ­gen unter­schiedlich­er Podi­ums­gäste hin

Der Abend begin­nt mit eini­gen ein­führen­den Worten, die erk­lären sollen, was genau die Auf­gaben der Hochschulpoli­tik sind, wie diese aufge­baut ist und wie die Wahlen funk­tion­ieren. Routine.

Offene Linke Liste: gegen Kürzungen, NC und Nazis
Klara Stock
Foto: Sophie Ritter

Die einzige weib­liche Per­son, die an diesem Abend eine Hochschul­gruppe ver­tritt, ist Klara Stock von der Offe­nen Linken Liste (OLLi) – da der Kan­di­dat des RCDS mit Unpünk­tlichkeit glänzt, hat sie das Priv­i­leg, als erstes sprechen zu dür­fen. Die OLLi sei, wie sie verkün­det, „die einzige Hochschul­gruppe, die kon­se­quent gegen Kürzun­gen ges­timmt hat“. Spoil­er: Das Wort „kon­se­quent“ ist das Lieblingswort der Uni-Poli­tik­er an diesem Abend. Außer­dem trete man für „Studieren ohne Stress“ ein, wom­it unter anderem die Abschaf­fung aller NCs gemeint ist. Eben­falls set­ze man sich gegen verpflich­t­ende Kranken­scheine ein, die oft bei kurzfristi­gen Prü­fungsab­mel­dun­gen erforder­lich seien. Die Etablierung ein­er „par­itätis­chen Sitzverteilung in Gremien“ wird auch als Ziel genan­nt. Gemeint ist, dass zum Beispiel im Sen­at gle­ich viele Pro­fes­soren, Studierende und Mitar­beit­er sitzen sollen – aktuell sind Pro­fes­soren numerisch stark überrepräsentiert.

RCDS: weniger Allgemeinpolitik, mehr Exzellenz
Friedrich Lem­bert
Foto: Sophie Ritter

Kurze Zeit später wird Friedrich Lem­bert als Kan­di­dat des Ring Christlich-Demokratis­ch­er Stu­den­ten (RCDS) nach vorne gebeten, um ihm die Möglichkeit zu geben, die Ziele sein­er Hochschul­gruppe kundzu­tun. Er plädiert dafür, „all­ge­mein­poli­tis­che The­men“ aus der Hochschulpoli­tik her­auszuhal­ten, ohne zu sagen, was genau er damit meint. Er macht sich stark für eine „Uni der Exzel­lenz“, fordert mehr Zusam­me­nar­beit inner­halb des Mit­teldeutschen Uni­bun­des (Jena, Halle, Leipzig) und spricht von „Europa als Herzen­san­gele­gen­heit“. Eben­so plädiert er für Nach­druck in der Umset­zung der Bologna-Reform, die für eine Vere­in­heitlichung von Stu­di­engän­gen und ‑abschlüssen in Europa ste­ht. Dies sei ein drän­gen­deres Prob­lem als beispiel­sweise Antifaschis­mus, wie er sagt.

Grüne/Vegane HG: Die gibt’s ja noch!
Niklas Peine
Foto: Sophie Ritter

Niklas Peine von den Grü­nen, die eigentlich „Bünd­nis: Grüne Hochschul­gruppe GHG/Vegane Hochschul­gruppe“ heißen, besticht schon alleine durch seine schiere Anwe­sen­heit: Noch im let­zten Jahr fehlten Vertreter dieser Hochschul­gruppe bei der Löwen­runde kom­plett; zwis­chen­durch kon­nte man sich ihrer bloßen Exis­tenz nicht mehr sich­er sein, so unsicht­bar war sie in der Öffentlichkeit. Er hat dann auch einiges zu sagen: dem­nach wün­schen die Grü­nen sich die Ein­führung ein­er Lebens­mit­te­lam­pel in den Mensen; es müsse mehr Chan­cen­gle­ich­heit geben; die Anwe­sen­heit­spflicht solle kon­se­quent abgeschafft wer­den; Vor­lesun­gen müssten öfter gestreamt und hochge­laden wer­den; die Uni müsse fahrrad­fre­undlich­er wer­den, so seien beispiel­sweise mehr Rad­wege zwis­chen den Cam­pussen nötig. Und: In jed­er Men­sa solle es an jedem Tag min­destens eine veg­ane Mahlzeit geben. Später am Abend sorgt dieses Anliegen für Diskus­sio­nen, als der Kan­di­dat der Lib­eralen Hochschul­gruppe (LHG) fest­stellt, dass dies doch schon lange umge­set­zt sei – es gebe schließlich in jed­er Men­sa eine Salat­bar. „Salat ist kein Essen“, empört sich Klara Stock von der OLLi, „zumin­d­est keine voll­w­er­tige Mittagsmahlzeit“.

LHG: kleinere Arbeitskreise, mehr Digitalisierung, Lernen mit der Parkuhr
Kon­stan­tin Pott
Foto: Sophie Ritter

Anschließend darf die LHG für sich wer­ben, für die der eben schon zitierte Kon­stan­tin Pott das Mikro­fon ergreift. Auch er hat einiges zu erzählen: die LHG sei für „mehr Dig­i­tal­isierung“, was auch Büch­er­scan­ner in jed­er Bib­lio­thek ein­schließe. Apro­pos Bib: Die „Parkuhren“, die seit einiger Zeit auch an der MLU dafür sor­gen sollen, dass die oft­mals knap­pen Bib­lio­thek­splätze nicht allzu lange von abwe­senden Studieren­den belegt wer­den, müssten „kon­se­quent genutzt wer­den“, wie Pott entsch­ieden betont. Sein näch­ster Punkt wird den Diskus­sion­steil­nehmern und dem Pub­likum an diesem Abend noch oft begeg­nen: der Umgang mit stu­den­tis­chen Geldern. „Von Stu­den­ten für Stu­den­ten“ müsse dieser erfol­gen, meint Pott, „nicht für all­ge­mein­poli­tis­che Pro­jek­te“. Des Weit­eren set­ze sich die LHG dafür ein, Arbeit­skreise (AK) des Stu­ra zu verklein­ern. Von Extrem­is­mus gren­ze man sich natür­lich auch ab, „im Gegen­satz zu drei anderen Hochschul­grup­pen“, die er nicht namentlich nennt.

Campus Alternative: Warum mag uns keiner?
Flo­ri­an Brysch
Foto: Sophie Ritter

Etwas über­raschend ist auch die Anwe­sen­heit eines Kan­di­dat­en der Cam­pus Alter­na­tive Halle (CAH), Flo­ri­an Brysch. Auch diese noch recht junge Hochschul­gruppe nahm im let­zten Jahr nicht an der Löwen­runde teil, entsandte aber eine Vertreterin in den Stu­ra. Brysch beklagt das „schlechte Image“ der CAH, die immer mal wieder mit der örtlichen „Iden­titären Bewe­gung“ in Verbindung gebracht wird, die „Ver­schwen­dung von Stu­den­ten­geld“, „Uni-ferne Demos“ des AK Protest und die fehlende Abgren­zung zu extrem­istis­chen Organ­i­sa­tio­nen – ander­er Hochschul­grup­pen, ver­ste­ht sich. Nur der Voll­ständigkeit hal­ber sei an dieser Stelle das schal­lende Lachen weit­er Teile des Saals vermerkt.

Jusos: Studieren, solange man will
Carl-Jonas Mahler
Foto: Sophie Ritter

Carl-Jonas Mahler von der Juso-Hochschul­gruppe betont, dass man sich sehr für Mod­ernisierung und Dig­i­tal­isierung an der Uni ein­set­ze und außer­dem zwei Kam­pag­nen unter­stütze, wovon eine „Studi­er doch wie du willst!“ heißt und unter anderem für weniger Prü­fun­gen beziehungsweise alter­na­tive Prü­fungs­for­men sowie die Abschaf­fung der Regel­stu­dien­zeit plädiert. 

Eure Liste: Lest doch einfach unser Wahlprogramm

Wie schon im let­zten Jahr – damals noch mit weib­lich­er Unter­stützung an sein­er Seite – repräsen­tiert Ben­jamin Bost die EuLi, was für „Eure Liste“ ste­ht. Er legt großen Wert auf die Unab­hängigkeit sein­er Gruppe, sagt, dass „stu­den­tis­ches Engage­ment“ im Vorder­grund ste­he und man alle restlichen Posi­tio­nen im Wahl­pro­gramm nach­le­sen könne.

Ben­jamin Bost
Foto: Sophie Ritter

Von der eben­falls antre­tenden Gruppe „The inde­pen­dent ones“ nah­men keine Kan­di­dat­en an der Löwen­runde teil, sie sind jedoch im Wahlo­mat zur Stu­rawahl vertreten. „Die Liste“ schickt in diesem Jahr als Hochschul­gruppe keine Vertreter ins Rennen.

Where have all the women gone?

Nach­dem alle Kan­di­dat­en ihre Posi­tio­nen ungestört dar­legen kon­nten, geht es nun etwas kon­fronta­tiv­er weit­er. Stu­ra-Öffentlichkeit­sref­er­ent Mar­tin Lohmann, der den Abend mod­eriert, richtet sich an die Gesandten der bei­den „Stu­ra-Neulinge“ EuLi und CAH: „Wie war für euch die erst­ma­lige Arbeit in den Gremien?“ Zunächst hat Brysch von der CAH das Wort: „Wir waren zu wenige, um wirk­lich etwas machen zu kön­nen.“ Er bedauert auch, dass die anderen Hochschul­grup­pen nicht zu ein­er Zusam­me­nar­beit bere­it gewe­sen wären. Ben­jamin Bost von der EuLi klingt da schon pos­i­tiv­er ges­timmt und erzählt kurz, dass er die Posi­tion des Fach­schaft­sko­or­di­na­tors in der aktuellen Leg­is­laturpe­ri­ode innehabe.

In der Folge wer­den ver­schiedene The­men kurz angeris­sen, teil­weise resul­tieren sie aus Zuschauer­fra­gen. Darunter fällt die ewige Diskus­sion um das MDV-Tick­et; ein The­ma, das nach der Abstim­mung im ver­gan­genen Novem­ber aber ver­mut­lich für eine Weile auf Eis liegen wird. Ein Stu­dent empört sich darüber, dass er Studierende „quer­fi­nanziere“, die zwar an der MLU imma­trikuliert seien, aber lieber im hip­pen Leipzig wohnen wür­den. Mit der Antwort der OLLi, die aus­drückt, dass es nach dem deut­lichen Abstim­mungsergeb­nis eigentlich nichts mehr zu disku­tieren gebe, scheint er nicht zufrieden zu sein und bemän­gelt, dass sich die Studieren­den­vertreter im Vor­feld dieser Entschei­dung nicht aus­re­ichend für die Belange aller Studieren­den einge­set­zt hät­ten. Kurz wird noch darüber debat­tiert, warum so wenige Frauen auf dem Podi­um sitzen wür­den (LHG: „Wenn denn keine möchte?“; Grüne: „Es wollte keine.“) und wie man sich den Umgang mit stu­den­tis­chen Geldern für Pro­jek­t­mit­tel vorstelle. Hier herrscht zumin­d­est sprach­lich fast ein Kon­sens: Alle möcht­en das Geld in „sin­nvolle“ Pro­jek­te steck­en. Dass die genaue Def­i­n­i­tion von „sin­nvoll“ in der Runde vari­iert, erk­lärt sich von selbst.

Der AK Antifa ist nicht der militante Arm des Stura!“
Foto: Sophie Ritter

Mar­tin stellt die näch­ste Frage: Wie gedenke man sich von „Iden­titären“ oder „Recht­en“ im All­ge­meinen abzu­gren­zen? Kon­stan­tin Pott von der LHG baut das Spek­trum der Frage sogle­ich aus und betont, dass man sich selb­stver­ständlich von allen Extremen abgren­ze und dass im Zweifel argu­men­ta­tive Auseinan­der­set­zun­gen zu bevorzu­gen seien. Ähn­lich klingt hier die Antwort des RCDS: Lem­bert legt dar, dass Halle zu einem „Zen­trum der nation­al­is­tis­chen Ide­olo­gie“ in Deutsch­land wer­den kön­nte, und dass der RCDS einen Beschluss getrof­fen habe, wonach es im Stu­ra keine Zusam­me­nar­beit mit der Cam­pus Alter­na­tive geben werde. Die CAH selb­st sei defin­i­tiv nicht „extrem­istisch“, wie ihr Vertreter fest­stellt, das Prob­lem seien eher die „auf dem linken Auge blind­en Stu­den­ten“. Unweiger­lich fällt das Wort „Antifa“, woraufhin sich noch ein­mal Lem­bert meldet und anmerkt, dass der AK Antifa „sich­er nicht der mil­i­tante Arm des Stu­ra“ sei. Der auf­bran­dende Beifall weit­er Teile des Raumes ist beachtlich, wo der RCDS doch son­st eher nicht als Vertei­di­ger link­er Anliegen Schlagzeilen macht. Die eher linksori­en­tierten Hochschul­grup­pen gren­zen sich deut­lich ab, die EuLi spricht von „zivil­isiertem Ver­hal­ten“, welch­es man immer an den Tag leg­en werde. Klara Stock berichtet, dass sich die Stu­ra-Vertreterin der CAH „alle fünf Sitzun­gen mal“ zu Wort gemeldet habe, weshalb es sel­ten die Gele­gen­heit zum direk­ten Wider­spruch gegeben hätte.

Wissenschaft um jeden Preis? Die Zivilklausel spaltet die Gemüter

Wie sieht es mit der Zivilk­lausel aus? Hin­ter dieser etwas sper­ri­gen Beze­ich­nung ver­birgt sich der Wun­sch, dass es an der Uni keine Forschung geben möge, die in irgen­dein­er Form mil­itärisch motiviert, finanziert oder aus­gerichtet sein kön­nte. Nach einem Sen­ats­beschluss aus dem Jan­u­ar 2018 find­en sich auch in der Grun­dord­nung der MLU Stellen, die man als Beleg für die Exis­tenz ein­er solchen Regel – wenn auch nicht unter dem Begriff „Zivilk­lausel“ – anführen kön­nte. Die „friedliche Nutzung“ der Forschung und die „ethis­che Ver­ant­wor­tung“ wür­den durch die Uni­ver­sität geachtet, heißt es in Para­graph 2 der Grun­dord­nung vom 24.01.2018.

Vol­lum­fänglich umge­set­zt sei diese Klausel jedoch noch nicht, wie der Stu­ra vor über einem Jahr schon fest­stellte. Geht es nach LHG und RCDS, möge dies bitte auch so bleiben; im schlimm­sten Falle schwäche eine solche Klausel den Forschungs­stan­dort Halle, wie Pott von den Lib­eralen befürchtet. Bedin­gungs­los für die Ein­führung ein­er Zivilk­lausel sind die OLLi, die Jusos und die Grünen.

Eines der ewig aktuellen The­men ist auch die Kürzung oder gle­ich Stre­ichung von Stu­di­engän­gen. Jusos, Grüne und OLLi sind kat­e­gorisch dage­gen, Brysch von der CAH ist sich hinge­gen sich­er: „Es gibt Gründe, warum die gestrichen wer­den.“ Der RCDS plädiert für Zusam­men­le­gun­gen, wenn es nicht anders gehe, die EuLi kann die Beant­wor­tung der Frage nur von Einzelfällen abhängig machen.

Die Uhr zeigt mit­tler­weile halb neun, draußen däm­mert es. Das Ende der diesjähri­gen Löwen­runde ist gekom­men, Lohmann dankt allen für ihr Erscheinen. Die vie­len, die nicht kamen, erre­icht sein Dank nicht. Ob sie am Mittwoch mehr Inter­esse an Hochschulpoli­tik zeigen?

Foto: Sophie Ritter
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