Was mit einigen Tweets begann, wird nun im Wissenschaftsausschuss des Landtages beraten: Die Berufungskommission einer Professur der Uni Halle wird beschuldigt, eine Hausberufung erlaubt und Prinzipien der Gleichberechtigung missachtet zu haben.
Selten erregt die Neubesetzung einer Professur so viel Aufsehen wie ein Fall am Institut für Politikwissenschaft der MLU. Hintergrund der Kritik sind die persönlichen Verbindungen des anvisierten Kandidaten mit der ehemaligen Amtsinhaberin der Professur für Regierungslehre und Policyforschung, Professorin Dr. Suzanne Schüttemeyer. Der im Moment als Privatdozent angestellte Dr. Sven Siefken hat bei ihr studiert, promoviert und habilitiert – ein Fakt, der für viele Kritiker:innen schwerwiegender ist als seine Nichtbeschäftigung an der MLU für einige Jahre, sogar von „Vetternwirtschaft“ ist die Rede. Vertrauliche Quellen erheben im Gespräch mit der hastuzeit den schweren Vorwurf, dass das Verfahren von Schüttemeyer sowie der Professorin für Systemanalyse und Vergleichende Politikwissenschaft, Prof. Dr. Petra Dobner, manipuliert worden sei – beginnend bereits mit der Ausschreibung der Stelle. Deswegen könne man von einer faktischen Hausberufung sprechen, schätzen mehrere Beteiligte ein.
Wenn die eigene Uni ruft …
„Wir haben hier in Deutschland die Tradition, dass Erbhöfe in der Wissenschaft vermieden werden sollen“, sagt Prof. Dr. Winfried Kluth vom Lehrstuhl für Öffentliches Recht der Uni Halle. An diesem Punkt setzt das sogenannte Hausberufungsverbot an. Es soll verhindern, dass Angehörige einer Universität zu Professor:innen an derselben Uni berufen werden. „Deswegen gilt der Grundsatz, dass man sich nach seiner Qualifikation, also nach Promotion und Habilitation, an einer anderen Universität bewerben soll“, so Kluth.
Die Gründe für dieses Verbot liegen nahe: Persönliche Beziehungen dürfen bei der Stellenvergabe keine Rolle spielen, und Professor:innen von außerhalb sind vielleicht eher dazu im Stande, neue Ideen und Impulse in einen Lehrstuhl hineinzutragen. Trotzdem kehren einige Professor:innen an ihre frühere Universität zurück. Denn für das Hausberufungsverbot gibt es Ausnahmen. § 36 Absatz 3 Satz 4 im Hochschulgesetz des Landes Sachsen-Anhalt besagt, dass Angehörige der eigenen Hochschule in „begründeten Ausnahmefällen“ berücksichtigt werden, wenn sie nach ihrer Promotion die Hochschule gewechselt hatten oder mindestens zwei Jahre außerhalb der berufenden Hochschule beschäftigt waren.
Wer eine entsprechende Anstellung oder Tätigkeit außerhalb der eigenen Hochschule hatte, habe seinen beziehungsweise ihren Marktwert unter Beweis gestellt, so Kluth, und könne dank der Ausnahme nach zwei Jahren wieder zurückberufen werden. Die Regelung sei sinnvoll: Zum einen, weil gerade kleine Fächer, die es nur ein- oder zweimal im deutschsprachigen Raum gibt, darauf angewiesen seien, ihren eigenen wissenschaftlichen Nachwuchs berufen zu können. Zum zweiten stelle das Hausberufungsverbot eine Einschränkung des Verfassungsrechtes dar, nach dem jede Person den gleichen Zugang zu öffentlichen Ämtern, zu denen auch die Professuren zählen, haben muss. Das steht in Artikel 33 Absatz 2 des Grundgesetzes. Durch das Hausberufungsverbot wird dieses Grundrecht eingeschränkt, die Ausnahmeregelung soll die Verhältnismäßigkeit dieser Einschränkung wahren. „Wir wären ja auch eingeschränkt, wenn wir besonders guten wissenschaftlichen Nachwuchs haben, den wir nicht mehr berufen könnten“, so Kluth. „Das wäre auch für uns von Nachteil. Die Idee der Bestenauslese wäre beschränkt.“
Siefken war seit 2016 nicht mehr am Institut für Politikwissenschaft beschäftigt. Rein formaljuristisch sollte der Vorwurf der Hausberufung daher abzuweisen sein, da er sich nicht aus einer Anstellung an der MLU heraus auf die Professur beworben hat. Dies wurde auch im Verlaufe des Verfahrens im Fakultätsrat diskutiert, der den Fall einer Hausberufung dementsprechend juristisch nicht gegeben sah.
Viele Kritiker bemängeln jedoch den Beigeschmack von Vetternwirtschaft, der den Fall umgebe. So meint jemand, der mit dem Verfahren vertraut ist: „Es war allen bewusst, dass da ein ganz schönes Geschmäckle dabei ist“. Die gleiche Quelle beschreibt außerdem, dass gezielt darauf geachtet worden sei, dass juristisch alles korrekt ablaufe, um später ebensolche Vorwürfe zurückweisen zu können. Es stellt sich hier jedoch die Frage: Wo zieht man die Grenze zwischen Recht und Anstand? Obwohl juristisch gesehen der Vorwurf einer Hausberufung vermutlich nicht bestätigt werden kann, hinterlässt der Vorgang auch bei Kommentierenden auf Twitter den Eindruck, dass etwas nicht hundertprozentig „sauber“ abgelaufen ist. Dr. Michael Hein, einer der Bewerber um die Professur, bemerkt dazu: „Dass der Kandidat entgegen aller offensichtlichen Gründe auf Platz 1 gelandet ist, ist für mich ein klarer Fall von Nepotismus.“
Welche Angriffspunkte gibt es?
Die Kritik setzt bereits bei der Ausschreibung an. Dort werden Drittmittel nicht erwähnt, was für eine Ausschreibung einer Professur sehr untypisch ist. Oft wird erwartet, dass der Bewerbende bereits Drittmittel eingeworben hat und aufgrund dieser Erfahrung auch als Professor:in in der Lage ist, Mittel für Forschungsprojekte zu akquirieren. Dr. Siefken hatte zum Zeitpunkt der Bewerbung noch keine Drittmittel erhalten – ein im Berufungsverfahren involvierter Insider kommentiert dazu, dass man bei der Ausschreibung natürlich „Siefken im Hinterkopf hatte, da muss man sich nichts vormachen.“ Gleichzeitig erklärt die Quelle jedoch auch, dass bewusst der Aspekt der Drittmittel außen vor gelassen wurde, da die Kommission eine generelle Kritik an der Bedeutsamkeit von Drittmitteln in Stellenanzeigen verüben wollte. Drittmittel seien auch bei früheren Stellenentscheidungen am Institut nicht das entscheidende Merkmal gewesen. Die Ausschreibung sei daher kein „abgekartetes Spiel“ gewesen, auch wenn die Erwähnung von Drittmitteln tatsächlich oft Standard in Stellenanzeigen dieser Dimension sei.
Bei der Besetzung von Professuren taucht oft das Stichwort „Bestenauslese“ auf – Stellen sollen meritokratisch, also gemessen an der höchsten akademischen Leistung, vergeben werden, um neue Impulse von außen zu integrieren und den wissenschaftlichen Standard auf hohem Niveau zu halten. Kritiker des Berufungsverfahrens merken jedoch an, dass in diesem Fall nicht nach diesem Prinzip vorgegangen wurde. Da Siefken bereits bei Schüttemeyer studiert hat, wird kritisiert, dass er praktisch die gleichen Standpunkte wie sie vertrete und methodisch wenig Vielfalt ans Institut bringe. Außerdem wird bemängelt, dass er wenig wissenschaftliche Erfahrung und einen Mangel an Internationalität vorzuweisen habe: nur zwei englische Veröffentlichungen, Aufsätze vor allem in der „Zeitschrift für Parlamentsfragen“, die von Schüttemeyer herausgegeben wird, und wenig Peer-Reviews. Laut seiner Publikationsliste auf der Website der MLU hat Siefken 7 von 18 Beiträgen in Zeitschriften und Sammelbänden in der Zeitschrift für Parlamentsfragen veröffentlicht, außerdem zwei weitere in Zusammenarbeit mit Schüttemeyer. Gerade im Vergleich zu einem anderen Kandidaten, der bereits in Großbritannien gelehrt, mehrere englischsprachige Veröffentlichungen vorzuweisen hat und auch andere fachliche Meinungen vertritt als Schüttemeyer, kann Siefken eventuell nur mit einem etwas weniger scharf umrissenen Profil aufwarten. Zudem war er einige Jahre nicht in der Wissenschaft tätig. Allerdings hat Siefken seit Beginn des Berufungsverfahrens mehrere Artikel veröffentlicht.
Berufungsinterne Quellen werfen ein neues Licht auf die Abläufe bei der Abstimmung innerhalb der Kommission: So sei aus persönlichen, mit Sympathieaspekten verbundenen Gründen nicht für den möglicherweise qualifizierteren Kandidaten gestimmt worden, obwohl dieser mehr Lehrerfahrung, Internationalität und Peer-Reviews vorzuweisen habe. Die Insider unterstreichen außerdem, dass für Studierende Drittmittel wenig entscheidend seien – die Studis würden jemanden unterstützen, „der ihnen etwas beibringen kann“. Ein anderer Grund für die Reihung der Kandidaten könnte laut mehreren mit dem Verfahren vertrauten Personen darin liegen, dass der Schwerpunkt des Institutes, der sich auch im Master „Parlamentsfragen und Zivilgesellschaft“ widerspiegelt, essentiell für die Reihung der Kandidaten gewesen sei. Siefken sei demnach als Student Schüttemeyers und des hallischen Institutes Experte auf dem Bereich der Parlamentarismusforschung und habe in der Bewerbungsphase betont, dass er den Master evaluieren und weiterentwickeln wolle. Dies hatte ihn laut am Verfahren beteiligten Personen vor allen anderen Kandidaten platziert. Letztendlich sei es jedoch „eine enge Kiste“ gewesen. Aus dem Institut und dem Rektorat möchte sich auf Anfrage der hastuzeit niemand zitieren lassen, da es sich um ein aktuelles Verfahren handle und Personalangelegenheiten nicht kommentiert werden könnten.
Keine Bewerberin zum Vorsingen eingeladen
Nicht nur der Vorwurf der Hausberufung hinterlässt bei vielen Kritikern einen negativen Beigeschmack: Auch der Fakt, dass keine weibliche Bewerberin zu den Anhörungen eingeladen wurde, erzeugt Verwunderung. Eine Bewerberin wurde zunächst in die nächste Bewerbungsrunde zugelassen und dann anhand eines studentischen Kurzgutachtens aussortiert. Damit schaffte es keine der sechs Bewerberinnen in die letzte Auswahlrunde. In der Berufungsordnung für Juniorprofessuren unter § 6 Absatz 3 wird explizit dazu aufgefordert, alle Bewerberinnen einzuladen, welche über die in der Ausschreibung geforderten Voraussetzungen verfügen. Bei der hier im Fokus stehenden Ausschreibung handelt es sich nun nicht um eine Juniorprofessur, sondern um eine W3-Professur. Bedeutet das jedoch, dass der Fall anders behandelt werden sollte?
Laut kommissionsinternen Quellen wurde einstimmig entschieden, diese A‑kategorisierte Bewerberin nicht zur Anhörung einzuladen. Ihr Forschungsschwerpunkt verhinderte mutmaßlich eine Einladung, denn diese Bewerberin war die einzige, die sich in ihrer Arbeit auf den zweiten Teilbereich der Professur, die Policyforschung, konzentriert. Die Bewerber, die schließlich zu den Gesprächen eingeladen wurden, repräsentieren eher die Regierungslehre und damit den Institutsfokus. Dass es diesbezüglich keine Diskussion gab, wurde von mehreren Seiten bestätigt: „Wenn sie eine reelle Chance gehabt hätte, wäre sie auf jeden Fall eingeladen worden.“Die Bewerberin selbst wollte sich auf Nachfrage der hastuzeit nicht äußern.
Hätte diese Bewerberin trotzdem eingeladen werden sollen, nur damit keine Kritik an mangelnder Gleichberechtigung aufkommt, gerade weil es sich zu einem Angriffspunkt in einer juristischen Auseinandersetzung entwickeln könnte? Oder ist hier nicht vielmehr zu hinterfragen, warum sich überhaupt nur sechs Frauen auf die Stelle beworben haben und damit nur circa ein Fünftel der Bewerber:innen weiblich war?
Die nächste Instanz
Einer der Bewerber, Dr. Christian Stecker, der am Mannheimer Zentrum für Europäische Sozialforschung der Uni Mannheim tätig ist, wollte die Vorgänge nicht auf sich beruhen lassen. Jede Person, die in dem Bewerbungsverfahren abgelehnt wurde, hat das Recht, das Verfahren gerichtlich überprüfen zu lassen. Diese sogenannte Konkurrentenklage kann sich über Monate ziehen und verzögert damit die Stellenbesetzung. So lange das Gericht die Rechtmäßigkeit des Berufungsverfahrens nicht bestätigt hat, kann der:die betroffene Professor:in nur als Vertretung eingestellt werden. „Die Konkurrentenklage ist rein juristisch ein ganz normaler Vorgang, und man muss abwarten, was am Ende rauskommt“, sagt Professor Kluth. „Das ist in unserem Rechtssystem so angelegt, und deswegen gibt es jetzt weder einen Grund, beunruhigt zu sein, dass da was Schlimmes passiert ist, noch zu sagen: Das ist ein Bösewicht, der so einen Antrag stellt.“
In einem Bericht der Mitteldeutschen Zeitung kommt auch Stecker zu Wort, gegenüber unserer Zeitschrift will er sich jedoch nicht mehr zum Fall zitieren lassen. Auf Twitter kommentiert er: „Die Nummer ist aber von vorn bis hinten so krass, dass Klagepflicht bestand.“ Er hätte sich nie träumen lassen, dass er einmal zu solchen Mitteln greifen würde. Aufgrund der eingereichten Klage, welche sich immer noch in der Anwaltsphase befindet, kann die Berufung nicht wie geplant durchgeführt werden. Dies ist durchaus für mehrere Seiten problematisch: Einerseits stehen das Institut, aber auch universitäre Gremien wie der Senat, der Fakultätsrat und schlussendlich das Rektorat massiv unter Kritik. Nun wird der Skandal sogar im Wissenschaftsausschuss des Landtages von Sachsen-Anhalt beraten; höchstwahrscheinlich müssen dabei Vertreter:innen der Uni Halle unter Ausschluss der Öffentlichkeit den Ausschussmitgliedern Rede und Antwort stehen. Dass ein Berufungsverfahren in einem Landtagsausschuss diskutiert wird, passiert höchst selten und unterstreicht die Brisanz der Angelegenheit.
Andererseits wirkt sich die Zwangspause im Berufungsverfahren negativ auf die Studierenden aus. Ohne eine dauerhaft besetzte Professur können sie sich wenig darauf einstellen, wer ihre Abschlussarbeiten betreuen wird – was vor allem in den Masterprogrammen Probleme bereitet. Zudem ist die Professur bereits seit mehreren Semestern nur vertretungsweise besetzt.
In der Debatte auf Twitter hat Stecker viel Zuspruch erhalten. Online betonte er, dass er, obwohl er natürlich auch persönliche Gründe für die Klage habe, jeder:m Kolleg:in gratuliert hätte – ein solches Verfahren könne er jedoch nicht akzeptieren. Auch Michael Hein, der sich auf Twitter aktiv beteiligt und dort viele zusätzliche Informationen zu der Diskussion beigesteuert hat, erklärt: „Es gab von unglaublich vielen Kollegen sehr viel Zuspruch, sowohl öffentlich auf Twitter als auch privat. Ich habe ausschließlich positive Rückmeldungen bekommen.“
Formale Korrektheit vs. Transparenz
Laut den Pressemitteilungen der Uni Halle wurden zwischen Januar 2017 und Oktober 2019 insgesamt 73 Professor:innen berufen. Von diesen haben acht an der MLU studiert, promoviert und/oder habilitiert.
Juristisch gesehen wird der Vorwurf der Hausberufung vermutlich abgewiesen werden. Insbesondere scheint Dr. Siefken in diesem Fall gerade aufgrund seines Forschungsschwerpunktes ausgewählt worden zu sein, auf den er durch Studium und Zusammenarbeit mit Schüttemeyer geprägt wurde. Aus Sicht der Berufungskommission war er deshalb wohl der geeignetste Kandidat für die Stelle.
Allerdings lässt die öffentliche und lautstark geäußerte Kritik doch stutzen. Berufungsverfahren dieser Art sind womöglich an Universitäten keine Seltenheit – dieser Fall zeichnet sich eher durch die Stärke der öffentlichen Resonanz aus, die durch den Beginn des juristischen Verfahrens weiter intensiviert wurde. Den Kritiker:innen scheint es dabei weniger um den konkreten Fall zu gehen, sondern um „Geschmäckle“ und Intransparenz bei Berufungsverfahren im Allgemeinen. In Halle schlägt dieses Berufungsverfahren Wellen, die nun auch vor der Politik nicht Halt machen: Der Wissenschaftsausschuss des Landtages Sachsen-Anhalt wird sich auf Antrag der Fraktion Die Linke vermutlich im Juni 2020 mit der Thematik beschäftigen. Es bleibt abzuwarten, ob die Forderung von Kritiker:innen, das Verfahren neu aufzurollen und transparenter zu gestalten, in den nächsten Monaten erfüllt wird. Wie so oft ist daher abzuwägen: Was ist formal gesehen legitim, und was ist unter den Gesichtspunkten von Transparenz und Fairness korrekt?
Wie wird eine Professur besetzt?
Wenn ein Lehrstuhl neu besetzt werden soll, muss sich zunächst der Institutsvorstand des betreffenden Instituts über die inhaltliche Ausrichtung des Lehrstuhls abstimmen. Der inhaltliche Schwerpunkt und das Anforderungsprofil werden in einem Ausschreibungsvorschlag zusammengefasst. Dieser Vorschlag wird im jeweiligen Fakultätsrat zur Abstimmung vorgelegt. Stimmt der Fakultätsrat dem Vorschlag zu, wird er an das Rektorat und den Senat weitergeleitet. Verabschieden diese beiden Gremien den Entwurf, kann die Ausschreibung veröffentlicht werden. Das Anforderungsprofil, das in der Ausschreibung genannt wird, ist im späteren Bewerbungsprozess für die Berufungskommission (BK) bindend.
Die Berufungskommission setzt sich in der Regel aus 13 Mitgliedern zusammen. Den Vorsitz hat in der Regel der:die Dekan:in. Stimmberechtigt sind in der Berufungskommission drei Professor:innen aus der betreffenden Fakultät, ein:e intern:e Externe:r, also ein:e Professor:in einer anderen Fakultät, ein externes Mitglied einer anderen Universität, zwei Studierende und zwei Personen aus dem Mittelbau der jeweiligen Fakultät. Beratende Funktion haben der:die Gleichstellungsbeauftragte, der:die Schwerbehindertenbeauftragte und der:die Senatsberichterstatter:in.
Das Auswahlverfahren startet damit, dass Bewerber:innen zunächst einen ausgefüllten Bewerbungsbogen mit Anschreiben und Zeugnissen an die Hochschule schicken. Wer den rein formalen Anforderungen der Ausschreibung nicht genügt, fliegt schon zu Beginn bei der Prüfung der Bewerbungsbögen raus. Die Berufungskommission sortiert die Bewerber:innen nach dem ABC-Verfahren. Die A‑Gruppe wird in die nächste Runde aufgenommen, die B‑Gruppe wird noch einmal angesehen, und die C‑Gruppe ist an dieser Stelle sicher aus dem Verfahren ausgeschieden.
Zu diesem Zeitpunkt des Verfahrens wird auch die Befangenheit der Kommissionsmitglieder nach Richtlinien der Deutschen Forschungsgesellschaft überprüft. Die Mitglieder müssen selbst offenlegen, ob sie möglicherweise befangen sein könnten. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn ein Kommissionsmitglied eine:n Bewerber:in kennt oder schon einmal mit ihm:ihr zusammengearbeitet hat. Wird der:die Bewerber:in in die nächste Runde aufgenommen, muss ein befangenes Mitglied die Berufungskommission verlassen.
Nach der ersten Auswahlrunde bleiben etwa zehn bis zwanzig Personen übrig. In der zweiten Bewerbungsphase werden die Schriften der Bewerber:innen angefordert, das heißt schriftliche Publikationen wie Bücher, Artikel und Paper. Die Schriften werden von einem bis zwei Mitgliedern der Kommission gelesen. Sie erstellen ein Kurzgutachten und geben eine Empfehlung über die ABC-Klassifizierung ab. Innerhalb der Berufungskommission wird dann abgestimmt, wer in die A‑Gruppe gewählt wird und in die nächste Runde kommt.
Bis hierhin unterliegt alles in dem Verfahren der Geheimhaltung. Nun werden die verbliebenen Bewerber:innen, etwa acht Personen, zu den Anhörungen eingeladen. Die Anhörungen bestehen aus öffentlichen 30-minütigen Vorträgen mit anschließender Diskussion, an welche sich ebenfalls halbstündige Diskussionen unter Ausschluss der Öffentlichkeit anschließen.
Nach diesem Prozess entscheidet die Berufungskommission, welche drei bis vier Personen für die Professur geeignet sind und somit auf die sogenannte Liste kommen. Zunächst erfolgt diese Entscheidung ohne Festlegung einer Rangfolge. Die Rangfolge entscheidet später darüber, welche Person berufen wird. Bevor sie festgelegt wird, werden externe Gutachter:innen angefordert, die die Bewerber:innen aufgrund der Schriften beurteilen.
Jede:r Gutachter:in schlägt eine Reihenfolge für die Liste vor. In der Berufungskommission wird schließlich geheim über die Rangfolge abgestimmt. Die Abstimmung verläuft nach dem Prinzip der doppelten Mehrheit: Sowohl die Mehrheit der Kommissionsmitglieder muss der Rangfolge zustimmen als auch die Mehrheit der Professor:innen.
Die Person, die den ersten Listenplatz besetzt, soll berufen werden. Diese Entscheidung muss anschließend von den verschiedenen Gremien verabschiedet werden. Zuerst stimmt der erweiterte Fakultätsrat über die Liste ab, danach das Rektorat, der Senat, und schließlich muss auch das Wissenschaftsministerium zustimmen. Der Senat bestimmt zudem Mitglieder einer Berufungsprüfungskommission, die das Verfahren anhand aller gesammelten Unterlagen und Protokolle noch einmal genau durchsieht. Diese Kommission prüft, ob die Entscheidungen nachvollziehbar waren, alle Argumente offengelegt wurden und die Begründungen überzeugen. Nur wenn an keiner Stelle dieses Verfahrens Einspruch erhoben wurde, kann das Rektorat den Ruf an die ausgewählte Person erteilen.
Text: Ellen Neugebauer, Jonas Kyora
Ich finde das alles sehr seltsam, fast kafkaesk. Die Uni hat noch nie einen Ton zu dieser Sache gesagt, während andauernd irgendwelche neuen Anschuldigungen in der Öffentlichkeit kommen. Das ist gegenüber dem Lehrstuhlvertreter unfair und irgendwie auch gegenüber den Studierenden. Man darf doch in einer Demokratie erwarten, dass mit offenem Visier diskutiert wird und sich die Uni nicht so versteckt. Ich will z. B. wissen, ob Prof. Dobner tatsächlich auch bei Prof. Schüttemeier promoviert und habilitiert hat und ob dass nun ganz normal ist oder nicht.
Als Schüttemeyer noch am Institut war, war es offensichtlich, dass Dobner und sie ziemlich “dicke” miteinander waren. Was Dobner bei Schüttemeyers Verabschiedung gesagt hat, spricht auch ganz deutlich dafür. Ist sogar nachvollziehbar auf: https://www.iparl.de/de/news-details/abschiedsvorlesung-suzanne-s-schuettemeyer.html
“Zuvor wurden die Anwesenden von Prof. Dr. Petra Dobner, Inhaberin des Lehrstuhls für Systemanalyse und Vergleichende Politikwissenschaft, begrüßt. Als Dekanin der Philosophischen Fakultät I ist sie zugleich Nachfolgerin von Suzanne S. Schüttemeyer, die dieses Amt von 2014 bis 2018 innehatte. Dobner sprach die verschiedenen Stationen Schüttemeyers an und würdigte sie auf sehr persönliche Weise als treue Begleiterin und leidenschaftliche Verteidigerin der parlamentarischen Demokratie.”
“Die Zweitgutachterin der Dissertation, Prof. Dr. Suzanne Schüttemeyer, hat mir in den letzten Jahren durch ihre tatkräftige Unterstützung, kluge Menschlichkeit und einen ebenso außerordentlichen Sinn für Humor wie scharfsinnigen Verstand gezeigt, wie fröhlich ernste Wissenschaft sein kann. Ihr Dank zu sagen, ist bei weitem zu wenig.” (Dobner 1999, Konstitutionalismus als Politikform, S.7)
Liebe Anne, Vielleicht ist es langsam aber sicher an der Zeit dass sich das Institut oder auch der Lehrstuhlinhaber zu Wort melden. Schweigen bringt in dieser Angelegenheit nichts. Vielleicht wäre es sinnvoll, dass zu den Vorwürfen Stellung genommen wird. Was uns Studierenden allerdings unfair gegenüber sein sollte, erschließt sich mir nicht. Könntest du das näher ausführen? Wir haben mit der Berufung nichts zu tun und es wird an anderer Stelle entschieden. Fakt ist: Klagen um eine derartige Position gibt es selten an der MLU und wenn jetzt bereits mit einer zweiten Klage gedroht wird, weiß ich nicht, ob es förderlich… Weiterlesen »
Danke, Jenny! Ich meinte mit “unfair”, dass die Studierenden als Mitglieder der Uni ein Recht haben, die genauen Positionen und Begründungen der Profs zu erfahren, wenn so eine umstrittene Sache durchgeführt wird. Aber man hört ja überhaupt nichts von der Uni. Dass Prof. Dobner und Prof. Schüttemeyer anscheinend befreundet sind und Prof. Dobner dann über die Nachfolge mitbestimmt, ist natürlich alles andere als “sauber”. Wie ist dass denn aber gekommen, dass Prof. Dobner auch in Halle ist, obwohl sie bei Prof. Schüttemeyer, die ja seit vielen Jahren in Halle war, promoviert und habilitiert hat? Das muss doch dann praktisch genauso… Weiterlesen »
Wie du in der Dissertation von Prof. Dr. Dobner nachlesen kannst, war Schüttemeyer Zweitgutachterin der Dissertation und somit an der Korrektur sowie Betreuung beteiligt! Ich hoffe das hilft erst einmal
Johanna Mierendorff, die Prorektorin für Personal (!), die dieses verkungelte Verfahren im Fakultätsrat recht aufdringlich verteidigt hat, ist übrigens auch in Halle Professorin geworden, nachdem sie bereits über 10 Jahre hier als WiMi gearbeitet hat (bei Prof. Thomas Olk, bei dem sie auch habilitiert hat) und dann mal ein Jährchen woanders war: https://paedagogik.uni-halle.de/arbeitsbereich/paedagogik_der_fruehen_kindheit/team/mierendorff/
Da hat man sicher eine Menge Sympathie für Hausberufungen übrig. Es schadet dann auch nicht, wenn sich Mierendorff und Dobner über Olk bzw. verschiedene Projekte (Hamburger Programm „Sozialräumliche Angebote der Jugend- und Familienhilfe) ganz gut kennen.
Das ganze ist so unglaublich peinlich und beschädigend für die MLU!
Hallo Peter,
Schade, dass du augenscheinlich nicht im Stande bist, die von dir hinzugezogenen Quellen richtig zu lesen. Auch scheinst du das System ‘Habilitation’ nicht ganz zu verstehen. Dann würdest du nämlich einerseits wissen, dass Personen nicht bei einer anderen Person habilitieren, sondern die Lehrbefugnis durch eine Fakultät / Fachbereich erteilt wird und andererseits, dass Frau Mierendorff nicht in Halle, sondern Hildesheim, habilitiert hat. Wenn du schon hetzen musst, dann informiere dich doch das nächste Mal etwas besser 😉
Beste Grüße!
Hallo Hans, oh wie schlimm, da habe ich akademisches Kauderwelsch nicht ganz richtig verwendet. Natürlich betreuen Menschen diese Habilitationen und dass sie in Halle habilitiert hat, habe ich gar nicht behauptet. Es geht ja auch eigentlich nicht um JM, aber man fragt sich natürlich, warum bestimmte Leute dieses Komplott mitgemacht haben und dann finden sich halt ein paar mögliche Gründe. Hetzen??? Fakten nennen, ist nicht hetzen. Wie oft besucht denn die Prorektorin sonst den Fakultätsrat und verteidigt eine ganz bestimmte Berufung, die vorher im Fakultätsrat durchgefallen ist? Wie oft wird denn die Uni wegen einem Verfahren verklagt, mit einer weiteren… Weiterlesen »
Ich würde wirklich gern mehr Argumente zur Verteidigung dieser Sache hören. Die Uni hat sich bisher nirgendwo geäußert. Dass jemand “hat habilitiert” und nicht “wurde habilitiert” geschrieben hat, wird ja hoffentlich nicht das einzige Argument gegen die Kritiker*innen dieses Verfahrens sein.
“Zuallererst sei all denen warmer Dank gesagt, die mir an den Universitäten Hildesheim und Halle die Habilitation ermöglicht haben.” (Johanna Mierendorf, 2010, Kindheit und Wohlfahrtsstaat, S. 5). ZwB Franckeplatz, Erziehungswissenschaften EF 272 Mie
Nachtrag: Was hat das denn zu bedeuten, dass die AfD (!!!) das Berufungsverfahren verteidigt? https://www.facebook.com/afdfraktion.lsa/photos/a.1079991518690155/3201893849833234/?type=3
Kann mir das jemand beantworten?
Ich würde sagen, das sagt über das Verfahren nichts aus. Die AfD ist einfach durch “Gleichstellung” getriggert worden und hat ihren Senf dazu gegeben (Qualität statt Quote, blablabla) ohne sich auch nur im Ansatz mit dem Skandal beschäftigt zu haben.
Gab es das denn schonmal, dass zweimal geklagt wird? https://www.mz-web.de/halle-saale/causa-politik-professur-es-droht-zweite-klage–wird-umstrittene-berufung-wiederholt–36945656
Warum wird das Verfahren cenn nicht einfach wiederholt, wenn so viele Politikwissenschaftler es kritisieren? Die Präsidentin der Europäischen Vereinigung für Politikwissenschaft hat laut MZ gesagt, dass das “ein absoluter Skandal” ist.
Ich habe bisher — und ich bin wirklich schon länger an der Uni- noch nie erlebt, dass es zwei Klagen gegeben hat. Ich habe es allerdings auch noch nie erlebt, dass eine Berufung derart viel Empörung — und ich rede hier nicht von einseitiger Empörung- ausgelöst hat.
Auch habe ich noch nie erlebt, dass sich im Landtag mit einer Berufung befasst wurde, in der Regel gibt es dafür ja auch keinen Grund oder Anlass.
Ich stelle mir allerdings auch die Frage, warum man dieses Verfahren nicht einfach wiederholt. Vielleicht kann uns ja jemand erklären, warum dies nicht möglich ist?
Hallo hastuzeit-Verfasser, in aller erster Linie ein großes Dankeschön für diesen Artikel. Ich bin über euren Text mit der Situation erstmals in Verbindung gekommen, fand eure Darstellung überwiegend gut die verschiedenen Seiten abwägend und zugleich auch Stellung beziehend. Ich finde auch den Kommentar von Johanna sehr bereichernd, die ein paar dann doch nicht eindeutige Passagen aufgreift. Eure Replik inkl. den präzisen Unterscheidungen gefällt mir erneut gut. Ich hätte mir aber gewünscht, ihr hättet Kritik in einigen Stellen etwas deutlicher abgetrennt. So empfinde ich die Nutzung des im Sprachgebrauch negativ behafteten Wortes “Skandal” störend. Auf mich wirkt es, als ob dies… Weiterlesen »
Hallo Yannick, vielen Dank für dein Feedback und die konstruktive Kritik! Vermutlich ist die Wortwahl „Skandal“ zu negativ behaftet um noch neutral zu sein. Im Laufe der Recherche ist dieses Wort jedoch immer wieder aufgekommen, weshalb es sich auch im Artikel wiederfindet. Gerade in der Diskussion auf Twitter, an der sich viele Politikwissenschafler:innen beteiligen, wird es ziemlich eindeutig als ein solcher bezeichnet. Wir haben versucht beide Seiten differenziert darzustellen. Dies gestaltete sich jedoch mitunter schwierig, da sich von Seiten der Uni Halle und dem Institut für Politikwissenschaft niemand zum Verfahren äußern wollte. Aber wir nehmen die Kritik sehr ernst und… Weiterlesen »
Hallo Paula, danke für deine Rückmeldung. Ich habe im Nachgang gemerkt, dass mein Kommentar kritischer klang, als er es eigentlich sollte. Insgesamt finde ich den Artikel von euch echt gut und auch differenzierend! Ging mir dann eher um Verbesserungsanregungen. (Siehe Wortwahl Skandal. Gerne Skandale Skandale nennen, nur eben erkennbarer.) Das mit der Trennung in der Printausgabe habe ich später auch gesehen, da finde ich es gelungen. Wahrscheinlich kompliziert, wenn man Layout für verschiedene Darstellungsseiten konzipiert. Ich denke seit dem Lesen des Artikels darüber nach, auf welche Weise man solche Besetzungen verhindern oder zumindest erschweren kann. Wahrscheinlich müssten in den Lehrbetrieb… Weiterlesen »
Jetzt habe ich in der FAZ gelesen, dass Prof. Dobner auch schon bei Schüttemayer habilitiert hat und wie PD Dr. Siefken auch lange bei ihr Mitarbeiterin war. Ist Frau Dobner dann auch in einer so Art Hausberufung in Halle Prof geworden? Prof. Dobner war ja auch in der Berufungskomission für die Nachfolge von Frau Schüttemeyer. Ich dachte, man darf als Mitglied die Bewerber da gar nicht so gut kennen. Und dann hat der Fakultätsrat die Berufungsliste im Februar 2019 ja eigentlich abgelehnt, aber Prof Dobner hat dann gemeint, dass das ungültig war und nochmal abstimmen lassen. Außerdem steht in der… Weiterlesen »
Liebe hastuzeit, Danke für den interessanten Beitrag, der unser Institut aufwühlt. Für mich und einige andere bleiben noch wichtige Fragen offen. Vielleicht konnten sie ja bei Ihren Recherchen diese auch beantworten und es steht nur nicht im Artikel? Sie schreiben am Schluß: Den Kritikern scheint es weniger um den konkreten Fall zu gehen, sondern um “Geschmäckle” und Intransparenz bei Berufungsverfahren im Allgemeinen. Warum beschweren sich dann jetzt so viele wegen diesem Verfahren und nicht anderen? Hat dieser Michael Hein, der Bildungsausschuss, der Kläger, die MZ nichts Besseres zu tun? Wenn der Privatdozent seit 2016 nicht mehr am Institut gearbeitet hat, besaß… Weiterlesen »
Liebe Johanna, Ich habe zwar mit dem Verfahren nichts zu tun, aber ich denke ich kann dir bei einigen Fragen sicherlich weiterhelfen. Zu den Kommissionen: Ja, es ist durchaus unüblich bei derartigen Verfahren, wenn man bereits im Vorfeld jemanden im Hinterkopf hat. Ich weiß nicht, ob du jemals Teil einer Kommission warst oder jemanden kennst, der an einer solchen Kommission teilgenommen hat. Ich habe mehrere Professurneubesetzungen mitbekommen in meinem alten Lehrbereich und kann dir sagen, dass alle 3 Professuren mit Personen besetzt worden sind, die weder an unserer Universität promoviert oder habilitiert wurden und kann nur sagen, dass es den… Weiterlesen »
Hallo Johanna, vielen Dank für deine Nachricht und dein Interesse. Unserer Einschätzung nach spielten sicher auch bei einigen Kritiker:innen persönliche Sentiments eine Rolle, gerade bei Bewerber:innen, die nicht den gewünschten Rangplatz erhalten haben. Nichtsdestotrotz war dieser Fall vermutlich für einige einfach das Zünglein an der Waage und dementsprechend der Anlass, um generelle Kritik an Intransparenz während Berufungsverfahren zu äußern. So publik diskutiert wird das Verfahren aber auch vor allem aufgrund der eingereichten Konkurrentenklage und dem Kläger, der seinen Unmut offen kommuniziert hat, was sonst eher selten der Fall ist. Der Privatdozent war nach seiner Tätigkeit an der MLU bis 2017 in… Weiterlesen »