Wenige The­men sind heute so wichtig wie Gle­ich­stel­lung. Auch die Uni­ver­sitäten haben das erkan­nt und sie sich auf die Fah­nen geschrieben. Den­noch gibt es nur wenige Frauen, die den Vor­sitz ein­er Uni­ver­sität innehaben. Und keine Ost­deutschen. Wie kann das heutzu­tage noch sein?

Aller Voraus­sicht nach wird der neue Inhab­er – wohlge­merkt Inhab­er – der Pro­fes­sur für Regierungslehre und Pol­i­cy­forschung – über dessen Beru­fung mehr im vor­ange­hen­den Artikel zu lesen ist – weiß, männlich und in den alten Bun­deslän­dern geboren sein. Er kann nichts dafür, ist damit aber trotz­dem der Pro­to­typ eines Lehren­den an ein­er deutschen Uni­ver­sität. Und nicht nur das. Er passt damit fast per­fekt in das klas­sis­che Bild eines Uni­ver­sität­srek­tors oder ‑präsi­den­ten.

Johan­na Weber, Vizepräsi­dentin der
Hochschul­rek­torenkon­ferenz (Foto: HRK-Pressestelle) 

Der durch­schnit­tliche Chef ein­er Uni­ver­sität ist, wie eine Studie des Cen­trums für Hochschu­len­twick­lung (CHE) her­aus­ge­fun­den hat, 59 Jahre alt, weiß und zu 75 Prozent männlich.Von 84 deutschen Uni­ver­sitäten wer­den 21 von ein­er Frau geleit­et, erk­lärt Pro­fes­sorin Johan­na Weber. Sie ist als Vizepräsi­dentin der Hochschul­rek­torenkon­ferenz (HRK) unter anderem zuständig für Gle­ich­stel­lung und Diver­si­ty und selb­st eine der weni­gen Frauen, die den Vor­sitz ein­er Uni­ver­sität innehaben – den der Uni Greifswald. 

„Das The­ma ist für alle Bere­iche der Hochschulen wichtig“, sagt sie. Vor allem bei den Führungspo­si­tio­nen sei es um die Gle­ich­stel­lung noch schlecht bestellt. Gründe dafür sieht sie auf ein­er anderen Ebene. „Lei­der ist es immer noch so, dass nicht ein­mal ein Vier­tel aller Pro­fes­suren mit Frauen beset­zt sind. Das heißt, es ste­hen von vorn­here­in sehr viel weniger Frauen als Män­ner für solche Posi­tio­nen zur Verfügung.“ 

Die HRK habe dieses Prob­lem erkan­nt und auf ihrer let­zten Mit­gliederver­samm­lung im Novem­ber sehr deut­lich darauf hingewiesen, so Weber. Trotz des gerin­gen Anteils hat sich in den let­zten Jahren viel getan. „Gle­ich­stel­lung ist generell ein wichtiger Aspekt bei allen The­men, die wir in der HRK behan­deln. Die Präsi­dentin­nen und Rek­torin­nen tre­f­fen sich zudem regelmäßig zu einem Aus­tausch über aktuelle Prob­leme und stoßen Aktiv­itäten an, die sich speziell mit diesen Fra­gen befassen. Das waren zulet­zt der erwäh­nte Beschluss zu Frauen in Leitungspo­si­tio­nen und ein Papi­er gegen sex­u­al­isierte Diskri­m­inierung und sex­uelle Beläs­ti­gung an Hochschulen.“

Quoten seien hinge­gen immer die let­zte Option für sie. „Nicht nur, weil sie grund­sät­zlich den Ver­dacht nähren, es kön­nten eben nicht die Besten weit­erkom­men. Der wichtig­ste Grund ist, dass der Frauenan­teil je nach Fach schon bei den Studieren­den sehr unter­schiedlich ist. Es macht aber wed­er Sinn, utopisch hohe Zielquoten zu set­zen, noch niedrige, an den frauenärm­sten Fäch­ern aus­gerichtete.“ Deshalb hält Weber das Kaskaden­mod­ell für tauglich­er. „Der angestrebte Frauenan­teil ori­en­tiert sich am Anteil der darunter liegen­den Kar­ri­er­estufe. Allerd­ings muss der dann auch wirk­lich deut­lich nach oben gehen“, erk­lärt sie.

Professorinnenmangel als Grund? 
Johan­na Mieren­dorff, Prorek­torin für Per­son­alen­twick­lung und Struk­tur an der MLU (Foto: Uni Halle / Michael Deutsch) 

Die Gründe des Prob­lems müssen also woan­ders gesucht wer­den. Der Anteil der Frauen im Studi­um über­steigt ten­den­ziell sog­ar den der Män­ner. Nur: Je höher man auf der Kar­ri­ereleit­er steigt, ob Pro­mo­tion oder Habil­i­ta­tion, desto weniger Frauen lassen sich find­en. So erk­lärt es auch Pro­fes­sorin Dr. Johan­na Mieren­dorff, Prorek­torin für Per­son­alen­twick­lung und Struk­tur an der Mar­tin-Luther-Uni­ver­sität. Sie sagt aber auch: „Wenn Frauen es beispiel­sweise erst mal auf eine Junior­pro­fes­sur geschafft oder habil­i­tiert haben, kom­men die meis­ten von ihnen unter. Es gibt also eher einen Man­gel an Frauen, die sich auf Pro­fes­suren bewer­ben. Der Kar­ri­ere­bruch set­zt viel früher ein.“ 

Die Uni­ver­sität Halle liegt, so erk­lärt Prorek­torin Mieren­dorff, mit cir­ca 25 Prozent weib­lich beset­zten Pro­fes­suren im deutsch­landweit­en Durch­schnitt. Nur einige wenige Insti­tu­tio­nen brächen nach oben aus, zum Beispiel die drei Berlin­er Uni­ver­sitäten. Das hat, Mieren­dorffs Ein­schätzung zufolge, nicht nur mit der Auswahl durch die Hochschulen zu tun, son­dern auch mit Kar­ri­erevorstel­lun­gen und dem Selb­st­be­wusst­sein von Frauen bei der Bewer­bung auf Leitungspo­si­tio­nen. Dazu kämen Arbeits­be­din­gun­gen, die viel Ein­satz abverlangen. 

Deshalb geht es der Prorek­torin darum, in den einzel­nen Arbeits­bere­ichen das Bewusst­sein für die Schaf­fung von Arbeits­be­din­gun­gen zu sen­si­bil­isieren. „Einige Fakultäten haben sich beispiel­sweise verpflichtet, Fakultät­sratssitzun­gen nicht nach 16 Uhr abzuhal­ten.“ Außer­dem, so Mieren­dorff weit­er, betr­e­ffe das Män­ner und Frauen gle­icher­maßen. „Viele Män­ner gehen inzwis­chen auch in Elternzeit. Weit weniger als Frauen natür­lich, trotz­dem bet­rifft es sie ebenso.“ 

Es kommt also, wie so oft, auf die grund­sät­zliche Frage nach der Vere­in­barkeit von Fam­i­lie und Kar­riere an. Dafür sei neben dem Schaf­fen von Arbeits­be­din­gun­gen, die eine Kar­riere und ein Leben in der Wis­senschaft ermöglichen, auch noch etwas anderes wichtig, erläutert sie weit­er. „Und zwar dass es ger­ade an den Übergän­gen, etwa zwis­chen Studi­um und Pro­mo­tion, Men­schen gibt, die dich motivieren, sagen, du schaffst das. Und Part­ner, die dir auch mal den Rück­en frei­hal­ten können.“

Lösungsansätze in Halle 

Die Uni­ver­sität Halle hat sich, wie wohl die meis­ten Uni­ver­sitäten, Gle­ich­stel­lung groß auf die Fah­nen geschrieben. Und es wird viel getan an der Mar­tin-Luther-Uni­ver­sität, zumin­d­est gibt es einen Berg an Maß­nah­men und Pro­gram­men. Wie an anderen Uni­ver­sitäten existieren ein eigenes Gle­ich­stel­lungs­büro und eine Gle­ich­stel­lungs­beauf­tragte. Aber damit nicht genug. Es gibt zudem ein Fam­i­lien­büro, ein Leit­bild Gle­ich­stel­lung, ein Gle­ich­stel­lungszukun­ft­skonzept, eine Doku­men­ta­tion dieses Konzepts und Zielvere­in­barun­gen zwis­chen dem Wis­senschaftsmin­is­teri­um und der Uni­ver­sität und nicht zu vergessen den mit­tler­weile 13. Frauen­förder­plan, einen Abschluss­bericht zur Umset­zung der forschung­sori­en­tierten Gle­ich­stel­lungs­stan­dards der Deutschen Forschungs­ge­mein­schaft. Untätigkeit kann man der Uni­ver­sität nicht vorwerfen. 

Prof. Mieren­dorff erläutert außer­dem noch zwei Pro­gramme, die berat­en und fördern sollen: „Das ist ein­mal unser Men­tor­ing-Pro­gramm, das im Rah­men unser­er Uni­ver­sitätspart­ner­schaft Leipzig-Halle-Jena organ­isiert wird.“ Dabei bekä­men junge Wissenschaftler:innen eine:n Mentor:in zur Seite gestellt, mit dem oder der sie ihre Berufs­bi­ogra­phie pla­nen und von den Ver­net­zun­gen erfahren­er Wissenschaftler:innen prof­i­tieren könnten. 

Außer­dem gibt es an der MLU noch ein Coach­ing­pro­gramm, das Mieren­dorff für noch sin­nvoller als das Men­tor­ing hält, da es noch inten­siv­er sei. „Das Coach­ing wird ins­beson­dere dann einge­set­zt, wenn Frauen an Übergän­gen ste­hen und Kar­ri­ereentschei­dun­gen tre­f­fen müssen. Ich würde sagen, das Coach­ing ist ein neu­traler Ort der Beratung, Begleitung und der Selb­stvergewis­serung: Kann ich das? Will ich das? Was sind die Bedin­gun­gen, die im gesamten Wis­senschafts­be­trieb – also nicht nur hier in Halle – beste­hen, dass ich eine solche Kar­riere stem­men kann oder auch nicht?“ Sollte die Finanzierung über den Europäis­chen Sozial­fonds eines Tages aus­laufen, solle die geschaf­fene Stelle auf jeden Fall aus Haushaltsmit­teln weit­erge­führt wer­den, so Mierendorff. 

Und es tut sich auch was. Inner­halb der let­zten zehn Jahre ist der Anteil der Pro­fes­sorin­nen von 16 auf 25 Prozent gestiegen. Aber ist das angesichts der zahlre­ichen Maß­nah­men genug? Gemessen an den vie­len Stu­dentin­nen müssten die Zahlen doch schon weit höher sein. Für Pro­fes­sorin Mieren­dorff jeden­falls ist es ein erfreulich­es Zeichen, dass die Uni­ver­sität eine erfol­gre­iche Grund­lage geschaf­fen hat. Neben den, wie sie sagt, weitre­ichen­den Maß­nah­men – Men­tor­ing, Coach­ing, Fam­i­lien­büro und Beratung – gäbe es auch eine zunehmende Sen­si­bil­isierung in den einzel­nen Arbeits­bere­ichen, die aber noch weit­er aus­ge­baut wer­den müsse. 

„Was sich auch verän­dert hat, ist, dass es in den Beru­fungsver­fahren eigentlich nicht mehr geht, dass man keine Frauen mehr auf die Beru­fungslis­ten set­zt. Es muss sehr stark begrün­det wer­den, warum die Besten auss­chließlich Män­ner sind. Wenn es so ist, dann ist es so, da ist ja nichts dran zu zweifeln, es geht um eine Beste­nauslese“, sagt Johan­na Mierendorff. 

Alternative Realität
Gesine Fol­jan­ty-Jost kan­di­dierte 2014 zur Rek­toren­wahl und unter­lag nur knapp (Foto: privat)

Die Mar­tin-Luther-Uni­ver­sität Halle-Wit­ten­berg ist eine der ältesten Uni­ver­sitäten des Lan­des. Dementsprechend viele Rek­toren hat­te sie bis heute – wohlge­merkt Rek­toren. Doch beina­he wäre es ein­mal anders gekom­men. 2014 unter­lag die ehe­ma­lige Prorek­torin Gesine Fol­jan­ty-Jost dem damals amtieren­den Rek­tor Udo Sträter nur knapp. 

Sie hätte Lust auf die Her­aus­forderung gehabt und bei der Wahl zum akademis­chen Sen­at die meis­ten Stim­men erhal­ten, das hätte sie als Moti­va­tion zu kan­di­dieren genom­men, sagt sie selb­st. Die Frage, ob es eine Rolle gespielt habe, dass sie eine Frau war, beant­wortet sie so: „Ich habe mich nicht diskri­m­iniert gefühlt. Aber die Frage der Gle­ich­stel­lung entschei­det sich ja längst nicht mehr nur in For­men offen­er Ungle­ich­stel­lung. Bei Entschei­dun­gen über Kan­di­dat­en und Kan­di­datin­nen, nicht nur an der Uni, sind nicht allein ratio­nale Kri­te­rien von Bedeu­tung, son­dern immer auch irra­tionale. Irra­tionale Kri­te­rien speisen sich aus einem fik­tiv­en Bild ein­er ver­trauenswürdi­gen Führungsper­sön­lichkeit, sei es in Poli­tik, Wirtschaft oder Wis­senschaft. Und dieses Bild ist auf­grund des Man­gels an weib­lichen Leit­bildern noch männlich geprägt. Aber hier ist vieles im Wan­del. Mit der Zunahme von Frauen in Führungsrollen entste­hen ja schon jet­zt neue weib­liche Leit­bilder, die sich auch auf das Wahlver­hal­ten auswirken.“

Gesine Fol­jan­ty-Jost betont, dass ger­ade bei den Beru­fungsver­fahren die Sicherung der Chan­cen­gle­ich­heit unbe­d­ingt verbessert wer­den müsse. Man solle Bewer­bungsver­fahren, in denen sich keine oder zu wenige Frauen bewor­ben haben, neu aufrollen. 

Ein Blick an die Nachbaruni 
Beate Schück­ing, Rek­torin der Uni Leipzig (Foto: luhze – Leipzigs unab­hängige Hochschulzeitung / Juliane Siegert)

Fehlende Gle­ich­stel­lung ist ein nationales Prob­lem, das nur region­al gelöst wer­den kann. Aber keine Uni­ver­sität wird die gläserne Decke alleine durch­stoßen. Jede muss ihren Beitrag erbrin­gen. Ein Blick an die Uni­ver­sität Leipzig lohnt sich: Dort ist seit 2011 Beate Schück­ing Rek­torin der Uni­ver­sität, die erste nach über 600 Jahren und 967 männlichen Vorgängern. Dass sie die erste Frau in diesem Amt ist, ist für sie schon eine spezielle Sit­u­a­tion. „Natür­lich ist es für Frauen wichtig zu sehen, dass es Frauen in Führungspo­si­tio­nen schaf­fen und dass sie da auch einen guten Job machen. Das ist mir schon immer auch ein Anliegen“, sagt sie. Das sei aber nicht ihre auss­chließliche Moti­va­tion gewe­sen, eine Führungspo­si­tion einzunehmen.

Den­noch sei es wichtig, dass es solche Vor­bilder gebe. „Und ich glaube auch tat­säch­lich, dass es für Insti­tu­tio­nen ganz gut ist, wenn es immer mal wech­selt. Also wenn auch mal Frauen in Führungspo­si­tio­nen sind. Das muss jet­zt nicht zwang­haft sein. Aber es hil­ft Insti­tu­tio­nen sicher­lich, genau­so wie es hil­ft, wenn auch viele Pro­fes­sorin­nen da sind, die das Spek­trum erweit­ern. Dadurch kön­nen die Insti­tu­tio­nen ihre Blick­winkel mal über­prüfen und noch bess­er wer­den, und darum muss es immer gehen“, erk­lärt sie weiter. 

Auch die Uni Leipzig hat einen ganzen Kat­a­log an Maß­nah­men erar­beit­et, um sich dem Prob­lem Gle­ich­stel­lung zu wid­men. Und auch hier sind die Zahlen der Pro­fes­sorin­nen auf einen ähn­lichen Anteil wie in Halle angestiegen. Rek­torin Schück­ing ist auch zuver­sichtlich, was die weit­eren Entwick­lun­gen ange­ht: „Ich gehe davon aus, dass sich in abse­hbar­er Zeit ein steigen­der Pro­fes­sorin­nen-Anteil auch in einem steigen­den Rek­torin­nen- und Präsi­dentin­nen-Anteil abbilden wird.“ 

Die Ostdeutschen

Und dann gibt es da noch eine Erken­nt­nis, die gar nicht über­raschen mag und doch so gar nicht mehr in diese Zeit passt. Unter allen 84 Rek­torin­nen und Rek­toren, Präsi­dentin­nen und Präsi­den­ten find­et sich keine einzige und kein einziger aus dem Osten der Bun­desre­pub­lik. Das ist ein schwieriges The­ma, zu dem es noch zu wenig Forschung gibt. Selb­st die HRK hat dafür keine ein­fache Begrün­dung und ver­weist auf den zu niedri­gen Stand der Forschung. 

Pro­fes­sorin Mieren­dorff von der Uni Halle erk­lärt es sich so: „Nach der Wende sind viele Pro­fes­suren nicht mehr weit­erge­führt wor­den. Die Uni­ver­sität­sleitun­gen, die Per­so­n­en, die die Umor­gan­i­sa­tion der Uni­ver­stäten vor­bere­it­et und durchge­führt haben, kamen aus West­deutsch­land, wie auch die Beraterteams. So sind wichtige Posi­tio­nen und Pro­fes­suren vor allem mit West­deutschen beset­zt wor­den. Das hat über drei Jahrzehnte hin­weg zu den bis heute sicht­baren und derzeit zu Recht kri­tisierten Fol­gen geführt.“ Wie sich das auf Dauer entwick­elt, sei sehr schwierig zu sagen. 

Selb­st die Kan­z­lerin spricht von einem echt­en Defiz­it und liefert in einem „Spiegel“-Interview einen Erk­lärungsver­such: „Der Grund mag darin liegen, dass viele in der Zeit um 1989/90 schon zu alt waren. Mit meinen 35 Jahren hätte ich es damals in der Wirtschaft auch schw­er gehabt, die Kar­ri­ereleit­er noch ganz nach oben zu klet­tern. Wer damals ein Kind war, der kann natür­lich noch in Spitzen­po­si­tio­nen ankommen.“ 

Raj Koll­mor­gen, Sozi­ologe an der Hochschule Zittau/Görlitz, liefert einen anderen Ansatz. Er geht davon aus, dass viele Ost­deutsche nicht den Habi­tus der Ober­schicht hät­ten, nicht über deren selb­st­be­wusstes Auftreten ver­fügten. Auch würde man in ost­deutschen Fam­i­lien häu­figer ein Sicher­heits­denken vorfind­en. Die Kan­z­lerin führt es eben­falls auf eine bes­timmte Men­tal­ität im Osten zurück, wenn sie die Ost­deutschen ermuntert, in Führungspo­si­tio­nen zu drängen. 

Andere, wie der Poli­tik­wis­senschaftler Lars Vogel von der Uni­ver­sität Leipzig, lehnen diesen Inter­pre­ta­tion­sansatz ab. Er sieht das Prob­lem eher in den Net­zw­erken West­deutsch­er. Gegenüber dem NDR sagt er: „Wir sehen es in vie­len Bere­ichen, dass Eliten sich aus sich selb­st rekru­tieren. Das heißt: Chefs suchen sich gerne einen Nach­fol­ger, der ihnen ähn­lich ist.“
Dass es keine ost­deutschen Uni­ver­sität­srek­toren gibt, war aber nicht immer so. Die Uni­ver­sität Halle hat­te von 1992 bis 1996 einen Rek­tor, der in Magde­burg geboren wurde, Gun­nar Berg. Er sieht den Grund für die man­gel­nde Anzahl an Ost­deutschen in Uni-Spitzen­po­si­tio­nen darin, dass heute haupt­säch­lich Rechts- und Sozial­wis­senschaftler diese Posi­tio­nen ein­nehmen. Unter ihnen könne es gar keine Ost­deutschen geben, weil deren Beruf­s­lauf­bahn das gar nicht hergebe. Zu sein­er Zeit seien nur Natur­wis­senschaftler, Math­e­matik­er und Tech­niker an ost­deutschen Uni­ver­sitäten zu find­en gewe­sen. Er selb­st ist Physiker. 

Die Erk­lärungsan­sätze sind ver­schieden, aber in einem sind sich viele einig. Es ist ein Prob­lem, das sich mit der Zeit lösen sollte. Heute gehe es alleine um Qual­i­fika­tion, sagt Gun­nar Berg. Auch die Rek­torin der Uni­ver­sität Leipzig spricht von einem Gen­er­a­tio­nen­wech­sel, der sich langsam vol­lziehe. Natür­lich gelte aber weit­er­hin Bestenauslese. 

Illus­tra­tion: Ellen Neugebauer
Ein Problem auf Zeit? 

Bei­de Missstände haben also eines gemein­sam: Sie soll­ten mit der Zeit ver­schwinden, ob durch diverse Maß­nah­men oder ein­fach durch einen Gen­er­a­tionswech­sel. Die Zukun­ft malen alle Ver­ant­wortlichen rosig. Das müssen sie auch. Zumin­d­est eins ste­ht aber fest: Die Prob­leme sind erkan­nt, und es wird über sie gesprochen. Das ist wenig­stens ein erster Schritt zu aus­re­ichen­der Gleichstellung. 

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