„Halle am Meer“, 24.06–17.09.2023
Wer war dieses Jahr nicht am Meer? Den nimmt Halle noch bis zum 17.09.2023 mit auf eine kleine Halbinsel an der Ostseeküste Deutschlands, die viel mit unserer Region verbindet. Seit dem 24.06. gibt es im Rahmen der Gemeinschaftsausstellung „Halle am Meer“ im Kunstmuseum Moritzburg und der Kunsthalle Talstraße Werke aus der Zeit seit 1892 zu sehen, die in Ahrenshoop entstanden sind. Das Strand- und Naturidyll auf dem zu Mecklenburg-Vorpommern gehörenden Fischland Darß-Zingst war für zahlreiche hallesche Künstler Zufluchts- und Schaffensort und ist es bis heute.
Auf 280 Gemälden, darunter von renommierten Künstlern aus Halle wie Willi Sitte und Moritz Götze, ist Ahrenshoop im Wandel der Geschichte nachzuvollziehen. Zahlreiche Landschaftsbilder, naturalistisch oder impressionistisch, stehen neben expressionistischen Porträts oder Strandszenen, und sogar politische Themen werden in den Werken verarbeitet. Dass die Ausstellung zweigeteilt ist, wurde kooperativ mit dem Dresdner Institut für Kulturstudien entschieden, das beide Museen in Halle für repräsentativ erklärte. So finden sich vordergründig Landschaftsdarstellungen, die während der Anfänge der Künstlerkolonie unter Paul Müller-Kaempff zwischen 1892 und 1945 entstanden sind, in der Kunsthalle Talstraße, während das Moritzburg-Museum, das ohnehin einen Fokus auf Nachkriegs- und DDR-Kunst legt, eben jene Epoche bis heute repräsentiert. Doch was genau verbindet Halle mit dem kleinen Ostseeort?
Die Anknüpfungspunkte sind vielfältig, verrät uns Matthias Rataiczyk, der die Kunsthalle in der Talstraße von Halle leitet. Einer hat etwa mit dem Grafiker und Bildhauer Gerhard Marcks zu tun, der zeitweise die Bildhauerklasse der Kunsthochschule Giebichenstein unterrichtete und selbst Schüler von Friedhelm Löber war. Dessen Vater Wilhelm Löber gilt als Begründer der berühmten Fischland-Keramik, die seit 1967 namhaft ist. Aber auch die Eltern vom wohl bekanntesten Hallenser Gegenwarts-Künstler Moritz Götze, Wasja und Inge Götze, suchten regelmäßig Inspiration an der Ostseeküste, so wie zahlreiche andere Ostdeutsche auch. Die Künstlerkolonie Ahrenshoop erfährt damit zu DDR-Zeiten eine Renaissance. Die Geschichte des Ortes hat zwar weniger mit Halle zu tun, ist aber zum Verständnis genauso wichtig und kann für Interessierte im Ausstellungsteil in der Kunsthalle ergründet werden.
Rataiczyks Familie war selbst viel an der Ostseeküste bei Ahrenshoop unterwegs. Im Obergeschoss der Kunsthalle Talstraße ist seinen Eltern eine eigene kleine Ausstellung gewidmet, ein Sammelsurium expressionistisch-bunter Sinneseindrücke. Wer ebenso die Fischland-Insel regelmäßig bereist, für den ist „Halle am Meer“ ein Muss. Aber auch alle anderen Kulturfreunde oder Hallenser werden Spannendes entdecken, und sogar Politikinteressierte. Mit Darstellungen toter, angeschwemmter Fische etwa, die in der „Bunten Stube“ in Ahrenshoop ausgestellt wurden, machte eine Hallenser Studentengruppe 1951 auf Umweltprobleme und den Umgang damit aufmerksam. Wer es nicht mehr schafft, die Ausstellung zu besuchen, der kann in der wunderschön gestalteten und vor interessanten Fakten strotzenden Publikation „Halle am Meer. Ahrenshoop 1892 – 2023“ blättern – oder schon der nächsten entgegenblicken: „Es wird im Anschluss eine gesonderte Ausstellung zu den politisch brisanten Jahren 1945–52 in Halle geben“, verrät Rataiczyk. Dabei wird so manches Geheimnis gelüftet werden – freuen wir uns darauf.
Tipp: Christian Philipsen (Hg.): Halle am Meer. Ahrenshoop 1892–2023 (Bd: 29 der Schriften für das Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale)), Michael Imhof Verlag 2023. ISBN: 978–3‑7319–1348‑1 oder 978–3‑96502–029‑0
Text: Marie Reppe