Kritik zu “Barbie” 

Wenige Dinge hat­ten in diesem Jahr einen so großen Inter­nethype wie der neue „Barbie“-Film. Ein Foto vom alber­nen Fil­mout­fit des stark erblonde­ten Ken-Darstellers Ryan Gosling, die sehr pinken Trail­er, der zeit­gle­iche Kinos­tart mit Christo­pher Nolans „Oppen­heimer“ und daraus der resul­tierende “Barbenheimer”-Trend – „Bar­bie“ war ein Mar­ketinger­folg, bevor ihn die bre­ite Masse über­haupt zu Gesicht bekam. Nun ist der Film ins Kino gekom­men und ich habe ihn mir ange­se­hen; gle­ich zwei Mal. Ein Kommentar. 

Spoil­er­war­nung: Der Artikel geht konkret auf die Hand­lung des Filmes ein

Vorneweg: Ich habe mich auf diesen Film gefreut – seit bes­timmt zwei Jahren. Denn Regis­seurin Gre­ta Ger­wig und ihr Mann Noah Baum­bach, mit dem sie gemein­sam das Drehbuch ver­fasst hat, sind für Cineast:innen große Namen. Bei­de sind bekan­nt für feinsin­nige Dra­men mit kom­plex­en, natür­lichen Dialo­gen und einem dif­feren­zierten, liebevollen Blick auf ihre Fig­uren. Wie das mit Bar­bie, dem knal­li­gen Spielzeug, zusam­men­passen sollte, war mir nicht ganz klar, aber ich war mir sich­er, wenn die bei­den ihre Fin­ger im Spiel haben, wird das eine große Sache. Und ja, tat­säch­lich: „Bar­bie“ ist groß! 

Der Film ist ein Block­buster mit dreis­tel­li­gen Mil­lio­nen­bud­get und das sieht man dem Film auch an. Set- und Kostümde­sign, Kam­er­aar­beit, Chore­ografien – in all den tech­nis­chen Bere­ichen liefert der Film mit häu­fig mehrfach Oscar-nominierten Namen als Heads of Depart­ments sehr hohe Qual­ität. Er ist schlicht toll anzuse­hen. Doch wie schon Filmikone Bil­ly Wilder gesagt hat: Für einen großar­ti­gen Film braucht es genau drei Dinge: ein gutes Skript, ein gutes Skript und ein gutes Skript. Und genau in diesem Bere­ich hapert es bei „Bar­bie“ ganz gewaltig. 

Ja, ich hat­te Spaß in diesem Film; ger­ade beim ersten Mal, wo das Spek­takel mich noch mehr von den deut­lichen Schwächen des Drehbuchs abzu­lenken ver­mochte. Der Humor des Filmes schafft immer wieder Episo­den, die mir ehrlich gefie­len. Das ist die eine Seite. Die andere ist fol­gende: „Bar­bie“ will eine fem­i­nis­tis­che Geschichte sein. Als Bar­bie Bar­bi­eland ver­lässt und in der echt­en Welt lan­det, wird sie zum ersten Mal mit misog­y­nen Ver­hal­ten kon­fron­tiert. Während sie von dieser Welt – die so anders ist als ihr Friede-Freude-Eierkuchen-Leben in Bar­bi­eland – ver­stört wird, blüht Ken ob der Idee, dass Män­ner Macht haben kön­nten, regel­recht auf. Die haben die Kens in Bar­bi­eland näm­lich nicht. Er bringt “das Patri­ar­chat” nach Bar­bi­eland und als Bar­bie dort wieder ankommt, ist sie entset­zt, dass die Kens die Macht an sich geris­sen haben, während alle Bar­bi­es unter ein­er “patri­ar­chalen Hyp­nose” ste­hen. Aber mit Hil­fe ihrer zwei men­schlichen Fre­undin­nen Glo­ria und Sasha motiviert sie die Bar­bi­es, ihre anges­tammten Posi­tio­nen wieder einzunehmen und die Kens in die Schranken zu weisen. Das Patri­ar­chat ist besiegt, yeah! 

Der Film zieht seinen Dri­ve aus dem Kon­trast zwis­chen Bar­bi­eland und dem LA der unsri­gen Welt. Während wir im Patri­ar­chat leben, geben in Bar­bi­eland die Bar­bi­es den Ton an und wie die Bar­bi­es selb­st sagen: Jed­er Tag ist der beste Tag ihres Lebens. Bar­bi­eland ist eine Welt, wo die Bar­bi­es nicht mal wis­sen, wo die Kens wohnen, während diese schein­bar nur dafür existieren, die Aufmerk­samkeit der Bar­bi­es zu erlan­gen. Die Bar­bi­es sind Post­frau, Physik­erin oder Präsi­dentin, während der Job von Ryan Goslings Ken „Beach“ ist. Also er … ste­ht am Strand. 

„Bar­bie“ zeich­net das über­spitze Gegen­teil unser­er Welt; so weit, so gut. Aber – und da hat die Sto­ry ihren ersten gewalti­gen Hak­en – wenn man eine Geschichte erzählen will, die Frauen empow­ern soll, warum wählt man dann eine Pro­tag­o­nistin aus ein­er Welt, die matri­ar­chal gestal­tet ist? Denn Bar­bie hat ein Leben lang in ein­er Welt gelebt, die sie verehrt, ein­fach, weil sie eine Barbie/Frau ist. Sie erlebt ein paar Stun­den in unser­er Welt und kommt dann heim, um dort festzustellen, dass die Kens nicht mehr in Ehrfurcht erstar­ren, nur weil sie sie sehen. Daraufhin bekommt sie einen Zusam­men­bruch. Was sie wiederum aus ihrem emo­tionalen Loch her­ausholt, ist ein Monolog von Glo­ria – einem Men­schen, ein­er Frau, die ihr Leben lang unter dem Patri­ar­chat gelit­ten hat. In ihrem Monolog zählt Glo­ria die Wider­sprüche unseres Frauen­bildes auf und sagt in der Quin­tes­senz, dass Frauen, egal, was sie tun, es nur falsch machen kön­nen. Glo­ria ist nach Jahrzehn­ten im Patri­ar­chat sichtlich bewegt – aber warum ist es Bar­bie? Ihre Erfahrun­gen von weni­gen Stun­den kön­nen unmöglich mit Glo­rias Emo­tio­nen mithal­ten. Wovon ist Bar­bie niedergeschla­gen? Dass die men­schliche Welt sie nicht so liebt, wie sie es erwartet hat, und dass die Kens sich plöt­zlich ähn­lich ver­hal­ten, wie die Bar­bi­es es seit jeher taten? 

Glo­rias Tiraden wer­den schließlich auch genutzt, um die anderen Bar­bi­es aus ihrer „patri­ar­chalen Hyp­nose“ aufzuweck­en und das Par­la­ment wieder zu übernehmen. Die Präsi­dentin gibt sich weis­er, sagt, von nun an sollen alle Bar­bi­es und Kens gle­ich­be­han­delt wer­den. Als die Kens um einen (!) Platz im Ober­sten Gericht­shof bit­ten, lehnt die Präsi­dentin allerd­ings lachend ab und meint, vielle­icht fände sich eine unbe­deu­ten­dere Posi­tion. Das The­ma endet mit dem Witz, dass ja die Kens vielle­icht irgend­wann so mächtig seien wie die Frauen in der echt­en Welt. Das Matri­ar­chat in Bar­bi­eland ist wieder hergestellt, yeah! 

Inzwis­chen ver­mute ich, dass der Film eine gen­dergeswapte Satire sein sollte: Bar­bie ste­ht sym­bol­isch für ein frag­iles Män­nerego, während Ken Frauen darstellt, deren Wert in der Gesellschaft nur über die Anerken­nung der Män­ner definiert wird. Viele Witze und Sto­ry­beats implizieren das. Eine sehr smarte Idee; das ist ein Film, den ich wirk­lich gern gese­hen hätte! Nur dass “Bar­bie” dieser Film nicht ist. 

Ger­wig bricht mit diesem satirischen Ansatz, indem sie Bar­bie als sym­pa­this­che Pro­tag­o­nistin zeich­net, die von Glo­ria unter­stützt wird. Eine Satire hätte kon­se­quent die Gen­der­swap-Meta­pher durchziehen müssen. Glo­rias Monolog müsste – wenn Bar­bie ein gekränk­tes Män­nerego sein soll – als Rede eines misog­y­nen Typen erkennbar sein, der seinen gle­ich­gesin­nten Kumpel in seinem ver­let­zten Stolz unter­stützt. Stattdessen wird dieser Moment im Film sehr ehrlich und trägt keine Spur von Über­spitzung. Das passt zu Glo­ria, ein­er Frauen­fig­ur aus einem echt­en Patri­ar­chat, aber nicht zur Prämisse der Story. 

Diese kon­se­quent satirischen Vari­ante der Geschichte hätte sowohl als Kri­tik an unserem Patri­ar­chat gel­ten kön­nen, als auch an der män­nerver­ach­t­en­den Sparte des Fem­i­nis­mus’, in dem Frauen prinzip­iell als die besseren Men­schen gese­hen wer­den. Außer­dem hätte auch beispiel­sweise die let­zte Szene, die uns der Film in Bar­bi­eland präsen­tiert, das her­rlich böse Ende sein kön­nen, das es wohl jet­zt auch sein will, aber krachend dabei scheitert. 

Eine andere Möglichkeit wäre übri­gens gewe­sen, dass Glo­ria mit Bar­bie nach Bar­bi­eland reist, in das Ken nicht “das Patri­ar­chat” gebracht hat und nach wie vor der Sta­tus Quo herrscht. Hier hätte sie ob der Erken­nt­nis, dass die Kens unter­drückt wer­den, gemein­sam mit dem Pub­likum einen Sinneswan­del durch­leben und diese anschließend bei ihrem Kampf um Gle­ich­berech­ti­gung unter­stützen kön­nen. Unter­drück­te, die sich zusammenschließen.

Stattdessen wird Glo­rias ange­brachte Wut auf das Patri­ar­chat unser­er Welt als Empow­er­ment genutzt für eine Gruppe, die ihr Leben lang die Vorherrschaft in ihrer Welt hat­te und dadurch motiviert wird, diese wieder zu beanspruchen. Der Film stellt damit unser Jahrtausende altes Patri­ar­chat mit einem Auf­s­tand der Kens gle­ich, wo die Bar­bi­es ein­mal für drei Tage das zu spüren bekom­men, was die Kens seit jeher aushielten. 

Am Ende kommt dabei ein Film her­aus, der Frauen unter­stützt, egal, ob nun im Patri­ar­chat oder Matri­ar­chat. Män­ner sind Schweine, sowohl wenn sie in der realen Welt die Frauen unter­drück­en als auch als Kens, die sich im Bar­bi­eland gegen ihre Unter­drück­ung wehren. Zugegeben, dort antworten sie auf ihre Benachteili­gung mit der Benachteili­gung der Bar­bi­es – das ist auch nicht der richtige Weg. Aber dass als Kon­se­quenz daraus die Bar­bi­es wieder ihre Macht­po­si­tio­nen ein­nehmen und die Bitte der Kens um echte Teil­habe als Witz ver­wurstet wird, ist alles andere als ein gutes Ende für einen Film, der sich Fem­i­nis­mus auf die Fah­nen schreibt. Wie gesagt, in ein­er kon­se­quenten Satire wäre das ein smartes bös­es Ende gewe­sen, aber als solche funk­tion­iert der Film eben nicht, wenn er gle­ichzeit­ig das Empow­er­ment der Bar­bi­es ernst nimmt. Ger­wig zeich­net diese abwech­sel­nd als Täterin­nen und als Opfer in einem struk­turellen Sys­tem der Unter­drück­ung, während sie gle­ichzeit­ig stets die Sym­pa­thi­eträgerin­nen bleiben. Her­aus kommt dabei eine inkon­se­quente Sto­ry, deren Botschaft am Ende wed­er Fisch noch Fleisch ist. Bei­de Nar­ra­tive zusam­men in ein­er Geschichte macht diese schlicht unl­o­gisch, es sei denn, man will einen män­nerver­ach­t­en­den Fem­i­nis­mus propagieren. 

Auch sieht man die Bar­bi­es nie für etwas kämpfen. Ken ist ver­wun­dert, als er in der echt­en Welt nicht direkt einen Job kriegt, nur weil er ein Mann ist. Es gibt nur einen Ort, wo er die Idee her­haben kön­nte, er bekomme eine machtvolle Posi­tion nur auf­grund seines Geschlechts: Bar­bi­eland. Die Plas­tik­welt ist tat­säch­lich noch aus einem weit­eren Grund ein schlecht gewähltes Gegen­stück zu unser­er Welt: hier ist jed­er Job gle­ich unwichtig. Der Film sagt selb­st – alles ist per­fekt, nichts ändert sich. Bar­bi­elands Bewohner:innen ken­nen keine Armut, kön­nen nicht krank wer­den, brauchen keine Nahrung und kein Strom­netz. Es gibt keine Waf­fen und die Trans­port­mit­tel fahren von selb­st. Hier muss nie­mand Ver­ant­wor­tung tra­gen, keine Entschei­dun­gen tre­f­fen, keine Gesellschaft gestal­ten. Aber wenn alles von allein funk­tion­iert, welche Kom­pe­ten­zen braucht man dann, um eine Posi­tion auszufüllen? Die Rakete fliegt ja von selb­st ins All und das Staat­sober­haupt muss keine sozial­stärk­enden Refor­men erkämpfen. Die komis­che Bar­bie darf am Ende des Filmes die San­itäran­la­gen leit­en, ein­fach, weil sie es will. Die Jobs in Bar­bi­eland brauchen keine Kom­pe­tenz und Bar­bi­es führen diese zu ihrem reinen Vergnü­gen aus, aber ohne jede Ver­ant­wor­tung oder echte Kon­se­quenz. Sie müssen dafür nichts kön­nen, nur eine Bar­bie sein. Und als die Bar­bi­es nach ihrer „patri­ar­chalen Hyp­nose“ beschließen, wieder das Par­la­ment zu übernehmen, trig­gern sie zur Ablenkung den Konkur­ren­zkampf der Kens (den sie nur hat­ten, weil ja ihre ganze Exis­tenz von der Anerken­nung durch die Bar­bi­es abhing), stellen sich ein­fach ins Par­la­ments­ge­bäude und fer­tig. Die Bar­bi­es in dem Film sollen empow­ernde Vor­bilder sein, nur dass sich die wenig­sten von ihnen ihre Vor­bild­funk­tio­nen wirk­lich erarbeiten. 

Die Sto­ry hat noch weit­ere Schwächen: Mit Allan wird eine Män­ner­fig­ur in Bar­bi­eland einge­führt, der die Bar­bi­es so gut wie keine Beach­tung schenken. Nach der Machtüber­nahme der Kens ist er auch ihnen nicht gle­ichgestellt, aber sie behan­deln ihn bess­er als die Bar­bi­es. Dass er trotz­dem aus dem „patri­ar­chalen“ Bar­bi­eland abhauen will – offen­bar aus sein­er Abnei­gung gegenüber dom­i­nan­tem männlichem Ver­hal­ten her­aus – ergibt nur wenig Sinn. Bei sein­er Flucht legt er dann noch selb­st solch­es Ver­hal­ten an den Tag, indem er ein­fach anfängt, Bauar­beit­er zu ver­prügeln. Soll er einen Mann darstellen, der zwar Frauen unter­stützt, aber trotz­dem tox­isch männlich­es Ver­hal­ten repro­duziert? Doch warum sollte er die matri­ar­chalen Bar­bi­es mögen? Egal, am Ende bleibt die Tat­sache, dass ihn alle bis zum Schluss ignori­eren, ohne­hin ein Witz. 

Der Film bemüht sich um Vielfalt im Cast, Bar­bi­es und Kens wer­den von Darsteller:innen unter­schiedlich­er Eth­nien verkör­pert. Auf ander­er Ebene betreibt der Film jedoch Tokenism at its best. Die eine dicke Bar­bie, die es gibt, bekommt immer­hin noch eine Sprechrolle, so viel Glück hat­te die Bar­bie im Roll­stuhl nicht. Die durfte zwei, drei Mal in die Kam­era lächeln, bevor sie ab Minute 25 kom­plett ver­schwindet – halt ger­ade so viel Repräsen­ta­tion, dass sich Nicht-Behin­derte gut fühlen kön­nen, dass sie es gut find­en, dass da auch eine sicht­bar behin­derte Bar­bie zu sehen ist. Ich meine, beim zweit­en Guck­en in ein­er Ein­stel­lung im Hin­ter­grund eine Bar­bie mit ein­er Arm­prothese gese­hen zu haben, aber darauf wet­ten würde ich nicht. Was jedoch offen­sichtlich war, ist die Nachjustierung vom Ausse­hen der komis­chen Bar­bie, die, sobald sie als echte Sym­pa­thi­eträgerin in der Sto­ry etabliert wurde, einen deut­lich kon­formeren und „schöneren“ Look bekam; getreu dem Mot­to, dem viele Filme fol­gen: schön ist sym­pa­thisch. Tat­säch­lich ein Witz auf der Metaebene oder schlicht ein weit­eres plumpes Ele­ment? Ein­deutig erschließen lässt sich das nicht. 

Rel­e­vante Kri­tik an dem Konzept Bar­bie wie das Propagieren von unre­al­is­tis­chen Kör­per­for­men und Überkon­sum wer­den durch eine kleine Rede von Glo­rias Tochter Sasha bei deren ersten Auftritt im Film ange­sprochen. Allerd­ings been­det sie diese auch damit, dass sie Bar­bie als faschis­tisch beze­ich­net, was so dekon­struk­tiv und über­trieben ist, dass es auch den Rest der Rede ins Lächer­liche zieht und als radikale Real­itäts­ferne ein­er Teenagerin brand­markt. Danach find­en die The­men nie wieder Erwäh­nung. Naja, Kon­sumkri­tik in einem der größten Mar­ket­ingkam­pag­nen des 21. Jahrhun­derts – das wäre auch recht wider­sprüch­lich. Schließlich hat Mat­tel, die Spielzeug­marke, die Bar­bi­epup­pen vertreibt, den Film mitproduziert. 

“Bar­bie” ist auf dem besten Wege, der erfol­gre­ich­ste Hol­ly­wood­film des Jahres zu wer­den, und wird sehr wahrschein­lich die 1 Mil­liarde-Box Office-Marke knack­en. Die Kassen klin­geln und auch beim Verkauf der Pup­pen wird eine spür­bare Umsatzsteigerung erwartet. Der­weil plant Mat­tel 14 Pro­jek­te basierend auf ihrem Spielzeu­gu­ni­ver­sum, so liegen momen­tan zum Beispiel konkrete Pläne für einen Pol­ly Pock­et-Film vor, mit Lily Collins als Haupt­darstel­lerin und Lena Dun­ham im Regi­es­tuhl. Kein Wun­der – wo doch der erste Wer­be­film so gut läuft! 

Mat­tel ist übri­gens auch im Film sehen. Es wer­den über­zo­gene, graue Büros gezeigt und Bar­bie darf sich ein­mal in ein­er Vor­standssitzung wun­dern, warum die Spitze der Fir­ma nur aus Män­nern beste­ht. Eine rel­e­vante Rolle für den Film spielt das nicht und die stilis­tis­che Über­spitzung der Episode wirkt auch eher out of place, wo doch der Rest der echt­en Welt im Kon­trast zu Bar­bi­eland deut­lich real­is­tis­ch­er geze­ich­net wird. Aber es erin­nert an eine plat­te Ver­sion der Wer­bekam­pagne der Berlin­er Verkehrs­be­triebe, bei der unternehmensin­terne Prob­leme selb­st auf’s Korn genom­men wer­den, um sich so als sym­pa­thisch zu ver­mark­ten und Kritiker:innen die The­men aus der Hand zu nehmen. 

All diesen Punk­ten wohnt eine Gemein­samkeit inne: der Film ver­wech­selt das Erwäh­nen von bekan­nten Aspek­ten mit Kri­tik üben. Erzäh­lerisch aus­ge­führt wird kaum ein The­ma wirk­lich. Das Drehbuch ist wed­er bis­sig, noch kon­se­quent genug, um als Satire zu beste­hen. Das matri­ar­chale Bar­bi­eland und dann eine Bar­bie im Mit­telpunkt, die des Empow­er­ments bedarf, funk­tion­ieren schlicht nicht als Alle­gorie auf unsere Welt. Wenn Glo­ria zu ihrem großen Monolog anset­zt, ist der Kon­text beziehungsweise die Kon­se­quenz daraus unl­o­gisch; oben­drein sagt sie Dinge, die ich nicht nur inhaltlich, son­dern sog­ar schon in dieser Form der wider­sprüch­lichen Gegenüber­stel­lung so oder so ähn­lich ein Dutzend Mal gehört habe. Aber der Film opfert eine kohärente Erzäh­lung genau solchen Momenten. Bei einem Pub­likum mit immer kürz­er­er Aufmerk­samkeitss­panne und immer weniger Anspruch an Geschicht­en trifft diese Art von Kun­st einen Nerv. Der ganze Film ist so konzip­iert, dass man einzelne Szenen los­gelöst voneinan­der und eben von der Sto­ry abfeiern und später auch auf Social Media teilen kann. „Bar­bie“ ist nicht der erste Film, der das macht, aber er reichert das Ganze noch mit ein­er sozialpoli­tis­chen Kom­po­nente an, sodass das Pub­likum sich aktivis­tisch fühlen kann, während es Fem­i­nis­mus auf Kalen­der­spruch-Niveau zele­bri­ert. Das Konzept der Bar­bi­epuppe selb­st wird nicht kri­tisiert, son­dern vielmehr als trau­rige, missver­standene Idee geze­ich­net, indem der Film­bar­bie die Kri­tik ger­ade von weib­lich­er Seite sehr an die Nieren geht, wo sie es doch auss­chließlich gut gemeint habe. 

Ver­packt ist das Ganze in einen qual­i­ta­tiv hochw­er­ti­gen, qui­etschbun­ten Zuck­er­guss, der nicht nur die Szenen aneinan­der pappt, son­dern auch wun­der­bar von der Ober­fläch­lichkeit und fehlen­den Logik der gesamten Geschichte ablenkt. Während die einen aber den Film für seine einzel­nen Momente feiern, sehen die anderen ein Ende, bei dem die Män­ner in Bar­bi­eland unter­drückt wer­den und das auch noch als Joke her­hal­ten muss. Mit seinem unge­lenken Drehbuch und Dis­funk­tion­al­ität als kon­se­quente Satire birgt der Film das große Poten­tial, Wass­er auf den Mühlen antifem­i­nis­tis­ch­er Move­ments zu sein und ich kann es in diesem Fall nachvol­lziehen. Dieser Film zeich­net ein Bild von Fem­i­nis­mus, der kein Inter­esse an Gle­ich­berech­ti­gung hat. 

Die Mei­n­ung jen­er, die den Film so sehr mögen (und das sind viele), kann ich nicht nachvol­lziehen. Ja, es ist fun­ny, wenn die Kens ihren Kon­flikt mit ein­er riesi­gen Tanznum­mer klären, ich habe auch gelacht. Ich habe auch das Set­de­sign bewun­dert und die smarten Mar­ket­ingkam­pag­nen um den Film. Aber ein stark­er, smarter Aktivis­mus? Der Film erzählt nichts Neues und Alt­bekan­ntes wird nicht clever oder kon­se­quent genug umge­set­zt. Wenn das als stark­er, smarter Aktivis­mus gilt, dann ste­ht es um die Frauen­rechts­be­we­gung schlim­mer, als ich dachte. 

Da schaue ich in mein­er Sehn­sucht nach klugem, fem­i­nis­tis­chem Kino doch lieber ein weit­eres Mal Emer­ald Fen­nells fan­tastis­chen „Promis­ing Young Woman“. 

Text und Illus­tra­tio­nen: Ron­ja Hähnlein

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