Wer ken­nt es nicht: man het­zt von ein­er Ver­anstal­tung zum näch­sten Ter­min und hat dabei keine Zeit, etwas Gesun­des zu kochen. Flüs­sig- beziehungsweise Pul­ver­nahrung wird als Lösung solch­er Prob­leme bewor­ben. Doch was steckt hin­ter dem beständig wach­senden Trend? Kann mit dem Kon­sum von Flüssig­nahrung wirk­lich Zeit einges­part wer­den? Und wie gesund sind die Pro­duk­te von Huel, YFood und Co. tatsächlich?

Wenn Flo­ri­an mor­gens auf­ste­ht, ist der Zeit­druck auch schon wach. Dieser wird ihm dann, wie ein unfre­undlich­er Begleit­er auf der Schul­ter, treu durch den Tag fol­gen. Nach einem schnellen Früh­stück geht es für Flo­ri­an mit zügi­gen Schrit­ten in die Uni. Es fol­gt im Akko­rd: Vor­lesung – Sem­i­nar – Übung. Dazwis­chen hat er nur wenige Minuten zum Dur­chat­men, und für ein aus­gedehntes Mit­tagessen bleibt keine Zeit. Anstatt ein Brötchen in der Vor­lesung aus­pack­en zu müssen, hat der Poli­tik- und Wirtschaftswissenschafts­student eine krümel­freie Alter­na­tive für sich ent­deckt: die Flüssignahrung. 

Illus­tra­tion: Ben­jamin Lindner
Das Auge isst nicht mit

Der Erstse­mestler Flo­ri­an ist nicht der Einzige, dem oft­mals die Zeit für eine aus­gedehnte Mahlzeit fehlt. Aus dem Ernährungsre­port des Bun­desmin­is­teri­ums für Ernährung und Land­wirtschaft geht her­vor, dass sich 55 Prozent der deutschen Bevölkerung wün­schen, dass eine Mahlzeit schnell und ein­fach zubere­it­et wer­den kann. Demzu­folge ist es nicht ver­wun­der­lich, dass Fer­tig­pro­duk­te seit ihrer Erfind­ung vor unge­fähr 70 Jahren im Trend liegen. Das erste Fer­tig­gericht wurde in den 1950er Jahren in den USA vorgestellt. Nach­dem die „Ravi­o­li in Tomaten­sauce“ der Marke Mag­gi 1958 nach Deutsch­land kamen, entwick­elte sich der Trend beständig weit­er. So ist das „Con­ve­nience-Food“ heutzu­tage in den Stufen „küchen­fer­tig“, „gar­fer­tig“, „zubere­itungs­fer­tig“ und „verzehrfer­tig“ erwerb­bar. Eben­so wächst der Markt der To-go-Pro­duk­te kon­tinuier­lich an. 

Auch wenn die Pul­ver­nahrung zunächst nach einem aktuellen Phänomen klingt, ist die Idee schon um einiges älter. Bere­its 1973 kam ein Film mit dem Titel „Soy­lent Green“ in die Kinos. Die Sci­ence-Fic­tion-Dystopie beschreibt eine Ernährungsweise der Zukun­ft. Dabei gilt unver­ar­beit­ete Nahrung als Luxu­s­pro­dukt, sodass die meis­ten Per­so­n­en das Pul­ver „Soy­lent Green“ kon­sum­ieren müssen, welch­es, wie sich erst in der zweit­en Hälfte des Films her­ausstellt, aus toten Men­schen pro­duziert wird. 2013 grün­dete der Software­entwickler Rob Rhine­hart ein Unternehmen, das, in Anlehnung an den Film, Pulver­nahrung mit dem Namen „Soy­lent“ vertreibt. Nach eige­nen Angaben sind bei der Her­stel­lung aber keine Leichen im Spiel. Heute machen Marken wie Plen­ny Shake, Mana oder Huel großen Absatz mit ihrer Flüssignahrung.

Das Essen der neuen Generation?

YFood ist eine Trinkmahlzeit, welche durch die TV-Show „Die Höh­le der Löwen“ bekan­nt wurde. Eine Flasche mit 500 Mil­li­litern ist laut Ver­sprechen auf der Web­seite in der Lage, eine kom­plette Mahlzeit zu erset­zen, drei bis fünf Stun­den satt zu machen und somit einen gesun­den Gegen­satz zum herkömm­lichen Junk-Food darzustellen. Die Flüssig­nahrung enthalte alle Omega-Fettsäuren, die ein Men­sch benötigt, sowie 26 Min­er­al­stoffe und Vit­a­mine. Lak­tose­freie, fet­tarme Milch, Mal­todex­trin, Son­nen­blu­menöl, gluten­freie Hafer­fas­er und Reis­stärke seien lediglich eine Auswahl der zahlre­ichen Inhaltsstoffe des Produkts.

Flo­ri­an kon­sum­iert den Drink YFood seit unge­fähr einem Monat. Er erzählt: „YFood hat für mich den entschei­den­den Vorteil, dass es schon in abgepack­ten Flaschen kommt. Es muss nicht mal gekühlt sein, das Pro­dukt ist also sehr all­t­agstauglich. Abhängig davon, wie stres­sig mein Tag ist, trinke ich YFood unge­fähr dreimal in der Woche. Dadurch hat sich mein All­t­ag sehr pos­i­tiv verän­dert. Früher war es tat­säch­lich so, dass ich eine Zeit lang mit­tags gar nichts gegessen habe. Das war im Nach­hinein gese­hen extrem schlecht für mich. Ich hat­te Kopf­schmerzen und habe mich unkonzen­tri­ert gefühlt. Somit kon­nte die Flüssig­nahrung ein wenig das Vaku­um füllen, und es ist mir möglich, bei der Arbeit oder auch in der Uni eine Mahlzeit zu trinken. So habe ich ein­fach mehr Energie. Außer­dem bin ich eine Per­son, die nicht viel Wass­er trinkt und es gerne ver­gisst. Durch die umgestellte Nahrung decke ich gle­ichzeit­ig auch meinen Flüs­sigkeits­be­darf ab.“ Allerd­ings fügt Flo­ri­an noch hinzu: „Ich muss ehrlich zugeben, dass mir die Pro­duk­te gar nicht so gut schmeck­en. Als ich YFood das erste Mal getrunk­en habe, war ich mir unsich­er, ob ich es noch mal bestellen sollte. Das Pro­dukt beste­ht aus ein­er milchar­ti­gen Flüs­sigkeit, und eigentlich mag ich keine Milch. Man gewöh­nt sich aber an den Geschmack. Ich trinke jet­zt vor­wiegend die Sorte Kaf­fee, da ich auch so sehr viel Kaf­fee kon­sum­iere und es dadurch noch halb­wegs schmeckt.“

Illus­tra­tion: Ben­jamin Lindner
Ein Hoch auf Huel?

Huel gilt als eines der größten Unternehmen, das Pul­ver­nahrung vertreibt. Die Verkauf­szahlen bestäti­gen das: Bis 2019 hat die Fir­ma bere­its 50 Mil­lio­nen Mahlzeit­en in über 80 Län­dern an den Kun­den gebracht. Mith­il­fe des englis­chen Ernährung­sex­perten James Col­lier wurde die, laut Web­seite, „per­fek­te Pro­duk­tzusam­menset­zung“ ermit­telt. Auf dieser Grund­lage eröffnete Julian Hearn 2014 die Fir­ma Huel. Die Inhaltsstoffe wer­den folgender­maßen beschrieben: Während Hafer­flock­en als Kohlen­hy­dratquelle dien­ten, bilde­ten Lein­samen, Kokos­nuss und Son­nen­blu­menkerne die Fette sowie Erb­sen und brauner Reis die Pro­tein­quelle. Außer­dem seien einige Min­er­alien und Nährstoffe zugesetzt. 

Die Wirtschaftsin­for­matik­stu­dentin Johan­na hat sich Anfang des Jahres 2019 das erste Mal Pul­ver­nahrung von Huel gekauft. Heute kon­sum­iert sie das Pro­dukt regelmäßig: „Meis­tens packe ich es mor­gens in meinen Hafer­flock­en­shake dazu. Auch wenn ich einen lan­gen Tag habe, nehme ich mir einen Shake mit. Ich würde cir­ca drei Por­tio­nen pro Woche schätzen.“ Weit­er­hin ergänzt sie: „Es ist prak­tisch, wenn man Stress hat und keine Zeit zum Kochen. Ich möchte dann trotz­dem nicht irgendwelch­es Fer­tigessen kon­sum­ieren, das null Nährstoffe enthält. Und da ich mich veg­an ernähre, bekommt der Kör­p­er so auch noch eine Extra­do­sis Vit­a­min B 12, D und Eisen, was vielle­icht son­st zu kurz kom­men kön­nte. Ein Fre­und von mir hat Huel bestellt und ich wollte dann auch mal aus­pro­bieren, wie es zu mir passt.“ Da sie sich nicht nur davon ernährt und schon immer gerne Shakes getrunk­en hat, sieht Johan­nas All­t­ag mit der Pul­ver­nahrung nicht viel anders aus. Auf die Frage, wie die Flüssig­nahrung bei ihrem Umfeld angekom­men sei, antwortet sie: „Manche woll­ten dann selb­st einen Shake pro­bieren oder waren sehr inter­essiert. Ich kann Kri­tik aber nachvol­lziehen. Es ist auch nicht so, dass ich nur noch Pul­ver­nahrung kon­sum­ieren will. Da würde mir geschmack­lich was fehlen. Es ist ein­fach prak­tisch, wenn man irgend­wo hin­fährt, wo es kein oder kaum veg­anes Essen gibt. Dann ist man nicht aufgeschmissen.“

Du bist, was du isst

Je nach Her­steller kommt Pul­ver­nahrung pro Mahlzeit auf einen Preis von 1,44 Euro bis 1,93 Euro und ist damit deut­lich bil­liger als ein Essen aus herkömm­lichen Lebens­mit­teln. Einen weit­eren Vorteil der Shakes stellt der Zeitaspekt dar. Laut sta­tis­tis­chem Bun­de­samt ver­brin­gen die Deutschen durch­schnit­tlich 105 Minuten am Tag mit Essen und Trinken. Mit einem Kon­sum der Shakes reduziert sich der Zeitaufwand auf höch­stens 55 Minuten. Auch wird durch die Pro­duk­tion des Pul­vers rel­a­tiv wenig Müll produziert.

Nach einiger Recherche kann bestätigt wer­den, dass zunächst alle notwendi­gen Nährstoffe in den Pro­duk­ten vorhan­den zu sein scheinen. Allerd­ings ist jed­er men­schliche Kör­p­er anders beschaf­fen, sodass die Aus­sage rel­a­tiviert wer­den muss, da Indi­viduen unter­schiedliche Nährstoffe zum Leben benöti­gen. Langfristig fehlt auch die Vielfalt an Pro­teinen. Ein weit­eres Argu­ment gegen die Pro­duk­te stellt die Tat­sache dar, dass Nahrung im All­ge­meinen viel mehr Inhaltsstoffe enthält, als heute bekan­nt ist. Deshalb ist fraglich, ob mit dem Kon­sum von Pul­ver­nahrung tat­säch­lich alle Nährstoffe abgedeckt wer­den kön­nen. Viele Ernährung­sex­perten kri­tisieren, dass bei zahlre­ichen Pro­duk­ten Süßungsmit­tel wie beispiel­sweise Sucralose zuge­set­zt wer­den. Diese greift die Darm­bak­te­rien an und führt zu einem untyp­is­chen Stuhl­gang. Auch die ver­min­derte Be­anspruchung der Musku­latur ist neg­a­tiv einzuschätzen. Doch genaue Aus­sagen über den gesund­heitlichen Aspekt von Flüssig­nahrun­gen lassen sich bish­er noch nicht tre­f­fen, da Langzeit­stu­di­en fehlen.

Illus­tra­tion: Ben­jamin Lindner
Genussfreie Zukunft?

Prof. Dr. med. Math­ias Plauth ist Facharzt für Innere Medi­zin und Gas­troen­terolo­gie in Dessau und hält in diesem Semes­ter die Vor­lesung „Klin­is­che Patho­phys­i­olo­gie und Ernährungs­ther­a­pie“ am Uniklinikum Halle. Das Gespräch eröffnet er mit den Worten, dass es sich bei der Pul­ver­nahrung um kom­plet­ten „Hum­bug“ han­dele. Im weit­eren Ver­lauf erläutert er, dass die Pro­duk­te möglichst preiswert hergestellt wür­den und somit auss­chließlich bil­lige Inhaltsstoffe in die Pro­duk­te kämen. Anschließend for­muliert Pro­fes­sor Plauth den Wun­sch, dass es ein­heitliche Richtlin­ien für die Inhaltsstoffe der Pulver­nahrung geben und die Pro­duk­tion in größerem Maße Betreu­ung von Ernährungswis­senschaftlern erfahren solle, da es sich um ein sehr kom­plex­es Feld handele.

Eine ähn­liche Mei­n­ung ver­tritt David, der im sech­sten Semes­ter Human­medi­zin an der medi­zinis­chen Hochschule in Bran­den­burg studiert. „Ich glaube nicht, dass Flüs­sig- oder Pul­ver­nahrung mögliche Alter­na­tiv­en im stres­si­gen Uni-All­t­ag sein kön­nen. Das Prob­lem an den Pro­duk­ten ist, dass ihre Kon­sis­ten­zen eher wasserähn­lich aus­fall­en und sie so deut­lich kürz­er im Magen bleiben. Das Sät­ti­gungs­ge­fühl kann nur für eine kurze Zeit anhal­ten. Dieses Phänomen ist auf das Pep­tid­hor­mon Ghre­lin zurück­zuführen, das häu­figer aus­geschüt­tet wird, wenn der Magen län­gere Zeit leer ist. Nach dem heuti­gen Stand der Wis­senschaft kön­nen wir davon aus­ge­hen, dass es gesund ist, drei Haupt- und zwei Neben­mahlzeit­en zu sich zu nehmen. Ohne voll­ständig von Flüssig­nahrung abzu­rat­en würde ich jedem ans Herz leg­en, durch Vor­bere­itung, wie zum Beispiel Vorkochen, den Kon­sum von Flüssig­nahrung zu umge­hen. Ein Müs­liriegel zwis­chen den Vor­lesun­gen bietet sich viel mehr an.“ Seine Aus­führung schließt David mit dem Satz: „Erin­nern wir uns noch mal daran, dass man sich durch gutes Essen sehr wohl fühlt und eine gute Mahlzeit ein Gegengewicht zum stres­si­gen Uni-All­t­ag bilden kann.“

Text: Michael Hof­mann
Illus­tra­tion: Gre­gor Borkowski
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