Monatlich grüßt die Menstruation. Man könnte meinen, dass die Periode in unserer Gesellschaft längst Normalität angenommen hat, doch das ist noch lange nicht der Fall. Zwei Expertinnen aus Halle erzählen von ihrem Kampf gegen das Periodentabu.
Nach dem Motto „Menstruieren, konstruieren, tabuisieren“ erreichen immer wieder Produkte den Markt, die das Leben menstruierender Personen eigentlich erleichtern sollen. Periodenblut wird dabei immer noch als etwas Ekliges dargestellt, das lieber mit spitzen Fingern und Plastikhandschuhen — ein Accessoire, das andere einmal die Woche zum Kloputzen oder für den ganz unhygienischen Müll hervorholen – angefasst werden sollte.
Das Thema der Menstruation selbst wird dadurch weiter in die Tabuzone gerückt. Denn macht man Dinge diskret und unsichtbar, verschwinden sie schnell von der Bildfläche und aus dem gesellschaftlichen Diskurs. Hygieneprodukte sollen die Entsorgung unkompliziert machen und werden als Problemlöser dargestellt, dabei liegt das Problem an einer ganz anderen Stelle: im allgemeinen Umgang mit der Menstruation und dem monatlich wiederkehrenden Blut. Um die Periode zu normalisieren und aus der Tabuzone zu holen, setzen sich verschiedene Sexualpädagog:innen und Periodenaktivist:innen gegen Period-Shaming und Benachteiligung menstruierender Personen und für mehr Aufklärung ein.
Periodenscham im Alltag
Laut den Maltesern menstruieren jeden Tag schätzungsweise 300 Millionen Menschen, dennoch findet die Periode kaum Platz in den Alltagsgesprächen. Tampons und andere Hygieneartikel werden beschämt unter dem Tisch weitergereicht. Auch werden die Empfindungen und Schmerzen, die mit der Periode einhergehen häufig missachtet und kleingeredet. Schüler:innen werden im Sportunterricht belächelt, wenn sie wegen ihrer Menstruation auf der Seitenbank sitzen oder andere menstruierende Personen gehen aus Angst vor negativen Kommentaren trotz Schmerzen ihrem gewohnten Alltag nach.
Blaues Blut, wo gibt’s denn sowas?
Auch die Medien vermitteln verstärkt ein falsches Bild und die Werbesprache wirkt tabuisierend. So wird Periodenblut in der Werbung selten rot dargestellt. Durch diskrete, blaue oder farblose Flüssigkeit sollen das Blut und die Schmerzen unsichtbar gemacht werden. Dabei ist die Menstruation ein vollkommen natürlicher Vorgang, ohne den wir alle nicht hier wären.
Genau diese Enttabuisierung und sexpositive Aufklärung hat sich auch Ronja Abhalter zur Aufgabe gemacht. Sie kommt ursprünglich aus dem Bereich der Sozialen Arbeit, studiert momentan Angewandte Sexualwissenschaften in Merseburg und arbeitet seit 2017 hauptamtlich als Sexualpädagogin in der AIDS-Hilfe Halle. Gemeinsam mit anderen Mitarbeitenden und Ehrenamtlichen geht sie regelmäßig in Schulklassen, um dort mit Schüler:innen ab der 8. Klasse über Sexualität und alle Fragen, die damit einher gehen, zu sprechen. „Als AIDS-Hilfe Mitarbeitende ist das Hauptthema sexuelle Gesundheit, aber Menstruation ist natürlich auch immer ein Thema, das eine Rolle spielt und das ich im Hinterkopf habe“ erzählt sie im Interview.
Gearbeitet wird zuerst mit den Gedanken, die bei den Schüler:innen auftauchen. Dabei ist das Sex-ABC eine gängige Methode, um in das Thema zu starten und erstmal über alle Fragen und Begriffe offen und auf einer Vertrauensebene zu reden. „Wir wollen vor allem die Haltung vermitteln, dass Sexualität ein Thema ist, über das man reden kann und für das es Ansprechpersonen gibt, wenn Fragen bestehen“. Dabei erhält sie trotz anfänglicher Zurückhaltung überwiegend positive Rückmeldungen. „Insgesamt würde ich sagen, die Scham ist noch lange nicht vorbei, aber erste Schritte werden gemacht und schon allein die Menstruationstasse, die dafür steht, dass Menschen mit dem Blut in Kontakt kommen und sich mehr mit dem Körper auseinandersetzen, führt dazu, dass sich mehr Leute mit dem Thema beschäftigen.“ Auch wenn sich die Scham vielleicht nie komplett beseitigen lässt, sollten Jugendliche wissen, wohin sie sich wenden können, erklärt Ronja Abhalter und gibt deshalb auch immer gerne Instagram-Accounts und YouTube-Kanäle zum Weiterinformieren mit auf den Weg.
„Ich vergleiche keine Autos, ich vergleiche Periodenprodukte“
Auch die Studierende Martha Burkhardt wünscht sich einen offenen Umgang mit der Periode und entwickelte deshalb eine spielerische Variante, um über die Menstruation aufzuklären. „Mir ist es ein großes Anliegen, dass die Periode ganz alltäglich in die Gesellschaft integriert wird so wie essen, trinken und aufs Klo gehen. Keiner menstruierenden Person sollte es mehr unangenehm sein, die Periode zu haben, das zu erwähnen oder irgendeine Einschränkung dadurch erfahren zu müssen.“ Martha studiert Buchkunst an der Burg Giebichenstein Kunsthochschule in Halle und begann sich im Sommer 2019 intensiv mit Periodenprodukten auseinanderzusetzen. Schnell stieß sie auf eine unfassbar große Bandbreite an Hygieneprodukten und aus einer kleinen Idee entstand das Periodenproduktquartett, das sie schließlich im Frühjahr 2020 fertig in der Hand hielt. „Es schien mir eine geniale Idee [Menstruationsprodukte] anhand eines Quartetts vergleichen zu können…. also keine Autos und deren Leistungen, sondern Produkte, wie Tampons oder Menstruationstassen.“ Für ihre Idee, spielerisch gegen das Periodentabu zu kämpfen, erhielt sie nur positive Resonanzen und sie wünscht sich, dass ihr Quartett auch an anderen Orten die Aufklärungsarbeit erleichtern kann, denn „mithilfe eines Spiels macht Aufklärung und eine Auseinandersetzung mit einem Thema viel mehr Spaß!“. Nach dem erfolgreichen Crowdfunding kann man ihr Quartett nun über ihre Website (https://periodenproduktqua.wixsite.com/ppq-offical-website) oder in ansässigen Buchhandlungen wie Heiter bis Wolkig und Kohsie erwerben.
„Es gibt nichts, wofür du dich schämen musst“
Die Periode ist längst nicht aus der Tabuschublade geholt, doch immer mehr Menschen sprechen offen über ihre Menstruationsempfindungen, über Schmerzen, Hygieneartikel und Blut. In den sozialen Medien kämpfen Periodenaktivist:innen mit ehrlichen und kreativen Bildern und unter Hashtags wie #periodproud und #freeperiod für einen offenen und befreiten Umgang. Kanäle wie Auf Klo räumen bei YouTube und Instagram mit Klischees auf und reden ungeniert über Freundschaft, Sex, Liebe, Mental Health, Zukunft und Politik. So steht in ihrem Selbstverständnis: „Bei Auf Klo wird wirklich alles angesprochen, damit jede:r weiß: Es gibt nichts, wofür du dich schämen musst!“
Es bleibt weiterhin ein harter Kampf Einzelner, dem sich jedoch immer mehr Menschen anschließen, um für einen offenen Umgang mit der Menstruation und dem monatlich wiederkehrenden Blut zu kämpfen.
Viva la Menstruation!
Weiterführende Links:
https://www.halle.aidshilfe.de/
https://periodenproduktqua.wixsite.com/ppq-offical-website
@periodenproduktquartett (Instagram)