Vom Nach­wuch­stal­ent des Rund­funk Berlin-Bran­den­burg (rbb) zum ein­flussre­ichen Ver­schwörungside­olo­gen. Einem, der sich gegen das poli­tis­che Sys­tem und gegen demokratis­che Wahlen ausspricht. Wie kon­nte es dazu kom­men? Eine Doku­men­tar-Pod­cast-Serie geht dieser Frage auf den Grund. 

Abgebildet ist ein Adler, welcher eine Uniform trägt und sich eine Krawatte richtet.

Geh mal auf die Inten­siv­bet­ten­sta­tion, da ist nix los. Wo bleibt denn der Ansturm? Ach, der ist nicht da, weil wir so ‚tolle‘ Maß­nah­men haben.“ So begin­nt der Pod­cast „Cui Bono: WTF hap­pened to Ken Jeb­sen?“. Im Flüster­ton wird die Hörer:innenschaft unvor­bere­it­et mit den ver­schwurbel­ten Gedanken Ken Jeb­sens kon­fron­tiert. „Bill Gates ist auch ein Fre­und von Drosten und unter­stützt den und das Robert Koch-Insti­tut.“ Der Ver­schwörungside­ologe beschle­u­nigt sein Sprechtem­po: „Bill Gates und seine Foun­da­tion hat auch dem Spiegel 2,3 Mil­lio­nen gegeben. Aber sie haben natür­lich keinen Ein­fluss auf die Berichter­stat­tung. Das hat der Spiegel uns bestätigt.“ 

Die Audioserie, die vier Wochen lang den ersten Platz der Spo­ti­fy-Pod­cast Charts zierte, arbeit­et in ins­ge­samt sechs Fol­gen die Lebens­geschichte Ken Jeb­sens auf. Der in den 1990ern prog­nos­tizierte Nach­wuchsstar des rbb ist heute in der recht­en Szene aktiv. Mit sein­er Show „KenFM“ erre­icht er im Inter­net tausende Hörer:innen.  

Was ist mit Ken Jeb­sen passiert?“, fragt sich der Inves­tiga­tivjour­nal­ist Keshrau Behroz. Es ist die zen­trale Frage, die sich durch den gesamten Pod­cast zieht. Die Kopro­duk­tion von Stu­dio Bum­mens, NDR, K2H und rbb wagt spek­takuläre Ein­blicke ins Innere des Kaninchenbaus. 

Cui Bono bedeutet über­set­zt „Wem zum Vorteil?“. Ver­schwörungserzäh­lun­gen ergrün­den ange­bliche Inter­essen der Mächti­gen eines Lan­des. Im Pod­cast wird die Frage allerd­ings anders gestellt. „Wir drehen den Spieß um. Welche Inter­essen, welche Akteur:innen steck­en hin­ter den Ver­schwörungs­the­o­rien, hin­ter Ken Jeb­sen und KenFM?“, erk­lärt der Pro­duzent Keshrau Behroz den Titel. 

Reporter des Wahnsinns 

Die „Mann mit der Banane“ betitelte erste Folge steigt im Berlin der 1990er Jahre ins Geschehen ein. Ken Jeb­sen, der eigentlich Kay­van Soufi Siavash heißt, macht Kar­riere als „Reporter des Wahnsinns“ beim rbb. Er hat obskure Ideen, kann intel­li­gent und gewitzt argu­men­tieren, tritt selb­st­be­wusst auf und zeich­net sich vor allem durch sein ungewöhn­lich ras­antes Sprechtem­po aus. Nach Sta­tio­nen bei ZDF und Pro7 gelingt ihm schließlich mit sein­er Show „Ken FM“ bei Radio Fritz der Durch­bruch. „Damals, da war er der wildeste‑, der wahnsinnigste‑, der inno­v­a­tivste Radiomod­er­a­tor Deutsch­lands. Ken FM war unvorherse­hbar, immer wieder über­raschend. Es war ein­fach ein Ereig­nis“, erin­nert sich David Krause, ehe­ma­liger Fritz-Radiomod­er­a­tor. Als der rbb die Sendung Ken FM nach Anti­semitismusvor­wür­fen im Jahr 2011 abset­zt und Ken Jeb­sen den Sender ver­lassen muss, hat er sich bere­its eine treue Hörer:innenschaft aufge­baut. Sie fol­gt der Show von nun an im Inter­net. 2021 wird die alter­na­tive Medi­en­plat­tform als Ver­dachts­fall durch den Ver­fas­sungss­chutz eingestuft: Wegen der Ver­bre­itung von Desin­for­ma­tion und Verschwörungstheorien. 

Verschwörungstheoretiker:innen schüren Ängste 

Was treibt Ken Jeb­sen an? Geht es ums Geld? Geht es um Macht? Geht es am Ende nur ums Ego? Oder geht es um Hin­ter­män­ner, die ganz andere Absicht­en ver­fol­gen?“ fragt sich Keshrau Behroz. 

Die Recherche führt ihn nicht nur ins Berlin der neun­ziger Jahre, auch die Geschehnisse rund um den Ter­ro­ran­schlag vom 11. Sep­tem­ber spie­len eine Rolle. Der Pod­cast the­ma­tisiert eine geheimnisvolle Fab­rik in Sankt Peters­burg, einen Dem­a­gogen in Austin, Texas und die Ereignisse auf der Krim. „Es geht um Waf­fen­nar­ren und Inter­net­trolle, um Geheim­di­en­ste und Wunderheiler:innen, um Neon­azis, dubiose Geschäft­sleute und YouTube-Mil­lionäre“, führt Behroz aus. 

Der Ver­schwörungside­ologe Ken Jeb­sen wird in der detail­lierten Beschrei­bung wichtiger Lebenssta­tio­nen beina­he hero­isiert dargestellt. Damit erhal­ten seine ver­schwurbel­ten Inhalte eine zusät­zliche Plat­tform. Den­noch stellt sich die Frage, ob vol­lkommene Igno­ranz eine bessere Strate­gie sei. Dass dies ein viel gefährlicheres Unter­fan­gen wäre, dessen ist sich auch Keshrau Behroz sich­er: Anhand der beispiel­haften Lebens­geschichte des Jour­nal­is­ten wird die Macht, die Ver­schwörungserzäh­lun­gen auf unsere Gesellschaft haben kön­nen, auf alarmierende Weise offen­gelegt. „Weil seine Geschichte nur ein Beispiel dafür ist, was Verschwörungstheoretiker:innen und Ver­schwörungs­the­o­rien mit uns machen. Denn sie sind gefährlich und sie sind angekom­men in unseren Fam­i­lien, in unseren Fre­un­deskreisen, bei Men­schen, die wir ken­nen.“ Verschwörungsideolog:innen schüren Äng­ste, sie beschädi­gen das Ver­trauen in unsere Gesellschaft und unsere Demokratie. 

Aufwändige Gestaltung 

Dra­matur­gisch und erzäh­lerisch aufwändig gestal­tet, wech­seln in der Col­lage O‑Töne, Jin­gles und der durchs Geschehen lei­t­ende Erzäh­ler Keshrau Behroz. Präzise musikalis­che Unter­malun­gen bee­in­flussen die Atmo­sphäre nach­haltig, wie der Klangtep­pich aus Orch­es­terin­stru­menten, die ges­timmt wer­den, zum Beginn ein­er jeden Episode. Auch wenn der Ver­schwörungside­ologe selb­st keinem Inter­view zus­timmte, erzeu­gen kurze Ein­spiel­er ver­gan­gener Aus­sagen Unbe­ha­gen. Dabei ist pos­i­tiv her­vorzuheben, dass jedes der Zitate im Anschluss peni­bel ein­ge­ord­net wird; Def­i­n­i­tio­nen zen­traler Begriffe erle­ichtern das Ver­ständ­nis der Hand­lung zusät­zlich. Mith­il­fe des dra­matur­gisch gekon­nt gestal­teten Auf­baus zeich­net sich jede Folge durch einen eige­nen Span­nungs­bo­gen aus. Aus­blicke am Ende ein­er Episode machen neugierig auf das Kommende. 

Dem Autor und Jour­nal­is­ten Keshrau Behroz gelingt mit sein­er inves­tiga­tiv­en Arbeit eine Meis­ter­leis­tung: Eine aufrüt­tel­nde Biografie mit zahlre­ichen doku­men­tarischen Ele­menten. Der Pod­cast erzählt unter­halt­sam und erhel­lend, aber den­noch dif­feren­ziert von den Irrwe­gen eines Jour­nal­is­ten und der Macht von Desin­for­ma­tio­nen im dig­i­tal­en Zeitalter. 

Autorin: Clara Hoheisel

Illus­tra­tio­nen: 0fjd125gk87 und Col­in Behrens via Pixabay

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