Die neue Waf­fen­ver­bot­szone im Umkreis des Riebeck­platz hat das Ziel, öffentliche Sicher­heit zu gewähren und mögliche Täter:innen abzuschreck­en. Allerd­ings gilt diese Maß­nahme als umstrit­ten, da sie Grun­drechte ein­schränkt und ver­dacht­sun­ab­hängige Kon­trollen ermöglicht. Ein Blick auf die Debat­te, die momen­tan in Halle stat­tfind­et.   

Mit dem bloßen Auge fällt es kaum auf – nur mehrere gelbe Schilder um den Haupt­bahn­hof Halle weisen darauf hin, dass sich seit dem 16. Dezem­ber etwas geän­dert hat. Seit­dem gibt es dort eine Waf­fen­ver­bot­szone, die sich vom oberen Teil der Leipziger Straße über den Riebeck­platz, den ZOB und die umliegen­den Frei­flächen und Zugänge erstreckt. In dieser Zone herrschen Son­der­regeln: Es dür­fen keine Waf­fen jeglich­er Form mit­ge­führt wer­den, seien es Mess­er, Schla­gringe oder Pfef­fer­spray. Bei Ver­stoß gegen diese Regelung dro­ht ein Bußgeld von bis zu 10 000 Euro. Außer­dem kann die Polizei Bürger:innen vor Ort ver­dacht­sun­ab­hängig kontrollieren. 

Bere­its seit Jahren gilt der Riebeck­platz laut Lan­desregierung als „gefährlich­er Ort” gemäß Para­graph 20, Absatz 1 des Geset­zes über die öffentliche Sicher­heit und Ord­nung des Lan­des Sach­sen-Anhalts. Das heißt, dass dort beson­ders viele Gewal­tauss­chre­itun­gen und Ver­stöße gegen das Betäubungsmit­telge­setz fest­gestellt wur­den. Zum Beispiel wur­den nach Angaben der Lan­desregierung im Jahr 2019 zwölf und im Jahr 2020 neun Straftat­en unter Ein­satz von Waf­fen im Bere­ich der inzwis­chen ent­stande­nen Zone fest­gestellt. Es sei erfahrungs­gemäß anzunehmen, dass Per­so­n­en an diesem Ort Straftat­en verabre­den, vor­bere­it­en oder verüben, so die Landesregierung. 

Die Iden­titäts­fest­stel­lung ein­er Per­son durch die Polizei ist fol­glich auch ohne konkrete Gefahr oder Ver­dacht zuläs­sig. Mit der neuen Beze­ich­nung als „Waf­fen­ver­bot­szone“ kom­men Waf­fen-Reg­ulierun­gen und dahinge­hend stren­gere Kon­trollmöglichkeit­en der Polizei hinzu. 

Politische Stimmen in Halle sind zwiegespalten 
Waf­fen­ver­bot­szone Riebeck­platz
(Foto: Ali­na Eckelmann)

Die CDU- und SPD- Stad­trats­frak­tio­nen in Halle befür­worten die Ein­rich­tung der Waf­fen­ver­bot­szone durch das Innen­min­is­teri­um. Auf Nach­frage der has­tuzeit führt die CDU-Frak­tion an, dass mit der Zone stärk­er gegen den Dro­gen­han­del und die Beschaf­fungskrim­i­nal­ität in Halle vorge­gan­gen wer­den soll. Die Zone sei als Teil der Krim­i­nal­itäts­bekämp­fung anzuse­hen, in der regelmäßig kon­trol­liert wird und Straftat­en kon­se­quent geah­n­det werden. 

Die SPD-Frak­tion ver­weist auf den über die let­zten Jahre verze­ich­neten Anstieg von Straftat­en in Sach­sen-Anhalt, die mit einem Mess­er verübt wur­den. Sie sähen in der Waf­fen­ver­bot­szone ein geeignetes Mit­tel, um Gewalt und Kör­per­ver­let­zun­gen vorzubeu­gen. Die Polizei­in­spek­tion Halle spricht in ein­er Pressemit­teilung von 24 mit einem Mess­er began­gene Straftat­en am Riebeck­platz in den let­zten drei Jahren. 

Allerd­ings waren nach der Ein­rich­tung auch kri­tis­che Stim­men zu hören. So spricht sich der Linke-Frak­tionsvor­sitzende Dr. Bodo Meer­heim klar gegen die Son­der­zone aus, indem er sie auf Nach­frage als „Grun­drecht­sein­schränkung, die nicht auf Fak­ten basiert” betitelt. Darüber hin­aus verkün­dete die hal­lis­che Linke auf der Nachricht­en-Plat­tform Twit­ter im Feb­ru­ar dieses Jahres: „Leipzig zeigt, dass Waf­fen­ver­bot­szo­nen nichts brin­gen – außer die Ein­schränkung von Grun­drecht­en. Das sieht jet­zt auch die Mehrheit des Stad­trates unser­er Nach­barstadt so. Deshalb soll­ten wir aus Erfahrung ler­nen und dieses fehlgeschla­gene Pro­jekt in Halle gle­ich beenden.“ 

Das Dilemma um die polizeilichen Kontrollen 

Tat­säch­lich lässt sich viel von der Grund­satzde­bat­te um die Waf­fen­ver­bot­szone am Beispiel der Leipziger Zone um die Eisen­bahn­straße ver­an­schaulichen. Auch diese ist als Maß­nahme zur Krim­i­nal­itätssenkung im Novem­ber 2018 ein­gerichtet wor­den, wird jedoch sei­ther scharf kri­tisiert. Alleine der Name „Waf­fen­ver­bot­szone“ ist dabei irreführend: Der Stre­it­punkt ist weniger, dass Waf­fen ver­boten wer­den – darauf kön­nen sich ver­mut­lich die meis­ten eini­gen. Es geht vielmehr um die polizeilichen Kon­trollen ohne konkreten Anlass, die ermöglicht sind. Die Linke nen­nt diese Kon­trollen eine „Ein­schränkung der Grun­drechte“, da allein der Aufen­thalt an einem Ort wie dem Riebeck­platz ein Ein­schre­it­en des Staates legit­imiert; Men­schen wer­den also unter einen Gen­er­alver­dacht gestellt. 

Vor allem der Vor­wurf, dass eine Waf­fen­ver­bot­szone „Racial Pro­fil­ing” begün­stige, ste­ht im Raum. Dieser Begriff beze­ich­net polizeiliche Maß­nah­men wie Durch­suchun­gen, Iden­titäts­fest­stel­lun­gen oder Überwachun­gen, die nicht als Reak­tion auf einen konkreten Ver­dacht erfol­gen, son­dern nur auf „äußeren“ Merk­malen wie zum Beispiel der Haut­farbe beruhen. Dr. Thomp­son, Mitar­bei­t­erin am sozi­ol­o­gis­chen Insti­tut in Frank­furt, merkt in ihrem Artikel für die Bun­deszen­trale für poli­tis­che Bil­dung auf Grund­lage zahlre­ich­er Erfahrungs- und Forschungs­berichte von Ini­tia­tiv­en und Men­schen­recht­sor­gan­i­sa­tio­nen an, dass es in der polizeilichen All­t­agsprax­is beson­ders zur Kon­trolle der Per­so­n­en und Grup­pen kommt, die von der Mehrheits­ge­sellschaft als Min­der­heit­en eingestuft wer­den. Das heißt, dass ins­beson­dere Peo­ple of Col­or und migrantisch gele­sene Men­schen in den Fokus von Per­so­n­enkon­trollen geraten. 

Ein Zusammenhang zwischen Waffenverbotszone und Racial Profiling? 
Blick auf den Riebeck­platz (Foto: Ali­na Eckelmann)

Es fällt auf, dass soge­nan­nte „gefährliche Orte“ wie der Riebeck­platz beson­ders migrantisch geprägt sind. Gle­ich­es gilt für das Leipziger Vier­tel Neustadt-Neuschöne­feld, in dem sich die Leipziger Waf­fen­ver­bot­szone befind­et. Dass ger­ade in diesen Gegen­den ver­dacht­sun­ab­hängige Kon­trollen möglich sind, unter­mauert den Vor­wurf des Racial Profilings. 

Wed­er die CDU- noch die SPD-Frak­tion sehen auf Nach­frage einen direk­ten Zusam­men­hang zwis­chen der Waf­fen­ver­bot­szone und Racial Pro­fil­ing. Den­noch betont die SPD-Frak­tion, dass das Phänomen der ras­sis­tis­chen Diskri­m­inierung ein Prob­lem sei und auch im Polizeiap­pa­rat unter­sucht wer­den sollte. Des Weit­eren wüssten sie um die Gefahr, dass ein zu „exten­siv­er Ein­satz“ von Maß­nah­men wie ein­er Waf­fen­ver­bot­szone Stadt­teile und bes­timmte Orte stig­ma­tisieren könne. Darüber hin­aus reiche die Zone allein wohl nicht, um die Krim­i­nal­ität zu senken, und sollte mit anderen geeigneten Mit­teln flankiert wer­den, so die SPD weit­er.  Der Riebeck­platz wird zum Beispiel schon seit 2015 zusät­zlich videoüberwacht. 

Die Evaluierung soll mehr Antworten liefern 

Momen­tan warten in Leipzig sämtliche Parteien auf die Ergeb­nisse ein­er wis­senschaftlichen Evaluierung der Waf­fen­ver­bot­szone nach zwei Jahren Pilot­phase. Sie soll unter­suchen, ob das Ziel ein­er Erhöhung des Sicher­heits­ge­fühls erre­icht wurde und inwiefern die Zone akzep­tiert wird. An dem Pro­jekt sind das Säch­sis­che Insti­tut für Polizei- und Sicher­heits­forschung und ein Forschung­steam der Uni­ver­sität Leipzig beteiligt. In welchem Aus­maß Racial Pro­fil­ing in der Studie eine Rolle spielt, ist noch unklar, doch laut Polizei Sach­sen stellt das Ver­trauen der Anwohner:innen in die polizeilichen Beamten vor Ort einen Schw­er­punkt der Forschung dar. Dem­nach bleibt zu hof­fen, dass die Ergeb­nisse mehr Auf­schluss über die Wirk­samkeit ein­er solchen Zone geben können. 

Auch in Halle ist nach einem Jahr Laufzeit eine Evaluierung durch die Polizei­in­spek­tion geplant, bei der die monatlich fest­gestell­ten Ver­stöße gegen die Waf­fen­ver­bot­sor­d­nung ein­fließen sollen. 

Ein offener Diskurs ist nötig 

Der Linke-Frak­tionsvor­sitzende Meer­heim kri­tisiert, dass die hal­lis­che Son­der­zone ohne offene Diskus­sion in der Kom­mune errichtet wurde. Dabei zeigt eine län­gere Beschäf­ti­gung mit dem Konzept „Waf­fen­ver­bot­szone“, wie kom­plex die Prob­lematik darum ist. Dass der Schutz von Men­schen und das Senken von Straftat­en ein wichtiges Ziel der hal­lis­chen Stadt­poli­tik sein sollte, unter­schreiben sich­er Befürworter:innen wie Kritiker:innen der Zone. Doch inwiefern ver­dacht­sun­ab­hängige Kon­trollen dazu beitra­gen, das Grund­prob­lem an der Wurzel anzuge­hen, ist strit­tig. Der Diskurs um die Waf­fen­ver­bot­szone sollte ein starkes Augen­merk auf neg­a­tive Effek­te wie diskri­m­inieren­des Pro­fil­ing beibehalten. 

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