Was für einen wichti­gen Beruf Brief- und Paketzusteller:innen ausüben, wird einem spätestens beim Warten auf eine Bestel­lung bewusst. Beina­he jeden Tag kann man die Autos der Paket­di­en­ste und die Fahrräder der Post auf den hal­lis­chen Straßen antr­e­f­fen. Doch wie läuft der Arbeit­sall­t­ag der Zusteller:innen ab, und wie hat sich dieser durch Coro­na verän­dert? Der duale Stu­dent John gibt einen Ein­blick in seine Arbeit bei der Post in Halle.

Seinen Job übt John seit Okto­ber 2019 aus, damals noch als Vol­lzei­tangestell­ter. Sein ursprünglich­er Plan war, bei der Post zu arbeit­en, bis er sein duales Studi­um im Okto­ber 2020 antreten kann. Allerd­ings zog auch ihm Coro­na einen Strich durch die Rech­nung, und die Suche nach einem passenden Prax­is­part­ner für das Touris­mus-Studi­um gestal­tete sich als beina­he unmöglich. So entsch­ied er sich, stattdessen seinen Job bei der Post zu behal­ten, nun jedoch nicht mehr in Vol­lzeit, son­dern auf Abruf. Möglich ist ihm das jedoch laut eigen­er Aus­sage nur, weil sein Studi­um so struk­turi­ert ist, dass die Student:innen an drei Tagen in der Woche arbeit­en und an den zwei weit­eren Lehrver­anstal­tun­gen besuchen. Hätte er sich für ein Vol­lzeit­studi­um entsch­ieden, kön­nte er höchst­wahrschein­lich nur an Sam­sta­gen und in der vor­lesungs­freien Zeit arbeiten.

Der tägliche Arbeitsablauf bei der Post

Grund dafür ist die Länge des Arbeit­stages. An den Tagen, an denen John arbeit­en muss, ste­ht er bere­its um sechs Uhr auf, damit er pünk­tlich um 7.15 Uhr in der Zustellungs­zentrale sein kann. Nur an Mon­ta­gen ist ihm etwas mehr Schlaf vergön­nt. Hier begin­nt der Arbeit­stag erst um 7.40 Uhr. Auch sind Mon­tage, laut John, meist die entspan­ntesten und kürzesten Tage, da über das Woch­enende nur wenig Post in die Fil­iale kommt. Wenn er gut durchkommt, hat er bere­its um zwölf Uhr Schluss. In der Regel sind seine Arbeit­stage jedoch deut­lich länger. John berichtet, dass er an manchen Tagen bere­its zehn oder elf Stun­den gear­beit­et hat und erst um 18.00 Uhr die Fil­iale ver­lassen kon­nte. Diese lan­gen Tage entste­hen primär durch große Men­gen an Post, aber auch, wenn John eine Tour machen muss, die er noch nicht ken­nt. Oft benutzt er in solchen Fällen Google Maps, um sich zurechtzufind­en, was ihn viel Zeit kostet.

Foto: Char­lotte Bock

Bevor sich John auf seine Tour begeben kann, muss er allerd­ings erst seine Post sortieren. In der Zustel­lungszen­trale hat jede Tour ihren eige­nen Spind, ins­ge­samt umfasst das Liefer­gebiet der Fil­iale in der Turm­straße cir­ca 50 Touren. Am Mor­gen ver­bringt John jeden Arbeit­stag erst ein­mal rund zwei Stun­den damit, Pakete und Ein­schreiben einzus­can­nen und Briefe, so genan­nte Kurz­post, sin­nvoll nach Straßen zu ord­nen, um das spätere Aus­liefern zu erle­ichtern. Danach wartet er auf eine weit­ere Liefer­ung Kurz­post, die meist um neun Uhr kommt, und sortiert diese eben­falls. Er erk­lärt, dass die Mitarbeiter:innen das alles jew­eils für ihre eigene Tour machen. Jedoch gibt es auch Teilzei­tangestellte, die nur beim Ein­sortieren helfen, aber nicht ausliefern.

Hat John seine Post fer­tig sortiert, begin­nt er damit, ein Fahrrad zu pack­en. Er beschreibt, dass jede Tour ein festes Fahrrad hat. Dabei gibt es Mod­elle in ver­schiede­nen Größen, von ein­er Karre zum Ziehen bis zu einem E‑Trike mit einem Fassungsver­mögen von 8 Kisten Post. Voll beladen wiege let­zteres um die 120 Kilo, so John. Welch­es Mod­ell die Zusteller:in­nen bekom­men, hängt von der Größe der Tour und deren Ent­fer­nung von der Fil­iale ab. Außer­dem berichtet John, dass es einen hohen Ver­schleiß an Fahrrädern gebe. Geht eines auf der Tour kaputt, muss er es selb­st zurück zur Zustel­lungszen­trale brin­gen und dort ein neues beladen. Oft sei dies gar nicht so ein­fach, da es meist der Akku sei, der kaputtge­ht, erk­lärt er. Das 120-Kilo-Trike dann von der Innen­stadt bis in die Turm­straße zu brin­gen stellt ihn oft vor eine zeit- und kräfter­aubende Herausforderung.

Läuft der Tag ohne solche Vor­fälle ab, beg­ibt sich John mit seinem gepack­ten Fahrrad zu sein­er Tour. Zustel­lungs­be­ginn der Post ist 9.30 Uhr. Die Zustel­lung find­et bei jedem erden­klichen Wet­ter statt. So hat John schon an Som­merta­gen bei über 30 Grad Post aus­geliefert, im Regen oder während eines Sturms. Sog­ar durch die riesi­gen Schneemassen im Feb­ru­ar dieses Jahres hat er sich gekämpft. Er erzählt, dass an beson­ders kalten Tagen seine Hände häu­fig blau anlaufen oder sog­ar ris­sig wer­den, da er nur sel­ten Hand­schuhe trägt. Diese wür­den es erschw­eren, die Post schnell zu greifen, und ihm würde dadurch häu­fig etwas aus den Hän­den fall­en, meint er. Auch die beson­ders heißen Tage im Som­mer sind kräftezehrend, da John sich den ganzen Tag im Freien aufhält und kör­per­lich betätigt. Den­noch beschw­ert er sich nicht. Stattdessen sagt er, dass es wesentlich schw­erere Berufe auf der Welt gebe und er an den meis­ten Tagen die Arbeit an der frischen Luft genieße.

Foto: Char­lotte Bock

Während seines Arbeit­stages ste­ht John eine halbe Stunde Pause zu. Jedoch sei es ihm oft nicht möglich, diese wahrzunehmen, weil er häu­fig große Men­gen an Post zustellen muss. Er trinke zwar zwis­chen­durch etwas, aber Essen nehme er nur sel­ten mit, dafür reicht die Zeit oft nicht aus.

Auch die Möglichkeit­en, eine Toi­lette aufzusuchen, sind eingeschränkt. John erk­lärt, dass er dafür häu­fig die Apotheke nutzt, in der er neue Kisten mit Post abholt. Vor Coro­na war es für ihn in der Innen­stadt auch möglich, schnell auf ein Kun­den-WC in einem Einzel­handelsgeschäft zu gehen. Das gestal­tet sich nun jedoch durch die Schließung dieser schwierig. Er erzählt von einem Fall vor ein paar Tagen, bei dem er in einem Nagel­stu­dio
gefragt hat, ob er die Toi­lette benutzen dürfe. Es wurde ihm gewährt, doch er habe auch schon häu­fig ein Nein zu hören bekom­men, beispiel­sweise in eini­gen Büros. Außer­dem kann John sein Fahrrad auf­grund der dro­hen­den Gefahr von Dieb­stahl nicht ste­hen lassen. Das Fahrrad habe keine Möglichkeit zum Abschließen, erk­lärt John. So ist die Post unbe­wacht, wenn er nicht da ist. Oft gehe er deshalb während der Zustel­lung nicht auf Toi­lette, son­dern nur in der Zustellungszentrale.

Hat John alle Zustel­lun­gen aus­ge­händigt, was an manchen Tagen jedoch nicht möglich ist und zu einem Abbruch der Tour führt, fährt er zurück in die Fil­iale und macht dort noch die Rückschrift von Paketen, die nicht zugestellt wer­den kon­nten. Ist er damit fer­tig, hat er endlich Feier­abend und kann die Arbeit verlassen.

Foto: Char­lotte Bock

Verän­derun­gen durch Corona

Wie bei vie­len anderen habe sich auch sein Arbeit­sall­t­ag durch Coro­na verän­dert, erzählt John. Zuerst habe er gemerkt, dass durch die Schließung des Einzel­han­dels die Zahl an Bestel­lun­gen expo­nen­tiell angestiegen sei, was seinen sowieso schon anstren­gen­den Tag noch stres­siger gemacht habe. Auch muss er in der Innen­stadt durchge­hend eine Maske tra­gen, woran er sich aber laut eigen­er Aus­sage gewöh­nt hat und was ihn auch nicht bei der Ausübung seines Jobs stört. Außer­dem spricht er davon, dass die Kun­den unfre­undlich­er gewor­den wären und die Angst vor dem Virus auch bei ihnen deut­lich zu spüren sei. So fordern sie ihn oft auf, nicht näher zu kom­men oder ein Paket auf der Treppe liegen zu lassen. Außer­dem dür­fen die Kun­den nicht mehr für den Erhalt eines Pakets oder Ein­schreibens unter­schreiben, das muss John selb­st tun. Das habe auch schon zu Prob­le­men geführt, beispiel­sweise wenn der/die Empfänger:in ein Ein­schreiben nicht erhal­ten hat, obwohl es aus­ges­can­nt und in den Briefkas­ten gesteckt wurde.

Doch John sieht auch in der durch Coro­na anspruchsvolleren Sit­u­a­tion das Gute. „Ich bin froh, dass ich über­haupt noch arbeit­en kann. Viele mein­er Fre­unde kön­nen ihre Neben­jobs momen­tan nicht ausüben und haben deshalb oft finanzielle Prob­leme. Auch wenn mein Job an manchen Tagen wirk­lich anstren­gend und fordernd ist, bin ich froh, ihn zu haben. Außer­dem sind manche Kun­den auch wirk­lich dankbar, wenn ich ihnen ihre Post zustelle. Es kam auch schon vor, dass ich Dankeskarten und Schoko­lade bekom­men habe. Das verbessert dann gle­ich den Tag, und die Arbeit erscheint gar nicht mehr so anstren­gend“, erzählt er am Ende der Unter­hal­tung mit einem Lächeln. Er selb­st sagt auch, dass er durch seinen Neben­job bei der Post die Arbeit der Vol­lzeit-Angestell­ten mehr wertschätzt, weil er weiß, dass Post aus­liefern ein echter Knochen­job sein kann.

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