Mit der Iso­mat­te im Zelt oder bei Gast­ge­bern auf der Couch: für einen kurzen Urlaub mag das sich­er reizvoll klin­gen. Doch tat­säch­lich sieht so für manche die erste Stu­den­ten­bude aus. Bezahlbar­er Wohn­raum wird für Studierende immer knap­per. Selb­st in Halle kann es mit dem BAföG-Satz eng werden. 

Seit knapp zwei Monat­en läuft nun schon das Semes­ter, und viele Studierende in Deutsch­land dürften mit ihrer Wohn­si­t­u­a­tion immer noch unzufrieden sein, denn der ohne­hin anges­pan­nte Woh­nungs­markt hat sich 2018 für sie beson­ders ver­schlechtert. Zu diesem Schluss kommt auch das Moses-Mendelssohn-Insti­tut Berlin (MMI) in ein­er neuen Studie. Im Auf­trag des Immo­bilienen­twick­lers GBI wur­den 96 Stan­dorte mit mehr als 5000 Studieren­den unter­sucht. Dabei wur­den in Koop­er­a­tion mit dem Immo­bilien­por­tal wg-gesucht.de 23 Fak­toren, darunter Preis, Entwick­lung der Studieren­den- und Erstse­mes­ter-Zahlen, Altersstruk­tur der Bewohn­er, die Quote gefördert­er Wohn­heime, das son­stige Immo­bilien­ange­bot sowie die Attrak­tiv­ität der Uni­ver­sitäts­stan­dorte genauer analysiert. Für alle Stan­dorte wurde so ein »Anspan­nungs-Index« ermit­telt. Wie auch im Jahr zuvor ste­ht München mit dem höch­sten Index-Wert auf Platz 1. Beina­he eben­so schlecht schnei­den die nach­fol­gen­den Großstädte Ham­burg, Stuttgart, Frank­furt, Köln und Berlin ab. »Vor allem an Stan­dorten, die ohne­hin gefragt sind, spitzt sich die Lage zu«, erk­lärt Dr. Ste­fan Brauck­mann, Direk­tor des MMI. »Haup­tur­sache für diese Entwick­lung ist die Mis­chung aus ein­er zunehmenden Nach­frage, steigen­den Preisen und man­gel­n­dem Ange­bot in den gefragten Hochschul­stan­dorten«, so Brauck­mann weit­er. In diesen Städten ist es noch schwieriger gewor­den, Wohn­raum zu find­en, der bezahlbar ist. Vor allem für Studierende, die sich gegen zahlungskräftigere Konkur­renz durch­set­zen müssen. Denn die wirtschaftsstarken Bal­lungszen­tren lock­en nicht nur mit Bil­dungsange­boten, son­dern auch Kul­tur- und Zen­trum­snähe sind entschei­dende Fak­toren, die diese Orte auch für andere gesellschaftliche Grup­pen so attrak­tiv machen.

Aber die schlechte Sit­u­a­tion am Woh­nungs­markt ist nicht allein Phänomen der gefragten Metropolen. Auch in kleineren Stu­den­ten­städten ist es erhe­blich schwieriger gewor­den, passenden Wohn­raum zu find­en. Auf­fäl­lig ist, dass diese Prob­lematik vor allem in den alten Bun­deslän­dern aktuell ist. Das west­fälis­che Mün­ster beispiel­sweise zählt mit knapp 55 000 Studieren­den – das sind immer­hin ein Fün­f­tel der Ein­wohn­er – zu einem der begehrtesten Uni­ver­sitäts­stan­dorte Deutsch­lands. Laut Studieren­den­werk sind dort etwa 3000 Wohn­heim­be­wer­ber leer ausgegangen.

Wohnungsnot macht kreativ

Illus­tra­tion: Emil­ia Peters

Neben der Alter­na­tive, Notun­terkün­fte oder die Couch eines Kom­mili­to­nen zu nutzen, hausen einige Woh­nungssuchende sog­ar auf Camp­ing­plätzen. So auch Ben, Physik­stu­dent aus Mün­ster. »Auf den Camp­ing­platz bin ich dann gekom­men, als mein Vater meinte, dass man sich ja auch mit dem Wohn­mo­bil irgend­wie an den Straßen­rand stellen kön­nte«, berichtet er dem Deutsch­land­funk eine Woche nach Semes­ter­start. Einzelfall? – Sich­er nicht, denn Bens Sit­u­a­tion stellt keineswegs die Aus­nahme dar. Zu seinen Nach­barn zählen mehrere Kom­mili­to­nen, die mit ihren Zel­ten auf die matschi­gen Grün­flächen auswe­ichen müssen. Wer sich aber zum Vor­lesungs­be­ginn doch lieber im Trock­e­nen wis­sen will, muss zumeist unan­genehme Kom­pro­misse einge­hen: WG-Zim­mer ohne Türen, Elfer-Wohnge­mein­schaften mit nur einem Klo, Duschen, die nur mit Münz­be­trieb laufen. Das sind nicht – wie man annehmen möchte – düstere Cam­pusle­gen­den, son­dern reale Berichte von Studieren­den, die sich in dur­chaus frag­würdi­gen Behausun­gen zurechtfind­en müssen. Allem Anschein nach macht die Woh­nungsnot nicht nur verzweifelte Erstis erfind­erisch, son­dern regt auch bei den Ver­mi­etern die Phan­tasie an. So wird Wohn­raum ten­den­ziell mehr und mehr hin­sichtlich sein­er ökonomis­chen Ver­w­ert­barkeit betra­chtet und nicht nach den Bedürfnis­sen von Studieren­den ausgerichtet.

Wohngeldpauschale geht an der Realität vorbei

Dass die Lage ernst ist, wird eben­so an den vielerorts kurzfristig ein­gerichteten Notun­terkün­ften deut­lich. Beim AStA der Goethe-Uni­ver­sität in Frank­furt am Main haben sich im Okto­ber 50 Erstse­mes­ter für dessen »Indoor­camp« auf Feld­bet­ten gemeldet. In Mün­ster wer­den Wohn­räume eines ehe­ma­li­gen Asyl­be­wer­ber­heims über­brück­end ver­mi­etet und in Berlin wer­den einige Studierende sog­ar in Hotels unterge­bracht. Wer in Halle zum Semes­ter­be­ginn keine Unterkun­ft gefun­den hat, kann eben­falls mit Unter­stützung rech­nen und sich an den Stu­ra wen­den, der auch dieses Semes­ter wieder eine Schlaf­platzbörse ange­boten hat. Dabei zählt Halle trotz neuem Ersti-Reko­rd zu den 21 Uni­ver­sitätsstädten, in denen, bezo­gen auf den nationalen Ver­gle­ich, die Anspan­nungslage ger­ing ist. Das Miet­niveau für ein WG-Zim­mer liegt hier unter 277 Euro. Im Durch­schnitt zahlen Studierende 2018 für ein Zim­mer rund 363 Euro. In München erfol­gt der Griff ins Porte­mon­naie meist tiefer. Hier kann ein Zim­mer schon mal 600 Euro kosten.

Bemerkenswert­er­weise liegen die Miet­preise weit außer­halb des Bud­getrah­mens der meis­ten Stu­den­ten und Stu­dentin­nen. 250 Euro, das ist die Wohnkosten­pauschale, die im BAföG-Satz vorge­se­hen ist. Dr. Brauck­mann vom MMI hält die Bil­dung­sun­ter­stützung für real­itäts­fern: »Diese amtliche Zahl spiegelt die Sit­u­a­tion ger­ade in nachge­fragten Hochschul­städten in kein­er Weise wider.« Andere Akteure schließen sich dieser Bew­er­tung an. Unter anderem auch der fzs (freie Zusam­men­schluss von Studieren­den­schaften), der neben zahlre­ichen anderen bil­dungspoli­tis­chen Ver­bän­den mit sein­er Protestkam­pagne »Ler­nen am Lim­it« im Rah­men von Protest­camps und Podi­ums­diskus­sio­nen auf die prekären Umstände aufmerk­sam machen will, in denen sich die Studieren­den von Jahr zu Jahr immer stärk­er wiederfind­en müssen. Gefordert wer­den vor allem mehr sozialer Woh­nungs­bau, eine funk­tion­ierende Miet­preis­bremse, der Aus­bau von Wohn­heim­plätzen, die Unter­stützung von alter­na­tiv­en Wohnkonzepten und die Nutzung von leer­ste­hen­den Gebäuden.

Vor­erst jedoch wer­den viele Studierende aber mit ihrer jet­zi­gen Sit­u­a­tion vor­lieb­nehmen müssen. Nach ein­er Bew­er­tung des Han­dels­blatts wer­den die Miet­preise kurzfristig sog­ar noch weit­er steigen. Mit Besserung ist ver­mut­lich erst Mitte der 2020er Jahre zu rech­nen, wenn aus demographis­chen Grün­den die Zahl der Studieren­den, die mit­tler­weile bei knapp 3 Mil­lio­nen liegt, abnehmen dürfte. Bis dahin wer­den auch in den kom­menden Semes­tern einige ihr Studi­um auf Feld­bet­ten und Camp­ing­plätzen begin­nen müssen.

0 0 vote
Arti­cle Rating
Abonnieren
Benachrichtige mich bei
guest

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

0 Comments
Inline Feedbacks
View all comments