Was haben die Tomaten­suppe Toscana von Knorr, May­belline Mas­cara und Vital­is-Müs­li gemein­sam? Laut Green­peace und WWF bein­hal­tet jedes zweite Pro­dukt im deutschen Super­markt Palmöl. Von Nach­haltigkeitsmythen, poli­tis­chen Dimen­sio­nen und Erleb­nis­sen der MLU-Stu­dentin Sen­ta Holl­mann aus Indonesien. 

Das indone­sis­che Dorf Patas Lawang
Foto: Sen­ta Hollmann

“Um fünf Uhr mor­gens ist Antritt vor dem Fir­menge­bäude in Patas Lawang. Nach ein­er eher wenig motivieren­den Ansprache des Man­agers des Dor­fes wer­den die ID-Karten ges­can­nt und sämtliche Arbeit­er auf die unter­schiedlichen Sek­toren verteilt.“ So beschreibt Sen­ta Holl­mann, eine Stu­dentin der Medi­en- und Kom­mu­nika­tion­swis­senschaften an der Mar­tin-Luther Uni­ver­sität einen Tag auf ein­er Palmölplan­tage. Weit­er­hin erzählt sie, dass die Auf­gabe der Arbeiter:innen zunächst darin beste­ht, die Palmwedel, die sich unter den reifen Trauben befind­en, mit einem sichelför­mi­gen Mess­er abzuschnei­den, das an einem bis zu 16 Meter langem, ver­stell­baren Met­all­stab befes­tigt ist. „Das benötigt nicht nur enor­men Kraftaufwand, son­dern auch Geschick und eine spezielle Tech­nik.“, erk­lärt Sen­ta Holl­mann. Sind die Trauben freigelegt, müssen diese mit dem Mess­er aus ver­schiede­nen Winkeln angesägt wer­den, bis sie herun­ter­fall­en. Dabei ist große Vor­sicht geboten, denn die Dor­nen an den Wedeln und Frücht­en sind äußerst giftig. Das vorgeschriebene Min­i­mum während ein­er Arbeitss­chicht liegt bei 35 Ölpalm­trauben, die geern­tet wer­den müssen. Eine Traube wiegt dabei je nach Reife­grad bis zu 60 Kilo­gramm. „Sind alle reifen Früchte ein­er Ölpalme geern­tet, müssen diese mit einem spitzen Met­all­stab aufge­spießt und über der Schul­ter zum Hauptweg getra­gen wer­den. Andere Arbeit­er laden diese am Nach­mit­tag auf LKWs.” Als Sen­ta Holl­mann nach Buk­it Lawang (Suma­tra) kam, ver­liebte sie sich sofort in das magis­che Dschun­gel­dorf, das sich am Rande des Dschun­gels an einem glasklaren Fluss ent­lang schlän­gelt und ist seit­dem öfter dort. Während der Monate in der Prov­inz Nord-Suma­tra kam sie mit vie­len Per­so­n­en in Kon­takt und erhielt per­sön­liche Ein­blicke in die Arbeit der Men­schen vor Ort. Bei den fol­gen­den indone­sis­chen Namen han­delt es sich um Pseu­do­nyme, um die Per­so­n­en und ihre Anstel­lung auf der Plan­tage zu schützen. 

Weib­lich­er Orang-Utan
Foto: Sen­ta Hollmann
Eine grüne Oase 

In dem kleinen Dorf Patas Lawang, das sich an Buk­it Lawang anschließt, leben etwa 55 Fam­i­lien, die für den mala­y­sis­chen Palmölkonz­ern Kuala Lumpur Kepong Berhard (KLK) arbeit­en. Nur wenige Kilo­me­ter ent­fer­nt befind­en sich vier weit­ere Dör­fer, die genau wie Patas Lawang auss­chließlich für die Arbeiter:innen des Konz­erns errichtet wur­den. Direkt hin­ter den Ölpal­men ragen zum Greifen nah die dunkel­grün bewalde­ten Berge des Dschun­gels auf. Sie gehören zum Gunung-Leuser-Nation­al­park, einem der größten Naturschutzge­bi­ete Indonesiens. 

Der Regen­wald ist auf­grund sein­er weltweit ein­ma­li­gen Arten­vielfalt geschützt und behei­matet neben dem vom Ausster­ben bedro­ht­en Suma­tra-Tiger die eben­so gefährde­ten Suma­tra-Nashörn­er, Waldele­fan­ten, Sia­mangs, Makak­en, Suma­tra-Fasane und Nashorn­vögel. Auf­grund sein­er Flo­ra und Fau­na gehört Indone­sien zu den Megadi­ver­sität­slän­dern der Erde. Für die Suma­tra-Orang Utans ist der Regen­wald im Nor­den der Insel der wichtig­ste Zuflucht­sort. 2004 wurde der Nation­al­park daher zum UNESCO-Welt­na­turerbe erk­lärt. Bere­its seit 2011 ste­ht dieses Gebi­et auf der Liste der gefährde­ten Erben der Welt. 

Ein riesiges Geschäftsmodell 

Bis 2009 wurde das Land rund um Patas Lawang von der Regierung für den gemis­cht­en Anbau von Kautschuk, Kakao und Palmöl genutzt. Seit der Pach­tung des Lan­des durch KLK im sel­ben Jahr wach­sen jedoch auss­chließlich Ölpal­men in dieser Region. KLK ist mit­tler­weile der fün­ft­größte Palmölkonz­ern der Welt. 220 Arbeiter:innen sind offiziell auf der Plan­tage beschäftigt, die Zahl der Selb­st­ständi­gen dürfte jedoch um einiges höher sein. 

Nord-Suma­tra war die erste indone­sis­che Prov­inz, die 1911 mit dem Anbau von Ölpal­men begann, die ursprünglich aus West­afri­ka stam­men und auss­chließlich in tro­pis­chen Regio­nen gedei­hen kön­nen. Genau 100 Jahre später ist Indone­sien der weltweit größte Pro­duzent, Expor­teur und Kon­sument von Palmöl. Die in Indone­sien als Entwick­lungsmo­tor ange­priesene Palmölin­dus­trie spielt neben dem Han­del mit tro­pis­chen Hölz­ern und Gold eine bedeu­tende Rolle für das Brut­toin­land­spro­dukt. Aktuell geht die Umwel­tor­gan­i­sa­tion “Ret­tet den Regen­wald” weltweit von ein­er etwa 27 Mil­lio­nen Hek­tar großen Anbau­fläche für Ölpalm-Monokul­turen aus. Genaue Angaben sind nicht auffind­bar, da es keine sta­bile Daten­ba­sis gibt. Etwa ein Vier­tel des arten­re­ich­sten Regen­waldge­bi­etes der Erde musste bis­lang dafür weichen. 

Früchte der Ölpalme
Foto: Sen­ta Hollmann
Wundermittel? 

Für die großflächi­gen Rodun­gen des Regen­waldes spricht vor allem eins: Palmöl ist das mit Abstand bil­lig­ste und am meis­ten pro­duzierte Pflanzenöl auf dem Welt­markt. Es ist so gefragt, da das geruchs- und geschmack­sneu­trale Öl viel­seit­ig ein­set­zbar und lange halt­bar ist. Diese Eigen­schaften machen das Öl zum ide­alen Rohstoff für die Her­stel­lung von bil­liger Massen­ware. Haupt­ab­nehmer sind unter anderem Fab­riken der Lebens­mit­tel- und Chemie-Indus­trie und Wärmeerzeuger. Zu den bekan­ntesten zählen multi­na­tionale Unternehmen wie Unilever, Pep­si­Co, Fer­rero, Nestlé, McDon­alds und Col­gate-Pal­mo­live. Neben Chi­na und der Europäis­chen Union ste­hen Indone­sien und Indi­en an ober­ster Stelle der Kon­sumenten. Palmöl ver­steckt sich nicht nur in Nutel­la und Tiefkühlpiz­za, son­dern ist unter anderem auch in Bro­tauf­strichen, Mar­garine, Kos­metik, Reini­gungsmit­teln und vor allem als Biosprit in Dieselkraft­stoff. Ein bedeu­ten­der und oft­mals nicht beachteter Anteil fließt außer­dem in das Fut­ter­mit­tel für Tiere, das beson­ders in der Massen­tier­hal­tung zu riesi­gen Ver­brauchs­men­gen führt. 

Maßge­blich ver­ant­wortlich für den massen­haften Ein­satz ist der geringe Flächen­ver­brauch: Die Ölpalme ist die mit Abstand ertra­gre­ich­ste und damit effizien­teste Ölpflanze. Während der Ertrag von Kokospal­men, Son­nen­blu­men und Raps bei knapp 0,8 Ton­nen Öl pro Hek­tar und der von Soja bei nur 0,5 Ton­nen Öl pro Hek­tar liegt, erbringt die Ölpalme im Durch­schnitt 3,8 Ton­nen Öl auf gle­ich­er Fläche. Des Weit­eren ist sie äußerst robust und daher nicht sehr anfäl­lig für Schädlinge. 

Teufelszeug? 

Aus ernährungsphys­i­ol­o­gis­ch­er Per­spek­tive hebt Pro­fes­sorin Gabriele Stan­gl die neg­a­tiv­en Wirkun­gen der Inhaltsstoffe her­vor. Sie ist Inhab­erin des Lehrstuhls Human­ernährung am Insti­tut für Agrar- und Ernährungswis­senschaften der Mar­tin-Luther-Uni­ver­sität. „Palmöl beste­ht zu über 50% aus gesät­tigten Fettsäuren, welche den Blut­fett- und Cho­les­terin­spiegel ungün­stig bee­in­flussen.“ Bei dem indus­triellen Ver­ar­beitungss­chritt der Raf­fi­na­tion wird das Öl auf über 265 Grad erhitzt, um beispiel­sweise uner­wün­schte Aro­mastoffe aus dem Öl zu brin­gen. Dabei entste­hen weit­ere schädliche Sub­stanzen, wie Pro­fes­sorin Stan­gl erk­lärt: „Der Stoff Gly­ci­dol ste­ht beispiel­sweise in Ver­dacht, kreb­ser­re­gend zu sein. Bis heute gibt es allerd­ings wenig Dat­en über die Expo­si­tion in der Bevölkerung. 

Einen konkreten ernährungsphys­i­ol­o­gis­chen Verzehrhin­weis kann die Pro­fes­sorin jedoch nicht aussprechen, da die schädlichen Stoffe gradu­ell wirken und es zu wenig Forschung auf dem Gebi­et gibt. „Was ich aber all­ge­mein rat­en kann: Nur 10% der Fet­tauf­nahme sollte aus gesät­tigten Fettsäuren stam­men. Da kann sich jed­er selb­st aus­rech­nen, wie viel das bei Palmöl ist, das zu mehr als 50 Prozent aus gesät­tigten Fettsäuren besteht.“ 

Foto: Sen­ta Hollmann

Einen großen Nachteil des Öls stellen auch die Fol­gen des Anbaus dar: In den Plan­ta­gen herrscht kein tro­pis­ches Regen­wald­kli­ma mehr. Stattdessen entwick­eln sich Savan­nen-Land­schaften, da die Ölpal­men sämtlich­es Grund­wass­er entziehen und die Böden aus­lau­gen. Ein enormer Tem­per­at­u­ranstieg find­et statt. Zusät­zlich vergiften Pes­tizide und Kun­st­dünger das Grund­wass­er. Hier kön­nen nur wenige Tier- und Pflanzenarten überleben. 

Die weltweite Ent­wal­dungsrate von jährlich 3.770.000 Hek­tar tro­pis­ch­er Regen­wälder entspricht ein­er Fläche von etwa 10 Fußballfeldern, die jede Minute ver­loren geht. Laut der Welt­bank nutzt nur ein Drit­tel der Palmölkonz­erne Land, das zuvor ander­weit­ig kul­tiviert wurde oder brach lag. Demzu­folge ste­ht der Großteil aller Plan­ta­gen auf zuvor bewalde­ten Flächen oder Torf­bö­den, die als kost­bare Kohlen­stoff­diox­id­spe­ich­er gelten. 

Ein großes Prob­lem stellen auch die Bran­dro­dun­gen dar: Oft greift das Feuer dabei auch auf angren­zende Regen­waldge­bi­ete über. 2015 star­ben etwa 100.000 Men­schen an den Fol­gen des schädlichen Rauch­es, der sich über ganz Südostasien aus­bre­it­ete. Auch Sen­ta Holl­mann hat die Fol­gen 2019 miter­lebt: „Auf Suma­tra, Bor­neo und in Kali­man­tan waren ganze Regio­nen in eine dicke, giftige Rauch­wolke gehüllt, die bis nach Sin­ga­pur und Kuala Lumpur zog. Tage­lang war auch in Buk­it Lawang kein direk­tes Son­nen­licht zu sehen und die Sicht auf etwa 50 Meter beschränkt.“ 

Auch das Jahr 2020 brachte keine Besserung – durch das Coro­n­avirus und die damit zusam­men­hän­gende wirtschaftliche Not­lage kam es weltweit zu mas­siv­eren Rodun­gen als je zuvor. Für den Anbau, die Boden­bear­beitung, Düngemit­tel, Pes­tizide, Ernte, Trans­port und Ver­ar­beitung des Palmöls wird zudem sehr viel fos­sile Energie einge­set­zt. Seit 2019 gilt Indone­sien dadurch als zehnt­größter CO2-Emit­tent der Erde. 

Folgen für den Menschen 

Doch nicht nur die Umwelt in den arten­re­ich­sten Ökosys­te­men unser­er Erde und das Kli­ma lei­den unter dem expandieren­den Anbau von Ölpal­men, son­dern vor allem auch die Men­schen, die auf den Plan­ta­gen arbeit­en oder ihr Land dafür ver­lassen müssen. Oft­mals geschehen diese Landüber­gaben nicht frei­willig, son­dern durch gewalt­same Vertrei­bun­gen oder Ver­haf­tun­gen. Kein ander­er Wirtschaftssek­tor in Indone­sien hat bish­er so viele Lan­drechtsstre­it­igkeit­en verur­sacht wie die Palmölin­dus­trie mit mehr als 700 Land­kon­flik­ten. Dieser Kahlschlag bedro­ht mas­siv den Leben­sraum, die Wirtschaftsweise und Iden­tität der rund 300 indi­ge­nen Völk­er die in und von Indone­siens Regen­wald leben. Selb­st friedliche Proteste wer­den gewalt­sam been­det. Eine Verbesserung ihrer Lebenssi­t­u­a­tion ist auch dann nicht gewährleis­tet, wenn die lokale Bevölkerung Arbeit auf den Palmölplan­ta­gen find­et. Viele der Arbeiter:innen sind nicht fest angestellt, son­dern verdin­gen sich als Selb­ständi­ge, soge­nan­nte „BHLs“, auf den Plan­ta­gen – eine weitver­bre­it­ete Form der Aus­beu­tung in der Palmölin­dus­trie. Ohne Min­dest­lohn und Sozialver­sicherung müssen die Baru Har­i­an Lep­as (BHL), was so viel bedeutet wie „täglich neuer Tagelöh­n­er“, Tag für Tag die harte und dur­chaus gefährliche Arbeit aus­führen, für die sie nach Quoten und nicht nach Stun­den bezahlt wer­den. Da es keinen Arbeitsver­trag gibt, han­delt es sich mehr oder weniger um eine Art legale Schwarzarbeit. 

Irfan bei der Arbeit
Foto: Sen­ta Hollmann

“Das bet­rifft auch den 36-jähri­gen Irfan”, erzählt Sen­ta Holl­mann. Sie begleit­ete ihn und seine Frau Indra auf der Plan­tage. Sein Vater war Kebon-Arbeit­er, genau wie seine zwei Brüder inzwis­chen auch. Offiziell darf man ab einem Alter von 23 Jahren Kebon wer­den. Ist man bere­its älter als 30, bekommt man nur noch durch Kor­rup­tion Zugang zu dieser Posi­tion. BHLs hinge­gen sind schon mit 15 Jahren zuge­lassen. Ist man noch jünger, muss man sich unauf­fäl­lig im Hin­ter­grund aufhal­ten. “Arbeit­en darf aber jed­er, die oder der nur will.”, meint Sen­ta Holl­mann augen­zwinkernd. Da Irfan zunächst mit sein­er Fam­i­lie in dem Dorf sein­er Frau lebte und erst vor etwa vier Jahren gemein­sam mit ihnen wieder in sein Heimat­dorf zurück­kehrte, ist er nun ein Neul­ing in der Palmöl­fir­ma KLK und kann nicht den Kebon-Sta­tus seines Vaters übernehmen. Stattdessen arbeit­et er seit sein­er Rück­kehr als BHL. “Sein muskulös­er Kör­p­er zeigte, dass er deut­lich länger und härter arbeit­et als die Kebons.”, erin­nert sich Sen­ta Holl­mann. Auch die BHL müssen das tägliche Min­i­mum von 35 Trauben erfüllen, doch ihre Bezahlung basiert auf den geern­teten Kilo­gramm an Trauben. Irfan ver­sucht täglich zwis­chen 100 und 150 Trauben zu ern­ten, was je nach Höhe der Pal­men sieben bis acht Stun­den dauert, um wenig­stens 100.000 IDR (knapp sechs Euro) am Tag zu ver­di­enen. Bis zu 3.500 Kilo­gramm schleppt er täglich für diese schlecht bezahlte Arbeit. Doch an manchen Tagen ist selb­st das nicht möglich, da nicht genü­gend Trauben zeit­gle­ich reif sind. In diesem Fall wer­den nur die Kebon-Arbeiter:innen in die Plan­tage geschickt, denn diese müssen ohne­hin vom Unternehmen bezahlt werden. 

Seine Frau Indra begleit­et ihn stets in die Plan­tage und sam­melt alle beim Ern­ten herun­terge­fal­l­enen einzel­nen Früchte ein. Pro Sack, der ca. 35 bis 40 Kilo­gramm wiegt erhält sie umgerech­net 23 Cent. Auch wenn ihr the­o­retisch das dop­pelte Geld zustände, schreibt der Man­dor, der als eine Art Auf­pass­er fungiert, stets nur 20 Kilo­gramm auf, um den Rest selb­st zu behal­ten. Auf­grund der hohen inter­nen Kor­rup­tion lohne es sich nicht, Beschw­erde über diese Ungerechtigkeit einzure­ichen. Ver­bre­it­ete Arbeit für die Frauen im Dorf ist außer­dem das Streuen von Düngemit­teln und Pes­tiziden. Irfans Mut­ter ver­bi­etet Indra jedoch, einen solchen Job anzunehmen, da sie dies selb­st als junge Frau tat. Genau wie ihre Kolleg:innen erkrank­te sie zeit­ig an den Fol­gen des täglichen Kon­tak­ts mit den Chemikalien, die sich beson­ders schädlich auf Lunge und Augen auswirken. Nur gemein­sam ver­di­enen Irfan und Indra im Monat je nach momen­ta­nen Wach­s­tums­be­din­gun­gen cir­ca 3 Mil­lio­nen Rupi­ah, was in etwa 173 Euro entspricht. 

Irfan bei der Arbeit
Foto: Sen­ta Hollmann

Im Gegen­satz zu den Kebons erhal­ten sie kein­er­lei Unter­stützung bei Haus­repara­turen, geschweige denn Schutzk­lei­dung, eine Ver­sicherung, das monatliche Reis­geld oder Rente. Dieses Einkom­men reicht nicht aus, um eine fün­fköp­fige Fam­i­lie zu ver­sor­gen. Sie leben stets nach dem Mot­to „Gali lobang, tut­up lobang“, was so viel bedeutet wie: „Grabe ein Loch, schließe ein Loch“. Sobald sie ihren monatlichen Ver­di­enst aus­gezahlt bekom­men, müssen sie sämtliche bis dahin ent­stande­nen Schulden begle­ichen, sodass kaum noch genü­gend Geld für das tägliche Leben der Fam­i­lie übrig­bleibt. So lässt sich kaum etwas für die Zukun­ft ans­paren, geschweige denn so etwas wie einen Helm für die gefährliche Ern­tear­beit kaufen. 

Etikettenschwindel? 

Der Plan­tage rund um Patas Lawang wurde 2014 das Zer­ti­fizier­siegel des RSPO ver­liehen. Der Runde Tisch für Nach­haltiges Palmöl (Round­table on Sus­tain­able Palm Oil, kurz RSPO) ent­stand 2008 aus einem Zusam­men­schluss der großen Palmölerzeuger und ‑ver­brauch­er. Der WWF hat­te zwis­chen­zeitlich den Ausstieg erwogen, entschloss sich dann aber, weit­er­hin Mit­glied im RSPO zu bleiben, um die Min­destanforderun­gen des Siegels weit­er­hin zu verbessern. 

Ziel des RSPO ist es, die Pro­duk­tion und den Absatz von als nach­haltig deklar­i­ertem Palmöl zu steigern, um es damit wieder „salon­fähig“ zu machen. Kli­maschutz ist in den RSPO-Anforderun­gen bish­er kaum bis gar nicht enthal­ten. Nicht ein­mal Regen­wal­dro­dun­gen sind ver­boten, um das Zer­ti­fikat zu erhal­ten. “Es ist schock­ierend, dass der­ar­tige Stan­dards des RSPO über­haupt erst erar­beit­et wer­den müssen, da die meis­ten der darin enthal­te­nen Aspek­te zu den all­ge­meinen Grund- und Men­schen­recht­en zählen.”, kom­men­tiert Sen­ta Holl­mann die Zer­ti­fizierungsvor­gaben, als sie sich im Rah­men ihrer Recherche damit auseinandersetzt. 

Nicht nur die Anforderun­gen an das Zer­ti­fikat sind sehr nach­läs­sig, son­dern auch ihre Prü­fung und Ein­hal­tung. Die Zer­ti­fizierungsstellen wer­den von den Konz­er­nen selb­st beauf­tragt und bezahlt, wodurch sie käu­flich sind. Da trotz des RSPO-Labels Lan­draub und Rodun­gen des Regen­waldes meist ohne Kon­se­quen­zen stat­tfind­en, ste­ht das Zer­ti­fizierungssys­tem bei Umwelt- und Men­schen­recht­sor­gan­i­sa­tio­nen stark im Ver­ruf des Green­wash­ings und Etiket­ten­schwindels, da den Konsument:innen vor­getäuscht wird, dass sie etwas „Gutes“ tun, wenn sie Pro­duk­te mit ange­blich nach­haltig pro­duziertem Palmöl kaufen. 

Eine Lösung? 

Eine Lösung der Palmöl­prob­lematik scheint bish­er unauffind­bar zu sein. Ein radikaler Boykott ist durch den weltweit stark ver­bre­it­eten Ein­satz des Palmöls unre­al­is­tisch und würde für viele Klein­bauern und ‑bäuerin­nen weitre­ichende neg­a­tive soziale und wirtschaftliche Kon­se­quen­zen nach sich ziehen. Laut ein­er Studie der Uni­ver­sität Göt­tin­gen hat der Palmöl­boom die ländliche Armut in Indone­sien und anderen Anbaulän­dern in den let­zten Jahren deut­lich reduziert. 

Gibt es den­noch eine Chance, etwas gegen den Etiket­ten­schwindel und die Zer­störung der Arten­vielfalt unternehmen zu kön­nen? Diesen und weit­eren Fra­gen hat sich Ulrike Eich­städt gewid­met. Sie ist Diplom­bi­olo­gin und Erzieherin sowie Bil­dungsref­er­entin für glob­ales Ler­nen im Frieden­skreis Halle. Der gemein­nützige Vere­in organ­isiert Bil­dungsver­anstal­tun­gen zu Regen­wald und Palmöl und ist dafür unter anderem in Beruf­ss­chulen, Schulen und Kindergärten präsent. Als Erzieherin erre­icht Ulrike Eich­städt somit viele junge Men­schen aus Sach­sen-Anhalt. Vor­wis­sen und Res­o­nanz dif­ferieren dabei deut­lich: „Einige ken­nen sich mit der The­matik aus, die meis­ten haben jedoch noch nie einen Gedanken daran ver­schwen­det. Es ist uns ein beson­ders großes Anliegen, auch Per­so­n­en­grup­pen zu erre­ichen, die son­st nicht so einen leicht­en Zugang haben.“ Dabei ist es allerd­ings oft gar nicht ein­fach, mit den Men­schen ins Gespräch zu kom­men. „Viele schal­ten bei polar­isieren­den The­men und gewis­sen Trig­ger-Begrif­f­en sofort ab.“ Auf die Frage, ob sie eine reale Chance sieht, als klein­er Vere­in etwas gegen die großflächige Abholzung des Regen­waldes unternehmen zu kön­nen, antwortet die Bil­dungsref­er­entin schmun­zel­nd. „Das ist die Frage aller Fra­gen. Ich glaube fest daran, weiß aber auch, dass es nicht schnell geht. In der Bil­dungsar­beit kon­nten wir ein inter­es­santes Phänomen beobacht­en: Es tut sich eine Lücke auf zwis­chen Wis­sen und tat­säch­lichem Han­deln. Ger­ade dort wollen wir ansetzen“. 

Blick in den Dschun­gel
Foto: Sen­ta Hollmann

Konkrete Visio­nen hat auch Ali­na Brad. Die Poli­tik­wis­senschaft­lerin forscht an der Uni­ver­sität Wien zu den The­men Kli­ma, Umwelt, Ressourcenpoli­tik und sozialökol­o­gis­che Trans­for­ma­tion. „Im Rah­men ein­er Forschungsar­beit war ich auf ein­er kleinen Insel in Suma­tra. Dort gab es keine Ölpal­men, aber die Bauern vor Ort haben mir erzählt, dass sie am lieb­sten Ölpal­men anbauen wür­den. Das hat mich neugierig gemacht.“ Inzwis­chen hat Ali­na Brad ihre Dok­torar­beit über das The­ma geschrieben sowie ein Sach­buch mit dem Titel „Der Palmöl­boom in Indone­sien: Zur Poli­tis­chen Ökonomie ein­er umkämpften Ressource“ veröf­fentlicht. Beson­ders die Kom­plex­ität des The­mas und die ver­schiede­nen Inter­es­sen­grup­pen faszinieren sie. Ali­na Brad meint, dass die finanziellen Sum­men dahin­ter nur schw­er vorstell­bar sind. Außer­dem sei es unglaublich kom­pliziert, die Liefer­kette nachzu­vol­lziehen. “Deshalb ist es schwierig, gegen­zus­teuern. Als beispiel­sweise die EU ver­bi­eten wollte, Palmöl im Biodiesel einzuset­zen, fol­gte eine riesige Kam­pagne des indone­sis­chen Staats und Malaysias.” Vor allem über Social Media wurde propagiert, dass bei Durch­set­zung des Vorhabens viele in der Land­wirtschaft tätige Per­so­n­en finanzielle Ein­bußen zu erlei­den hät­ten. “Das Nar­ra­tiv, das dadurch erzeugt wurde, ist sehr inter­es­sant. Denn eigentlich wären vor allem die Unternehmen davon betrof­fen gewesen.“ 

Ali­na Brad spricht sich dafür aus, die nach­fra­gen­den Unternehmen in die Ver­ant­wor­tung zu nehmen. Die Ein­führung eines stren­geren Liefer­ket­tenge­set­zes in weit­eren Län­dern inklu­sive zivil­rechtlich­er Kla­gen wäre dafür notwendig. “Außer­dem bin ich für eine Kennze­ich­nungspflicht. Bei Lebens­mit­teln lässt sich das gut durch­set­zen und hat sich in vie­len Restau­rants bere­its etabliert. Je kom­plex­er die Zusam­menset­zung eines Pro­duk­ts, desto kom­pliziert­er ist allerd­ings auch die Kennze­ich­nungspflicht.“ Ali­na Brad geht somit davon aus, dass das Frei­willi­genkonzept keine Lösung sein kann: „Es braucht einen starken staatlichen Ein­fluss, anstatt alles dem freien Markt zu über­lassen. Auch die Ver­braucher­län­der müssen in die Pflicht genom­men werden.“ 

Auch Sen­ta Holl­mann stimmt dem zu: „Ohne ein Ein­schre­it­en und Ver­han­deln der Regierun­gen wird sich die Palmölin­dus­trie stetig weit­er aus­bre­it­en. Daher müssen wir als Konsument:innen Druck auf die Poli­tik und Wirtschaft ausüben. Denn solange wir begeis­tert die bil­lig­sten Pro­duk­te kaufen, bestäti­gen wir die unge­meine Nach­frage nach kon­ven­tionellem Palmöl.” Sen­ta Holl­mann schließt ihre Über­legung mit dem Appell: “Die Auswirkun­gen des Kli­mawan­dels sind bere­its spür­bar und unser Han­deln wird immer dringlicher!“ 

Palmöl-Guide für den Alltag 

Inhaltsstoffe, die Palmöl enthal­ten — oder enthal­ten können: 

https://www.produkte-ohne-palmoel.de/images/downloads/Deklarationen-Palmoel-2018-WEB.pdf

Fir­men, die kein Palmöl ver­wen­den (Reini­gungs- und Waschmit­tel; Kos­metik; Reinigungsmittel):

https://www.produkte-ohne-palmoel.de/index.php/einkaufsfuehrer

Fir­men*, die trans­par­ent nachvol­lziehbares Palmöl verwenden: 

- Rapun­zel (z.B. Bionel­la). Dr. Bronner’s, GEPA – diese drei Fir­men ver­wen­den­faires Bio-Palmöl von Serendi­palm aus Ghana

- Allos, Alnatu­ra, Alsan, Alter­ra, Barn­house, Dr. Hausch­ka, Ener­BIO, Hipp,Huober, Sodasan – diese Fir­men beziehen ihr Palmöl aus Plan­ta­gen, die Öl-pal­men teil­weise unter biol­o­gis­chen und fairen Bedin­gun­gen anbauen. Dazuge­hören Nat­ur­al Habi­tats, Agropal­ma und Daabon

*kein Anspruch auf Vollständigkeit

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