Der Tan­nen­baum, Geschenke, Ren­tiere, Gestecke, die Farbe Rot, der Wei­h­nachts­mann … Diese Assozi­a­tio­nen und Tra­di­tio­nen sind zur Wei­h­nacht­szeit all­ge­gen­wär­tig. Aber woher kom­men diese Tra­di­tio­nen überhaupt?

Wei­h­nacht­en ist bekan­ntlich das Fest des Bei­sammenseins und der Besinnlichkeit. Manche von uns freuen sich, die Fam­i­lie wiederzuse­hen, gemütliche Stun­den zu ver­brin­gen oder – seien wir mal ehrlich – ein­fach Geschenke zu bekom­men. Andere auf die Wei­h­nachtsmesse in der Kirche oder sie wer­den von ihren Famili­enmitgliedern hingeschleppt. Denn bekannter­maßen wird an Wei­h­nacht­en die Geburt Jesu Christi gefeiert und es sei ja wichtig, diesen angemessen zu feiern, wie es eben dazuge­hört. Nicht ohne Grund sind die Kirchen zu kein­er anderen Zeit des Jahres so gut besucht. Das ange­bliche Vergessen und Ver­schwinden der christlichen Herkun­ft in unseren Weihnachts­bräuchen wird häu­fig inner­halb der sogenann­ten „War on Christmas“­-Debatte bedauert. In den USA schon seit län­gerem Gesprächsstoff, ist sie schließlich auch in Deutsch­land angekom­men und wird zumeist aufgenom­men von stark gläu­bi­gen Chris­ten, recht­en Kreisen und besorgten Wut­bürg­ern. Diese wün­schen sich alle­samt verzweifelt die Christlichkeit im Wei­h­nachts­fest zurück.

Aber wie sind diese Tra­di­tio­nen ent­standen, deren Christlichkeit so vehe­ment zu vertei­digen ver­sucht wird? Und was haben sie und unsere Assozi­a­tio­nen mit Wei­h­nacht­en mit Jesus zu tun? War Rot seine Lieblings­farbe, die Tanne sein lieb­ster Baum? Schauen wir uns das Ganze ein­mal gemein­sam an. 

Weihnachten als Jesu Geburtstagsparty?

Viele von uns feiern Wei­h­nacht­en bes­timmt nicht son­der­lich religiös, wir wach­sen aber den­noch in dem Wis­sen um den christ­lichen Ursprung und Bedeu­tung auf. Wir fei­ern Wei­h­nacht­en, weil an diesem Tag Jesus geboren wurde. Oder? Nicht ganz. In der Bibel, dem Buch, das Grund­lage des christlichen Glaubens ist und unter anderem von Jesu Leben zeu­gen soll, ist nicht die Rede von einem bes­timmten Tag. Stattdessen ist es sog­ar äußerst unwahrschein­lich, dass Jesus im Win­ter geboren wurde. Laut Wei­h­nachts­geschichte in Lukas 2, 1–20 soll Hirten auf einem Feld durch einen Engel die Geburt Jesu verkün­det wor­den sein. Inter­es­san­ter­weise ist es jedoch auch in Beth­le­hem sehr kalt im Win­ter, wes­halb es also höchst unwahrschein­lich ist, dass Hirten zu dieser Zeit mit ihrer Herde auf einem Feld waren. Warum feiern wir ihn dann am 24. beziehungsweise 25. Dezember? 

Der heutige 25. Dezem­ber – vor der grego­rianischen Kalen­der­reform im 16. Jahrhun­dert war es der 21. Dezem­ber – war schon in den ersten Jahrhun­derten nach Chris­tus nach­weislich ein kirch­lich­er Feiertag. Allerd­ings zu Ehren des Geburt­stages eines anderen Gottes. Im antiken Rom verehrte man unter anderem den Sol Invic­tus Mithras, den „unbe­sieg­baren Son­nen­gott“. Im Jahr 247 unser­er Zeitrech­nung wird der Geburt­stag des Son­nen­gotts, der heutige 25. Dezem­ber, durch den dama­li­gen Kaiser zum Staats­feiertag gekürt. Dieser Tag wurde wahrschein­lich als Geburt­stag des Son­nengottes datiert, da er in alten Kalen­dern Tag der Win­ter­son­nen­wende ist, nach dem die Son­nen­stun­den wieder mehr wer­den. Die vorher hei­d­nis­chen Kul­turen, also die, die an keinen oder mehrere Göt­ter glauben, richteten ihr Leben und somit auch ihre Reli­giosität nach der Sonne aus, weshalb dieser natür­liche Wen­depunkt eine große Bedeu­tung hat­te. Auch die Ger­ma­nen feierten das Mit­twin­ter­fest, auch Julfest genan­nt. Vom 17. bis 24. Dezem­ber fan­den außer­dem die Sat­ur­nalien statt, an denen auss­chweifend gefeiert wurde. 

Die hei­d­nis­chen Kul­turen richteten ihre Reli­giosität nach der Sonne aus.

Kon­stan­tin der Große, einige Jahrzehnte später Kaiser, kon­vertierte von der hei­d­nis­chen Sol-­In­vic­tus­-Verehrung zum Chris­ten­tum, damals noch ein­er ver­fol­gten religiösen Min­der­heit. Er wurde zum Förder­er der neuen Glaubens­gemeinschaft – die schließlich Staat­sre­li­gion wurde – und machte aus dem Geburt­stag des Sol Invic­tus den von Jesus Chris­tus. Im Jahr 336 wurde das erste Mal nach­weis­lich das Wei­h­nachts­fest gefeiert, im fün­ften Jahrhun­dert ent­schieden Vertreter der Kirche, dass für immer Jesu Geburt an diesem Tag gefeiert wer­den sollte, da ein anderes genaues Datum fehlte. So kon­nte den hei­d­nis­chen Men­schen die Kon­vertierung zum Chris­ten­tum eventuell erle­ichtert wer­den, da sie ihre Feier­lichkeit­en nicht ganz aufgeben, son­dern offiziell „nur“ den Anlass ändern muss­ten. Vor allem aber kon­nte so verdeckt wer­den, wenn sie nicht kon­vertierten und an diesem Tag die Win­ter­son­nen­wende feierten. Damit begann die Prax­is der Römis­ch­-Katholis­chen Kirche, hei­d­nis­che Fest­tage mit „christlichen“ Namen zu überdeck­en und sie zu chris­tian­isieren. Noch heute fall­en viele der kirch­lichen – und unsere etablierten – Feiertage auf ursprünglich heid­nische Feiertage.

Julfest, Christmas, Weihnachten

Der Begriff Wei­h­nacht­en stammt von dem mit­tel­hochdeutschen wîhen naht­en ab, was in etwa „heilige Nächte“ bedeutet. Dieser Name für das Fest wird erst seit etwa dem 11. Jahr­hundert im mit­teldeutschen Raum nachgewie­sen, in anderen Teilen des heuti­gen Deutsch­lands erst später. Im Mit­tel­niederdeutschen hielt sich zunächst der Name der ker­stesmesse (Christmesse), dessen Ver­wandtschaft zum englis­chen Christ­mas offen­sichtlich ist. In skan­di­navis­chen Län­dern wird Wei­h­nacht­en heute Jul genan­nt, Überbleib­sel aus der germa­nischen Beze­ich­nung für das Mittwinterfest.

Weihnachtsbäume und Verschenken sind heidnisch

Die ger­man­is­chen Völk­er und die Men­schen des antiken Roms hängten zur Verehrung ihrer Göt­ter Tan­nen­zweige auf und schmück­ten diese mit roten Beeren. Ein grün­er Zweig trotz des Win­ters ist ein Zei­chen für Leben. Auch aus anderen Teilen der Welt ist die Verehrung immer­grün­er Bäume bekan­nt, diese Gebräuche wur­den adap­tiert und haben sich weit­er­en­twick­elt, bis im 16. Jahr­hundert im Elsass das erste Mal Weihnachts­bäume standen. Bis vor etwa 200 Jahren zierten sie haupt­säch­lich öffentliche Plätze, da sie in Mit­teleu­ropa kaum vorka­men und sehr teuer waren. Die Tra­di­tion, dass Fam­i­lien ihre Wohnz­im­mer mit eige­nen Tan­nen­bäu­men deko­ri­erten, entwick­elte sich erst mit den ersten Tan­nen­baum­-Aufzucht­en, wodurch sie erschwinglich und pop­ulär­er wur­den. Den hei­d­nis­chen Ursprung und die Ver­bindung zur Anbe­tung ver­schieden­ster Göt­ter erken­nt auch die katholis­che Kirche an. Bis vor etwa 150 Jahren waren Weihnachts­bäume in Kir­chen verbo­ten und sind es in eini­gen Kirchen nach per­sön­lichem Ermessen noch heute. Auch Kränze zu binden und einan­der Geschenke zu machen, waren bere­its hei­d­nis­che Bräuche während der Saturna­lien und ste­hen nicht in Tra­di­tion der Gaben der bib­lis­chen drei heili­gen Könige, wie oft angenommen.

Nicht nur der Tag der Win­ter­son­nen­wende für das Wei­h­nachts­fest wurde adap­tiert und chris­tian­isiert, son­dern auch die Tra­di­tio­nen und Gebräuche der ursprünglichen Feierlich­keiten. Diese waren zu tief in den gesellschaftlichen Gebräuchen ver­ankert, um sie mit der Umbe­nen­nung und Ver­christlichung ver­schwinden zu lassen. Auch bei anderen christlichen Feierta­gen find­en wir noch hei­d­nis­che Tra­di­tio­nen, beispiel­sweise an Ostern, wo offi­ziell Jesu Aufer­ste­hung gefeiert wird, dessen Gebräuche jedoch von hei­d­nis­chen Frühlings­festen über­nom­men wurden.

Coca-Cola hat den Weihnachtsmann nicht erfunden – aber berühmt gemacht

Unsere bish­eri­gen Erken­nt­nisse bedeuten für alle Men­schen, die sich über eine „Entchrist­lichung“ des Wei­h­nachts­festes entrüsten, wohl lei­der schlechte Nachricht­en. Aber es gibt auch eine gute: Immer­hin hat der Wei­h­nachts­mann – das Wei­h­nachts­maskottchen schlechthin – einen christlichen Ursprung, näm­lich im hei­ligen Sankt Niko­laus, der im 4. Jahrhun­dert in der heuti­gen Türkei lebte, als äußert großzü­gig galt und gerne schenk­te. Die frühe Kirche adap­tierte dies und ver­band das Schenken offi­ziell mit dem Wei­h­nachts­fest. Auch aus ande­ren Län­dern sind bere­its vor Christi Zeit Göt­ter oder ähn­lich­es bekan­nt, die entwed­er von einem Hirsch begleit­et wer­den, einen weißen lan­gen Bart haben oder, wie der Sol Invic­tus, eine Zipfelmütze hat­ten. Aus dem Niko­laus wurde im Laufe der Jahrhun­derte durch die Ver­mis­chung ver­schieden­ster Vorstel­lun­gen der Wei­h­nachts­mann. In manchen Gebi­eten ist noch heute das Christkind der Geschen­kebringer, eine Erfind­ung Mar­tin Luthers, der mit der katholis­chen Niko­laus­-Verehrung bre­chen wollte. Die Vorstel­lung des Wei­h­nachts­man­nes über­lagert den Glauben an das Christ­kind jedoch größ­ten­teils. Unser heutiges Bild vom Wei­h­nachts­mann, das uns in Wer­bung, Film und Deko­ra­tion begeg­net, hat Thomas Nast mit seinen Illus­tra­tio­nen geprägt. Er war ein deutsch­er Karika­tur­ist, der in den USA lebte und bere­its 1862 für die Zeitschrift Har­per’s Week­ly den Wei­h­nachts­mann zeich­nete, mit­samt seinen heute maßge­blichen Charak­ter­is­ti­ka. Sein Wei­h­nachts­mann diente auch als Botschafter in poli­tis­chen Karika­turen, so besuchte er die Nord­staat­en im Bürg­erkrieg der USA oder dro­hte Abge­ord­neten mit Geschen­keentzug, wenn sie Refor­men nicht voran­brächten. Der Illus­tra­tor Had­don Sund­blom griff Nasts Inter­pre­ta­tion für eine Wer­bung für Coca­Cola im Jahr 1931 auf, wodurch das Aus­sehen des Wei­h­nachts­man­nes weltweit popu­larisiert und berühmt würde.

Unsere Traditionen sind konsumproduziert

Genau­so wie die Etablierung des Weihnachts­baums haben auch die meis­ten anderen Tradi­tionen, die Wei­h­nacht­en für viele aus­machen, keinen christlichen Ursprung und religiösen Bezug, son­dern sind durch gesellschaftliche Verän­derun­gen her­vorgerufen und durch Kon­sumver­hal­ten pro­duziert. Die ersten Advents­kränze und Adventskalen­der wur­den erst im 19. Jahrhun­dert einge­führt, um die Wartezeit auf Wei­h­nacht­en – und die Geschenke – zu verkürzen. Auch an Wei­h­nacht­en Zeit mit der Fam­i­lie und den Lieb­sten zu ver­brin­gen, ist keine alte Tra­di­tion. Früher wurde das Weih­nachtsfest in der Öffentlichkeit mit Märk­ten und Krip­pen­spie­len gefeiert. In den eng­sten Kreis der Fam­i­lie rück­te das Weihnachts­ fest erst, als die öffentlichen Fes­tlichkeit­en zu Zeit­en der Aufk­lärung um das 18. Jahrhun­dert wegen Aber­glaubens teil­weise ver­boten wur­den und sich gle­ichzeit­ig die Bedeu­tung der bürg­er­lichen Fam­i­lie verstärkte.

1863 besucht San­ta Claus die Trup­pen der US-Nordstaaten.
Das Weihnachtsfest war nie christlich

Fassen wir zusam­men: Das Wei­h­nachts­fest, so wie wir es heute ken­nen und feiern, hat in seinem Ursprung kein­er­lei Bezug zu Jesus Chris­tus oder anderen christlichen Inhal­ten. Stattdessen sind unsere geliebten Tra­di­tio­nen entwed­er aus Kon­sumver­hal­ten ent­standen oder Adap­tio­nen hei­d­nis­ch­er Fest­tage und ihrer Tra­di­tio­nen. Das ist auch der Grund, warum sehr gläu­bige oder kirch­lich ori­en­tierte Christ:innen es teil­weise ablehnen, Weihnach­ten zu feiern. Das Wei­h­nachts­fest ist in sein­er heuti­gen Aus­gestal­tung geprägt von den Tradi­tionen aus ver­schieden­sten Teilen der Welt und war eigentlich schon immer ein Gesellschafts­spektakel, genau so, wie wir es heute feiern.

Text: Joya Hanisch
Fotos: Nubia Navar­ro, Nick Collins, Karoli­na Grabowsa (alle via Pex­els)
Illus­tra­tion Harper’s Week­ly: Thomas Nast (commons.wikimedia.org/wiki/ File:Santa_Claus_1863_Harpers.png)

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