Die Vor­führung zum 75-jähri­gen Jubiläum des Films „Die Feuerzan­gen­bowle“ im Uni-Kino ent­pup­pt sich als Massen­ver­anstal­tung mit Baller­mann-Charak­ter. Gegröle, Gepfeife und zu viel Gek­lin­gel ließen am ver­gan­genen Don­ner­stag den einen oder anderen Men­schen im Audi­max zweifeln. Wo war die vor­wei­h­nachtliche Gemütlichkeit doch gle­ich hin? 

Vor­ab berichteten wir über die frag­würdi­ge His­to­rie des Films mit Heinz Rüh­mann in der Haup­trol­le, eben­so frag­würdig die Aktion des Net­zw­erkes unifilm, zu denen auch das Uniki­no in Halle gehört. Denn um den Schwarz-Weiß Streifen von 1944 richtig erleben zu kön­nen, braucht es anscheinend neben viel Glüh­wein, Bier, Plätzchen und anderen Leck­ereien auch eine Mit­machak­tion son­der­gle­ichen. Im Mit­mach­set, das den Besuchen­den vor Betreten des Saals aus­ge­händigt wird, befind­en sich: Eine Fahrrad­klin­gel, Taschen­lampe, Knick­licht, Lebkuchen und der Fly­er mit der Auf­gaben­stel­lung. Alles dabei für schö­nen Abend im Audimax. 

So ähn­lich sah das Mit­mach-Pro­gramm der unifilm aus.
Illus­tra­tion: Gre­gor Borkowski

Das Mot­to des Uniki­nos zum Film — „Mit­machen ist Kult“ gibt den Zuschauen­den diverse Mit­mach­möglichkeit­en an die Hand, um den Film zu einem echt­en Erleb­nis zu machen. Unter den acht Fil­mauss­chnit­ten, in denen bes­timmte Sit­u­a­tio­nen mit dem entsprechen­den Zube­hör, welch­es ein jed­er Men­sch nun bei sich hat, unter­malt wer­den dür­fen, sind neb­st wun­der­baren Trinksprüchen „Prost, Ihr Säcke. Prost, du Sack“ oder dem Mitsin­gen beim alt­bekan­nten Volk­slied „Das Wan­dern ist des Müllers Lust“, auch Aktio­nen wie das Pfeifen, immer wenn ein „Frauen­z­im­mer“ im Bild ist oder der „Stre­ber­alarm“, bei dem laut „Ack­er­mann“ gerufen wird, wenn besagte Per­son im Bild ist. Offen­sichtlich sind Sex­is­mus und das Schikanieren Kult beim Erleben der Feuerzan­gen­bowle. Dass die Idee nicht vom halleschen Uniki­no kommt, stellte der vorherige Kom­men­tar bere­its fest. Eine Stel­lung­nahme kurz vor Beginn der Ver­anstal­tung von den Macher:innen bestätigte, dass diese Aktion so keinen Raum im Uniki­no Halle find­en würde und vor allem darauf aufmerk­sam gemacht werde, dass Pfiffe zu unter­lassen seien. 

Bei der Ver­anstal­tung selb­st, sah diese Ankündi­gung wie fol­gt aus: Dem bre­it­en Pub­likum wurde mit­geteilt, dass einige der Auf­gaben auf dem Mit­machzettel nicht ernst genom­men wer­den soll­ten, ins­beson­dere das Klin­geln solle nicht ausufern, da dies auf Dauer ziem­lich ner­ven könne. Begriffe wie „Frauen­z­im­mer“ seien zudem nicht zeit­gemäß und müssten im Zusam­men­hang mit der Zeit in der der Film spielt als ver­al­tet ange­se­hen wer­den. Es wäre zudem schön, hieß es von den Ver­ant­wortlichen weit­er, bei der einen oder anderen Aktion vielle­icht nachzu­denken und nicht drauf los zu pfeifen oder brüllen. Aber kaum trat die erste weib­liche Per­son im Film auf, gab es ein Pfeifkonz­ert. Kaum tranken die alten Herrschaften am Anfang des Streifens den ersten Liter Bowle, wurde lau­thals gerufen „Prost, ihr Säcke, prost du Sack!“ Kaum klin­gelte bei Pfeif­fer mit drei F früh­mor­gens der Weck­er, wur­den die Fahrrad­klin­geln bedi­ent, als würde die halbe Stadt bei der Fahrrad­de­mo Crit­i­cal Mass mitradeln. 

Was daran ist also prob­lema­tisch? Vor allem das halb­herzige State­ment, welch­es der has­tuzeit gegeben wurde, dass die Pfeifak­tion so an unser­er Uni nicht stat­tfind­en wird. Dass man mit solch einem State­ment hin­ter der Uni­ver­sität ste­ht, die sich eigentlich für Tol­er­anz, Offen­heit und gegen Ras­sis­mus, Frem­den­hass, Sex­is­mus und Aus­gren­zung in jed­wed­er Form ausspricht. Es mag sich wie eine Kleinigkeit lesen, die doch völ­lig unprob­lema­tisch ist und über die 90% der gestern im Hör­saal sitzen­den hin­wegschaut­en. Jedoch sollte eine Posi­tion­ierung gegen Diskri­m­inierung in jeglich­er Form auch im „kleinen“ Unikon­text stat­tfind­en. Jede Per­son muss nicht mit­machen bei Aktio­nen, die diskri­m­inierende Mit­tel ein­set­zen, um die Men­schen in die Vor­führung zu locken. 

Empfehlenswert bleibt die ver­gan­gene Ver­anstal­tung nicht. Nicht wegen der Aktion, Diskri­m­inierung zu unter­stützen, son­dern vielmehr, weil es kein gesel­liger und gemütlich­er Abend war. Es bleibt vor allem der Ein­druck der Massen­abfer­ti­gung hän­gen, unter­malt mit dem Bauen von Papier­fliegern, Volk­slieder sin­gen und Spon­sorengeschenke verteilen. Diese begin­nt schon bei der Platz­suche im Hör­saal, wie am Baller­mann mit dem Hand­tuch auf der Liege am Strand: „Sor­ry, die zwölf Plätze in der Rei­he sind lei­der schon besetzt.“ 

0 0 vote
Arti­cle Rating
Abonnieren
Benachrichtige mich bei
guest

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

0 Comments
Inline Feedbacks
View all comments