Bei den Hochschulwahlen an der MLU sind die Studierenden kei­nem Rechtstrend gefolgt. Doch auch ohne Fundamentalopposition haben Konflikte den Stura in den ver­gan­ge­nen Monaten gelähmt. Nun soll es ein frü­he­rer Neustart richten.

Aus den Gremienwahlen vom 16. bis 24. Mai 2024 ist die SPD-nahe Juso-Hochschulgruppe als kla­re Siegerin her­vor­ge­gan­gen. Im neu­en Stura bil­det sie die Gruppe mit den meis­ten Sitzen; im Senat stellt sie eines von vier stu­den­ti­schen Mitgliedern, hin­ter dem jedoch mehr Wählerstimmen als bei den ande­ren Hochschulgruppen stehen.

Im Gegensatz zu den Europa- und Kommunalwahlen zwei Wochen spä­ter konn­te bei den Gremienwahlen an der MLU von Rechtsruck wirk­lich kei­ne Rede sein. Zählt man die poli­ti­schen Hochschulgruppen links der bür­ger­li­chen Mitte zusam­men, konn­ten die­se ihre Mehrheit wei­ter aus­bau­en – und dabei war die Grüne Hochschulgruppe gar nicht mehr angetreten.

Auf Anfrage schreibt dazu Nele Sikau, die in der vori­gen Wahl einen Sitz im Stura wie auch im Senat bekom­men hat­te, dass „schlicht­weg kein Nachwuchs in unse­rer Gruppe da ist“ und die Grüne Hochschulgruppe man­gels akti­ver Mitglieder nie­man­den für Stura und Senat auf­ge­stellt habe. Sie denkt aber, „dass sich auch die ande­ren links­ori­en­tier­ten Hochschulgruppen aller Themen rund um Klimagerechtigkeit anneh­men.“ Tatsächlich haben sowohl die Jusos als auch die Offene Linke Liste den Klimawandel in ihrem Wahlprogramm ange­spro­chen; auf ihrem Flugblatt nann­te die Gewerkschaftsliste TVStud eben­falls das Ziel einer kli­ma­neu­tra­len Hochschule. 

“Kein Nachwuchs da”

Sitzverteilung im Studierendenrat nach Listen und Hochschulgruppen
Hochschulgruppen und Listen im aktu­el­len Stura. In der rech­ten Spalte: nicht mehr im Stura

Stimmen der Gewählten

„Von dem Wahlergebnis sind wir total über­wäl­tigt, wir freu­en uns total!“ meint Marica Komarow von der Juso-Hochschulgruppe. Den Erfolg erklärt sie sich teil­wei­se damit, dass die Grüne Hochschulgruppe nicht mehr ange­tre­ten ist. „Aber wir waren auch davor schon sehr aktiv im Stura und hof­fen natür­lich, dass sich das rum­ge­spro­chen hat. Wir hat­ten eini­ge super­en­ga­gier­te Stura-Sprecher:innen und waren auch im Senat und ver­schie­de­nen Arbeitskreisen gut ver­tre­ten.“ In den nächs­ten zwei Semestern möch­ten die Jusos sich für ein stu­den­ti­sches Prorektorat und „gene­rell die Hochschuldemokratie“ ein­set­zen. „Aber auch an queer­fe­mi­nis­ti­schen Themen wie kos­ten­frei­en Menstruationsprodukten wol­len wir dran­blei­ben und zum Beispiel die Digitalisierung angehen.“

“Wir waren sehr aktiv”

Den Unterschied zwi­schen der Sitzverteilung im neu­en Stura und den poli­ti­schen Verhältnissen nach der Europa- und Kommunalwahl erklärt sich Marica mit der „tra­di­tio­nell“ gerin­gen Wahlbeteiligung an den Hochschulwahlen, der „aka­de­mi­schen Bubble“ und mit dem Umstand, dass hier an der Uni ande­re Gruppen ange­tre­ten sei­en. Musa Yilmaz, der schon län­ger für die Jusos im Stura sitzt, ergänzt: „Wir konn­ten unse­re Wahlergebnisse die letz­ten Jahre ste­tig ver­bes­sern. Das spie­gelt natür­lich über­haupt nicht wider, was auf kom­mu­na­ler und euro­päi­scher Ebene pas­siert ist. Einerseits kann man das sicher­lich damit begrün­den, dass wir als Juso-HSG kei­ne direk­te Untergliederung einer Partei sind, und ande­rer­seits, dass wir ein kla­res hoch­schul­po­li­ti­sches Profil haben.“

Einen Sitz im Stura hin­zu­ge­win­nen konn­te die Offene Linke Liste. Für die­se kom­men­tiert Yujin Bohnsack, dass die Liste damit „sehr zufrie­den“ sei. Ihr gutes Ergebnis führ­ten sie auf ihren Wahlkampf, ihre „Präsenz an den ver­schie­de­nen Campi“ und auch auf ihre „Posts auf zum Beispiel Instagram“ zurück. 

“Präsenz an den Campi”

Unter den Zielen, die Yujin auf Nachfrage für die kom­men­den bei­den Semester nennt, ist wenig von Klimagerechtigkeit zu lesen. Am ehes­ten zählt wohl die Anschaffung eines Lastenrads dazu. Ansonsten will die Offene Linke Liste unter ande­rem mehr Geld für Sozialdarlehen ein­pla­nen, sich für ein stu­den­ti­sches Prorektorat und eine Viertelparität im Senat ein­set­zen. Weitere Schwerpunkte sind mehr digi­ta­le Lehre, mehr stu­den­tisch ver­wal­te­te Räume an der Uni sowie eine neue Debatte über eine Zivilklausel. Mit Letzterem ist gemeint, dass die Universität sich dazu ver­pflich­ten soll, auf die Zusammenarbeit mit Militär und Rüstungsunternehmen zu verzichten.

„Geschockt“ war die Offene Linke Liste von den Ergebnissen der Europa- und Kommunalwahlen. „Wir sind sehr froh, dass die­ser Rechts-Trend noch nicht in der Studierendenschaft ange­kom­men ist.“ An der Universität sei die Offenheit gegen­über neu­en Einflüssen grö­ßer, sie bil­de ein sozia­les Umfeld zu einem offe­nen und reflek­tier­ten Austausch, wäh­rend in ande­ren Umfeldern Verunsicherung und Ängste ver­brei­tet sei­en. „Ein wei­te­rer Aspekt ist natür­lich, dass es an unse­rer Universität kei­ne Hochschulgruppe der AfD gibt, dadurch kann gar nicht so sehr rechts gewählt werden.“ 

Vor Jahren sah das noch anders aus: Ab 2018 hat­te die „Campus Alternative“, eine Hochschulgruppe mit ideo­lo­gi­scher Nähe zur „Identitären Bewegung“, ein zwei­jäh­ri­ges Gastspiel im Stura – mit jeweils einem von 37 Sitzen.

Neben der Grünen Hochschulgruppe kan­di­dier­ten auch die Students for Future nicht mehr für ein hoch­schul­wei­tes Gremium. Seitdem sie 2020 zum ers­ten Mal für den Senat zur Wahl stan­den, konn­ten sie sich dort vier Mal in Folge einen Sitz sichern. Dass sie den­noch auf eine erneu­te Kandidatur ver­zich­tet haben, erklärt Laurin Weger damit, dass es in den letz­ten Semestern nur weni­ge Aktive bei den Students for Future gege­ben habe und der Fokus der Gruppe wei­ter­hin das Organisieren der Klimabildungswochen jedes Semester blei­be. „Um neue Aktive zu gewin­nen, bewer­ben wir die Arbeit bei SFF inzwi­schen auch als ASQ. So wol­len wir in Zukunft unser hoch­schul­po­li­ti­sches Engagement wie­der aus­bau­en.“ Denn grund­sätz­lich fin­det Laurin die Gremienarbeit sinn­voll: „Überall, wo Entscheidungen getrof­fen oder nicht getrof­fen wer­den zum Thema Nachhaltigkeit, ent­steht auch Verantwortung. Besonders bezeich­nend ist es zum Beispiel, dass die Koordinations- und Leitungsstelle des Nachhaltigkeitsbüros schon das gan­ze Jahr über ohne Leitung dasteht, weil das Rektorat bis­her nicht ein­mal eine hal­be Stelle aus­ge­schrie­ben hat. Das blo­ckiert des­sen kom­plet­te Arbeit. Hier bau­en wir über die Arbeit im Senat gera­de Druck auf. Gleichzeitig ist so ein Stillstand auch frus­trie­rend und ver­prellt Menschen, die eigent­lich Lust haben, sich einzubringen.“

“Fokus auf Klimabildung”

Als neue Gruppe trat die Gewerkschaftsliste TVStud an. Mit vier Sitzen im Stura und einem Sitz im Senat war sie aus dem Stand erfolg­reich. Die Offene Linke Liste hät­te TVStud nach den Worten von Yujin sogar noch mehr Sitze zuge­traut und freut sich auf die Zusammenarbeit. Auch Marica freut sich im Namen der Jusos über den Erfolg der neu­en Gruppe: „Viele von uns haben eben­falls für den Tarifvertrag für stu­den­tisch Beschäftigte gestreikt, und auch vie­le von uns sind in Gewerkschaften aktiv. Soziale Fragen und Arbeitnehmer:innenbelange sind wahn­sin­nig wich­tig, das haben auch ver­schie­de­ne bereits im Stura ver­tre­te­ne Gruppen auf dem Schirm. Die Gewerkschaftsliste ist den­noch eine Bereicherung und bringt wert­vol­le Erfahrungen aus dem Arbeitskampf.“ 

“Kampf um Tarifvertrag”

Für die Liste TVStud selbst zeigt sich Anton Drooff „sehr zufrie­den mit unse­ren Ergebnissen. Überall, wo wir ange­tre­ten sind, haben wir Plätze bekom­men, in man­chen Gremien wie dem FSR PhilFak I oder dem FSR MuSpoMeSpre sogar ein Drittel der Plätze.“ Den Erfolg führt er auf die bun­des­wei­ten und loka­len Kämpfe um einen Tarifvertrag für stu­den­ti­sche Beschäftigte zurück. „Das Ergebnis der Tarifverhandlungen hät­te bes­ser sein kön­nen, den­noch pro­fi­tie­ren die zahl­rei­chen Hilfskräfte an der MLU von einem höhe­ren Stundenlohn und einer Mindestvertragslaufzeit von einem Jahr, die wir jetzt auch durch den Personalrat fest­ge­zurrt haben. Wir haben gezeigt, was wir gemein­sam können!“ 

Mit fünf Sitzen im Stura erreich­te die Liberale Hochschulgruppe ein acht­ba­res Ergebnis und kehr­te zudem wie­der in den Senat der Uni zurück. Dort konn­te sie womög­lich davon pro­fi­tie­ren, dass mit der Grünen Hochschulgruppe und Students for Future gleich zwei erfolg­rei­che Gruppen nicht mehr ange­tre­ten waren und somit ihre Plätze räum­ten. Für den Senat kan­di­dier­te eine Einzelbewerberin unter dem Kennwort „Grüne Liste“ zwar erfolg­los, doch konn­te sie immer noch mehr Stimmen auf sich ver­ei­nen als die vier Kandidaten des Rings Christlich-Demokratischer Studentenzusam­men. Im Stura hält nur noch eine Vertreterin die Stellung des RCDS; somit ist das bür­ger­li­che Lager wei­ter geschrumpft. 

“…”

Von den Liberalen wie auch den Christdemokraten war auf Anfrage kei­ne Stellungnahme zu erhal­ten. Beim RCDS fällt indes auf, dass die Kandidatenlisten in die­sem Jahr erheb­lich geschrumpft waren und die Social-Media-Kanäle bereits seit Oktober 2023 kei­ne Updates mehr bekom­men haben. Somit dürf­te auch die­se Hochschulgruppe mit Nachwuchsproblemen zu kämp­fen haben.

Studentische Listen und Hochschulgruppen im Senat. Studierende sind eine von vier Mitgliedergruppen der Universität und bele­gen 4 von 26 stimm­be­rech­tig­ten Sitzen.
Studentische Hochschulgruppen und Listen im aktu­el­len Senat. In der rech­ten Spalte: nicht mehr im Senat

Blick nach vorn

Erstmals kon­sti­tu­ier­te sich der neue Stura rela­tiv zeit­nah nach den Wahlen bereits am 24. Juni. Bisher war es üblich, dass sich die neu­en Fachschaftsräte noch vor der Sommerpause zusam­men­fan­den, der neu gewähl­te Studierendenrat jedoch erst im Oktober. Doch in die­ser Legislaturperiode, seit Oktober 2023, zeig­te der Stura ver­mehrt Auflösungserscheinungen. Immer wie­der tra­ten Mitglieder von ihren Sprecherposten zurück und kehr­ten dem Gremium ins­ge­samt den Rücken. Teilweise begrün­de­ten sie ihre Entscheidung mit dem unfreund­li­chen Umgangston bei den Sitzungen. Einige wid­me­ten sich ande­ren poli­ti­schen Vorhaben; so kan­di­dier­ten die ehe­ma­li­gen vor­sit­zen­den Sprecher Anton Borrmann und Jan-Niklas Reiche für den Stadtrat. Grundsätzlich ist vor­ge­se­hen, dass aus­ge­schie­de­ne Mitglieder durch Nachrücker ersetzt wer­den, doch auch die­se müs­sen sich erst dazu bereit­fin­den. Und so soll­ten im Sommersemester immer wie­der Sitzungen ver­scho­ben wer­den, weil die Zahl der anwe­sen­den Mitglieder laut Satzung nicht für eine Beschlussfähigkeit ausreichte. 

Als „chao­tisch“ bezeich­net Yujin von der Offenen Linken Liste die ver­gan­ge­ne Amtsperiode. Private Konflikte gehör­ten nicht in den Studierendenrat, dazu sei es wich­tig, sich auf Themenschwerpunkte zu eini­gen und sach­lich zu debat­tie­ren. „Ein Teambuilding im Rahmen der Klausurtagung erscheint uns als ein sinn­vol­les Mittel, um als Stura etwas zusam­men­zu­wach­sen und die vie­len neu­en Mitglieder ein­zu­ar­bei­ten.“ Musa von den Jusos stellt fest, „dass eini­ge Probleme irgend­wann auf per­sön­li­cher Ebene aus­ge­tra­gen wor­den sind und die Fronten wohl ver­här­tet waren. Grundsätzlich kön­nen wir nicht ganz ein­schät­zen, was genau pas­siert ist, aber das ist auch nicht wirk­lich aus­schlag­ge­bend für die Zusammenarbeit im jet­zi­gen Stura. Wir haben uns dar­auf ver­stän­digt, dass wir nach vor­ne bli­cken wol­len und mit viel fri­schem Wind gemein­sam Gutes für die Studierendenschaft bewir­ken wol­len. Auch wol­len wir Probleme, falls denn wel­che auf­tre­ten, direkt und unmit­tel­bar klären.“

Anton, der für TVStud neu im Stura sitzt, hat „von vie­len Seiten ver­schie­dens­te Interpretationen der Geschehnisse gehört, auf die ich mich nicht ver­las­sen möch­te. Wir wol­len dazu bei­tra­gen, die­se Geschichten in der Vergangenheit zu belas­sen und gemein­sam best­mög­lich die gut 20 000 Studierenden unse­rer MLU zu ver­tre­ten. Ich set­ze dar­auf, dass alle Gewählten ande­rer Listen das eben­so sehen.“ Um bis­he­ri­gen Differenzen zwi­schen ein­zel­nen Hochschulgruppen und Personen aus dem Weg zu gehen, habe man sich „bewusst dazu ent­schie­den, eine neue Liste zu gründen.“ 

Einen Vorgeschmack auf die neue Harmonie könn­te die kon­sti­tu­ie­ren­de Sitzung gebo­ten haben. Nachdem im Vorfeld Gerüchte die Runde gezo­gen hat­ten, dass die Jusos rela­tiv vie­le Sprecherposten für sich bean­spru­chen wür­den, ver­lief die Verteilung der Ämter wäh­rend der Sitzung bemer­kens­wert rei­bungs­arm und ohne grö­ße­re Kampfabstimmungen. Die Jusos begnüg­ten sich mit vier von neun Posten, wobei sie jedoch bei­de vor­sit­zen­den Sprecher stel­len, die unter ande­rem für die Außendarstellung des Stura beson­ders bedeut­sam sind. Drei wei­te­re Sprecherämter wur­den allei­ne von der vier Mitglieder star­ken TVStud-Gruppe besetzt. In Ungnade gefal­len ist offen­bar Artur Stock von der Offenen Linken Liste, der bis­lang einer der bei­den Finanzsprecher war und sich nun zwei­mal erfolg­los auf stell­ver­tre­ten­de Sprecherpositionen bewarb.

Unverhofft im Stura

Zu man­chen Fachschaftsräten tra­ten weni­ger Studierende an, als Sitze vor­ge­se­hen waren. Bei ein­zel­nen an den Fachschaften ori­en­tier­ten Stura-Wahlkreisen war die Auswahl eben­falls gering. In sol­chen Fällen kön­nen die Wähler selbst Wunschkandidaten auf den Stimmzettel schrei­ben. Drei neue Stura-Mitglieder wur­den auf die­se Weise bestimmt. Einer von ihnen ist Paul Poethke, der über den Wahlkreis Medizin nun schon zum zwei­ten Mal unge­plant in den Stura gewählt wur­de, obwohl er nur für ande­re Gremien ange­tre­ten war. Für sein Mandat genüg­ten die­ses Jahr zwölf Stimmen. Rechnerisch könn­ten dahin­ter gera­de ein­mal sechs Wähler ste­hen, da es zuläs­sig ist, einem Kandidaten bis zu zwei Stimmen zu geben. „Zuerst habe ich mich gefragt, ob ich dafür noch mal die Kraft und Zeit habe,“ meint Paul. Doch er will sei­ne Verantwortung wahr­neh­men, „auch für die Beschlussfähigkeit des Gremiums“. Zugleich hofft er auf eine Anpassung der Vertretungsregeln, damit ande­re uner­war­tet gewähl­te Personen aus dem Wahlkreis Medizin einen Teil der Arbeit über­neh­men könnten. 

“Wahlbeteiligung nied­rig”

In den vier Jahren, die sich Paul in stu­den­ti­schen und uni­ver­si­tä­ren Gremien enga­giert hat, bewegt ihn „die Frage nach Legitimation und in die­sem Zusammenhang ins­be­son­de­re die Wahlbeteiligung“. Studentische Gremien soll­ten sich „drin­gend mit der Frage aus­ein­an­der­set­zen, war­um die Wahlbeteiligung so nied­rig ist und wie wir dies ver­bes­sern kön­nen. Darin wür­de ich auch einen gesell­schaft­li­chen Beitrag zur Demokratieförderung sehen.“

Wie schon im Vorjahr waren die Kandidatenlisten teils dünn besetzt. Ein Grund dürf­ten die erwähn­ten Nachwuchssorgen sein. Zudem könn­te der knap­pe Zeitplan gera­de Studierende außer­halb orga­ni­sier­ter Hochschulgruppen davon abge­hal­ten haben, selbst anzu­tre­ten. Denn nach Beginn der Vorlesungszeit blie­ben nur noch drei Wochen, um sich für eine Kandidatur zu ent­schei­den, sich gege­be­nen­falls zu einer grö­ße­ren Liste zusam­men­zu­fin­den und alle for­ma­len Anforderungen bei der Bewerbung einzuhalten. 

Weiterhin leer bleibt der Stura-Sitz, der für einen Vertreter des Studienkollegs reser­viert ist. Seit der Umstellung auf Online-Wahl im Jahr 2020 lag dort die Wahlbeteiligung kon­stant bei null. 

D‑Semesterticket bleibt

In Absprache mit dem Stura hat­te das Studentenwerk Halle bereits für das aktu­el­le Sommersemester einen Vertrag mit der HAVAG über das ermä­ßig­te Deutschlandticket abge­schlos­sen. Nun woll­te der Stura par­al­lel zu den Hochschulwahlen in einer Urabstimmung her­aus­fin­den, was die Studierenden davon hal­ten. Mit gut 96 Prozent Zustimmung war das Votum mehr als ein­deu­tig. Die Wahlbeteiligung lag etwas höher als bei den Stura- und Senatswahlen, blieb aber weit hin­ter frü­he­ren Urabstimmungen zum Semesterticket in den Jahren 2014 und 2018 zurück. 

Das Deutschlandticket für Studierende kos­tet 60 Prozent des Vollpreises, also 176,40 Euro für sechs Monate. Damit ist es sogar ein wenig güns­ti­ger als das Semesterticket im Mitteldeutschen Verkehrsverbund, das ab dem kom­men­den Wintersemester 177,40 Euro gekos­tet hät­te. Wie schon bis­her ist der güns­ti­ge Preis nur mög­lich, weil alle Studierenden (mit weni­gen Ausnahmen) ver­pflich­tet sind, das Ticket über die Semesterbeiträge zu bezah­len. Sollte das Deutschlandticket teu­rer wer­den, was sich mitt­ler­wei­le schon abzeich­net, hat das Studentenwerk ein Sonderkündigungsrecht. Auf jede Art von Semesterticket zu ver­zich­ten war bei der Abstimmung nicht mög­lich, weil bei einer Ablehnung des Deutschlandtickets der alte Vertrag noch bis Sommersemester 2025 wei­ter­ge­lau­fen wäre.

Für die Fahrt auf den HAVAG-Linien in den Tarifzonen Halle und Merseburg (210, 233) kön­nen Studierende wei­ter­hin bis zu drei eige­ne Kinder unter 14 Jahren mit­neh­men. Außerdem kön­nen sie in der Tarifzone Halle (210) ab 21.00 Uhr kos­ten­los ein Fahrrad mit­neh­men. Beim alten Semesterticket galt die­se Regel schon ab 19.00 Uhr. Von den Konditionen her sprach also nur wenig für die Beibehaltung des alten Tickets. 

Für eini­ge Irritationen sorgt jedoch die App Movemix der HAVAG, die zur Nutzung des Deutschlandsemestertickets not­wen­dig ist. Studierende berich­ten, dass die App sie selbst­stän­dig aus­loggt, so dass der QR-Code des Deutschlandtickets nicht mehr ange­zeigt wird. Hat man unter­wegs gera­de kei­ne Internetverbindung, kann man sich auch nicht wie­der ein­log­gen. Bei Kontrollen wer­de dafür wenig Verständnis gezeigt, beson­ders außer­halb des MDV-Gebiets. Die HAVAG ver­spricht Nachbesserungen.

Grundsätzlich ist es mög­lich, beim HAVAG-Service-Center Rolltreppe ersatz­wei­se eine Plastikkarte mit elek­tro­nisch hin­ter­leg­tem Deutschlandticket zu bekom­men. Diese Karte gilt nur für ein Semester und muss dann erneut bean­tragt werden. 

Gute Argumente für’s D‑Semesterticket auf Stud.IP

Das Ergebnis der Urabstimmung begrüß­ten alle ant­wor­ten­den Hochschulgruppenvertreter ein­hel­lig. Auch das unab­hän­gi­ge Stura-Mitglied Paul Poethke freu­te sich, „weil ich es inhalt­lich für die rich­ti­ge Wahl hal­te. Aber mehr noch bin ich von der Nutzung der Urabstimmung als Mittel der direk­ten Demokratie begeis­tert.“ Etwas Wasser in den Wein goss Laurin Weger von Students for Future, der sein Statement als „per­sön­li­che Meinung“ ver­stan­den wis­sen woll­te: „Es ist schön, eine güns­ti­ge­re Version zum regu­lä­ren D‑Ticket nut­zen zu kön­nen. Wenn ich sehe, was in Bezug auf die Mobilitätswende alles pas­sie­ren muss, ist das aber nur ein Tropfen auf den hei­ßen Stein. Für vie­le Studis sind außer­dem auch 30 Euro im Monat viel Geld.“

Text und Grafiken: Konrad Dieterich

Illustration: oompaloompadoopity2 on DeviantArt (CC BY-NC-SA 3.0)

deviantart.com/oompaloompadoopity2/art/Sibling-quarrel-1083858232

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