“Fem­i­nis­mus gren­zt aus. Fem­i­nis­mus ist rein weib­lich. Fem­i­nis­mus lenkt von wichti­gen Prob­le­men der Gesellschaft ab.” Spricht man über Fem­i­nis­mus, sieht man sich immer wieder mit diesen Aus­sagen kon­fron­tiert, dabei ist Fem­i­nis­mus vieles, aber kein exk­lu­sives The­ma.  

Zwei Menschen sind vor einer Wand mit Werkzeugen zu sehen, einer trägt einen Anzug, die andere Person ein Kleid.
Illus­tra­tion von Tan­ja Möller

Dieser Kom­men­tar richtet sich ins­beson­dere an Per­so­n­en, die sich auf Grund von Vorurteilen selb­st nicht mit Fem­i­nis­mus iden­ti­fizieren können. 

Fem­i­nis­mus ist hier als inkludieren­des gesellschaftlich­es Sys­tem, in dem keine Art von sozialer Min­der­heit diskri­m­iniert wird und Men­schen als generell wertvolle und gle­ich­berechtigte Teile der Gesellschaft gel­ten. Allerd­ings han­delt es sich bei dieser Inter­pre­ta­tion nur um eine von ein­er Vielzahl divers­er Inter­pre­ta­tio­nen, die inner­halb der fem­i­nis­tis­chen Strö­mung vorhan­den sind. 

Für viele Men­schen, die nie direkt mit fem­i­nis­tis­chen The­men in Berührung gekom­men sind oder sich damit nie expliz­it auseinan­der­set­zen mussten, ste­ht Emanzi­pa­tion für das “female empow­er­ment” und ist allein Frauen erlaubt. Dabei fall­en in Gesprächen Aus­sagen wie: „Män­ner wür­den unter­drückt wer­den“ oder „Fem­i­nis­mus ist auch nur pos­i­tiv­er Sex­is­mus.“ Dabei ist Fem­i­nis­mus nur der Name für eine all­ge­meine gesellschaftliche Grund­hal­tung, die kein vorgegebenes Geschlecht benötigt. Damit eine Per­son sich als fem­i­nis­tisch beze­ich­nen kann, muss diese keine vordefinierte Geschlechter­rolle annehmen. Fem­i­nis­mus gren­zt also, gemäß der ver­wen­de­ten Def­i­n­i­tion, nicht aus, son­dern inkludiert. 

Johan­na Dohnal, Frauen­recht­lerin und erste Frauen­min­is­terin Öster­re­ichs, erk­lärte die Zielset­zung des Fem­i­nis­mus wie fol­gt: “Die Vision des Fem­i­nis­mus ist nicht eine weib­liche Zukun­ft. Es ist eine men­schliche Zukun­ft, ohne Rol­len­zwänge, ohne Macht- und Gewaltver­hält­nisse, ohne Män­ner­bün­delei und ohne Weiblichkeitswahn.” 

Fem­i­nis­mus ist also nicht rein weib­lich und richtet sich auch nicht exk­ludierend gegen Per­so­n­en männlichen Geschlechts, vielmehr ver­sucht Fem­i­nis­mus in der Gesellschaft ver­ankerte Denkmuster und Rol­len­bilder aufzubrechen und über Diskri­m­inierung aufzuk­lären und diese zu bekämpfen. 

Die nige­ri­an­is­che Schrift­stel­lerin Chi­ma­man­da Ngozi Adichie hat einst gesagt: “Wir soll­ten alle Feminist:innen sein.” Denn wir alle soll­ten uns gegen Diskri­m­inierung ein­set­zen und dafür sor­gen, dass in der Gesellschaft ver­ankerte Rol­len­bilder aufge­brochen werden. 

Aus der Sicht ein­er Per­son, die selb­st nie Aus­gren­zung oder Diskri­m­inierung in irgen­dein­er Form erlebt hat, mag dies im ersten Moment fraglich klin­gen. Oft­mals sieht man diese flächen­deck­ende Diskri­m­inierung von Min­der­heit­en nicht, weil sie zum Teil alltäglich gewor­den ist. 

Das Aufbrechen von Denkmustern  

Hier begin­nt nun der erste Schritt für Per­so­n­en, die nicht den ange­sproch­enen Min­der­heit­en ange­hören, um ein besseres Ver­ständ­nis für Fem­i­nis­mus zu bekom­men beziehungsweise sich selb­st fem­i­nis­tisch zu ver­hal­ten, und zwar die eigene Hin­ter­fra­gung. Man sollte sich selb­st bewusst wer­den, in welch­er Posi­tion man sich befind­et und welche automa­tis­chen Priv­i­legien man besitzt, und diese bewusst gegen Diskri­m­inierung ein­set­zen. Das Wis­sen, dass man selb­st leichter akzep­tiert oder bevorteilt wird als andere, ist der erste Schritt, um selb­st etwas am eige­nen Ver­hal­ten zu ändern und im besten Fall auch andere Per­so­n­en auf diese Ungerechtigkeit hinzuweisen. Denn nur mit dem Ver­ständ­nis fol­gt im näch­sten Schritt auch die Ein­sicht, dass an dieser Sit­u­a­tion etwas geän­dert wer­den muss. Eben­so sollte man sein eigenes Ver­hal­ten reflek­tieren und erken­nen, ob man nicht selb­st unter­be­wusst sex­is­tis­che Denkmuster ver­fol­gt oder zum Teil sex­is­tisch han­delt. Dabei passiert dies in den meis­ten Fällen nicht ein­mal absichtlich, son­dern ist in der Gesellschaft etabliert­er Sex­is­mus, der schon so als nor­mal­isiert gilt, dass er in der Gesellschaft nicht mehr als dieser ange­se­hen wird. Das wohl bekan­nteste Beispiel für diese Art von Sex­is­mus ist die Bevor­mundung von Frauen, sobald es um kör­per­liche Arbeit geht und die Annahme Frauen kön­nten weniger kör­per­liche Arbeit ver­richt­en als Män­ner. Dabei wird diese Aus­sage nie auf die Muskelkraft oder die Fit­ness ein­er Per­son bezo­gen, son­dern auss­chließlich auf das Geschlecht. 

Dieses Bewusst­wer­den und das eigene Hin­ter­fra­gen ist ein Lern­prozess, und nie­mand erwartet vol­lkom­men per­fek­tes Han­deln, da dies schlichtweg nicht möglich ist. Jede Per­son hat zu ler­nen und entwick­elt sich weit­er.  Es ist wichtig, ein Gefühl dafür zu entwick­eln und antifem­i­nis­tis­ches Ver­hal­ten zu ent­deck­en und es dann auch anzus­prechen. Ger­ade in Per­so­n­en­grup­pen, die nicht betrof­fen sind, gilt Fem­i­nis­mus als Tabuthe­ma, und genau dieses Tabu sollte gebrochen wer­den.  Fem­i­nis­tis­che The­men müssen in der Mitte der Gesellschaft ankom­men und antifem­i­nis­tis­che beziehungsweise sex­is­tis­che Bemerkun­gen dementsprechend aufgedeckt wer­den. Die Schrift­stel­lerin und Fem­i­nistin Simone de Beau­voir sagte: “Frauen, die nichts fordern, wer­den beim Wort genom­men – sie bekom­men nichts.” Diese Aus­sage de Beau­voirs verdeut­licht, dass eine tat­säch­liche Verän­derung nur dann stat­tfind­en kann, wenn sich aktiv und öffentlich damit auseinan­derge­set­zt wird. Man muss außer­halb des eige­nen Per­so­n­enkreis­es darüber sprechen und somit seine Mit­men­schen selb­st dazu anre­gen, sich zu hin­ter­fra­gen und ein gewiss­es Ver­ständ­nis für Fem­i­nis­mus zu erhalten. 

Man sieht eine Menschenmenge, einige halten Plakate hoch, auf einem steht der Schriftzug "Smash the Patriarchy" geschrieben.
Illus­tra­tion von Tan­ja Möller

Am ein­fach­sten ist es hier­bei im eige­nen Fre­un­deskreis auf solch­es Fehlver­hal­ten hinzuweisen und die eige­nen Fehler und Erfahrun­gen mit Men­schen im sozialen Umfeld zu teilen. Fehler einzugeste­hen und sie offen zu kom­mu­nizieren wird in der Gesellschaft oft als Schwäche deklar­i­ert und gilt dann als ver­pönt. Dieses Denkmuster der tox­is­chen Männlichkeit kann durch klare Kom­mu­nika­tion von einem selb­st gebrochen wer­den, und oft hil­ft auch die bewusste Ansprache auf ein Fehlver­hal­ten, damit andere darauf aufmerk­sam werden. 

Toxische Männlichkeit — ein geschlechterübergreifendes Problem  

Der Begriff tox­is­che Männlichkeit dient als Sam­mel­be­griff für destruk­tives, gewalt­tätiges und diskri­m­inieren­des Han­deln, das zumeist auf kon­stru­ierte, als tra­di­tionell ange­se­hene, männliche Rol­len­bilder zurück­ge­ht. Das daraus resul­tieren­des Ver­hal­ten ist nicht nur für die dadurch unter­drück­ten Min­der­heit­en gefährlich, son­dern sorgt auch dafür, dass Per­so­n­en, die sich einem männlichen Geschlecht zuord­nen, mit bes­timmten Stereo­typen kon­fron­tiert sehen und, wenn sie diese nicht erfüllen diskri­m­iniert wer­den. Das Prinzip der tox­is­chen Männlichkeit sorgt für eine stetige Kette von Aus­gren­zung und Spal­tung. Es beruht alleinig darauf, durch die Diskri­m­inierung ander­er sich selb­st zu erhöhen und durch kon­stru­ierte Bilder von Männlichkeit anderen Per­so­n­en eine Wertevorstel­lung aufzudrücken. 

So gut wie jed­er Men­sch hat sich schon ein­mal mit tox­is­ch­er Männlichkeit kon­fron­tiert gese­hen und wurde im Zuge dieser diskri­m­iniert, unab­hängig vom eige­nen Geschlecht. Sätze wie: “Du magst keinen Fußball?”, “Ein echter Mann muss Bier trinken” oder “Wir gehen ins Wohnz­im­mer, die Frauen gehen in die Küche” haben wir alle schon ein­mal gehört. Dieses Fes­thal­ten an Rol­len­bildern und dem Aufzwin­gen männlich­er Ide­ale ist für viele eine unglaubliche Belastung. 

Eine Belas­tung, die nur been­det wer­den kann, wenn man durch fem­i­nis­tis­ches Han­deln mit solchen Rol­lenkon­struk­ten bricht und Aufk­lärungsar­beit leis­tet. Nie­mand ist daran gebun­den sich von Geburt an wie ein Arschloch zu ver­hal­ten, wir alle kön­nen uns ändern und einen Schritt in die richtige Rich­tung gehen. 

Jede Stimme verdient es gehört zu werden  

Spricht man Fem­i­nis­mus oder die Diskri­m­inierung von Min­der­heit­en im All­ge­meinen an, fol­gt oft­mals ein Satz wie „Fem­i­nis­mus lenkt von wichtigeren Prob­le­men der Gesellschaft ab.“ oder „Es gibt auch Diskri­m­inierung gegenüber Männern.“ 

Natür­lich ist das völ­lig richtig, und ger­ade im Falle von häus­lich­er und sex­ueller Gewalt gegen Män­ner existiert eine große Dunkelz­if­fer, über die aufgek­lärt wer­den muss. Allerd­ings wird dieses wichtige The­ma bei aufk­om­menden Diskus­sio­nen nie ern­sthaft ange­sprochen, son­dern meist nur genau dann in den Raum gewor­fen, wenn vorher über Gewalt gegen Frauen gesprochen wurde. Dieses rhetorische Mit­tel, auf eine kri­tis­che Frage mit ein­er anderen kri­tis­chen Frage zu antworten, um so vom The­ma abzu­lenken, nen­nt man Whataboutism und ist ger­ade in der oben genan­nten Sit­u­a­tion beson­ders häu­fig. Dabei wird dem The­ma die eigentliche Ern­sthaftigkeit genom­men, und es wird zur Abwehr missbraucht. 

Sollte es zu so ein­er Sit­u­a­tion kom­men, dann sollte diese zum Beispiel so ange­sprochen wer­den: „Du hast vol­lkom­men recht, das ist wichtig und wir soll­ten uns darüber unbe­d­ingt unter­hal­ten und aus­tauschen, aber lass uns doch das aktuelle Gespräch noch beenden.“ 

Jede Form von Diskri­m­inierung gehört ange­sprochen und aufgek­lärt, und jede Form von Diskri­m­inierung ver­di­ent es eine eigene Plat­tform zu haben, mit genü­gend Zeit und Raum dafür. 

Es liegt an uns, darauf aufmerk­sam zu machen und Möglichkeit­en zum Aus­tausch zu schaffen. 

 

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