“Feminismus grenzt aus. Feminismus ist rein weiblich. Feminismus lenkt von wichtigen Problemen der Gesellschaft ab.” Spricht man über Feminismus, sieht man sich immer wieder mit diesen Aussagen konfrontiert, dabei ist Feminismus vieles, aber kein exklusives Thema.
Dieser Kommentar richtet sich insbesondere an Personen, die sich auf Grund von Vorurteilen selbst nicht mit Feminismus identifizieren können.
Feminismus ist hier als inkludierendes gesellschaftliches System, in dem keine Art von sozialer Minderheit diskriminiert wird und Menschen als generell wertvolle und gleichberechtigte Teile der Gesellschaft gelten. Allerdings handelt es sich bei dieser Interpretation nur um eine von einer Vielzahl diverser Interpretationen, die innerhalb der feministischen Strömung vorhanden sind.
Für viele Menschen, die nie direkt mit feministischen Themen in Berührung gekommen sind oder sich damit nie explizit auseinandersetzen mussten, steht Emanzipation für das “female empowerment” und ist allein Frauen erlaubt. Dabei fallen in Gesprächen Aussagen wie: „Männer würden unterdrückt werden“ oder „Feminismus ist auch nur positiver Sexismus.“ Dabei ist Feminismus nur der Name für eine allgemeine gesellschaftliche Grundhaltung, die kein vorgegebenes Geschlecht benötigt. Damit eine Person sich als feministisch bezeichnen kann, muss diese keine vordefinierte Geschlechterrolle annehmen. Feminismus grenzt also, gemäß der verwendeten Definition, nicht aus, sondern inkludiert.
Johanna Dohnal, Frauenrechtlerin und erste Frauenministerin Österreichs, erklärte die Zielsetzung des Feminismus wie folgt: “Die Vision des Feminismus ist nicht eine weibliche Zukunft. Es ist eine menschliche Zukunft, ohne Rollenzwänge, ohne Macht- und Gewaltverhältnisse, ohne Männerbündelei und ohne Weiblichkeitswahn.”
Feminismus ist also nicht rein weiblich und richtet sich auch nicht exkludierend gegen Personen männlichen Geschlechts, vielmehr versucht Feminismus in der Gesellschaft verankerte Denkmuster und Rollenbilder aufzubrechen und über Diskriminierung aufzuklären und diese zu bekämpfen.
Die nigerianische Schriftstellerin Chimamanda Ngozi Adichie hat einst gesagt: “Wir sollten alle Feminist:innen sein.” Denn wir alle sollten uns gegen Diskriminierung einsetzen und dafür sorgen, dass in der Gesellschaft verankerte Rollenbilder aufgebrochen werden.
Aus der Sicht einer Person, die selbst nie Ausgrenzung oder Diskriminierung in irgendeiner Form erlebt hat, mag dies im ersten Moment fraglich klingen. Oftmals sieht man diese flächendeckende Diskriminierung von Minderheiten nicht, weil sie zum Teil alltäglich geworden ist.
Das Aufbrechen von Denkmustern
Hier beginnt nun der erste Schritt für Personen, die nicht den angesprochenen Minderheiten angehören, um ein besseres Verständnis für Feminismus zu bekommen beziehungsweise sich selbst feministisch zu verhalten, und zwar die eigene Hinterfragung. Man sollte sich selbst bewusst werden, in welcher Position man sich befindet und welche automatischen Privilegien man besitzt, und diese bewusst gegen Diskriminierung einsetzen. Das Wissen, dass man selbst leichter akzeptiert oder bevorteilt wird als andere, ist der erste Schritt, um selbst etwas am eigenen Verhalten zu ändern und im besten Fall auch andere Personen auf diese Ungerechtigkeit hinzuweisen. Denn nur mit dem Verständnis folgt im nächsten Schritt auch die Einsicht, dass an dieser Situation etwas geändert werden muss. Ebenso sollte man sein eigenes Verhalten reflektieren und erkennen, ob man nicht selbst unterbewusst sexistische Denkmuster verfolgt oder zum Teil sexistisch handelt. Dabei passiert dies in den meisten Fällen nicht einmal absichtlich, sondern ist in der Gesellschaft etablierter Sexismus, der schon so als normalisiert gilt, dass er in der Gesellschaft nicht mehr als dieser angesehen wird. Das wohl bekannteste Beispiel für diese Art von Sexismus ist die Bevormundung von Frauen, sobald es um körperliche Arbeit geht und die Annahme Frauen könnten weniger körperliche Arbeit verrichten als Männer. Dabei wird diese Aussage nie auf die Muskelkraft oder die Fitness einer Person bezogen, sondern ausschließlich auf das Geschlecht.
Dieses Bewusstwerden und das eigene Hinterfragen ist ein Lernprozess, und niemand erwartet vollkommen perfektes Handeln, da dies schlichtweg nicht möglich ist. Jede Person hat zu lernen und entwickelt sich weiter. Es ist wichtig, ein Gefühl dafür zu entwickeln und antifeministisches Verhalten zu entdecken und es dann auch anzusprechen. Gerade in Personengruppen, die nicht betroffen sind, gilt Feminismus als Tabuthema, und genau dieses Tabu sollte gebrochen werden. Feministische Themen müssen in der Mitte der Gesellschaft ankommen und antifeministische beziehungsweise sexistische Bemerkungen dementsprechend aufgedeckt werden. Die Schriftstellerin und Feministin Simone de Beauvoir sagte: “Frauen, die nichts fordern, werden beim Wort genommen – sie bekommen nichts.” Diese Aussage de Beauvoirs verdeutlicht, dass eine tatsächliche Veränderung nur dann stattfinden kann, wenn sich aktiv und öffentlich damit auseinandergesetzt wird. Man muss außerhalb des eigenen Personenkreises darüber sprechen und somit seine Mitmenschen selbst dazu anregen, sich zu hinterfragen und ein gewisses Verständnis für Feminismus zu erhalten.
Am einfachsten ist es hierbei im eigenen Freundeskreis auf solches Fehlverhalten hinzuweisen und die eigenen Fehler und Erfahrungen mit Menschen im sozialen Umfeld zu teilen. Fehler einzugestehen und sie offen zu kommunizieren wird in der Gesellschaft oft als Schwäche deklariert und gilt dann als verpönt. Dieses Denkmuster der toxischen Männlichkeit kann durch klare Kommunikation von einem selbst gebrochen werden, und oft hilft auch die bewusste Ansprache auf ein Fehlverhalten, damit andere darauf aufmerksam werden.
Toxische Männlichkeit — ein geschlechterübergreifendes Problem
Der Begriff toxische Männlichkeit dient als Sammelbegriff für destruktives, gewalttätiges und diskriminierendes Handeln, das zumeist auf konstruierte, als traditionell angesehene, männliche Rollenbilder zurückgeht. Das daraus resultierendes Verhalten ist nicht nur für die dadurch unterdrückten Minderheiten gefährlich, sondern sorgt auch dafür, dass Personen, die sich einem männlichen Geschlecht zuordnen, mit bestimmten Stereotypen konfrontiert sehen und, wenn sie diese nicht erfüllen diskriminiert werden. Das Prinzip der toxischen Männlichkeit sorgt für eine stetige Kette von Ausgrenzung und Spaltung. Es beruht alleinig darauf, durch die Diskriminierung anderer sich selbst zu erhöhen und durch konstruierte Bilder von Männlichkeit anderen Personen eine Wertevorstellung aufzudrücken.
So gut wie jeder Mensch hat sich schon einmal mit toxischer Männlichkeit konfrontiert gesehen und wurde im Zuge dieser diskriminiert, unabhängig vom eigenen Geschlecht. Sätze wie: “Du magst keinen Fußball?”, “Ein echter Mann muss Bier trinken” oder “Wir gehen ins Wohnzimmer, die Frauen gehen in die Küche” haben wir alle schon einmal gehört. Dieses Festhalten an Rollenbildern und dem Aufzwingen männlicher Ideale ist für viele eine unglaubliche Belastung.
Eine Belastung, die nur beendet werden kann, wenn man durch feministisches Handeln mit solchen Rollenkonstrukten bricht und Aufklärungsarbeit leistet. Niemand ist daran gebunden sich von Geburt an wie ein Arschloch zu verhalten, wir alle können uns ändern und einen Schritt in die richtige Richtung gehen.
Jede Stimme verdient es gehört zu werden
Spricht man Feminismus oder die Diskriminierung von Minderheiten im Allgemeinen an, folgt oftmals ein Satz wie „Feminismus lenkt von wichtigeren Problemen der Gesellschaft ab.“ oder „Es gibt auch Diskriminierung gegenüber Männern.“
Natürlich ist das völlig richtig, und gerade im Falle von häuslicher und sexueller Gewalt gegen Männer existiert eine große Dunkelziffer, über die aufgeklärt werden muss. Allerdings wird dieses wichtige Thema bei aufkommenden Diskussionen nie ernsthaft angesprochen, sondern meist nur genau dann in den Raum geworfen, wenn vorher über Gewalt gegen Frauen gesprochen wurde. Dieses rhetorische Mittel, auf eine kritische Frage mit einer anderen kritischen Frage zu antworten, um so vom Thema abzulenken, nennt man Whataboutism und ist gerade in der oben genannten Situation besonders häufig. Dabei wird dem Thema die eigentliche Ernsthaftigkeit genommen, und es wird zur Abwehr missbraucht.
Sollte es zu so einer Situation kommen, dann sollte diese zum Beispiel so angesprochen werden: „Du hast vollkommen recht, das ist wichtig und wir sollten uns darüber unbedingt unterhalten und austauschen, aber lass uns doch das aktuelle Gespräch noch beenden.“
Jede Form von Diskriminierung gehört angesprochen und aufgeklärt, und jede Form von Diskriminierung verdient es eine eigene Plattform zu haben, mit genügend Zeit und Raum dafür.
Es liegt an uns, darauf aufmerksam zu machen und Möglichkeiten zum Austausch zu schaffen.