Nach schon län­ge­rer Mitgliedschaft im StuRa war Anton Borrmann zuletzt auch Vorsitzender des Sprecher:innenkollegiums (SPK) — einem Amt vol­ler Überraschungen mit­ten im Auf und Ab der Hochschulpolitik. Fragen zu sich und die­ser Position stellt er sich im Interview mit der hastuzeit.

Anton, möchtest du vielleicht damit anfangen dich kurz vorzustellen?

Ich bin Anton Borrmann, 23 Jahre alt, und stu­die­re aktu­ell mei­nen drit­ten Studiengang an der MLU. Nämlich Jura, nach­dem ich mich bei Lehramt und Mathe nicht mehr gese­hen habe. Und ich war die letz­ten zwei Jahre Vorsitzender Sprecher vom StuRa. Januar 2021 war also mei­ne ers­te StuRa Sitzung und Oktober 2021 bin ich zum Vorsitzenden gewählt wor­den. Und jetzt im Oktober 2023 war Schluss.

Die ganze Stelle nennt sich „Vorsitzender des Sprecher:innenkollegiums des Studierendenrates“. Arbeiten wir uns doch zu mehr Details hin: Was macht das Sprecher:innenkollegium?

Das Sprecher:innenkollegium ist sozu­sa­gen das Verwaltungsgremium des StuRa. Der StuRa trifft sich ja in der Vorlesungszeit alle zwei Wochen zu einer Sitzung, wo er die wich­ti­gen Entscheidungen trifft: Was machen wir? Was soll geför­dert wer­den? Aber natür­lich reicht es nicht  aus, sich zu Sitzungen zu tref­fen und dort lus­ti­ge Sachen zu beschlie­ßen. Es muss ja auch irgend­was zwi­schen den Sitzungen pas­sie­ren, das heißt, es müs­sen Anträge vor­be­rei­tet und, wenn der StuRa sie bewil­ligt, auch durch­ge­setzt wer­den. Auch Anfragen, die zwi­schen­zeit­lich kom­men, müs­sen wir zeit­nah beant­wor­ten, oder wenn irgend­wel­che Treffen mit Minister:innen oder so anste­hen, muss dort  jemand hin­fah­ren . Und das alles macht das Sprecher:innenkollegium. Also immer, wenn der StuRa gera­de nicht selbst tagt, ver­tritt das SPK ihn und nimmt unter­schied­lichs­te Verwaltungsaufgaben wahr.

Das ist auf­ga­ben­mä­ßig auf­ge­teilt. Also es gibt zum Beispiel zwei Sprecher:innen für Finanzen;  Sprecher:innen, die die Sitzungen lei­ten, aber die­se natür­lich auch vor- und nach­be­rei­ten. Dazu gehört auch Protokolle schrei­ben und hoch­la­den. Es gibt Sprecher:innen für Soziales, eine Sprecherin für FSR-Koordination und zwei vor­sit­zen­de Sprecher:innen. Und davon war ich eben einer.

Ist dann das SPK dann der Teil des StuRa, der immer aktiv ist oder ist es eher eine höhere Hierarchieebene?

Nein, die Hierarchie ist immer: „Der StuRa steht in allem, was er tut, über dem SPK“, also der StuRa hat vol­le Gewalt dar­über, was die Sprecher:innen machen, und nicht anders­her­um. Und es sind dann die Leute, die an sich schon sehr aktiv sind und dann ent­spre­chend in Posten gewählt wer­den, wo sie auch sehr aktiv sein sollen.

Was macht dann jetzt speziell der Vorsitz?

Der Vorsitz ist so ’n biss­chen eine wit­zi­ge Position, weil es die ein­zi­ge ist, die wenig kla­re Aufgaben hat. Ein paar schon, zum Beispiel die Personalverwaltung oder den StuRa in der Öffentlichkeit zu ver­tre­ten. Das heißt, wann immer ein Fernseh- oder Radio- oder Zeitungsinterview geführt wird, sind das in der Regel die Vorsitzenden, wenn nicht irgend­wer the­ma­tisch bes­ser geeig­net ist. Ebenso auf öffent­li­chen Dokumenten und Verträgen.

Das bedeu­tet natür­lich auch, die­se Verträge nicht nur zu unter­schrei­ben, son­dern auch aus­zu­han­deln. Bei der Nightline haben wir zum Beispiel einen Kooperationsvertrag aus­ge­han­delt und auch abge­schlos­sen. Der Vorsitz ist dafür zustän­dig, alles, was der StuRa oder das SPK beschließt, auch durch­zu­füh­ren. Das heißt, wenn beschlos­sen wird, ein Statement zu ver­öf­fent­li­chen, ist der Vorsitz dafür zustän­dig, dass die­ses auch wirk­lich ver­öf­fent­licht wird und so weiter.

Ansonsten sind die Vorsitzenden ein biss­chen die Personen für alles. Alles, wofür es im StuRa kei­ne klar ver­ant­wort­li­che Person gibt, machen die Vorsitzenden. Und das ist sehr viel. Und das ist auch ein biss­chen das Schöne an dem Job. Jede Woche ist vol­ler Überraschungen. Das Postfach ist immer ein klei­nes Ü‑Ei.

Was war dabei die größte Überraschung?

Es gibt ja ab und zu die Situation, dass Abgeordnete soge­nann­te Kleine Anfragen an die Landesregierung stel­len. Und dann gab es ein paar Mal die Situation, dass die Landesregierung sich da nicht sicher war und das an die Uni wei­ter­ge­lei­tet hat. Die Uni war sich auch nicht sicher und hat es plötz­lich an uns wei­ter­ge­lei­tet. Und dann saßen wir plötz­lich da und haben eine Kleine Anfrage von irgend­ei­nem Abgeordneten beant­wor­tet. Das war ein biss­chen skur­ril, aber wir konn­ten sie beant­wor­ten. Oder ein­mal hat uns eine Schule geschrie­ben, ob wir ein Schultheater bewer­ben kön­nen. Da habe ich mich auch gefragt, ob die wis­sen, was ein StuRa ist. Einmal kam auch eine Person auf uns zu, die begeis­tert von Videographie war und des­we­gen ein Videoprojekt über irgend­was mit uns dre­hen woll­te. Das war auch spannend.

“Jede Woche ist vol­ler Überraschungen.”

Generell auch immer, wenn klei­ne Unternehmen auf uns zukom­men und den­ken, das wäre doch cool, wenn der StuRa sich dort irgend­wie mit betei­li­gen könn­te. Es ist ja wirk­lich schön, dass sie dabei auf uns zukom­men, aber da sind auch ab und zu ganz wit­zi­ge Sachen dabei.

Wie lief denn jetzt dein Weg dorthin ab? Wann war denn der Erstkontakt zum StuRa?

“Positives Happening”: Anton auf der stu­den­ti­schen Vollversammlung im Juni 2022

Ich war vor­her immer jemand, der wuss­te, dass der StuRa exis­tiert und ich bin immer flei­ßig wäh­len gegan­gen. Und irgend­wann, da habe ich noch aktiv Lehramt stu­diert, kam dann eine Person auf mich zu, die die Listenaufstellung der OLLi (Offene Linke Liste) gemacht hat, die ich über Parteikontexte kann­te.  Eigentlich woll­te ich gar nicht, aber ich wur­de dann so lan­ge bequatscht, bis ich mich doch hab auf­stel­len lassen.

Dann war ich auf der ers­ten Sitzung und es muss­te noch ein stell­ver­tre­ten­der Vorsitzender gewählt wer­den. Und nach­dem nie­mand woll­te und sich nach 5 Minuten nie­mand gemel­det hat­te, war ich dann der­je­ni­ge, der sich erbarmt hat. Und so ging es auch wei­ter. Weil irgend­wann mal eine Sitzungsleitung zurück­ge­tre­ten ist, wur­de ich dann Sitzungsleitung. Genau aus dem glei­chen Grund. Und dann war der Gedankengang „Mensch, jetzt bin ich Sitzungsleitung, das ist ganz cool, aber irgend­wie wür­de ich doch gern akti­ver am StuRa mit­wir­ken.“ Weil die Vorsitzenden auch den Überblick über den gan­zen Laden haben, sind sie es auch, die die meis­ten inhalt­li­chen Anträge stel­len, und da hat­te ich Bock drauf.

Hat sich die Perspektive, was der StuRa tut, seitdem geändert?

Ja, schon ein biss­chen. Am Anfang kriegt man ja die all­ge­mei­nen Informationen, wie in einem Infoflyer. Studierendenvertretungen, Beratungsgespräche und ganz vie­le Statements. Aber den Großteil der Interessen ver­tritt der StuRa hin­ter den Kulissen. Und dann sehen die Studierenden nun mal nur Ergebnisse, wenn es auch gro­ße Ergebnisse gibt. Zum Beispiel, wenn sich die Öffnungszeiten des Juri ändern. Das sind Dinge, von denen wuss­te ich damals auch nicht, dass der StuRa dahin­ter­steckt. Selbst als ich dann schon drin war, habe ich das noch unter­schätzt. Dass man wirk­lich andau­ernd in Gesprächen und Verhandlungen steckt. Das habe ich erst als Vorsitzender mit­be­kom­men, und ich glau­be auch, das ist vie­len Studierenden nicht bewusst.

Wäre das erst recht eine Motivation oder eher abschreckend gewesen, wenn dir das im Voraus bewusst gewesen wäre?

Ich den­ke, für mich wäre es eine Motivation gewe­sen. Ich bin ja als vor­sit­zen­der Sprecher dann zur Wahl ange­tre­ten, weil ich schon ein biss­chen Ahnung und Bock dar­auf hat­te. Ich glau­be aber auch, dass das vie­le Studierende auch abschre­cken könn­te. Und das kann ich auch ver­ste­hen, es ist zwar eine wich­ti­ge Arbeit, aber wie jedes ehren­amt­li­che Engagement eben etwas, was man sich auch leis­ten kön­nen muss. Wäre ich zum Beispiel in einer Situation gewe­sen, bei der ich auf einen Nebenjob ange­wie­sen wäre, dann hät­te ich es auch nicht gemacht.

Während deiner Amtszeit gab es mehrere große Ereignisse. Kannst du vielleicht eine Rangfolge machen, was die bedeutendsten waren?

Unentbehrlicher Gegenstand auf jeder Stura-Sturasitzung: die Stimmkarte

Die bei­den größ­ten posi­ti­ven Happenings waren ein­mal die stu­den­ti­sche Vollversammlung, auch wenn die ein biss­chen chao­tisch war und da auch nicht so vie­le kamen, wie wir uns gewünscht haben. Trotzdem war es wich­tig, so was mal wie­der zu tun und Hochschulpolitik akti­ver an die Leute ran­zu­brin­gen. Da hat es mich auch rich­tig gefreut, dass so vie­le dabei waren, die vor­her nicht schon in irgend­wel­chen Gremien waren. Die sind dann dahin gekom­men und haben trotz­dem mitdiskutiert.

Das zwei­te gro­ße posi­ti­ve Ding war die Besetzung des Audimax Anfang des Jahres. Auch wenn wir als StuRa die Besetzung nicht initi­iert haben – das den­ken lus­ti­ger­wei­se auch immer noch Leute – waren wir in den Verhandlungen rich­tig aktiv dabei und haben die Besetzer:innen bera­ten. Und das hat voll gut geklappt! Das Verhandlungspapier, das dann erstellt wur­de, war ver­hält­nis­mä­ßig gut, und vor einem Monat hat die Uni auch ein Klimaschutzkonzept ver­ab­schie­det. Das wäre, glau­be ich, auch nicht pas­siert, wenn es die­se Besetzung nicht gege­ben hätte.

Unter den größ­ten nega­ti­ven Einflüssen dage­gen ist zum einen der Senatsbeschluss vom 06.04.2022. Das ist der Tag, an dem der Senat den Kürzungsbeschluss gefasst hat. Da haben wir es auch mit ganz vie­len Ideen und akti­ven Fachschaftsräten zusam­men pro­biert, dage­gen zu mobi­li­sie­ren, aber das hat lei­der nicht geklappt.

Das zwei­te Negative ist gar nicht das Ereignis selbst, son­dern alles, was damit ver­bun­den war. Das ist die Auflösung des AK Antifa. Ich glau­be die Auflösung selbst hat­te, als sie dann durch war, einen posi­ti­ven Einfluss dar­auf, wie der StuRa gear­bei­tet hat. Aber das Problem war, dass das tat­säch­lich ein Prozess war, der uns für ein Dreivierteljahr zum Teil ein­fach gelähmt hat. Weil wir im Konflikt waren mit einem eige­nen Arbeitskreis, der uns über­haupt nicht freund­lich gesinnt war und wir denen genau­so wenig. Und das lief die gan­ze Zeit so unter­schwel­lig neben­her. Und dann mün­de­te das ja mit der Besetzung hier [am Löwengebäude]. Besetzungen sind auch okay, aber dann wur­den hier Leute im StuRa-Haus ein­ge­sperrt, und ganz am Ende wur­de dann noch ein Stein auf eine Person hier im StuRa geschmis­sen. Das ist auch nicht okay und war auch ein Tiefpunkt. Dafür war es, nach­dem der AK auf­ge­löst wur­de, für alle ganz gut. Wir waren die­sen Konflikt end­lich los, und ich habe unmit­tel­bar danach auch wahr­ge­nom­men, dass der Arbeitskreis auch rela­tiv erfolg­reich Spenden für ihre Projekte gesam­melt hat. Vielleicht war es also gar nicht so böse und dol­le schlimm, wie es immer gesagt wurde.

Das waren ja vor allem große Dinge für den StuRa. Hast du noch, vielleicht auch kleine, persönliche Highlights?

Die gab es immer mal. Unter ande­rem natür­lich die Demos vor den Kürzungen. Da hat man noch mal gese­hen, was die­se Uni alles kann. Ein per­sön­li­ches Highlight war auch die Nightline, unser wun­der­schö­nes Zuhörtelefon. Das war eine Sache, die ein­ein­halb Jahre gebraucht hat, um an den Start zu gehen, und mich qua­si mei­ne gesam­te Amtszeit beglei­tet hat, und umso schö­ner war es dann, den Kooperationsvertrag end­lich unter­schrei­ben zu kön­nen. Und als dann end­lich das ers­te Mal jemand hier an die­sem Telefonhörer saß – es hat zwar nie­mand ange­ru­fen, aber es war trotz­dem toll, dass es läuft.

Auch gene­rell die Arbeit hier im Haus mit den Leuten war ein­fach sehr schön. Wegen der Leute selbst und weil es auch eine sehr coo­le Form von Politik ist, weil man sehr kon­kret an den Sachen dran ist, die man macht.

Wie gut geht denn StuRa und Studium nebeneinander?

Das kommt dar­auf an, wie man sei­ne Prioritäten setzt, das mein­te ich vor­hin mit „man muss es sich leis­ten kön­nen“. Man kann sich, glau­be ich, abschmin­ken, dass man irgend­ein StuRa-Amt besetzt, ohne wenigs­tens ein biss­chen Abstriche im Studium zu machen. Ich muss mir da auch selbst an die Nase fas­sen, weil ich das Vorsitzamt schon so aus­ge­führt habe, dass es eine Priorität war und ich mein Studium zwi­schen­zeit­lich sehr ver­nach­läs­sigt habe. Es geht aber ten­den­zi­ell schon, weil es  wenig fes­te Termine und auch immer zwei Vorsitzende gibt.

“Ein biss­chen Abstriche im Studium”

Soll es nach deiner Zeit im StuRa für dich politisch weitergehen?

Nicht unbe­dingt, zumin­dest ist es nicht mei­ne Priorität. Also [2024] sind zwar Kommunalwahlen, und da spie­le ich tat­säch­lich mit dem Gedanken, mich auf­stel­len zu las­sen, aber ich bin noch nicht sicher, ob ich da ernst­haft irgend­wo rein­ge­wählt wer­den will. Ich habe auch nicht so viel Lust auf eine poli­ti­sche Laufbahn. Politik ist wich­tig, und es ist auch super, dass Leute das machen, aber es ist eben auch super anstren­gend. Es gab Zeiten, da habe ich mir das vor­stel­len kön­nen, aber gera­de jetzt nach den zwei Jahren, den­ke ich, machen mir klei­ne­re poli­ti­sche Ehrenämter mehr Spaß. Aber einen poli­ti­schen Hauptjob ohne die­se schö­ne Konkretheit, wo man so nah dran ist wie im StuRa … mh, nee.

Es ist span­nend, es ist cool, aber trotz­dem nichts, was ich fürs Leben machen möch­te. Gerade, weil es auch mit so vie­len Niederlagen ver­bun­den ist. Die wenigs­ten Dinge, die man angeht, kriegt man auch durch­ge­setzt. Vor allem nicht so, wie man es ursprüng­lich durch­set­zen wollte.

Abschlussworte?

Arbeit im StuRa macht Spaß. Auch wenn man noch nie was davon gehört hat, braucht man kei­ne Angst zu haben, sich auf­stel­len zu las­sen und Ämter zu übernehmen.

Interview und Fotos: Stefan Kranz

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