Wie sieht die Stimmung unter den Studierenden nach der Hochschulwahl aus? Die has­tu­zeit war auf der Wahlparty im Hühnermanhattan. Eindrücke von Schildkröten, Enttäuschungen und Teamfreude.

22.30 Uhr. Schritte hal­len von den Hauswänden wider. Gleich haben wir unser Ziel erreicht. Hinter einem dunk­len Hinterhof gedämpf­te Musik, mehr eine Ahnung als Gewissheit. Mit jedem Schritt wird der Klang kla­rer. Aus einem alten, rus­ti­ka­len Haus leuch­tet es ver­hei­ßungs­voll. Vier jun­ge Frauen ste­hen rau­chend vor der Eingangstür und reden mit­ein­an­der. Ein Wortfetzen ertönt hör­bar: »… bin ja direkt gewählt, wie letz­tes Jahr.« Zwei Meter ent­fernt schaut ein Kopf aus einem Stahlcontainer. In der Dunkelheit wirkt er wie eine Schildkröte, die aus ihrem Panzer blickt. Der Kopf sagt: »Ihr könnt mir eure Rucksäcke geben. Ein Euro pro Stück.« Gesagt, getan. Nach zwei Minuten betre­ten wir bei­de das Haus.

Drinnen ist über­ra­schend wenig los. Überall ist es dun­kel. Licht spen­den nur ein gro­ßer Ofen, eine PowerPoint-Präsentation und ein­zel­ne Smartphone-Bildschirme. Die obli­ga­to­ri­sche Grüppchenbildung wie auf dem Schulhof ist bereits abge­schlos­sen. Auf die bei­den Tanzflächen wei­ter hin­ten ver­ir­ren sich nur die Discolichter.

Wir gehen nach rechts, wo ein Laptop und ein Beamer mit­ein­an­der ver­bun­den auf einem Tisch ste­hen und die Wahlergebnisse prä­sen­tie­ren. Offiziell ver­kün­det wur­den die Ergebnisse eine hal­be Stunde vor unse­rer Ankunft. Auf den Gesichtern der Zuschauer tut sich wenig beim Anblick der Folien. Während mein Kommilitone an der Bar etwas bestellt, gehe ich zum Laptop und kli­cke mich durch die Wahlergebnisse. Niemand stört sich dar­an. Nach einer Weile kom­men eini­ge Studentinnen auf mich zu, die mich für einen Wahlexperten hal­ten. Sie stu­die­ren an den Franckeschen Stiftungen und befin­den sich im zwei­ten Semester. Für sie ist das die ers­te Hochschulwahl. Sie äußern sich scho­ckiert über die ihrer Meinung nach »mick­ri­ge« Wahlbeteiligung von 16,8 Prozent. Sie selbst wis­sen nicht wirk­lich, was über­haupt gewählt wur­de. Der gesam­te Wahlkampf ist für die drei Studentinnen, ver­gli­chen mit der kur­ze Zeit spä­ter statt­fin­den­den Europawahl, nahe­zu unsicht­bar gewe­sen. Man habe nichts gese­hen oder gehört von Wahlprogrammen und dadurch auch gar nicht erfah­ren, wofür sich die ein­zel­nen Hochschulgruppen über­haupt ein­set­zen. Darüber hin­aus wol­len sie wis­sen, ob sich durch die Hochschulwahlen in der Vergangenheit jemals etwas änder­te und ob die­se Wahl jetzt irgend­ei­ne spür­ba­re Nachwirkung haben wird. Lediglich einen Namen vom Fachschaftsrat ken­nen die Studentinnen. Da fühlt sich Politik greif­bar an. Der Konsens ist im Grunde: »Ich hab jetzt gewählt, aber was hab ich denn hier gera­de gewählt?« Ein wenig ent­täuscht zie­hen die drei von dannen.

Illustration: Sophie Ritter

Kurze Zeit spä­ter tref­fen wir auf die Wahlleiterin Nora Oppermann. Sie äußert sich posi­tiv über die Wahlergebnisse. Dass von links bis rechts ver­schie­dens­te Hochschulgruppen gemein­sam zusam­men­sit­zen und mit­ein­an­der reden, fin­det sie gut. Sie ist nun gespannt, was in der Zukunft im Stura pas­sie­ren wird. Nora bemerkt noch, dass die Mitarbeitenden der Uni, die man als Studierende*r sonst eher sel­ten trifft, wie zum Beispiel die Hausmeister, sehr an der Wahl inter­es­siert sind. Sie fra­gen öfter nach den Ergebnissen von Stura-Sitzungen, wahr­schein­lich auch, da die Hochschule den Ort ihres täg­li­chen Broterwerbs darstellt.

Vereinzelt kom­men noch Leute auf uns zu, die mich, da ich näher am Laptop sit­ze, bit­ten, die­ses oder jenes Ergebnis der Fachschaftsratswahlen anzu­zei­gen. Überhaupt bemer­ke ich mit jedem Mal, wie die Leute sich viel mehr für die Fachschaftsräte inter­es­sie­ren. Sobald ein bestimm­ter Name auf­taucht, ertönt ein kur­zer Jubel, als hät­te der Lieblingsfußballverein ein Tor geschos­sen. Die Ergebnisse der Sturawahl erzeu­gen dage­gen weni­ger Freude. Würde der Beamer die Ergebnisse nicht an die Wand pro­ji­zie­ren, wüss­te man nicht, dass es sich um eine Wahlparty handelt.

Langsam fül­len sich die Tanzflächen. Der Beat ist recht anspruchs­los und weiß so am ehes­ten jedem Ohr zu gefal­len. Die Temperatur steigt an, wäh­rend sich immer mehr Menschen erhe­ben, um sich zur Musik zu bewe­gen. Die Wahlergebnisse fin­den immer weni­ger Beachtung. Jetzt wirkt es wirk­lich wie eine han­dels­üb­li­che Party. Nach einem kur­zen Aufenthalt auf der Tanzfläche ver­ab­schie­den wir uns von der Veranstaltung, holen unse­re Sachen vom Kopf an der Garderobe und ver­schwin­den in die Nacht.

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