Lach­skaviar und Schnit­tblu­men seien Dinge des »täglichen Gebrauchs«, Hygie­n­eartikel wie Tam­pons, Binden und Men­stru­a­tion­stassen hinge­gen »Luxu­sar­tikel«, weshalb diese in Deutsch­land mit 19 Prozent ver­s­teuert wer­den. Dage­gen regt sich Wider­stand – an der MLU ein­er der beson­deren Art.

»Frauen kön­nen es sich eben nicht aus­suchen, ein­mal im Monat eine SMS vom Uterus zu bekom­men: ›Nicht schwanger‹!« Jane, Finanz­erin des Fach­schaft­srats Neuphilolo­gien, bringt die offen­sichtliche Ungerechtigkeit der so-genan­nten »Tam­pon­s­teuer« auf den Punkt: Ein­mal im Monat seine Gebär­mut­ter­schleimhaut abzus­toßen, hat nichts mit Frei­willigkeit zu tun. Stattdessen lei­det ein Großteil von Mäd­chen und Frauen während der Peri­ode unter Unter­leib­ss­chmerzen, Übelkeit, Müdigkeit, Stim­mungss­chwankun­gen und vie­len weit­eren Symp­tomen. Im Alter von durch­schnit­tlich 12,5 Jahren stellt sich erst­mals die monatliche Blu­tung ein und dauert, unter­brochen von Schwanger­schaften, bis zur Menopause mit durch­schnit­tlich 51 Jahren an. Bei vie­len Men­stru­ieren­den nehmen die schmerzhaften Begleit­er­schei­n­un­gen zumin­d­est im Alter ab, andere wiederum sind sog­ar von Erkrankun­gen wie dem Prä­men­stru­ellen Syn­drom, bess­er bekan­nt unter der Abkürzung PMS, betrof­fen. Hier­bei lei­den die Betrof­fe­nen vor allem unter den psy­chis­chen Symp­tomen ihrer Peri­ode, zum Teil sog­ar so stark, dass es zu ern­sthaften Kon­flik­ten im Job oder in der Part­ner­schaft kommt. Um trotz Blu­tung am nor­malen Arbeits- und Pri­vatleben teil­haben zu kön­nen, braucht es entsprechende Hygie­n­eartikel: Zwis­chen 10 000 und 17 000 Tam­pons und Binden sind über die gesamte frucht­bare Lebenss­panne nötig, um Frau der Lage zu wer­den. Aufs Leben gerech­net ergeben sich hier Kosten im vier­stel­li­gen Bere­ich für ins­ge­samt etwa 500 Monatsblutungen.

Illus­tra­tion: Emil­ia Peters

Für viele Men­stru­ierende ist die Peri­ode somit nicht nur unan­genehm und unauswe­ich­lich, son­dern auch teuer. Kein Wun­der, dass sich immer mehr Wider­stand dage­gen regt, und das keineswegs erfol­g­los: In Kenia, Kana­da und Frankre­ich beispiel­sweise wurde die Mehrw­ert­s­teuer auf Hygien­e­pro­duk­te kom­plett abgeschafft oder zumin­d­est gesenkt. In Deutsch­land erre­ichte kür­zlich eine Peti­tion von »Neon« und dem Start-up Ein­horn, die auf Hygien­e­pro­duk­te den ermäßigten Mehrw­ert­s­teuer­satz von sieben Prozent forderte, mehr als 81 000 Unter­schriften. Der Weg in den Bun­destag ist damit geeb­net. Die Ham­burg­er Aktivistin­nen Yasemin Kotra und Nan­na-Josephine Roloff set­zen sich eben­falls mit ein­er Peti­tion, die sich unter anderem direkt an den Finanzmin­is­ter Olaf Scholz und die Fam­i­lien­min­is­terin Franziska Gif­fey richtet, für eine Senkung der Steuer auf sieben Prozent ein. Bei­de Ini­tia­tiv­en argu­men­tieren damit, dass die Tam­pon­s­teuer »nur« eine Hälfte der Bevölkerung bet­rifft. Zum anderen ver­di­enen Frauen hierzu­lande trotz gle­ich­er Arbeit immer noch weniger Geld als ihre männlichen Kol­le­gen oder arbeit­en in Berufen, welche schlechter bezahlt wer­den, wie beispiel­sweise im sozialen Sek­tor. Es ergibt sich somit eine dop­pelte Diskri­m­inierung: sowohl im Gehalt als auch an der Kasse.

Kri­tik­er bemän­geln der­weil, dass es unge­nau sei, über­haupt von ein­er »Tam­pon­s­teuer« zu sprechen: Der Begriff impliziere, dass es einen beson­deren Steuer­auf­schlag auf Men­stru­a­tion­sar­tikel geben würde; dabei han­delt es sich um die reg­uläre, nicht ermäßigte Mehrw­ert­s­teuer, die auf alle Hygie­n­eartikel gilt – auch auf Toi­let­ten­pa­pi­er, Taschen­tüch­er und Windeln. Des Weit­eren han­dele es sich bei der geforderten Senkung der Steuer auf sieben Prozent besten­falls um Sym­bol­poli­tik, schließlich müssten Frauen nach wie vor Tam­pons und Co. kaufen, Män­ner hinge­gen nicht. Kon­se­quent wäre es vielmehr, für Men­stru­a­tion­spro­duk­te gar kein Geld mehr zu verlangen.

Hexenzauber und Hashtags

Lange Zeit wäre es undenkbar gewe­sen, der Peri­ode so viel medi­ale Aufmerk­samkeit zu wid­men; war der Umgang damit doch bis ins 21. Jahrhun­dert mehr von Scham und Ver­steck­spiel geprägt als von Stolz auf die Frucht­barkeit oder schlicht Nor­mal­ität. Stattdessen ranken sich von jeher Mythen und Aber­glauben um das Monats­blut; so lasse die Berührung ein­er men­stru­ieren­den Frau Wein sauer wer­den und Milch gerin­nen. An einen Türp­fos­ten gestrichen halte das giftige Blut indes sog­ar Hex­en fern. Ein langer Weg, bis Hash­tags wie peri­od­pos­i­tive oder #end­pe­ri­od­shame die sozialen Net­zw­erke eroberten, sog­ar ein Men­stru­a­tion­se­mo­ji in Form eines Blut­stropfens soll dem­nächst dage­gen helfen, wenn es einem bei der The­matik die Sprache ver­schlägt – es scheint, als sei die Welt reif, einen neuen Umgang mit dem ver­mut­lich ältesten Makel der Welt zu erler­nen: offen und respek­tvoll, zuweilen sog­ar amüsant.

Foto: Sophie Ritter

Der Fach­schaft­srat Neuphilolo­gien der Uni Halle hat indes eine ganz eigene Art gefun­den, um auf die ver­schiede­nen Prob­lematiken, die die Men­stru­a­tion auch heute noch umgeben, aufmerk­sam zu machen: mit kosten­losen Tam­pons und Binden. Die Idee hierzu kam den (weib­lichen) Mit­gliedern vor etwa fünf Jahren, seit­dem lassen sich auf so manch­er Damen­toi­lette in den Insti­tutsge­bäu­den der Phil­Fak II (zum Beispiel am Stein­tor-Cam­pus) die unverzicht­baren Hygie­n­eartikel find­en. Anlass hier­für waren der Ärg­er über die Steuer auf Tam­pons, aber auch die Fas­sungslosigkeit angesichts mehr oder weniger wohlge­mein­ter Tipps von männlichen Kom­mili­to­nen wie »Lass es doch ein­fach raus­laufen«. So geht es ja auch von­stat­ten, kön­nte man zynisch antworten – und wie Ken­ner­in­nen wis­sen, wird Free Bleed­ing, also Men­stru­ieren ohne Hygien­e­pro­duk­te, tat­säch­lich immer pop­ulär­er. Allerd­ings eignet es sich eher für das Home Office. Men­stru­a­tion­sun­ter­wäsche als neue Alter­na­tive zu herkömm­lichen Hygien­e­pro­duk­ten hinge­gen ist bis­lang noch weit­ge­hend unbekan­nt. Somit greifen die meis­ten Men­stru­ieren­den aktuell auf Tam­pons und Binden zurück – und diese Pro­duk­te liegen auf immer mehr öffentlichen Toi­let­ten, zum Beispiel in Restau­rants oder Cafés, gratis aus. Warum also nicht auch in der Uni, dacht­en sich Jane, Tabea, Caro, Nils und Denise.

»Frauen soll­ten es sich nicht vorschreiben lassen, wie sie men­stru­ieren, son­dern selb­st­ständig entscheiden«

Jane, Finanz­erin
16,11 Euro – Läuft bei dir?

Ein weit­eres Prob­lem, welch­es die Mit­glieder des FSR Neuphilolo­gien sehen, ist der Hartz-IV-Regel­satz für Gesund­heit­spflege: 16,11 Euro monatlich sieht dieser für Arztbe­suche, Medika­mente, Zah­n­pas­ta und eben auch Damen­hy­gie­n­eartikel vor. Da jedoch die Men­stru­a­tion bei jed­er Per­son unter­schiedlich lang und inten­siv aus­fällt, sei es schwierig, hier­für eine Pauschale festzule­gen: »Die eine blutet drei Tage, die näch­ste sieben – und dann?« An dieser Stelle wür­den kosten­lose Tam­pons und Binden auf öffentlichen Toi­let­ten ins Spiel kom­men, um solche Unter­schiede aus­gle­ichen zu können.An der Uni liegen die Tam­pons und Binden zwar nicht primär für Hartz-IV-Empfän­gerIn­nen aus, aber auch Studierende ken­nen bisweilen das Prob­lem, wenn am Ende des Geldes noch zu viel Monat übrig ist. Für die Gruppe ist es daher auch nicht ver­wun­der­lich, dass die Schalen häu­fig schon nach kurz­er Zeit leer sind, son­dern eher ein Zeichen dafür, dass Bedarf beste­ht. Ein weit­er­er Beleg dafür, dass die Aktion dankbar angenom­men wird, sei das über­wiegend pos­i­tive Feed­back, zumeist auf Jodel oder auf den Info-Zetteln, die über oder an den Schalen befes­tigt sind.

Foto: Sophie Ritter

Natür­lich habe es auch Kri­tik gegeben, zum Beispiel, dass Tam­pons und Binden nicht beson­ders nach­haltig seien und somit Men­stru­a­tion­stassen die bessere Lösung darstellen wür­den. Außer­dem wür­den nicht nur Frauen men­stru­ieren, son­dern auch Trans­män­ner, und es sei somit inklu­siv­er, von Hygie­n­eartikeln statt von Damen­hy­gie­n­eartikeln zu sprechen. Als Reak­tion hier­auf hat die Gruppe die Zettel entsprechend angepasst, doch Men­stru­a­tion­stassen wer­den auch dem­nächst nicht auf den Toi­let­ten zu find­en sein: »Wir alle sind für mehr Nach­haltigkeit, aber vielle­icht soll­ten wir erst mal generell über die Besteuerung reden«, wen­det Tabea ein. Men­stru­a­tion­stassen seien außer­dem erhe­blich teur­er als Tam­pons und Binden. Darüber hin­aus seien let­ztere vom FSR primär als kleine Aushil­fen gedacht, wenn die Peri­ode früher als erwartet begin­nt, was ohne hor­monelle Ver­hü­tung nicht ungewöhn­lich ist. Das einzige Prob­lem, vor dem die Gruppe zuweilen ste­he, seien abhan­dengekommene Schalen: Diese andauernd neu zu kaufen, gehe mit der Zeit schon ins Geld. Nichts­destotrotz wollen sie weit­er­hin gratis Tam­pons und Binden auf den Uni-Toi­let­ten verteilen – nun, da die Debat­te um die Men­stru­a­tion und entsprechende Hygie­n­eartikel auch in Deutsch­land an Fahrt aufgenom­men hat, sehen sie sich bestätigt. Hin­sichtlich der Peti­tion, die es in den Bun­destag geschafft hat, geben sich die fünf zwar eher pes­simistisch, aber über eines freut Jane sich doch: 487 Män­ner, die über Tam­pons reden dürfen.

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