Die “AG DozentInnenmangel” lud am 20.11. zur Podiumsdiskussion ein und alle waren sie da: Prominenz aus Politik und Wissenschaft dis­ku­tier­ten die Missstände der Lehramtsausbildung und ver­spra­chen zukünf­ti­ge Besserungen. Das reich­te den Studierenden nicht, sie woll­ten rasche Maßnahmen — am bes­ten sofort!

Der deut­sche Saal, eine der größ­ten Räumlichkeiten der Franckeschen Stiftungen, ist bis auf den letz­ten Platz gefüllt. Die Luft ist sti­ckig. Manche fin­den kei­nen Platz und müs­sen auf dem Boden sit­zen. Eine Situation, die lei­der sinn­bild­lich für das Problem steht, was heu­te dis­ku­tiert wer­den soll: der Dozent:innenmangel an der Martin-Luther-Universität, ins­be­son­de­re beim Lehramtsstudium.

Der anhal­ten­de Lehrer:innenmangel in Sachsen-Anhalt ver­an­lasst ein rapi­des Ansteigen der Zulassungen zum Lehramtsstudium an der MLU. Die Problematik besteht dar­in, dass die Einstellungszahlen von Dozent:innen die­sem in kei­ner Weise nach­kom­men. Überfüllte Seminare, die doch eher Vorlesungen glei­chen und teils drei­stel­li­ge Wartelistenränge sind die Folge. Ein qua­li­ta­tiv hoch­wer­ti­ges Lehramtsstudium in der knapp bemes­se­nen Regelstudienzeit von zumeist neun Semestern zu absol­vie­ren, um dann gut vor­be­rei­tet auf den Lehrerberuf an die Schule zu gehen, wirkt unter die­sen Umständen doch recht utopisch.

Um die kri­ti­sche Lage der Lehramtsstudierenden auf die Agenda zu set­zen und anzu­ge­hen, grün­de­te sich im April die­sen Jahres die ”Arbeitsgruppe DozentInnenmangel” und mach­te sich sogleich an die Arbeit, eine Podiumsdiskussion zu orga­ni­sie­ren und wich­ti­ge Entscheidungsträger von Landes- und Hochschulpolitik an einen Tisch zu holen.

Der Einladung folg­ten Prof. Dr. Armin Willingmann (Wissenschaftsminister), Marco Tullner (Bildungsminister), Prof. Dr. Christian Tietje (Rektor der MLU), Prof. Dr. Georg Maas (Zentrum für LehrerInnenbildung) und Bertolt Marquardt (GEW HSG / Personalrat) – die Sprecherin der “AG DozentInnenmangel” Tabea Pfitzner kom­plet­tier­te die Runde.

Die wich­tigs­ten Inhalte und Aussagen der drei­stün­di­gen Diskussion haben wir für Euch zusammengefasst.

Das Hauptproblem der Finanzierung

Im Laufe des Abends ent­puppt sich die Finanzierung als Grundproblem des Personalmangels. Uni-Rektor Tietje betont stets, dass sein Zusatzgeld befris­tet sei. Da er abhän­gig von den Ressourcen sei, die das Land zur Verfügung stel­le, kön­ne er nie­man­den mehr unbe­fris­tet ein­stel­len. Der Grundhaushalt blei­be kon­stant, wohin­ge­gen die Ausgaben stei­gen – des­we­gen müs­sen die Stellen mit befris­te­ten Geldern gestemmt wer­den. Diese Tatsache bedeu­tet natür­lich Planungsunsicherheiten für die zahl­rei­chen Mitarbeiter:innen der Universität, dem größ­ten Arbeitgeber in der Stadt.

Wie zu erwar­ten war, kön­nen Willingmann und Tullner kei­ne Zusage geben, dass das Zusatzgeld lang­fris­tig bereit­ste­hen wird. Zukunftsprognosen sei­en ein­fach zu vage, so Willingmann. Tullner äußert den tref­fen­den Satz: „Wir fah­ren auf Sicht.“

Dringend gesucht: Dozent:innen, Lehrer:innen, Raummöglichkeiten

Maas führt wei­te­re Gründe als die Finanzierung für den Personalmangel an. So stün­den Schule und Universität zuein­an­der in Konkurrenz um Lehrkräfte. Ein ent­schei­den­der Vorteil für das Landesschulamt stel­le die Möglichkeit der Verbeamtung von Lehrkräften dar. Die Arbeit als Didaktikdozent:in sei wegen der feh­len­den Möglichkeit zur Verbeamtung so für kom­pe­ten­te Lehrer:innen deut­lich weni­ger reiz­voll. An die­sem Punkt for­dert die AG mehr Attraktivität für den Dozent:innenberuf, um mehr Leute zu mobilisieren.

Darüber hin­aus merkt Tietje an, dass es neben der spe­zi­fi­schen Problematik des Lehramtsstudiums auch noch ande­re Mängel in ande­ren Fachbereichen gebe. So gebe es bei den Naturwissenschaften gera­de kei­ne Laborplätze auf­grund von Gebäudeinvestitionen. Einerseits stel­len Lehramtsstudierende mit 17% den größ­ten Anteil der Studierenden, ande­rer­seits befin­de man sich momen­tan an der struk­tu­rel­len Belastungsgrenze und müs­se dem­nach die Ressourcen gleich­mä­ßig verteilen.

Ein wie­der­keh­ren­des Thema am Abend ist die aus­bau­fä­hi­ge Raumsituation für die Studierenden. Tatsächlich gebe es aber laut Tietje schon Pläne, wie gegen den Mangel an aus­rei­chend gro­ßen Räumen vor­ge­gan­gen wer­den kön­ne. So soll die Scheune an den Franckeschen Stiftungen nach ihrer Sanierung den Erziehungswissenschaften bereit­ge­stellt wer­den. Außerdem sei eine Steintorcampus-Erweiterung in Planung, bei der das Julius-Kühn-Haus saniert wer­den soll.

BAFöG-Wegfall als Symptom des Mangels

Die AG pro­ble­ma­ti­siert das häu­fi­ge Szenario, dass sich der BAföG-Zuschuss durch den Dozent:innenmangel erüb­ri­ge. Aufgrund des Wartelisten-Desasters ver­zö­ge­re sich die Regelstudienzeit und der Anspruch auf BAföG-Gelder ver­fal­le. Tietje schlägt vor, die Regelstudienzeit even­tu­ell hoch­zu­set­zen. Dann merkt er an, dass die BAföG-Problematik natür­lich auch nur ein Symptom des Grundmangels sei, der sich durch ein aus­ge­gli­che­nes Betreuungsverhältnis von Dozent:innen und Studierenden sofort lösen ließe.

Struktur des Studiums sollte überdacht werden

Immer wie­der mel­den sich Studierende zu Wort und bemer­ken, dass die Gewichtung zwi­schen Didaktik und Fachwissenschaft im Lehramtsstudium feh­ler­haft sei. Am Beispiel vom Fach Mathematik im Grundschullehramt wird die Fachspezifität kri­ti­siert. Wozu braucht ein Grundschullehrer detail­lier­te Kenntnisse über Algebra? Sind nicht päd­ago­gisch-didak­ti­sche Kenntnisse wich­ti­ger? Diese unnö­tig erschei­nen­de Vertiefung von Fachwissen hät­te eben­falls Auswirkungen auf die Regelstudienzeit.

Besonders das selbst­be­wuss­te Auftreten der Studierenden am Abend muss her­vor­ge­ho­ben wer­den. Die AG und die Meldungen aus dem Publikum for­mu­lie­ren klar und stel­len direk­te bis pro­vo­kan­te Fragen. Sie machen unmiss­ver­ständ­lich deut­lich: Das Problem des Dozent:innenmangels ist dring­lich. So ern­tet die Studierendensprecherin Pfitzner gro­ßen Applaus, als sie fest­stellt: „Die Situation ist nicht mehr erträg­lich. Was pas­siert jetzt bzw. in den nächs­ten zwei, drei, vier, fünf Semestern?“

In den Abschlussplädoyers wird klar, dass alle Anwesenden eine bes­se­re Kommunikation zur Lösungsfindung anstre­ben. Vor allem das ZLB und die “AG DozentInnenmangel” neh­men sich vor, öfter zusam­men­zu­fin­den und ziel­ge­rich­tet zu kom­mu­ni­zie­ren. Maas betont den Willen des ZLB, für eine qua­li­ta­ti­ve Lehramtsausbildung zu kämp­fen. Willingmann ver­spricht bei den Zielvereinbarungen für die nächs­ten Jahre mit den Finanzministerien „in die rich­ti­ge Richtung“ zu ver­han­deln. Darüber hin­aus sieht Marquadt sei­ne vor­he­ri­ge Vermutung, dass Uni und Land die Verantwortung nur hin und her schie­ben wür­den, nicht bestä­tigt. Am Abend sei abge­steckt wor­den, wo wel­che Verantwortung lie­ge und wer was tun kön­ne. Sowohl die AG als auch die gela­de­nen Gäste bedan­ken sich für die Gesprächsatmosphäre, die – obwohl emo­ti­ons­ge­la­den – als ange­nehm wahr­ge­nom­men wird.

Die all­ge­mei­ne Erkenntnis des Abends: Einerseits soll­ten zwar kurz­fris­ti­ge Lösungen gefun­den wer­den – ande­rer­seits ist es nötig, lang­fris­tig Weichen zu stel­len, um die Problematik aus der Welt zu schaf­fen. Fest steht, dass der Dozent:innenmangel nicht nur im Lehramtsstudium prä­sent ist. Die Universität sieht sich mit zusätz­li­chen Studierenden und Aufgaben in der Lehrausbildung mit einer struk­tu­rel­len Herausforderung kon­fron­tiert. Doch die Diskussion zeig­te eben­falls: Der Wille ist da, sich den Problemen in Kooperation mit­ein­an­der zu stellen.

von Niklas Majstrak und Alina Eckelmann

Illustration: Sabrina Scheffler
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