Dem Aufruf des Aktionsbündnis #MLUnterfinanziert folgten hunderte Studierende und versammelten sich zur Kundgebung am 10.11.2021 von 12–14 Uhr auf dem Universitätsplatz. In Hörweite des Rektorats machten verschiedene Redner:innen auf die drohenden Konsequenzen der geplanten Einsparungen aufmerksam, durch die sie Studierfähigkeit als gefährdet ansehen. Darüber hinaus wurde dem Rektorat mehrfach ein Schulterschluss angeboten, um die Proteste gemeinsam an die Landesregierung nach Magdeburg zu tragen.
Bibliothek als zentrale Säule
Ein Redner der Institutsgruppe Ethnologie verdeutlichte die bereits erfahrbaren Konsequenzen der Kürzungen. Die Zweigbibliothek am Mühlenweg ist bereits seit Beginn der Pandemie geschlossen. Für die Studierende droht der permanente Wegfall der dort zur Verfügung stehenden Arbeitsplätze. Außerdem müssen sie ihre Bücher nun vorbestellen und mit Verzögerung in der Steintor-Bibliothek abholen.
Bereits ein Drittel der HiWi-Stellen wurden im Zuge der bisherigen Einsparungen gestrichen, wodurch eine Wiedereröffnung für Publikumsverkehr unwahrscheinlich wird.
Neben dem Fachbereich der Ethnologie beheimatet die Zweigbibliothek die Fächer des Orientwissenschaftlichen Zentrums. Gerade diese kleineren Studiengänge sind bereits in ihrer Existenz gefährdet und fallen augenscheinlich scheibchenweise der Rationalisierung zum Opfer.
Weiterhin führe die zusätzlich geplanten Einschränkungen der Bibliotheksöffungszeiten unweigerlich zum Ausschluss von einigen Studierenden, verdeutlichte die Rednerin des Arbeitskreises Studieren mit Kind. Die Verantwortung für Sorgearbeit sei nicht mit gekürzten Öffnungszeiten vereinbar. Die Bedeutung der Arbeitsplätze in der Bibliothek als Möglichkeit einen störungsfreien Raum zum Studium nutzen zu können, wurde hervorgehoben. Verblüffung entstand in den Reihen des Publikums, als die Rednerin die Anzahl der betroffenen Studierenden, etwa 2500, nannte.
Die unmittelbare Relevanz der geplanten Kürzungen für alle Studierenden wurde deutlich, als das drohende Auslaufen der VPN-Lizenzen aufgegriffen wurde. Kein Zugriff auf Literatur von außerhalb der Uni wäre die Konsequenz. Mehrere Redner:innen machten nachdrücklich darauf aufmerksam, dass im Zuge einer vierten Welle der Pandemie und der fortschreitenden Digitalisierung eine Diskussion über eine derartige Maßnahme weltfremd sei und prangerten fehlenden Weitblick an.
Die Students for Future legten in ihrem Redebeitrag den Fokus darauf, dass Bildung essentiell für den augenblicklichen und bevorstehenden sozio-ökonomischen Wandel sei. Die notwendigen Investitionen in Bildung kurzsichtig zu vermeiden oder eben Mittel zu kürzen, führe unweigerliche dazu, nachhaltig schlecht aufgestellt zu sein. Wer sich aktiv an der Gestaltung dieses Wandels beteiligen möchte, wurde herzlich zur Teilnahme an der bevorstehenden Klimabildungswoche vom 22. — 26.11.2021 eingeladen.
Lippenbekenntnisse und Versöhnungswunsch
Im Beitrag des Studierendenrats wurde großes Unverständnis über die Doppelmoral in der Bildungspolitik deutlich. Einerseits würde durch die zuständigen Akteur:innen stets die immense Bedeutung funktionierender Hochschulen und Bildung im Allgemeinen hervorgehoben, andererseits stünde der undurchsichtig dargestellte Haushalt mit vielen Finanzierungslücken und Fragezeichen da. Die im Zuge der Pandemie erneuerte Beteuerung des Versprechens, dass Studierende nicht (wieder) vergessen werden, bleibe eine hohle Phrase. In diesem Zusammenhang fand sich der sachsen-anhaltische Finanzminister Richter auf diversen Plakaten der Studierenden wieder.
Die Befürchtungen von den Entscheidungsträgern nur Lippenbekenntnisse zu erhalten, teilte Reiner Herter, Mitglied bei ver.di. Er wies darauf hin, dass über Monate keine konkreten Lösungsansätze des Rektorats veröffentlicht wurden. Darüber hinaus sei der Hochschulstandort Halle nur exemplarisch für die ungenügende Finanzierung im gesamten Bundesland Sachsen-Anhalt zu sehen. Das Versagen der Landesregierung für ausreichend Mittel im Bildungsbereich zu sorgen, sieht Herter als maßgeblich für die desolate Haushaltssituation. Seitens der Gewerkschaften ver.di und GEW gab es früher am Tag bereits einen Warnstreik für bessere Arbeitsbedingungen und einen attraktiveren öffentlichen Dienst in Sachsen-Anhalt. Dieser sei ebenso für die Qualität der Lehre von Bedeutung. Er warb für eine Zusammenarbeit mit dem Rektor der MLU Christian Tietje, um eine gemeinsam nachhaltige Veränderung zu bewirken.
Dass diese Kooperation auch tatsächlich von den anwesenden Studierenden gewünscht ist, zeigte die Menge mit nachdrücklichem Applaus. Ein erstes Signal in Richtung eines Schulterschlusses vom Rektorat mit Studierenden kann die — in der Senatssitzung am Nachmittag — einstimmig angenommene Resolution sein.