Ruth Bader Ginsburg („RBG“) gilt weltweit als Inbegriff einer Feministin. Das Biopic „On the basis of sex [im deutschen: “Die Berufung – Ihr Kampf für Gerechtigkeit”] zeigt, wie die ehemalige Supreme Court Richterin den Blick auf Geschlechtergleichheit vor dem Gesetz in den USA revolutionierte.
Im Film wird Ruth Bader Ginsburg (gespielt von Felicity Jones) nicht nur in ihrer Rolle als angehende Anwältin im Kampf für Geschlechtergerechtigkeit gezeigt. Nebenbei oder zugleich, je nach Rollenverständnis, ist Ginsburg schon vor ihrem Studium an der Harvard Universität Mutter ihrer Tochter Jane (Cailee Spaeny) und Ehefrau von Martin alias Marty Ginsburg (Armie Hammer) – Jura Student in Harvard und später Anwalt für Steuerrecht. Bei ihrem Kampf um Gerechtigkeit steht Marty stets an ihrer Seite, was sich als immenser Vorteil erweisen sollte. Denn als Ruth ihren ersten und alles verändernden Fall als Anwältin annimmt, findet sie allein auf Grund der Tatsache, dass sie eine Frau ist, kaum Gehör in der Rechtswelt. Doch ist es nicht das erste Mal, dass man ihr deshalb Steine in den Weg legt.
Auf den Stufen zur berühmt-berüchtigten Ivy-League-Universität Harvard tummeln sich dutzende Männer in schwarzen Anzügen, weißen Hemden und dazu passenden Krawatten. Inmitten der homogenen Masse ist daher eines besonders auffällig: Ein Kleid, gehalten in einem dumpfen Blau, das trotz des verhaltenen Farbtons schon allein aufgrund seiner Andersartigkeit aus dem Gedränge hervor sticht – Getragen von der damals 23-Jährigen Ruth Bader Ginsberg.
Auf den ersten Blick scheint an dieser Szene nicht viel ungewöhnlich. Denn schaut man sich einmal vor dem Juridicum um, fallen einem schließlich auch durchaus einige förmlich gekleidete Menschen ins Auge. Ein großer Unterschied zeigt sich jedoch zwischen allen derzeitigen (Jura-)Student:innen der MLU und denen der Harvard Law University aus den 1950er Jahren deutlich: Das blaue Kleid und die darin steckende Jurastudentin ist eine Rarität in der gesamten Masse.
Der Grund: Erst seit 1950 dürfen Frauen überhaupt ein Studium an der Harvard Law School aufnehmen. Und so ist Ginsburg 1956 unter den hunderten Jurastudent:innen in ihrem Jahrgang eine von neun Frauen, denen „die Ehre zu Teil wurde“ in Harvard Jura zu studieren. Eine Position, in der man zu damaligen Zeiten nicht nur mit etlichen Vorurteilen konfrontiert war, sondern auch auf Unverständnis traf, warum eine Frau einen „männlichen“ Beruf, wie den des Juristen überhaupt anstrebte. Hierzu zeigt der Film einige Szenen, in denen sich die „offensichtliche gesellschaftliche Deplatzierung“ einer Frau wie Ginsburg zuspitzt.
Schon während ihres Studiums ist Ginsburg unzähligen sexistischen Handlungen von Harvards Professoren und des Dekans ausgesetzt. Dabei bleibt eine Konversation zwischen Ruth und dem Dekan (gespielt von Sam Waterston) besonders im Kopf: Ginsburg und die acht anderen Studentinnen aus ihrem Jahrgang werden gleich zu Anfang ihres Studiums von dem Dekan zu sich nachhause zum Essen geladen. Am Tisch bittet er jede, doch zu erzählen, warum sie einen der Plätze im Jurastudium einnehmen, die auch an einen Mann hätten vergeben werden können. Empört von dieser Frage, zeigt sich Ruth mokierend: „Mein Mann studiert im zweiten Jahr an der Harvard Jura und ich bin hier an der Universität, um mehr über seine Arbeit zu lernen, damit ich eine verständnisvollere und geduldigere Ehefrau sein kann.“. Nach dem Essen und wieder zuhause bringt Ginsburg ihr Unverständnis für die Frage des Dekans bei ihrem Ehemann Marty noch einmal zum Ausdruck: „Wir sind nach Harvard gekommen, um Juristinnen zu werden. Warum sonst!“ sagt sie wild gestikulierend. Der zugehörige Gedankengang müsse etwa folgender gewesen sein: Da schafft man es als eine der wenigen Frauen an eine renommierte Einrichtung wie Harvard, in dem Glauben die Gesellschaft und ihre zugehörigen Rollenbilder der Zeit verändern sich und begegnet trotzdem einer Vorherrschaft konservativer Männer, die Frauen in der Küche sehen, aber bei weitem nicht im Gerichtssaal.
Auch in den 1960er Jahren, nach ihrem Abschluss von der Universität, zeigt der Film, dass die Gesellschaft noch nicht bereit für Frauen in der Rechtswelt ist. Nach unzähligen diskriminierenden Einstellungsgesprächen, in denen Ginsburg mit Aussagen wie, Frauen seien zu emotional um Anwalt zu werden und „Sie haben einen beneidenswerten Lebenslauf, aber wir haben schon letztes Jahr eine Frau eingestellt. Was sollen wir mit zwei von ihnen?“ konfrontiert wird, schiebt sie ihren Traum eine Anwältin zu sein erst mal beiseite. Stattdessen wird sie Juraprofessorin und träumt weiterhin davon, im Kampf um Geschlechtergerechtigkeit vor dem Gesetz eine Rolle zu spielen. Hierbei deckt Ginsburg zusammen mit ihren Student:innen einige Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern in Gesetzestexten auf, die der Rechtswelt durchaus bekannt sind. Als Beispiel zeigt der Film, dass der Oberste Gerichtshof der USA in den 50er Jahren von Dorothy Kenyon (Juristin, Feministin und politische Aktivistin) gefragt wurde, wie Frauen und Männer je gleichberechtigt sein können, wenn das Gesetz zwischen ihnen differenziert. Die plumpe Antwort des höchsten US-amerikanischen Gerichts, dass sie es nie sein werden, trieb Ginsburg und ihre Klasse weiter an. Die Diskussionen und die Empörung über das Unrecht blieben jedoch im Klassenraum und Ginsburg verlor den Fokus für den eigentlichen Kampf, bis ihre Tochter Jane den rein akademischen Aktivismus ihrer Mutter aufdeckt: „Es ist keine politische Bewegung, wenn alle nur rumsitzen.“, urteilt sie.
Von dem Aktivismus ihrer Tochter inspiriert, nimmt Ginsburg 1972 – zum wohlgemerkt ersten Mal – einen Fall an, der die Ungleichbehandlung der Geschlechter vor dem Gesetz anprangert. In diesem geht es um einen 63-Jährigen, der die finanziellen Ausgaben für die Pflege seiner Mutter als unverheirateter Mann nicht von der Steuer absetzen darf, da laut Gesetz familiäre Pflege reine Frauensache sei. Ein äußerst gelegener Fall, da hier nicht wie üblich das weibliche Geschlecht diskriminiert wird, sondern das sonst privilegierte männliche Geschlecht. Durch diesen Clou schafft es Ruth Bader Ginsburg den obersten Gerichtshof, damals rein vom männlichen Geschlecht besetzt, zu überzeugen, dass die in ihrem Fall vorliegende Diskriminierung aufgrund des Geschlechts gegen die Verfassung verstoße. Denn diese besagt bereits seit 1776, dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind, weshalb alle Gesetze, die zwischen Geschlechter unterscheiden, verfassungswidrig sind.
Der Film endet in einer Szene, in der die echte Ruth Bader Ginsburg mit einem Lächeln auf den Treppen des Obersten Gerichtshofes zu sehen ist. Dies lässt darauf schließen, dass Ginsburg mit der filmischen Umsetzung des Drehbuchautoren Daniel Stiepleman, Neffe von Ginsburg, und der Regisseurin Mimi Leder zufrieden ist. Stiepleman vereint dabei viele Fakten über seine Tante, die von Regisseurin Mimi Leder authentisch realisiert werden. Dabei legt sie in den meisten Szenen einen besonderen Fokus auf die damalige Frauenfeindlichkeit und Ungerechtigkeit in der Gesellschaft und kritisiert zugleich die Vorherrschaft des Mannes über alle anderen Geschlechter. Insgesamt macht Leder mit dem Ausschnitt der Lebensgeschichte von Ruth Bader Ginsburg, der in dem Film erzählt wird, das Thema Geschlechtergleichheit für ein breites Publikum zugänglich. Und schmückt ihr Werk mit einem Titel, der fortan kennzeichnend für Ginsburgs Fälle ist. „On the Basis of sex“ — Auf der Grundlage des Geschlechts.