Was bedeutet der Lockdown für Kinos, Klubs, Cafés und Kneipen in Halle? Wir haben uns in der Stadt umgehört, wie es um die Orte steht, die wir immer noch und auf unbestimmte Zeit nicht besuchen können.
Erster Stopp ist das Station Endlos in Halle-Ost. Vielen hallischen Studierenden ist das „Endlos“ als Klub und Veranstaltungsraum bekannt, der einerseits Möglichkeit zum Feiern und andererseits Künstler:innen eine Plattform bietet. Auf dem weitläufigen Gelände in der Reideburger Straße wird auch tagsüber kreativ gewirkt, in mehreren Werkstätten werden Bühnenbilder für Konzerte und Festivals geschaffen und Dekorationen hergestellt. Unter dem Dach arbeiten mehrere Kunst- und Kulturschaffende. Im Augenblick wird an weihnachtlichen Dekorationen für den Marktplatz gearbeitet. Zumindest ein Auftrag aus öffentlicher Hand, der erfüllt werden kann. Dennoch läuft alles auf absoluter Sparflamme.
Zu Beginn des ersten Lockdowns standen Entsetzen, Unglauben und Trauer — alle Pläne wurden durchkreuzt. Das Endlos wollte in diesem Jahr eigentlich mit einer großen mehrtägigen Party den neuen Klub auf dem Gelände eröffnen. Es sollte nach vorne gehen — vor nicht allzu langer Zeit war man erst auf das weitläufige Gelände umgezogen. Aus der Eröffnung wurde nichts, stattdessen versucht man so gut es geht und mit Optimismus durch die Krise zu kommen.
„Wir haben große Hoffnungen in die Wiedereröffnung zum 1. November gesetzt“, so Johannes Schumann, der Chef vom Station Endlos. Diese seien herb enttäuscht worden. Anstatt Bühnenbilder herzustellen, habe er im vergangenen Jahr Wohnungen renoviert und alternative Aufträge wie den Bau von Spuckschutzen für Kassenbereiche angenommen. Das gehöre eigentlich nicht zu seinem Repertoire, erzählt er. „Wir haben alles getan, um uns über Wasser zu halten und unsere finanziellen Rücklagen empfindlich angetastet.“
Obwohl eine Crowdfunding-Kampagne gestartet wurde (die auch immer noch läuft), ist die Situation sehr angespannt. Frustriert zeigt sich Joe von der ausbleibenden Unterstützung vonseiten der Politik. Im Oktober und Ende November fanden vor dem Landtag in Magdeburg Demonstrationen von Klubbetreiber:innen statt, um auf die prekäre Lage aufmerksam zu machen. Im Oktober traf sich der sachsen-anhaltische Wirtschaftsminister Armin Willingmann mit den Demonstrant:innen und zeigte Verständnis für die schwierige Situation.
Der deutsche Staat versucht von der Corona-Pandemie betroffenen Unternehmen unter die Arme zu greifen. Armin Willingmann sieht die Novemberhilfen bereits dahingehend als Erfolg, dass auch Künstler:innen, Diskotheken und Veranstaltungsbetriebe die Leistungen abrufen können. Die monatlich möglichen Hilfen aus den aufgelegten Konjunkturprogrammen berechnen sich aus den durchschnittlichen Umsätzen im Vorjahr. Entscheidend ist also, wie viel 2019 verdient wurde. Gerade hier liege jedoch die Schwierigkeit, so Schumann: Ein Klub habe enorm schwankende Einnahmen. Gründe dafür seien häufige Programmwechsel und der Umstand, dass nur einzelne Events veranstaltet werden. Es sei hochgradig schwer und bürokratisch verkompliziert worden, die aufgelegten Hilfspakete in Anspruch zu nehmen. Dazu würden diese auch nicht ausreichen, um die laufenden Kosten zu decken. 2021 drohe die Pleite, wenn der Betrieb nicht wieder aufgenommen werden kann oder die Unterstützung wirksamer greift. “Spaß und Vergnügen bleiben auf der Strecke”, schließt Schumann.
Das Station Endlos führt eine Crowdfunding Kampagne durch, um weitermachen zu können. Die DJs veröffentlichen regelmäßig Podcasts und streamen bei Twitch. Schaut gerne auf der Website, bei Instagram oder Facebook vorbei…
Nächste Station ist das Puschkino. Das Programmkino befindet sich im historischen Puschkin-Haus in der Kardinal-Albrecht-Straße, in dessen Keller der bekannte Klub Drushba zu Hause ist. Der Geschäftsführer Thorsten Raab zeigt sich bedrückt durch die unklare Lage. Eine Programmplanung sei unmöglich, Filmveröffentlichungen wurden verschoben. Nach wie vor wisse er nicht, wann eine Wiedereröffnung erfolgen kann. Durch den ersten Lockdown sei man noch sehr gut gekommen, doch mittlerweile seien alle Renovierungen und Projekte umgesetzt und es gäbe schlichtweg nichts zu tun. Kinos könnten kaum auf Online-Angebote ausweichen. Die Novemberhilfen seien noch nicht ausgezahlt, jedoch stellten diese eine „faire Angelegenheit“ dar, fingen also Umsatzeinbußen gut auf. „Bleiben Sie Ihren Kinos treu“, gibt Raab den Student:innen mit auf den Weg.
Das Puschkino bietet derzeit auf seiner Website Gutscheine an, die hoffentlich bald in Kinotickets eingelöst werden können.
Vor dem Colonne Morris im Paulusviertel wartet eine Handvoll Kunden darauf, ihre Bestellungen abzuholen. Das Café bietet einige Speisen und Getränke zum Verzehr außer Haus an. “Durch die Erfahrungen im ersten Lockdown konnten wir dieses Mal relativ einfach auf den Take-Away-Betrieb umstellen”, sagt der Inhaber des Colonne Morris Christoph Hahn. Er hat das Café 2013 übernommen. Um die Zukunft seines Geschäfts macht er sich, anders als das Station Endlos, keine Sorgen. Der Umsatz sei gesunken, man habe aber jede Unterstützung in Anspruch genommen. Da die Beantragung der Coronahilfen allerdings sehr anspruchsvoll sei, habe man einen Steuerberater zu Rate ziehen müssen. Die Beträge seien zeitig ausgezahlt worden. Einzig mit der Kommunikation seitens der Stadt ist Hahn unzufrieden. “Man muss sich initiativ informieren und gerade während des ersten Lockdowns kursierte viel gefährliches Halbwissen”. Doch mittlerweile haben er und seine Angestellten sich an die Situation gewöhnt und angepasst. Kündigungen musste Hahn nicht aussprechen. Auch sämtliche Minijobber, hauptsächlich Student:innen, konnten ihre Jobs behalten. Hahn bezeichnet die Situation für sich und sein Café als privilegiert. Zum Spenden möchte er nicht aufrufen — es gäbe andere Branchen, die in dieser Krise bedeutend härter getroffen seien.
Neben viel Frust und Verzweiflung schwingt immer auch die Hoffnung mit, dass 2021 wieder eine Normalität einkehrt. Mit Café- und Kinobesuchen, geselligen Abenden in der Kneipe und durchgefeierten Nächten in den Klubs. Manche Branchen stellen die Restriktionen in der Pandemie vor Existenzängste und es drohen Schließungen. Die Situation im Station Endlos, im Puschkino und im Colonne Morris stehen nur exemplarisch für das, was Halles Kneipen, Cafés, Kinos, Klubs und viele andere Orten an denen ansonsten gefeiert, getrunken und sich getroffen wird, gerade durchmachen. Es bleibt zu hoffen, dass all diese kleinen, kreativen und einzigartigen Orte bald wieder öffnen können. Den Optimismus hat man zumindest noch nicht verloren.
Titelbild: Station Endlos