Erhobene, laute Stimme, rote Wan­gen, schneller pochen­des Herz, Schweiß – oder mit anderen Worten: Wut. Laut Ciani-Sophia Hoed­er „ist Wut eine Kraft, die sozialen Wan­del her­vor­rufen kann.“ Wieso, durch wen und wie das beschreibt sie in „Wut und Böse“. 

Die zen­trale Rolle spielt hier­bei die weib­liche Wut, wobei sie gle­ich zu Beginn die These auf­stellt, dass Wut „eine cis-männliche Emo­tion“ sei. Frauen unter­drück­en ihre Wut oft, weil sie unan­genehm, pein­lich oder  nicht ern­stzunehmend sein kön­nte. Diese Emo­tion ist ger­ade bei Frauen neg­a­tiv kon­notiert, da das starre, längst über­holte Bild der zurück­hal­tenden, fügsamen Frau nicht ganz dazu passen will. Ist eine Frau wütend, dann ist sie schwierig und schwierige Frauen bekom­men wed­er Mann und Haus, noch Kind und Hund. Oder? 

Hoed­er bringt anfangs ihre Def­i­n­i­tio­nen der Begriffe Frau und Wut an, um im Anschluss auf die Geschichte der wüten­den Frauen einzuge­hen. Wut wird vor allem als Katalysator beschrieben, der als kollek­tiv­er Antrieb dient, um gegen Ungerechtigkeit­en vorzugehen. 

„Wut ist nicht unweib­lich, unat­trak­tiv oder gar ego­is­tisch. Sie hat uns ver­holfen, dass wir heute wählen kön­nen oder ein eige­nen Bankkon­to besitzen. Sie warnt uns, schützt vor Ungerechtigkeit, treibt an. Sie kann ein Katalysator sein, ein Motor.“ 

Sie kri­tisiert unsere „Dauer-Hap­py-Welt“ mit ihrer „tox­is­chen Pos­i­tiv­ität und zwar zu Recht! Neg­a­tive Emo­tio­nen gän­zlich von sich zu schieben, funk­tion­iert nicht auf Dauer und kann schnell ins Gegen­teil führen. Emo­tio­nen sind laut Hoed­er neu­tral und kön­nen uns helfen, bes­timmte Sit­u­a­tio­nen, in denen wir uns ger­ade befind­en, zu erken­nen, für uns zu verbessern und zu ändern. Eine bes­timmte Emo­tion zu ver­drän­gen, sei daher nicht förder­lich und mache Pos­i­tiv­ität toxisch. 

Weit­er­hin geht sie auf altru­is­tis­ches Wutempfind­en der Mar­i­anne Bach­meier ein. Sie erschießt den Mörder ihrer Tochter und drückt damit ihre unfass­bare Wut über ein Geschehen aus, das nicht unmit­tel­bar sie selb­st bet­rifft und den­noch ihre Mut­terge­füh­le stark wachruft. Mit ihrem Han­deln sucht sie nach einem Ven­til für ihre Wut und nach Gerechtigkeit – auch wenn sich über let­zteres immer stre­it­en lässt. Die Autorin the­ma­tisiert weit­ere Felder wie Trans­frauen, schwarze Frauen oder auch Para­graph 218, der Abtrei­bun­gen noch immer unter Strafe stellt. Wis­senschaftliche Erk­lärun­gen zur Entste­hung der Emo­tion Wut, das von weißen Män­nern dominierte gesellschaftliche Umfeld und sein Ein­fluss auf weib­liche Wut, soziale Zwänge und Scham, das Prob­lem der Gle­ich­berech­ti­gung und einiges mehr bilden fol­gende kleinere und sin­nvoll gegliederte Abschnitte des  Buches. 

Eine Hand hält das Buch "Wut und Böse" von Ciani-Sophia Hoeder.
Buch­cov­er — Bild von Miri­am Neuber

 Essen­ziell ist jedoch bei allem, was die Autorin schreibt, dass Frauen wütend sein dür­fen. So fragt Hoed­er zum Beispiel, ob wir es uns wert sind wütend zu wer­den, um für unsere Inter­essen &Ansichten einzuste­hen, da diese Emo­tion auch etwas über unser Selb­st­wert­ge­fühl ver­rät. Gle­ichzeit­ig wird aber immer wieder klar, dass es so ein­fach doch nicht ist. Denn wer Wut äußern kann, ohne dafür gesellschaftlich gerügt zu wer­den, besitzt Macht &bis zu dieser Gle­ich­heit ist es ein weit­er Weg. Wut ohne großar­tige Kon­se­quen­zen äußern zu kön­nen, ist noch immer ein männlich­es Priv­i­leg, das ihnen Durch­set­zungsver­mö­gen und Anerken­nung zugeste­ht und Frauen als unkon­trol­liert, hys­ter­isch, kom­pliziert oder unpro­fes­sionell daste­hen lässt. In ihrem „wutlose[n] Lexikon“ lis­tet Hoed­er noch weit­ere Begriffe auf, die eini­gen Frauen in diesem Kon­text lei­der sich­er nicht unbekan­nt sein dürften. 
 
Sehr inter­es­sant war, dass sie außer­dem oft andere fem­i­nis­tis­che Autor*innen in ihren Text ein­bezieht. Da tauchen Beau­voir, Woolf oder Stokows­ki auf und auch wer sie noch nicht gele­sen hat und in aktuellen Debat­ten rund um Fem­i­nis­mus und Gle­ich­berech­ti­gung nicht up to date ist, kann ‘Wut und Böse’ her­vor­ra­gend lesen! Hoed­er erk­lärt diese Pas­sagen, schreibt darauf auf­bauend und vor allem leicht ver­ständlich und dabei keines­falls zu seicht, unge­nau oder unwis­senschaftlich. Mit einem wirk­lich inter­es­san­ten Nach­wort gibt sie einen Aus­blick, wie mit Wut zukün­ftig umge­gan­gen wer­den kann, was dabei wichtig ist und zu beacht­en wäre. Zen­trale, wiederkehrende Fak­ten wer­den zudem in Text & Glos­sar erläutert, zudem find­et sich ein Quel­len­verze­ich­nis über die Artikel und Werke, die sie selb­st ver­wen­det hat und mit denen man sich im Anschluss der Lek­türe noch eigen­ständig beschäfti­gen kann. Ein aus­geze­ich­neter Ein­stieg in die fem­i­nis­tis­che Literatur! 

Text: Miri­am Neuber

Ciani-Sophia Hoed­er: Wut und Böse. München: Hanser 2021. 208 Seit­en. 18,00 Euro.

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