Insgesamt 50 Gaststudierende woll­ten im ver­gan­ge­nen Sommersemester nach Halle kom­men. Zwölf davon haben sich tat­säch­lich imma­tri­ku­liert und online an den Veranstaltungen teil­ge­nom­men. Doch nur zwei Studierende kamen auch nach Halle – einer von ihnen ist John Bermudez Vera. Er stu­diert Lebensmitteltechnologie und kommt aus der Küstenstadt Valencia in Spanien, gebo­ren ist er aber in Kolumbien. Wie es ihm in der Corona-Zeit in Halle erging, erzählt er im Interview.

Wieso hast du dich für ein Erasmus-Semester ent­schie­den?
Ich bin eine sehr offe­ne Person, und es gefällt mir, ande­re Kulturen und neue Menschen ken­nen­zu­ler­nen. Ich sehe Erasmus als eine Möglichkeit, die­se Erfahrung zu machen.

Und war­um in Deutschland?
Das ist schwie­rig zu erklä­ren, denn frü­her war ich sehr fran­ko­phil, und Deutschland war nicht unbe­dingt ein Ziel von mir. Aber ich habe mich mit jeman­dem ange­freun­det, der in Spanien sei­nen Austausch gemacht hat, und seit­dem haben wir uns besucht, und ich bin öfter auch nach Deutschland gekom­men. Da habe ich dann gese­hen, dass Deutschland nicht so eine schlech­te Idee ist, wie ich dach­te. Die Regierung, die Leute und die Städte waren sehr inter­es­sant für mich. Ich habe mir auch gedacht, ich soll­te etwas mit die­ser Sprache machen, die ich durch die Freundschaft ein biss­chen gelernt habe und vor­her ja gar nicht konn­te. Das woll­te ich ver­bes­sern. Außerdem ist Bier wegen der Herstellung durch Mikroorganismen für mich als Lebensmitteltechnologiestudent sehr span­nend, und Deutschland ist ein Bier-Land. (lacht)

Wie war es für dich, als du dein Auslandssemester zur Corona-Zeit begon­nen hast?
Sehr schlecht. Bei Erasmus geht es dar­um, zu den Vorlesungen zu gehen, „rich­ti­gen“ Unterricht zu haben und neue Kommilitonen ken­nen­zu­ler­nen. Aber mit Corona war das nicht mög­lich. Da alles nur digi­tal ablief, konn­te ich mei­ne Professoren nichts per­sön­lich fra­gen, son­dern nur per E‑Mail. Dann muss­te ich immer auf die Antwort war­ten, manch­mal einen Tag, manch­mal zwei. Und das alles auf Deutsch. Das war schon schwie­rig. Aber es hat alles gut geklappt, und die Prüfungen habe ich bestan­den. Aber auch die zu orga­ni­sie­ren war kom­pli­ziert. Die Professoren dach­ten, ich wäre in Spanien und sie könn­ten mich für die münd­li­chen Prüfungen nicht tref­fen – dabei war ich hier, schon seit Februar. (lacht)
Was auch ein wich­ti­ger Punkt ist: Als Erasmus-Student lernt man nor­ma­ler­wei­se vie­le ande­re Erasmus-Studenten aus ver­schie­de­nen Ländern ken­nen. Das war bei mir aber lei­der nicht so, ich habe kei­nen ein­zi­gen ken­nen­ger­lernt, was sehr scha­de ist.

Foto: pri­vat

Wie hast du denn Leute ken­nen­ge­lernt?
Zum einen hier im Wohnheim. Anfangs war ich noch allei­ne in der WG, aber nach und nach kamen mehr Leute. Zum ande­ren habe ich einen super Partner über das Buddy-Programm erwischt. Er hat mir sei­ne Freunde vor­ge­stellt, was rich­tig nett war.

Gab es über das Buddy-Programm hin­aus wei­te­re Unterstützung von der Uni?
Nicht wirk­lich. Eine Professorin von der Fakultät hat mir aber sehr mit der Anmeldung der Bachelorarbeit und der Kontaktaufnahme mit ande­ren Professoren gehol­fen. Mit ihr habe ich mich sogar per­sön­lich getrof­fen, und sie hat mir in mei­ner Situation sehr gehol­fen. Sie kann ich immer fra­gen. Ansonsten hel­fen mir Freunde.

Wie hast du die Corona-Zeit all­ge­mein wahr­ge­nom­men?
Ich kann sagen, ich bin glück­lich, in Deutschland geblie­ben zu sein, denn in Spanien war es schlim­mer. Vor dem Lockdown habe ich mit mei­ner Tutorin in Spanien tele­fo­niert, und sie hat mir emp­foh­len hier­zu­blei­ben. Ich kann nicht sagen, dass es eine schlech­te Erasmus-Erfahrung war, denn klar, ich kann nicht das machen, was ich nor­ma­ler­wei­se machen soll­te, aber es ist eine Pandemie, und die gan­ze Welt ist schwie­rig. Also, als Erasmus-Semester ist es okay … in einer Pandemie.

Das Semester ist ja jetzt vor­bei. Was sind dei­ne Pläne, wie geht es für dich wei­ter?
Ich habe mei­ne Bachelorarbeit gera­de abge­ge­ben, und somit bin ich fer­tig mit mei­nem Studium. Zurzeit mache ich für zwei Wochen ein Praktikum in der Landsberger Brauerei, das ist in der Nähe von Halle. Dafür muss ich zwar sehr früh auf­ste­hen, aber ansons­ten macht es viel Spaß. Danach möch­te ich auch wei­ter­hin in Deutschland blei­ben, da ich den­ke, dass es hier mehr Möglichkeiten für mich gibt. Noch in die­sem Monat zie­he ich nach Berlin, dort habe ich auch einen deutsch-spa­ni­schen Freundeskreis. Das macht für mich schon viel aus, denn dadurch füh­le ich mich ein biss­chen mehr wie in der Heimat. Ich bin auch etwas trau­rig, Halle zu ver­las­sen, weil ich auch sehr gute Freunde hier habe. Aber zum Glück blei­be ich in Deutschland, und Berlin ist nicht so weit weg.

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