Seit Monat­en muss man auf Sportver­anstal­tun­gen, Konz­erte und andere Großver­anstal­tun­gen verzicht­en. Das Uniklinikum Halle schafft nun mit der Studie „RESTART-19“ eine Daten­grund­lage, um das wieder zu ändern.

Der Erreger SARS-CoV­‑2 hält die Welt bere­its für den Großteil des Jahres in Schach. Schulen und Uni­ver­sitäten wur­den geschlossen, das Beruf­sleben auf das Min­i­mum reduziert, und beim Einkauf musste man sich schnell an Einkauf­swa­genpflicht und Maske gewöh­nen. Dabei blieben uns in Deutsch­land bish­er noch härtere Maß­nah­men wie voll­ständi­ge Aus­gangssper­ren erspart. Mit der Zeit began­nen vor­sichtige Lockerun­gen, da die Beschränkun­gen ihre Wirkung zeigten und die Forschung immer mehr Erken­nt­nisse darüber gewann, wie sich das Virus verbreitet.

Das Uni­ver­sität­sklinikum Halle und die medi­zinis­che Fakultät der MLU wollen jet­zt den näch­sten Schritt, einen möglichen Neustart, wagen und mit der Studie RESTART-19 erforschen, wie große Indoorver­anstal­tun­gen wieder möglich gemacht wer­den können.

Hin­ter RESTART-19 ver­steckt sich die Beze­ich­nung „Risk prEdic­tion of indoor SporTs And cul­tuRe events for the Trans­mis­sion of COVID-19“. Ein zugegeben­er­maßen etwas sper­riger Name, bei dem man sich doch fragt, ob erst die volle Beze­ich­nung oder das Akro­nym existierte. Jedoch ver­rät er den Gegen­stand der Unter­suchung: Ver­anstal­tun­gen in geschlosse­nen Stät­ten, die wegen man­gel­nden Luftaus­tauschs bish­er als beson­dere Risiko­herde eingestuft werden.

Um dazu entsprechende Dat­en zu erheben und Empfehlun­gen oder War­nun­gen für zukün­ftige reale Events aussprechen zu kön­nen, organ­isierten die Forscher:innen ein Konz­ert, das am 22. August stat­tfand. Der Berlin­er Sänger und Song­writer Tim Bendzko wurde als Pub­likums­mag­net für die Studie engagiert – und ich habe mich als Teil­nehmer reg­istri­ert und war für Euch dabei.

Foto: Ste­fan Kranz
Stäbchen rein, Proband:in sein

Nach frühzeit­iger Reg­istrierung für die Studie fehlte allerd­ings noch ein Schritt, um am Tag des Exper­i­ments tat­säch­lich in die Quar­ter­back-Are­na gelassen zu wer­den: Jede:r Teil­nehmende musste nach­weisen, nicht mit COVID-19 infiziert zu sein. Alles andere hätte ein unver­ant­wortlich­es Risiko für die Proband:innen dargestellt. Dazu wurde allen ein Test-Kit zuge­sandt, mit dem 48 Stun­den im Voraus selb­st ein Rachen­ab­strich aus­ge­führt wer­den sollte. Das ist tat­säch­lich eine ziem­lich unan­genehme Erfahrung, denn ein Wat­testäbchen im hin­teren Rachen­raum löst leicht ein Wür­gen aus. Dann das Stäbchen ins Röhrchen, dieses in die Proben­tüte, diese in die Papp­box mit den Adress­dat­en des Labors und dann ab zur Sammelstelle.

Im Opti­mal­fall passierte jet­zt: nichts. Dann war der Test neg­a­tiv, und ich würde an der Studie teil­nehmen kön­nen. Hätte ich einen Anruf vom Labor bekom­men … Dann hätte ich wohl andere Sor­gen gehabt, als Tim Bendzko zu verpassen.

Von etwa zweitausend der einge­sandten Tests fiel ein­er pos­i­tiv aus, wie während des Presse­briefings bekan­nt­gegeben wurde: eine Urlaub­srück­kehrerin, die entsprechend von dem Ver­such aus­geschlossen wurde.

Foto: Ste­fan Kranz
Der Studientag

Mein Coro­nat­est war also tat­säch­lich neg­a­tiv, sodass am Sam­stag­mor­gen viel zu zeit­ig mein Weck­er klin­gelt und ich mich via Tram und S‑Bahn auf den Weg nach Leipzig mache. Ins­ge­samt ist die Studie für 8.00 bis 18.00 Uhr ange­set­zt, inklu­sive Check-in, der drei Szenar­ien und Abgabe der Con­tact Trac­er, klein­er schwarz­er Ketten­anhänger, die zusam­men mit in der Halle ver­baut­en Anten­nen die Posi­tio­nen ihrer Träger:innen festhalten.

Da ich mich für die has­tuzeit als Pres­sev­ertreter angemeldet habe, find­et mein Check-in geson­dert von dem der übri­gen Proband:innen statt. So kommt es, dass etwa 20 Minuten nach geplantem Start von der Press­esprecherin Christi­na Beck­er mit­geteilt wird, dass es „tech­nis­che Schwierigkeit­en“ mit den Trac­ern gegeben habe und sich der gesamte Ablauf dadurch um etwa eine Stunde ver­schiebe. Nicht wenige der Proband:innen ste­hen der­weil im Regen. Wie später nochmals von Dr. Ste­fan Moritz, dem Ini­tia­tor der Studie, erläutert wird, gab es eine Ver­wech­slung, sodass 60 Trac­er in Umlauf geri­eten, die qua­si dauersende­ten und nicht wie gewollt in regelmäßi­gen Abstän­den ein Sig­nal gaben. So wäre der Spe­ich­er in kürzester Zeit voll gewe­sen, und das Exper­i­ment hätte keine ver­w­ert­baren Dat­en geliefert.

Briefing

Während an die nor­malen Proband:innen noch Trac­er, FFP2-Maske und Desin­fek­tion­s­mit­tel, das unter UV-Licht aufleuchtet, verteilt wer­den, sitze ich schon im Presse­bere­ich und höre mir das Brief­ing von den Veranstalter:innen der Studie an. Der Dekan der medi­zinis­chen Fakultät der MLU, Prof. Dr. Michael Gek­le, betont das Alle­in­stel­lungsmerk­mal von RESTART-19, Dat­en aus der „Real World“ zu erheben. Damit kön­nten bessere Vorher­sagen als durch andere Stu­di­en getrof­fen wer­den. Zudem räumt er nochmals Zweifel am Infek­tion­ss­chutz aus dem Weg: Beispiel­weise erre­icht­en ihn Bedenken wegen der Coro­na-Selb­sttests, da diese nicht nur von Laien durchge­führt wür­den, son­dern am Stu­di­en­tag auch schon wieder zwei Tage zurück­lä­gen. Let­zteres Argu­ment ließe sich leicht von der Wis­senschaft wider­legen: Selb­st wenn es inner­halb dieser zwei Tage zu ein­er Infek­tion komme, sei man noch nicht infek­tiös und damit keine Gefahr für andere. Dass eine kor­rek­te Probe­nent­nahme ohne medi­zinis­ches Fach­per­son­al nicht garantiert wer­den kann, sei richtig, der Abstrich daher aber neben FFP2-Masken, die auch Aerosole abhal­ten, Desin­fek­tion­s­mit­tel und dem Auss­chluss von Risiko­grup­pen nur „ein Baustein in der Kette von Hygien­e­maß­nah­men“. Ich füh­le mich während des ganzen Tages keinem Risiko aus­ge­set­zt, höch­stens in den S‑Bahnen während der Hin- und Rückfahrt.

Zudem gibt es ein weit­eres State­ment der Veranstalter:innen zu einem Daten­leck. Ich war selb­st nicht betrof­fen, aber viele der Pressevertreter:innen haben im Vor­feld eine E‑Mail erhal­ten, in der nicht nur von den Medi­en ein­gere­ichte Fra­gen und Chats aufge­lis­tet waren, son­dern es auch hieß, dass man „den Sinn der Ver­anstal­tung […] und den wis­senschaftlichen Nutzen stark hin­ter­fragt.“ Nach aktuellem Stand ist noch nichts weit­er darüber bekan­nt. Betrof­fen waren aber anscheinend nur Pressevertreter:innen und keine Proband:innen.

Von ein­er Mitar­bei­t­erin des Organ­i­sa­tions- und Secu­ri­tyteams ist zu erfahren, dass die Tech­nolo­gie für die Con­tact Trac­er bere­its in der Are­na ver­baut war. Im Regel­be­trieb wer­den diese benutzt, um den Spielfluss von Hand­ball­spie­len zu rekon­stru­ieren und zu analysieren. So wer­den nicht nur Abstände bes­timmt, wie es die Coro­na-App tut, son­dern die Posi­tio­nen der Trac­er inner­halb der Halle fest­ge­hal­ten. Als poten­tielle Ansteck­ung­sh­erde wur­den auch Straßen­bah­nen, die die Ankun­ft der Fans simulieren, zusät­zlich mit den Empfängern für die Trac­er ausgestattet.

Foto: Ste­fan Kranz
Szenario 1: Alles wie gehabt

Da schlussendlich Aero­solver­bre­itungsmod­elle berech­net wer­den, musste eine Ver­gle­ichs­grund­lage geschaf­fen wer­den, wie sie sich unter den „reg­ulären“ Bedin­gun­gen ver­bre­it­en. Dicht an dicht auf Sta­dion­stühlen sitzen, Kör­perkon­takt mit frem­den Men­schen, Trauben­bil­dung an den Ein- und Aus­gän­gen … Man ken­nt es fast nur noch aus Leg­en­den. Zu diesem Kon­trol­lver­such gehören auch der Gang zur Toi­lette und zum Bratwurst­stand in der Pause. Während der ganzen Zeit zeich­nen die Con­tact Trac­er die Bewe­gun­gen der Proband:innen auf. Zusät­zlich hin­ter­lassen die Teilnehmer:innen an allem, was sie berühren, Spuren des leuch­t­en­den Desin­fek­tion­s­mit­tels, um Herde für Schmier­in­fek­tio­nen aufzudecken.

Dr. Ste­fan Moritz, Stu­di­en­leit­er und beschäftigt am UKH, hält eine kurze Ansprache, in der er dem Pub­likum sagt, jed­er zeige mit sein­er Anwe­sen­heit Sol­i­dar­ität, da sie helfe, Kul­turver­anstal­tun­gen wieder möglich zu machen. Die Profi­hand­ball­spiel­er des SC DHfK Leipzig betreten die Bühne in ihrer Stammhalle, in der sie bald wieder zu spie­len hof­fen. Einige Proband:innen geben an, dass sie gar nicht beson­ders an dem Konz­ert inter­essiert seien, son­dern ein­fach nur hof­fen, die Dauerkarte für ihre Lieblings­man­nschaft wieder nutzen zu können.

Dann gehen die Schein­wer­fer aus. Ruhe. Bis Tim Bendzko in Col­lege­jacke die Bühne betritt und mit seinem Titel „Jet­zt bin ich ja hier“ das eigentliche Konz­ert eröffnet. Auch wenn nur das vordere Drit­tel der Are­na gefüllt ist, kommt sofort wieder das Konz­ert­feel­ing auf, das so lange von vie­len ver­misst wurde. Drei Songs später ist damit aber vor­erst wieder Schluss. Die Trac­er haben fleißig Dat­en gesam­melt, und das erste Szenario ist vorbei.

Pause

Für die Proband:innen ste­ht eine Pause an. Ein­mal zur Toi­lette und dann raus aus der Halle, um bei den Stän­den etwas zu essen zu holen. Für mich die Gele­gen­heit, mich umzuhören, was die Teilnehmer:innen bish­er über den Ver­such dachten.

Hygiene-Stew­ards. Foto: Ste­fan Kranz

Ins­ge­samt ist ein Quer­schnitt der Bevölkerung zwis­chen 18 und 50 Jahren vor Ort. Wenn auch einige sich vor allem des Konz­ertes wegen angemeldet haben, inter­essiert sich ein Großteil der von mir Befragten für den wis­senschaftlichen Aspekt. Trotz­dem wurde sich über die tech­nis­chen und organ­isatorischen Hin­ter­gründe nicht weit­er informiert, als die E‑Mails zu lesen, die nach der Anmel­dung zugeschickt wur­den. Was das ange­ht, wün­schen sich auch im Nach­hinein viele mehr Infor­ma­tio­nen vom Uniklinikum.

Weit­er­hin spreche ich mit zwei Studieren­den der Hochschule Merse­burg, die sich als Hygiene-Stew­ards gemeldet haben. Diese hat­te man natür­lich nicht ein­fach ins kalte Wass­er gewor­fen: „In der Schu­lung wurde uns noch ein­mal erk­lärt, was wichtig ist und worauf wir acht­en müssen.“ Sehr zufrieden sind sie mit den Teilnehmer:innen, für die die ganze Zeit in der Halle FFP2-Maskenpflicht beste­ht: „Erstaunlicher­weise hal­ten sich alle ziem­lich gut an die Regeln, vor allem im Indoor-Bere­ich. Klar kommt es hier beim Essen mal zu Staus, trotz­dem haben die Leute dann ihre Masken auf oder hal­ten Abstand.“ Meine Frage, ob das ein falsch­er Ein­druck sein kön­nte, weil sich nur Men­schen anmelden, die das Risiko des Virus und die Maß­nah­men ernst nehmen, verneinen sie. Dafür sei der Ein­druck des Gesamt­pub­likums zu heterogen.

Lena und Timo. Foto: Ste­fan Kranz

Lena und Tino studieren Lehramt beziehungsweise Medi­zin in Leipzig, sind lei­den­schaftliche Konzertgänger:innen und hof­fen, dabei helfen zu kön­nen, das bald wieder zu ermöglichen. Beein­druckt sind sie vor allem von dem Rah­men­pro­gramm: „Ich bin nicht mit so hohen Erwartun­gen herange­gan­gen. Ich dachte, man geht hin, hört das Konz­ert und geht wieder. Aber was hier alles organ­isiert wird, auch mit den Jungs vom Hand­ball, das ist schon echt cool“, sagt Lena.

Eine weit­ere Probandin ist neben der Hil­fe für die Wissenschaftler:innen vor allem daran inter­essiert, einen Coro­nat­est zu bekom­men. „Son­st geht man nicht ein­fach zum Arzt und lässt sich testen, dafür sind auch die Labors viel zu überlastet.“

Szenario 2: Auf Abstand

Nach ein­er Mit­tagspause, bei der allen Proband:innen Gutscheine für Getränke, Bratwurst, Brezel oder ähn­lich­es aus­gestellt wur­den, schließt sich das zweite Szenario an. Nun ist das Bild schon Coro­na-kon­former, nur noch jed­er zweite Sitz­platz ist beset­zt. Damit reduziere sich die Zahl der Per­so­n­en im „Infek­tion­sra­dius“ von 12 auf 5, so Dr. Moritz. Von der Per­spek­tive der Pres­setribüne sieht das allerd­ings sehr befremdlich aus. Ein Schachbrett­muster von Men­schen und leeren Stühlen. Es macht eher den Ein­druck eines Hör­saals als eines Pop­konz­erts. Auch ein Reporter ein­er Leipziger Zeitung fragt mich: „Find­est du auch, dass die ganz schön an ihren Stühlen kleben?“ Der Kon­takt fehlt, ver­muten wir, ein Mitwip­pen oder ähn­lich­es kann so nicht an den Nach­barn oder die Nach­barin weit­ergegeben wer­den. Kann sich die Stim­mung genau­so wenig ver­bre­it­en wie das Virus, wenn Abstand gehal­ten wird? Inter­views mit Proband:innen kön­nen das nicht bestäti­gen. Im Gegen­teil, sie sprechen von „mehr Bewe­gungs­freiraum, der regel­recht zum Mit­tanzen animiert“.

Pressekonferenz

Während die Proband:innen ihre zweite Pause haben, in der das näch­ste Szenario vor­bere­it­et wird, find­et eine Pressekon­ferenz mit Sprecher:innen des UKH, der Hallen- und Hand­bal­lor­gan­i­sa­tion sowie Tim Bendzko selb­st statt.

Neben weit­eren organ­isatorischen Infor­ma­tio­nen sprechen die Veranstalter:innen auch über ihre per­sön­lichen Ein­drücke von der Studie. So sagt Karsten Gün­ther, Geschäfts­führer des SC DHfK, er wolle „wieder Leben in die Halle brin­gen“, nach­dem sie zu den ersten Stät­ten gehörte, die schließen mussten. Tim Bendzko ist sichtlich froh, sein Pub­likum wieder­se­hen zu kön­nen. Auch wenn der Großteil des Gesichts verdeckt sei, trans­portierten die Augen doch viel der Emo­tion, die für Künstler:innen so wichtig sei. „Ich hat­te auch kurz Pipi in den Augen“, ergänzt Karsten Gün­ther. Trotz­dem betont er nach Monat­en mit nichts als Livestreams und Autoki­nokonz­erten: „Applaus zahlt keine Miete.“ Und macht damit darauf aufmerk­sam, dass Zuschauer:innen sich­er ein Jahr ohne Hand­ball­spiele und Konz­erte über­leben mögen, jedoch auch all die Men­schen im Hin­ter­grund – Organ­i­sa­tion, Secu­ri­ty, Logis­tik, Gas­tronomie und so weit­er – ohne Einkom­men daste­hen. Bräche diese Infra­struk­tur ein­mal zusam­men, wäre es äußerst schw­er, sie wieder­aufzubauen, wie Matthias Kölmel, Geschäfts­führer der Quar­ter­back Immo­bilien Are­na, sagt.

Foto: Ste­fan Kranz
Szenario 3: Besser denn je?

Beim drit­ten und let­zten Szenario han­delt es sich um ein neues Hygien­ekonzept, das vom UKH erstellt wurde. Es heißt nun nicht mehr Abstand zwis­chen allen. Die Proband:innen wer­den in Paaren oder Dreier­grup­pen platziert. Vielle­icht ein sehr real­is­tis­ches Konzept, schließlich wer­den die meis­ten nicht allein auf ein Konz­ert gehen, son­dern mit dem:der Partner:in oder Freund:innen. Also Per­so­n­en, die ohne­hin die gle­iche Luft atmen und somit kein neues Ansteck­ungsrisiko darstellen. Zwis­chen den Grup­pen ist allerd­ings 1,5 Meter Abstand in alle Rich­tun­gen vorgegeben.

Die Zuschauer:innen sind von dieser Vari­ante zumin­d­est überzeugt. „Wie ein Pri­vatkonz­ert für sich und seine Lieb­ste“ und „Man hat den Kon­takt, der die Konz­ert­stim­mung aus­macht, aber trotz­dem jede Menge Freiraum“ sind die Stim­men, die ich bekomme. Die Are­na sieht damit auf jeden Fall deut­lich gefüll­ter aus. Die max­i­male Anzahl der Zuschauer:innen wäre jedoch erhe­blich reduziert und damit auch die Ein­nah­men durch Ein­trittskarten. Da ist es an den Hallenbetreiber:innen zu entschei­den, ob Ver­anstal­tun­gen mit all ihren Organ­i­sa­tion­skosten trotz­dem wirtschaftlich wären.

Kann das also die Konz­er­tor­gan­i­sa­tion der Zukun­ft wer­den? Wären Zuschauer:innen eventuell bere­it, mehr für ein Tick­et zu bezahlen, um die Ein­bußen auszugleichen?

Jetzt ist die Wissenschaft dran

Es ist nun zwis­chen 18.00 und 19.00 Uhr. Die restlichen Pressevertreter:innen, Proband:innen und Organisator:innen sind seit unge­fähr zehn Stun­den in der Are­na zu Gange. Drei Minikonz­erte, Essens- und Toi­let­ten­pausen, jede Menge Kurz­in­ter­views und eine Pressekon­ferenz sind geschafft. Während der ganzen Zeit sende­ten cir­ca 1500 Con­tact Trac­er durch­schnit­tlich vier­mal pro Sekunde ein Sig­nal und zeich­neten auf, mit wie vie­len Per­so­n­en ihr Träger Kon­takt hat­te. Vier Ter­abyte, also 4096 Giga­byte, CSV-Tabellen wer­den erwartet. UV-Lam­p­en deck­en auf, wo in der Halle das markierte Desin­fek­tion­s­mit­tel verteilt wurde. Aber das sind nur Infor­ma­tio­nen – wie wer­den daraus Erken­nt­nisse, die uns helfen, wieder unsere Lieblingskünstler:innen sehen zu können?

Dafür ist jet­zt das Team von Prof. Dr. Rafael Miko­la­jczyk vom Insti­tut für medi­zinis­che Epi­demi­olo­gie, Bio­me­trie und Infor­matik (kurz IMEBI) zuständig. Dort wer­den Infor­matik und Bioin­for­matik zwei ver­schiedene Mod­elle berech­nen, die zeigen sollen, wie sich die Aerosole in der Hal­len­luft verteilen. Schon im Voraus wurde die Halle dafür in Mil­lio­nen dig­i­taler Wür­fel zer­legt. Das ist unglaublich rechen­in­ten­siv und dauert pro Mod­ell etwa drei Wochen. Mit Ergeb­nis­sen kann man also laut der Wissenschaftler:innen nach sechs bis acht Wochen rechnen.

Foto: Ste­fan Kranz
Was gibt es noch zu beanstanden?

Wie bere­its erwäh­nt war die Weit­er­gabe von Infor­ma­tio­nen nicht aus­re­ichend. Ger­ade tech­nis­che Hin­ter­gründe gab es nur auf Nach­frage beim Per­son­al. Voraus­ge­set­zt, man hat­te das Glück, jeman­den zu fra­gen, dessen Auf­gaben­bere­ich das auch abdeck­te. Von ein­er Probandin erfuhr ich, dass das Essen­sange­bot nicht viele Möglichkeit­en für sie bot. Zwar soll­ten alle während des Tages kosten­los verpflegt wer­den, jedoch waren veg­ane Ange­bote entwed­er nicht zu find­en oder nicht vorhan­den. So musste es beim trock­e­nen Brötchen bleiben.

Kom­mu­nika­tion­slück­en in der Organ­i­sa­tion gab es lei­der auch. Proband:innen sagten, es sei nicht immer klar gewe­sen, ob jet­zt eine kleine Pause anstand, um den Platz zu wech­seln, oder ob es Zeit war, sich etwas zu essen zu holen und an der frischen Luft ein­mal durchzuatmen.

Eine Frau, die aus Stuttgart angereist war, berichtete mir zum einen, dass die Werbe­maß­nah­men hät­ten weit­er gestreut wer­den kön­nen – vor allem geo­graphisch – und dass sie wegen ihres Alters lei­der nicht selb­st teil­nehmen kon­nte und nur ihre Tochter zur Studie gebracht habe. Let­zteres war allerd­ings beab­sichtigt, da Dr. Moritz das Risiko eines schw­eren Krankheitsver­laufs „im unwahrschein­lichen Fall ein­er Ansteck­ung so ger­ing wie möglich“ hal­ten wollte. Daher wur­den alle Risiko­grup­pen streng ausgeschlossen.

Dadurch wurde allerd­ings die Teil­nah­mezahl stark gedrückt. Statt der gewün­scht­en 4200 gab es nur etwas mehr als 1500 Reg­istrierun­gen. Das verklein­erte zwar die Stich­proben­größe und damit auch die Genauigkeit der Vorher­sagen, das Exper­i­ment war damit aber trotz­dem mit voraus­sichtlich belast­baren Ergeb­nis­sen durchführbar.

Mit mehr Wer­bung und vor allem Aufk­lärung hätte sich die Teil­nah­mezahl wahrschein­lich trotz­dem steigern lassen kön­nen. Unter Social-Media-Beiträ­gen war mehrfach die Frage zu lesen, ob Infizierte bewusst Teil der Studie seien, um dann die realen Ansteck­un­gen zu beobacht­en. Das UKH hätte hier mehr Arbeit investieren kön­nen, solche Mythen aus dem Weg zu räumen.

Foto: Ste­fan Kranz
Den Follow-up Artikel über die Ergebnisse der Studie findet ihr hier.
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