Serienkil­ller, Polizeiar­beit, Tatorte: Das wahre Ver­brechen find­et sich über­all. Egal ob man den Fernse­her ein­schal­tet oder am Zeitschriften­re­gal vor­beiläuft. Warum schon unsere Großel­tern zu Hob­by-Krim­i­nal­istin wur­den und wo sich der beste Stoff zum Gruseln und Mit­fiebern find­et, wird die Spuren­sicherung zeigen! 

Illus­tra­tion: Emil­ia Peters

Ich weiß noch genau, wie ich als Teenag­er mit meinem ersten Lap­top nachts im Bett lag und eine Doku über Serien­mörder nach der anderen schaute. Die Erzäh­lun­gen, die Tatort­bilder und auch die detail­lierten Beschrei­bun­gen der echt­en Krim­i­nalfälle faszinierten mich. Hätte man mich damals nach meinem »Hob­by« gefragt, hätte ich bes­timmt niemals zugegeben so etwas zu schauen. Auch dass ich später mal Gerichtsmedi­ziner­in wer­den wollte, hätte ich defin­i­tiv nicht zugegeben. Zehn Jahre später gibt es diese Doku­men­ta­tio­nen immer noch: »True Crime«, wie sie nun heißen, ist zum Trend avanciert. Das wahre Ver­brechen, also die echt­en Krim­i­nalfälle, sind inzwis­chen neben den erfun­de­nen Geschicht­en ein eigenes Genre geworden.

Wo liegt die Leiche begraben?

Aber auch ohne den hip­pen Begriff, der großzügig auf Pod­casts, Mag­a­zi­nen und Büch­er geklatscht wird, üben echte Ver­brechen schon lange eine Fasz­i­na­tion aus. Schon unsere Großel­tern saßen mit ihren Kindern regelmäßig vor dem Fernse­her, um sich ein biss­chen zu gruseln. Und nein, hier ist nicht der Tatort als Klas­sik­er schlechthin gemeint, son­dern »Akten­ze­ichen XY … ungelöst«. Eigentlich hat­te sich das ZDF zum Ziel geset­zt, die All­ge­mein­bevölkerung bei der Lösung echter Krim­i­nalfälle mit einzubeziehen. Doch der Großteil der Fernse­hzuschauer wollte sich wahrschein­lich schlichtweg gruseln. Auch wenn Akten­ze­ichen XY immer noch im deutschen Fernse­hen aus­ges­trahlt wird, dominieren inzwis­chen die Serien und Doku­men­ta­tio­nen aus den USA den Markt. »Snaped – Wenn Frauen töten« auf Super RTL befasst sich auss­chließlich mit Mörderin­nen, »On the Case« mit all­ge­meinen Mord­fällen. Selb­st »Galileo Big Pic­tures« hat schon eine Folge der The­matik gewid­met. Im öffentlich-rechtlichen Fernse­hen ist die Sendung »Mord­deutsch­land« sehr zu empfehlen. Der Stream­ing­di­enst Net­flix scheint hinge­gen ein Faible für Doku­men­ta­tio­nen zu haben: »Cast­ing Jon­Benet« und »Mak­ing a Mur­der« sind wohl die bekan­ntesten. Aber auch »The Keep­er«, der von dem mys­ter­iösen Tod ein­er Nonne in den Sechziger Jahren han­delt, bleibt bis zum Schluss genau­so span­nend wie aufwüh­lend. Die Doku­men­ta­tio­nen, Filme und Serien aus den USA wer­den hochdrama­tisch insze­niert, bleiben jedoch ein­fache Unterhaltung.

Wer sich nicht nur gruseln will, son­dern sich ein biss­chen wissenschaft­licher informieren möchte, der sollte den deutschen Markt auskund­schaften. Es gibt zahlre­iche Artikel, Blogs, Büch­er und Pod­casts, die sich entwed­er mit dem Genre selb­st auseinan­der­set­zen oder über wahre Krim­i­nalfälle mehr oder weniger aus­führlich bericht­en. Für Deutsch­land sind vor allem die Pod­casts und die Aus­gaben der ZEITVer­brechen zu empfehlen sowie Stern­Crime. Dort wer­den nicht nur wahre Begeben­heit­en wiedergegeben, die man sich zugegeben­er­maßen auch selb­st zusam­men googeln kön­nte, son­dern auch Hin­ter­gründe zur Polizei‑, Jus­tiz- oder rechtsmedi­zinis­chen Arbeit. Sabine Rück­ert, stel­lvertre­tende ZEIT-Chefredak­teurin, führt einen an deutsche Krim­i­nalfälle her­an, die sie selb­st als Jour­nal­istin bear­beit­ete. Im Gespräch ste­ht sie dabei mit Andreas Sen­tk­er, dem Leit­er des Wis­senschaft­sres­sorts. Während andere Pod­casts im deutschen und englis­chen Raum häu­fig bekan­ntere Fälle bear­beit­en, wie zum Beispiel den Zodi­ac-Killer, bekommt man bei Rück­ert und Sen­tk­er einen guten Ein­blick in unbekan­ntere Fälle. Wer sich für das The­ma inter­essiert und schon immer damit gehadert hat, dass man nicht doch einen ganz anderen Stu­di­en­weg eingeschla­gen zu haben, der wird nach kurz­er Suche seinen Lieblingspod­cast, ‑serie oder doch die Lieblingszeitung finden.

Sind wir nicht alle Täter?

Illus­tra­tion: Emil­ia Peters

Fragt sich abschließend nur: Warum das Ganze? Reicht uns der Tatort am Son­ntagabend nicht mehr? Oder die tausend­ste Wieder­hol­ung von Crim­i­nal Minds?
Für manche ist es die Genug­tu­ung zu wis­sen, dass die eige­nen neg­a­tiv­en Gedanken völ­lig nor­mal sind. Zum Beispiel, wenn man die Nach­barn mal wieder gerne wegen nerviger Musik abknallen würde. Die Fasz­i­na­tion an men­schlichen Abgrün­den und Motiv­en lässt einen immer wieder zum The­ma zurück­kehren. Auch die Arbeit von Polizis­ten und Behör­den spielt sicher­lich eine große Rolle. So spricht Rück­ert in ein­er Episode ihres Pod­casts über etwaige Fehler, die Polizis­ten unter­laufen. Einen Ein­blick in die Struk­turen und den Arbeitsver­lauf der Polizei, den man son­st nicht hat, zu erhal­ten ist beson­ders span­nend. Der größte Fak­tor bleibt jedoch, dass es sich um reale, echte Geschehnisse han­delt. Ein Fernse­hfilm hat eben immer noch den faden Beigeschmack eines Abklatsches der Real­ität. Und vielle­icht wird dadurch der Hype um dieses Genre deut­lich: Keine gut aus­geleuchtete Geschichte, in der am Schluss der böse Täter von den attrak­tiv­en Polizis­ten und Polizistin­nen gefasst wird, packt einen so sehr wie die ungeschön­ten Abgründe der Men­schheit, auch wenn sie gle­ichzeit­ig ein gewiss­es Unwohl­sein auslösen.

Wer löst den Fall?

Ob dieser Hype, denn so kann das Phänomen True Crime nur betitelt wer­den, weit­er anhält, ob er sich weit­er aus­bre­it­et und schließlich die lang­weili­gen Vor­abend­krim­is ver­drängt, kann schw­er eingeschätzt wer­den. Schon im August schrieb Clau­dia Tieschky in der Süd­deutschen Zeitung: »Echt ist manch­mal zu echt«. Vielle­icht sehnen wir uns, vom Ange­bot völ­lig über­sät­tigt, irgend­wann wieder nach Geschicht­en, die der Fan­tasie entsprin­gen. Das wird sich in den näch­sten Jahren noch her­ausstellen. Fakt ist: Es ist ein span­nen­der Trend, der ger­ade in den dun­klen Monat­en einen Mordss­paß macht.

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