Die Onlinelehre ist für uns alle Neuland. Einen Monat nach Semesterstart haben wir innerhalb der hastuzeit nachgefragt, wie das Angebot wahrgenommen wird. Welche positiven Aspekte gibt es und was bleibt gewöhnungsbedürftig? Erfahrungsberichte von Agrarwissenschaften bis Kirchenmusik.
Auch bevor dieses Semester zu einem reinen E‑Semester erklärt wurde, hat es bereits ein gewisses Onlineangebot gegeben, welches hauptsächlich aus hochgeladenen Foliensätzen bestand. So ist es schön zu sehen, dass die meisten Lehrenden über dieses Minimum hinausgegangen sind, egal ob es nun durch aufgezeichnete und gestreamte Vorlesungen, Videokonferenz-Seminare oder ausführliche Übungen zur Selbstbearbeitung geschieht.
Martin Schweers, Agrarwissenschaften
Schwieriger wird es natürlich bei Übungen, die in der momentanen Situation nicht stattfinden können. In dieser Hinsicht war ich am Anfang des Semesters von einem meiner Module überrascht, als uns mitgeteilt wurde, dass der Stoff etwas reduziert werden würde. Schließlich könne man im Selbststudium nicht die gleichen Ergebnisse erwarten wie unter Anleitung.
Zu guter Letzt konnte ich bis jetzt den Trend erkennen, dass Onlinevorlesungen im Allgemeinen deutlich besser besucht werden, als ihre “normalen” Äquivalente. Ob es daran liegt, dass es von zu Hause deutlich bequemer ist zuzuhören, oder daran, dass den Leuten langweilig ist und sie sich in Zeiten der Isolation nach jeder Form der Interaktion mit anderen Menschen sehnen, finde ich schwer zu beurteilen. Doch zumindest diejenigen mit einem langen Weg zur Uni werden dem E‑Studium, wenn auch nicht seiner Ursache, hinterhertrauern.
Das Online-Studium ist für uns alle, Studierende wie Lehrende, gewöhnungsbedürftig. Nachteile gibt es zuhauf. Keine Diskussionen, weder mit Professor:innen noch mit Kommiliton:innen. Und wenn mal zaghaft eine Diskussion erwachen will, wird sie durch stumm geschaltete Mikrofone und schlechte Internetverbindungen im Keim erstickt. Die Motivation lässt dieser Tage entsprechend zu wünschen übrig. Arbeit über VPN-Server ist mühsam. Es gibt aber auch ein paar unschlagbare Vorteile. Die Vorlesung kann man, wenn sie aufgezeichnet ist, auf doppelte Geschwindigkeit stellen. Dann ist sie schneller vorbei. Man kann sie anhalten, um etwas nachzuschlagen oder zurückspulen, wenn man in Gedanken bei der ersten Post-Corona-Party war. Eine dauerhafte Lösung ist so ein Online-Semester nicht. Ein paar positive Dinge wird man aber auch hoffentlich in die Zeit danach mitnehmen.
Manuel Klein, Jura
Die Onlinelehre hat in Teilen etwas Befreiendes. Neben Vorlesungsaufzeichnungen, die man sich in eigenem Tempo und zu beliebigem Zeitpunkt anhören kann, besteht die Möglichkeit für die Dozierenden, qualitativ hochwertiges, wiederverwendbares Lehrmaterial zu erstellen. Von einigen wird das genutzt. Es könnten sich auch Dozierende verschiedener Unis zusammentun um einerseits Arbeit zu sparen, andererseits noch deutlich bessere Lernmaterialien zu erstellen.
Laurin Weger, Informatik
In der Informatik scheint mir, dass der Umstieg auf digitale Lehre recht reibungslos funktioniert hat. In einer Vorlesung stehen uns die gesamten Vorlesungsaufzeichnungen des letzten Jahres zur Verfügung, sodass man diese auch vorhören kann. In den Methodenmodulen der Soziologie werden die inhaltlichen Themen und Literaturverweise zur Vorlesung sehr gut angegeben, sodass es leicht möglich ist auch andere Literatur zum Lernen zu nutzen. In der Informatik klappt das oft nicht so gut, auch wegen starker Bindung an die wöchentlichen Arbeitsblätter.
Über die Foren konnte ich Lerngruppen finden, die Diskussionen entstehen aber noch eher sporadisch und die eigens erarbeiteten Ergebnisse werden dann am Ende oft schlicht verglichen. Für weitere Diskussionen fehlen noch die Anreize, oder die Abschreckung ist zu groß.
Trotz der größeren Flexibilität habe ich mir feste Arbeitszeiten für die Module angewöhnt, um nicht jede Woche aufs Neue planen zu müssen und in einem Rhythmus zu sein.
Ich sehe die Onlinelehre mit gemischten Gefühlen. Gerade in der Soziologie klappt es mit den Lehrangeboten eigentlich sehr gut. Es werden Onlinevorlesungen angeboten und Foren erstellt, um in irgendeiner Art eine Diskussion anzufangen. Oftmals verläuft dies aber eher schleppend. Die Mikrofone bleiben aus und die Kamera erst recht. Teils fühlt man sich, als würde man mit seinem Laptop diskutieren und nicht mit einem anderen Menschen. Trotz allem geben sich die Dozent:innen sehr viel Mühe, ihren Stoff verständlich an die Student:innen vermitteln. In der Kunstgeschichte sieht das alles schon ganz anders aus. Teils haben die Veranstaltungen noch nicht begonnen oder laufen nur schleppend an, was der Tatsache geschuldet ist, dass die Bibliotheken leider sehr lange geschlossen waren. Das Zeigen der Bilder, das viele Nachfragen und Diskutieren war ein wichtiger Bestandteil der Vorlesungen, was schon ein wenig fehlt und man Zuhause nicht nacherleben kann. Auch lebt die Kunstgeschichte von der persönlichen Anwesenheit, was sich sehr gut durch Exkursionen ermöglichen lässt. Leider sind auch diese in einer Gruppe noch nicht möglich.
Lea Bähnisch, Soziologie/Kunstgeschichte
Im Großen und Ganzen kann man sagen, dass die Professor:innen sich große Mühe geben und man mit sehr viel Selbstdisziplin den ganzen Stoff auch alleine erarbeiten kann. Für die Zukunft wünsche ich mir natürlich wieder Präsenzlehre und meine Kommiliton:innen zu sehen.
Wenn man auf den Beginn des Semesters zurückblickt, fällt mir zuerst ein, wie die Hochschulleitung äußerte, man werde die Veranstaltungen zwar zum regelmäßigen Startdatum beginnen lassen (das war früher als der 20. April, der bundesweit kursierte), aber wie die Formate in denen gelehrt werde aussehen würden, dass müsse man dann sehen. Dafür, dass wir gerade “schauen wie’s so läuft”, funktioniert die Lehre in meinem Fach erstaunlich gut. Zumeist werden pünktlich vertonte Powerpoint-Präsentationen, Videos oder Podcasts hochgeladen, die man recht effektiv verwenden kann. Der Input von der Seite der Lehrenden kommt stetig. Was aber fehlt ist eine Antwort. Die Dozierenden an der Uni Halle müssen sich gerade fühlen, als würden sie in eine tiefe Schlucht hineinrufen und zuweilen äußert sich ein zaghaftes Echo. Die Hürden, in einem öffentlichen Forum oder Chat Fragen zu stellen, scheinen höher zu sein. Die fehlende Interaktion ist wahrscheinlich der größte Verlust – immerhin aber auch einer der eher wenigen.
Jonas Kyora, Jura
Das Sommersemester startete mit vielen Fragen und noch mehr Verwirrung. Pünktlich zum angekündigten Start leuchteten jedoch schon die ersten Lernobjekte rot auf, deren Bearbeitung ich gewissenhaft nach hinten schieben konnte. Der gesamte Vorlesungsablauf funktioniert bis auf ein paar wenige Ausnahmen erstaunlich gut. Zugegeben, manchmal gibt es Schwierigkeiten mit der Vertonung der Folien oder dem Hochladen. Die Onlinelehre hat trotzdem deutliche Vorteile. Eine vertonte Aufzeichnung zu haben, zu der man zurückkehren kann, hilft mir dabei, besonders schwere Passagen wesentlich besser zu verstehen und verpasste Stellen nachzuholen. Das eigentliche Problem zeigt sich bei den Praktika, die fester Bestandteil des Biologiestudiums sind. Die interessanten “hands-on”-Erfahrungen wurden ersetzt durch weitere Folien, die es durchzuarbeiten gilt. Auch die Prüfungssituation ist unklar, was zum Teil den gesamten Studienablauf durcheinanderbringt. Aber das ist natürlich den Umständen geschuldet. Zukünftig würde ich mir mehr Arbeit mit Online-Mitteln wünschen und die Grenzen ihrer Möglichkeiten ausgereizt sehen.
Tanja Möller, Biologie
Als die Online-Lehre begann, fiel es mir nicht leicht, den Überblick zu behalten. Das liegt vor allem daran, dass sich gefühlt jede Veranstaltung unterschiedlich gestaltet und dementsprechend auch verschiedene Anforderungen mit sich bringt. Jedoch habe ich mich schnell an das digitale Semester gewöhnt und mit der Zeit eine gute Struktur für mich entwickelt, um die Lerninhalte zu verinnerlichen. Ein Vorteil der Online-Lehre ist vor allem die Flexibilität, da die Veranstaltungen nun nicht mehr an einen bestimmten Ort oder eine Zeit gebunden sind. Zudem sind die meisten Dozierenden sehr engagiert und zeigen ein großes Interesse daran, das Potenzial der Online-Lehre so gut wie möglich auszuschöpfen. Trotzdem bringt das Semester viele Schwierigkeiten mit sich, weil es unter anderem davon abhängig ist, dass die Technik auch funktioniert. Ein Seminar per Videochat erfordert weitaus mehr Konzentration als ein Präsenz-Seminar und die Hemmschwelle, sich mit seinen Ideen oder Rückfragen einzubringen, erscheint mir größer. Auch bei virtuellen Gruppenarbeiten gestaltet sich die Absprache oft schwieriger. Insgesamt finde ich allerdings, dass mit der Situation gut umgegangen wird, obwohl ich froh sein werde, wenn dann wieder der übliche Alltag an der Uni einkehren wird.
Anna Heydenreich, Politikwissenschaften/Philosophie
Zuerst war ich von der Umstellung auf Online-Lehre unter dem Aspekt der erwarteten Zeitersparnis begeistert. Wie sich allerdings herausstellte, führt die Mischung aus schlechter Internetverbindung, dem Downloaden neuer Programme und den Ablenkungen im eigenen Zimmer dazu, dass ich viel länger für die Bearbeitung der Aufgaben benötige, als vorher. Einen Vorteil haben die Online-Seminare aber schon: Kurse können nun an jedem beliebigen Ort (solange es eine stabile Internetverbindung gibt) zu oftmals selbstbestimmten Zeitpunkten absolviert werden.
Clara Hoheisel, Medien- und Kommunikationswissenschaften/Psychologie
Kirchenmusik ist vermutlich einer der Studiengänge, die am schwierigsten online umzusetzen sind. Einzelunterricht in Orgel, Klavier, Gesang und Chorleitung kann nicht zufriedenstellend durch Videotelefonie ersetzt werden, sofern das überhaupt passiert. Das Hochschulgebäude war zwischenzeitlich unter Auflagen zum Üben geöffnet, seit dem 7. Mai ist es zunächst für Studierende reserviert, die unmittelbar vor einem Abschluss stehen. An Klavier und Orgel muss ein Mund-Nasen-Schutz getragen werden, der Gesangsunterricht findet hinter Plexiglas statt und nach einer halben Stunde muss intensiv gelüftet werden. In einer umfassenden Hygiene-Verordnung der Hochschule ist unter anderem ein Verbot von Chorsingen enthalten, außerdem muss man beim Spielen eines Blasinstrumentes alleine im Raum sein, um nur zwei der — wäre die Lage nicht so ernst — teils abstrus wirkenden Regelungen zu nennen. Natürlich enthält das Studium der Kirchenmusik auch theoretische Fächer, die in Grenzen online ablaufen können. Doch der musikalische Praxisanteil leidet unter der gegebenen Situation immens.
Burkhard Seresse, Kirchenmusik
Ich bin positiv überrascht, wie gut die Online-Lehre in meinem Studiengang umgesetzt wurde. Die Dozent:innen geben sich große Mühe, es uns so angenehm wie möglich zu machen, damit wir keinen großen Unterschied merken. Es gibt wöchentliche Sprechstunden, Foren wo Fragen gestellt werden können und Übungen die stattfinden. Was jedoch Nerven kostet, sind die Videochats, da die Technik meist nicht so mitspielt, wie man es sich wünscht. Was mir auch fehlt, ist der geregelte Tagesablauf. Die Motivation und Selbstdisziplin aufzubringen, sich an den Schreibtisch zu setzten und seinen „Stundenplan“ abzuarbeiten, ist wirklich eine Herausforderung für mich. Deshalb werde ich froh sein, wenn der normale Unialltag wieder beginnt.
Amy Liebig, Wirtschaftswissenschaften/Soziologie