Unter dem Mot­to: “So viel Präsenz wie ver­ant­wort­bar” startete das diesjährige Win­terse­mes­ter um einen Monat ver­spätet in den Hybrid­be­trieb. Der Rek­tor der Uni­ver­sität appel­liert an die Ver­ant­wor­tung eines jeden Einzel­nen. Zeit für eine erste Zwischenbilanz.

Zurzeit dür­fen Lehrver­anstal­tun­gen mit ein­er Größe von bis zu 100 Per­so­n­en in Präsenz stat­tfind­en, sofern die Regelun­gen einge­hal­ten wer­den kön­nen. Für beson­ders große Ver­anstal­tun­gen wur­den das Stein­tor-Vari­eté, der Volkspark und die Hän­del­halle angemietet. Diese sind haupt­säch­lich für Erstse­mes­ter­ver­anstal­tun­gen vorge­se­hen, die in der Präsen­zlehre bevorzugt wer­den. Ein Schw­er­punkt liegt auch auf Ein­führungssem­inaren, was das Ken­nen­ler­nen von Mit­studieren­den und das Find­en von Arbeits­grup­pen erle­ichtern soll. Sem­i­nar­grup­pen wer­den, wenn möglich, in gle­ich­er Kon­stel­la­tion gehal­ten. Bei vie­len Sem­i­naren ist die Präsen­zteil­nahme allerd­ings nicht verpflichtend.

Vor­lesun­gen find­en meist online statt. Bei Präsen­zver­anstal­tun­gen appel­liert das Rek­torat an die Dozieren­den, diese hybrid stat­tfind­en zu lassen. Hier gibt es ver­schiedene Konzepte. Grup­pen wech­seln sich mit Präsenz- und Onlinelehre ab, man kann sich live dazuschal­ten, die Vor­lesung nach­hören oder sich vorm Erscheinen anmelden. Zusät­zlich wer­den möglichst große Räume ver­wen­det.
Die Erfas­sung der Anwe­sen­heit läuft vorzugsweise mit der Uni­card kon­tak­t­los über die Smart­phones der Dozierenden.

Einige Aufen­thalt­sräume und Bib­lio­theken sind mit begren­zten Kapaz­itäten geöffnet, an vie­len Stellen befind­en sich Desinfektionsmittelspender. 

Nichtbe­standene Klausuren wer­den wie let­ztes Semes­ter nicht als Fehlver­such gew­ertet; bei Staat­sex­a­m­ensstu­di­engän­gen gibt es teils abwe­ichende Regelungen. 

Die AHA+L+A Regeln sind auch in der Uni einzuhal­ten: Abstand, Hygien­eregeln ein­hal­ten, All­t­ags­maske tra­gen, lüften, (Corona-Warn-)App nutzen, Grup­pen, Gedränge ver­mei­den und so weiter. 

Die Sicht der Fach­schaften 

Zwis­chen den Stu­di­en­bere­ichen zeigen sich allerd­ings auch Unter­schiede. Wir haben die Fach­schaft­sräte angeschrieben und um Erfahrungs­berichte gebeten. Nicht jed­er Stu­di­en­gang hat die gle­ichen Voraus­set­zun­gen; während the­o­rielastige Stu­di­engänge wie Sozi­olo­gie, Jura oder Infor­matik sich gut online gestal­ten lassen, sieht das bei Fäch­ern wie Phar­mazie, Medi­zin oder den Musik­wis­senschaften schon anders aus. 
Das spiegeln auch die Berichte der Fach­schaften wider. 

Die Studieren­den der rel­a­tiv kleinen Fach­schaften Chemie, Phar­mazie, Bio­chemie und ‑tech­nolo­gie haben beispiel­sweise viele in Präsenz stat­tfind­ende Ver­anstal­tun­gen. Für viele Prak­ti­ka sei das unab­d­inglich, um notwendi­ge Fähigkeit­en erler­nen zu kön­nen. Die in Präsenz stat­tfind­en­den Prak­ti­ka wer­den jedoch in kleineren Grup­pen und/oder mehreren Durchgän­gen durchge­führt. Sem­i­nare fän­den prak­tik­abeglei­t­end dur­chaus online statt. In höheren Semes­tern sei das auf­grund der gerin­geren Studieren­den­zahlen leichter. 

Auch in den Musik­wis­senschaften sind nicht alle Ver­anstal­tun­gen dig­i­tal­isier­bar. Etwa die Instru­men­talfäch­er: Der Stu­di­en­chor find­et zum Beispiel in Präsenz statt, was auch kri­tis­che Stim­men laut wer­den lässt. Die Präsen­zpflicht werde allerd­ings lock­er gehandhabt. 

Die the­o­rielastigeren Stu­di­engänge Päd­a­gogik, Sprech­wis­senschaften, Jura und Infor­matik sind laut Fach­schaft­sräten rel­a­tiv prob­lem­los auf onlinelastige Hybri­dlehre umgestiegen. Nach anfänglichen Prob­le­men, beispiel­sweise mit dem Aufteilen von Räu­men, laufe der Betrieb nun rel­a­tiv reibungslos. 

In der Päd­a­gogik bekla­gen Studierende aber eine über­durch­schnit­tlich hohe Arbeit­slast. Auch fehlten ein­heitliche Regelun­gen dazu, ob man beim Sprechen in Sem­i­naren die Maske abnehmen darf oder nicht. Einige Studierende kri­tisieren zudem das man­gel­nde Wis­sen der Dozieren­den zu den aktuellen Verord­nun­gen und in manchen Sem­i­naren komme es dazu, dass nicht regelmäßig gelüftet werde. 

Bei dig­i­tal­en For­mat­en wür­den regelmäßiger tech­nis­che Prob­leme auftreten, vor allem bei Ver­anstal­tun­gen, bei denen man sich live dazuschal­ten kann, so eine Stu­dentin der Sprech­wis­senschaft. “Alle Dozieren­den sind sehr bemüht und auch dur­chaus kreativ. Die Stim­mung ist […] sehr gut und alle ler­nen fleißig, aber zum Teil gibt es Prob­leme mit der Tech­nik. Weit­er­bil­dun­gen in diesem Bere­ich wären für die Dozieren­den wün­schenswert und sinnvoll.“ 

Eine Ansicht, die fächerüber­greifend geteilt wird. Abge­se­hen von eini­gen trotzi­gen Dozieren­den, die zum Beispiel ihre Vor­lesungs­folien unver­tont und unkom­men­tiert zu Ver­fü­gung stell­ten, werde viel Arbeit in hybride und flex­i­ble Ange­bote gesteckt und Bere­itschaft gezeigt, sich an neuen For­mat­en auszuprobieren. 

Der Strom kommt aus der Steck­dose? 

Allerd­ings wird auch die Kri­tik an tech­nis­chen Prob­le­men fächerüber­greifend geteilt. Studierende und Lehrende wün­schen sich eine bessere Betreu­ung. Die Aus­las­tung der IT-Dien­ste zu Beginn des Semes­ters war deut­lich zu spüren: Seit­en luden nicht mehr und Fehler trat­en auf. Das ITZ schränk­te darauf hin Funk­tio­nen auf Stud.IP und Big­Blue­But­ton ein. 

Die Wurzeln des Prob­lems hier­für dürften die ver­gle­ich­sweise geringe Per­son­albe­set­zung sein, die seit dem Pan­demieaus­bruch nicht nen­nenswert erweit­ert wurde; lange Auss­chrei­bungsver­fahren kön­nten kurzfristige Anschaf­fun­gen verzögern. 

Das IT-Ser­vicezen­trum (ITZ) hat ein viel­seit­iges Auf­gaben­feld zu betreuen. Für den Bere­ich des E‑Learnings sind auf der Web­seite lediglich zwei tech­nis­che Mitar­bei­t­ende gelis­tet. 
Für Kri­tik und Anre­gun­gen bietet das ITZ Feed­back­möglichkeit­en, die es lohnt zu nutzen. 

Mit Wenn und Aber 

Eine Beson­der­heit stellen die Staat­sex­a­m­ensstu­di­engänge dar, also Medi­zin, Lebens­mit­tel­chemie, Phar­mazie und die Lehramtsstu­di­engänge. Hier geben die Lan­desprü­fungsämter die Rah­menbe­din­gun­gen vor. 
Der Fach­schaft­srat Jura kri­tisiert, dass dem Wun­sch nach der Möglichkeit Pflicht­prak­ti­ka auch während des Semes­ters zu machen nicht nachgekom­men wor­den sei. 

Einige Beson­der­heit­en gibt es in der Medi­zin. So sind viele Ver­anstal­tun­gen wichtig, die nicht dig­i­tal durch­führbar sind. Vom Dekanat heißt es an die Medi­zin­studieren­den: “Seit­ens des LPA [Lan­desprü­fungsamt für Medi­zin] Sachsen-Anhalt wird gefordert, dass wir alle Möglichkeit­en für Sem­i­nare und Prak­ti­ka in Präsenz im derzeit­i­gen Umfang (d.h. voll­ständig) auss­chöpfen. Erst danach kann über Alter­na­tiv­en berat­en wer­den.” Bei Prak­ti­ka und Sem­i­naren beste­ht pauschal Anwe­sen­heit­spflicht. Sem­i­nare wer­den nur bis zu ein­er Präsen­zquote von 50% anerkan­nt, Prak­ti­ka nur bei voll­ständi­ger Präsenz. Bei mehr als einem Fehlter­min oder alter­na­tiv einem Fehlver­such beste­ht man nicht. Die einzige Aus­nahme ist eine Infek­tion mit Coro­na oder eine Quar­an­täne. Andere krankheits­be­d­ingte Aus­fälle wer­den nicht berück­sichtigt, so die Vorgaben. 

Das Dekanat äußert sich auf Nach­frage zurück­hal­tend. Es betont die beson­deren Bedin­gun­gen im Medi­zin­studi­um und ver­weist auf das Lan­desprü­fungsamt. Damit keine Anreize zum Erscheinen trotz leichter Krankheitssymp­tome entste­hen, suche das Dekanat nach fairen Einzelfalllösungen. 

Max*, Medi­zin­stu­dent, fühlt sich im Stich gelassen. Es wür­den klare Anlauf­stellen fehlen, ger­ade auch für Risiko­grup­pen. Selb­st die Dozieren­den wüssten teils nicht, wie sie bei Coro­n­afällen vorzuge­hen haben. Für ein Sem­i­nar sei ein Mit­stu­dent erst nach mehrfach­er Rück­sprache auf­grund eines Ver­dachts freigestellt wor­den. “In einem Prak­tikum sind zu zwanzigst fünf Stun­den lang in einem 30m² Raum.” Es werde gelüftet und man bekomme FFP2-Masken. Die FFP2-Masken müsse man allerd­ings alle zwei Stun­den wech­seln, was bish­er nicht geschehen sei. 

Max ist unzufrieden über das Hin- und Her­schieben der Ver­ant­wor­tung. Trotz eines Coro­n­afalls in der Sem­i­nar­gruppe sei die Präsen­zlehre weit­erge­führt wor­den — die Mit­studieren­den seien lediglich Kon­tak­t­per­so­n­en der Kat­e­gorie III. Infor­ma­tio­nen seien nur unzure­ichend weit­er­ge­tra­gen wor­den. Auf das Ange­bot ein­er Dozentin, ihr Sozi­olo­giesem­i­nar für die Medi­zin­studieren­den dig­i­tal weit­erzuführen, wurde nicht einge­gan­gen. Man sei nun dazu ange­hal­ten ein Kon­tak­t­tage­buch zu führen. 

Dabei gäbe es dur­chaus kreative Möglichkeit­en im Rah­men der Vor­gaben des Lan­desprü­fungamts dig­i­talere Lehre anzu­bi­eten. Etwa indem man die Sem­i­nar­grup­pen hal­biere und abwech­sel­nd online und in Präsenz unter­richte, meint Max. Das Fes­thal­ten am straf­fen Zeit­plan des Medi­zin­studi­ums find­et er zudem zweifel­haft. 
Das Lan­desprü­fungsamt Medi­zin hat auf unsere Anfrage bish­er nicht reagiert. 

In manchen Erdteilen hat sich die Lage stark beruhigt, in manchen steigt die Zahl neuer Infek­tio­nen oder bleibt kon­stant auf hohem Niveau. Wie es weit­erge­ht, hängt auch von den Uni­ver­sitäten ab. Es bleibt abzuwarten wie sich die Pan­demie – ein Symp­tom des 6. großen Arten­ster­bens der Erdgeschichte — fortsetzt. 

*Name geän­dert

Aktuelle Infor­ma­tio­nen der Uni: https://www.uni-halle.de/coronavirus/faqstudierende/ 
Aktuelle Beschlüsse des Rek­torats: https://www.rektorat.uni-halle.de/informationen/beschluesse/ 

Illus­tra­tion: Anna Schomberg
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