Nicht nur freitags, sondern sieben Tage die Woche, 24 Stunden täglich, macht die hallische Ortsgruppe der Bewegung Fridays for Future auf die Klimakrise aufmerksam. Im Klimacamp auf dem Hallmarkt ist die Motivation auch nach zwei Wochen noch stabil und die Stimmung gut – ein Ende des Camps ist nicht in Aussicht.
Es ist gar nicht so einfach, mit Jonas ein Gespräch zu führen. Immer wieder begrüßt der energiegeladene 17-Jährige Neuankömmlinge, beantwortet Fragen, organisiert Mund-Nasen-Schütze, schneidet nebenher Äpfel. Unter der Woche geht er seiner Bäckerausbildung in Dessau nach, die Wochenenden verbringt Jonas seit Mitte August mitten auf dem Hallmarkt. Er ist der Hauptinitiator des selbsternannten „Klimacamp Ost“ in Halle.
„In Augsburg gibt es schon seit Anfang Juli ein Klimacamp“, so Jonas. „Ich habe die Augsburger Ortsgruppe von Fridays for Future angerufen und wollte ihnen eigentlich nur Respekt aussprechen. Und dann habe ich mir gedacht: Komm, zieh es durch und stell selber ein Camp auf die Beine.“ Zwei Wochen dauerte es, dann hatte die Versammlungsbehörde der Stadt Halle das Camp als Dauerkundgebung genehmigt.
Workshops, Vorträge, Kochen und Schlafen
Der ursprünglich für den 14. August geplante Start musste aufgrund von Unwetter um einen Tag verschoben werden. Doch seitdem hat das Klimacamp Bestand: Ein wetterfestes Schlafzelt, mehrere Pavillons, darin Bierzeltgarnituren, eine Kochmöglichkeit, Schränke und Lebensmittel. Das Camp ist rundum behängt mit handbeschriebenen Transparenten, auf denen die Aktivist:innen mit markanten Sprüchen auf die Klimakrise aufmerksam machen.
Die Zahl der Anwesenden schwankt. Zwischen drei und zehn Personen übernachten zurzeit regelmäßig im Camp, tagsüber trifft man deutlich mehr an. Das Ende der Sommerferien in Sachsen-Anhalt habe die Zahl der Aktivist:innen unter der Woche zwar verringert, berichtet Jonas, „aber die Leute hier gehen bei weitem nicht alle zur Schule, die Altersspanne reicht von 15 bis 45 Jahren.“ Täglich finden ab dem Nachmittag Workshops, Vorträge oder Diskussionsrunden rund um das Thema Klimawandel statt, an denen auch die hallischen Students und Scientists for Future beteiligt sind.
Ungläubige Blicke und verbale Attacken
Passant:innen beäugen das Klimacamp aufmerksam, nicht unbedingt skeptisch, wohl aber manchmal ein wenig ungläubig, erscheint die bunte Versammlung von Pavillons und Bannern einigen doch als provokanter Fremdkörper auf dem Hallmarkt. Damit sei ein Ziel bereits erreicht, bilanziert Jonas. „Aufmerksamkeit erhalten wir auch auf Demonstrationen. In diesem Rahmen aber können wir viel einfacher mit Menschen ins Gespräch kommen, und genau das wollen wir.“
Nicht alle Besucher:innen sind den Aktivist:innen freundlich gesonnen. Der stadtbekannte Rechtsextreme Sven Liebich erschien eine Woche nach Errichtung des Camps morgens um halb sieben und stellte lautstark Fragen in Richtung der Campierenden. Liebich streamte seinen Besuch währenddessen live auf YouTube und kehrte mehrere Tage später nochmals zurück, um das Camp zu filmen.
Auf die Frage, ob er sich bedroht fühle durch verbale Angriffe, direkt oder in sozialen Netzwerken, antwortet Jonas ernster als zuvor. Ja, eine Bedrohung sei zu spüren – „aber nach zwei Wochen nehmen wir das nicht mehr so eng und lachen eher darüber.“
Forderungen an die Politik
Vier Forderungen stellten die Aktivist:innen im Vorfeld des Klimacamps an die Stadt- und Landespolitik, darunter die Distanzierung des Landes Sachsen-Anhalt vom Kohleausstiegsgesetz der Bundesregierung und ein Konzept zur Einhaltung des 1,5‑Grad-Ziels des Pariser Klimaabkommens. In Halle könne man gut etwas erreichen, auf die Landesebene blickend zeigt sich Jonas eher pessimistisch. Ob ein Klimacamp auch in Magdeburg und damit näher an der Landespolitik entstehen könne, steht noch nicht fest.
Neben den Camps in Augsburg und Halle unterhält die Bewegung zurzeit auch in München vor der Siemens-Konzernzentrale, in der Hamburger Innenstadt und an der Dresdner Kreuzkirche Klimacamps. Ein Ende des Camps auf dem Hallmarkt ist bis auf weiteres nicht vorgesehen – rechtliche Schwierigkeiten sind nicht zu erwarten und auch dem bevorstehenden Herbstwetter wollen die Aktivist:innen trotzen. „Wir bleiben so lange, wie unsere Schlafsäcke warm halten“, so Schülerin Henriette entschlossen, bevor sie Jonas beim Apfelschneiden ablöst. „Im Zweifel können wir darin auch den Winter überstehen.“