14 Prozent aller Men­schen erkranken irgend­wann in ihrem Leben – meist schon in jun­gen Jahren – an Neu­ro­der­mi­tis, so das RKI. Damit ist die soge­nan­nte atopis­che Der­mati­tis die häu­fig­ste chro­nis­che Hauterkrankung. Das umstrit­tene Kor­ti­son zahlt die Krankenkasse, die Basispflege müssen Erkrank­te jedoch selb­st bezahlen.  

Illus­tra­tion: Mar­lene Nötzold

Neu­ro­der­mi­tis ist eine chro­nis­che Erkrankung, die kon­tinuier­lich, das heißt auch in symp­tom­freien Zeit­en, behan­delt wer­den muss. Erkennbar ist sie an ein­er all­ge­mein trock­e­nen Haut mit geröteten, entzün­de­ten Stellen und ein­er Ver­gröberung und Verdick­ung dieser. Die betrof­fe­nen Bere­iche – meist die Arm- und Kniebeu­gen, der Nack­en und die Hände – juck­en oft sehr stark und schup­pen. Da nie­mand seine Haut ein­fach able­gen kann, tra­gen Betrof­fene ihre Neu­ro­der­mi­tis immer bei sich, sodass die Erkrankung alle Lebens­bere­iche bee­in­flusst und die Leben­squal­ität reduziert. 

„Ursache der Erkrankung ist sehr häu­fig eine Störung der Haut­durch­läs­sigkeit, eine soge­nan­nte Bar­ri­er­estörung“, erk­lärt die Hautärztin Dr. Jana Uhlhaas. Durch diese sei die Abwehrfunk­tion der Haut gegenüber Aller­ge­nen und Umwel­te­in­flüssen ver­schlechtert. Dieses Prob­lem lasse sich ther­a­peutisch durch eine neben­wirkungs­freie Basis­ther­a­pie mit wirk­stoff- und kon­servierungsstoff­freien Cremes und Sal­ben deut­lich verbessern. Sie schützen die Haut vor dem Aus­trock­nen, sodass man präven­tiv die Schup­pung und Reizung ver­hin­dert. „Auf Grund der hohen Kosten wird diese in Deutsch­land allerd­ings nur wenig umge­set­zt“, so Uhlhaas. Denn die Kosten dafür übern­immt die Krankenkasse – egal ob geset­zlich oder pri­vat – nicht. Aus­nahme: Bei Patient:innen bis zwölf Jahre kön­nen die Kosten nach ärztlich­er Zus­tim­mung über­nom­men werden. 

Ein oft genan­nter Grund der Krankenkassen: Bei den Basis­ther­a­piepro­duk­ten han­dele es sich um „reine Hautpflege“ oder „zusät­zliche Kos­metikpro­duk­te“, dessen Wirkung nicht von (aus­re­ichend) Stu­di­en belegt sei. Die Kosten für die oft teur­eren und neben­wirkungsre­ichen Ther­a­pi­en mit Medika­menten wer­den von den Krankenkassen jedoch übernommen. 

Dass Betrof­fene bei ein­er inkon­se­quenten Behand­lung mit hoher Wahrschein­lichkeit noch weit­ere aller­gis­che Erkrankun­gen wie Asth­ma bronchiale, Heuschnupfen oder Nahrungsmit­te­lal­lergien entwick­eln, scheint nebensächlich. 

Wirft man einen Blick auf die Web­seit­en der Krankenkassen, ist ihnen die Schwere der Krankheit bewusst. So heißt es beispiel­sweise bei der Tech­niker Krankenkasse: “Eine Neu­ro­der­mi­tis kann die Leben­squal­ität erhe­blich beein­trächti­gen. Vor allem der Juck­reiz kann belas­tend sein, den Schlaf und die Konzen­tra­tions­fähigkeit stören. Vie­len Betrof­fe­nen sind ihre sicht­baren Auss­chläge unan­genehm. Durch eine gute Hautpflege, Medika­mente und das Ver­mei­den von Aus­lösern lässt sich die Erkrankung aber meist in den Griff bekom­men.” Auf Nach­frage, ob die TK die “gute Hautpflege” finanziell übern­immt, heißt es: “Die Pro­duk­te müssen medi­zinisch sein”. Die meist als nicht-medi­zinisch anerkan­nte Basispflege seien dort dementsprechend nicht einbegriffen. 

Die Neu­ro­der­mi­tis gehört zu den häu­fig­sten Erkrankun­gen in Deutsch­land und kommt in allen Alter­sphasen vor. Sie beruht auf ein­er erblichen Ver­an­la­gung und kann über Monate, Jahre oder sog­ar Jahrzehnte auftreten. Selb­st nach län­geren Phasen der Erschei­n­ungs­frei­heit kann es wieder­holt zu Phasen mit Hau­tauss­chlä­gen kom­men.
Illus­tra­tion: Mar­lene Nötzold

“Medi­zinisch” bedeutet für Neurodermitiker:innen meist eine Behand­lung mit Kor­ti­son. Es soll die Ekzeme schnell abheilen, doch das nicht Neben­wirkungs­frei. “Generell sind sie [ver­schiedene kor­ti­sonähn­liche Wirk­stoffe] bei kurzfristi­gen Anwen­dun­gen prob­lem­los, soll­ten aber nicht als Langzeit­be­hand­lung einge­set­zt wer­den, so Pro­fes­sor Matthias Augustin in ein­er Infor­ma­tions­broschüre der TK. 

Auf der Web­seite der BKK Mobil Oil ein ähn­lich­es Ver­ständ­nis: “Das ständi­ge Juck­en führt dazu, dass die Kinder sich blutig kratzen und nur wenig Schlaf find­en. […] Die Mobil Krankenkasse übern­immt für Ihr Kind bis zum Alter von zwölf Jahren die Kosten [für soge­nan­nte Neu­ro­der­mi­tis Over­alls].” Die Über­nahme der Kosten für die Basispflege, auch hier Fehlanzeige. Die Nach­frage, ob es denn mögliche Zusatzver­sicherun­gen gäbe wird verneint. 

Oft wird unter­schätzt, wie sehr eine Neu­ro­der­mi­tis das Leben erschw­eren kann. Für Betrof­fene ist sie ein ständi­ger Begleit­er und ver­hält sich anders als beispiel­sweise ein Pick­el auf der Haut, der abgedeckt wer­den kann. Neurodermitiker:innen kön­nen ihre Ekzeme nicht ein­fach über­schminken. Es hätte einen ähn­lichen Effekt, wie das Salz in ein­er Wunde. 

Auch bei anderen Hautkrankheit­en wie Akne übernehmen die Krankenkassen keine Kosten für die Basispflege. Dabei zählt auch Akne zu den weltweit am häu­fig­sten auftre­tenden Hautkrankheit­en, die in Form von Pusteln, Pick­el und Mitessern im Gesicht, aber auch auf dem Rück­en und dem Dekol­leté auftreten kann. Betrof­fen sind oft Pubertierende, wegen der pubertäts­be­d­ingten-hor­monellen Verän­derun­gen, aber auch Erwach­sene, die an der soge­nan­nten Acne tar­da oder Spä­takne erkranken kön­nen. Die Kosten für eine Akne-Behand­lung sind abhängig von der Art und dem Aus­maß der Hauterkrankung. Die Krankenkassen übernehmen jedoch lediglich die medi­zinis­che Behand­lung beim Hau­tarzt und die — häu­fig orti­son­halti­gen — ver­schrei­bungspflichtige Arzneimit­tel. Als „kos­metisch“ gel­tende Pflege­pro­duk­te wer­den, ähn­lich wie bei der Neu­ro­der­mi­tis, nicht erstattet. 

Gesetzliche Regelungen 

„Bei der Auswahl der nöti­gen Pflege­pro­duk­te müssen Betrof­fene auf vieles acht­en: Sie soll­ten keine Duft- und Kon­servierungsstoffe oder Nahrungsmit­tel­pro­teine enthal­ten und auch keine Sub­stanzen, die oft Kon­tak­tal­lergien aus­lösen“, so Uhlhaas. Doch sind häu­fig ger­ade diese Pro­duk­t­eDeutsche Neu­ro­der­mi­tis Bund (DNB) schätzt die Kosten für eine gute Basispflege auf etwa 1500 Euro pro Jahr – und das aus eigen­er Tasche, denn im Mod­ernisierungs­ge­setz für die geset­zliche Kranken­ver­sicherung (GKV) von 2004 wur­den rezept­freie Arzneimit­tel aus der Kassen­er­stat­tung aus­geschlossen. Eine reine Spar­maß­nahme, die nur wenige Aus­nah­men zuließ. Harn­stoffhaltige Sal­ben, die weltweit den Ther­a­pi­e­s­tandard bei Neu­ro­der­mi­tis darstellen, zählen bis heute nicht dazu. 

Aus medi­zinis­ch­er Sicht sei dies bei der Basispflege nicht nachvol­lziehbar, so Pro­fes­sor Thomas Wer­fel, Präsi­dent der Deutschen Gesellschaft für Aller­golo­gie und Klin­is­che Immunolo­gie (DGAKI). „Auch in der Leitlin­ie zur Neu­ro­der­mi­tis-Ther­a­pie (2021) wird die kosten­in­ten­sive Basispflege als kausale Ther­a­pie definiert und gehört damit aus Sicht der DGAKI in den Leis­tungskat­a­log der geset­zlichen Krankenkassen.“ Die Basispflege sei neben ver­schiede­nen Wirk­stof­fen sehr wichtig, da wirk­stoff­freie Cremes und Lotio­nen dazu beitra­gen, dass sich der All­ge­meinzu­s­tand der Haut bessert. Sie stärken die Haut­bar­riere, deren erhöhte Durch­läs­sigkeit eine Haup­tur­sache der Erkrankung ist, so Werfel. 

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