Der Aus­druck »Alko­hol« geht auf den ara­bis­chen Begriff »al-kuhl« zurück, was so viel wie »das Fein­ste« oder »feines Pul­ver« bedeutet. Doch was steckt hin­ter der Beliebtheit des »fein­sten« Genuss­mit­tels? Aus welchem Grund geht mit zunehmender Promille unser Sozialver­hal­ten flöten? Und tötet der Alko­hol wirk­lich Gehirnzellen ab? Ein kri­tis­ch­er Beitrag rund ums Tanken, Zis­chen, Saufen, Bech­ern, Kneipen, Picheln, Pietschen, Zwitsch­ern, Kübeln, Heben oder Zechen.

»Guten Mor­gen, du siehst aber fer­tig aus!«, begrüßt sie ihr Mit­be­wohn­er grin­send. »War wohl gestern ein Wein­glas zu viel?«, stichelt er weit­er. Lau­ra ist ger­ade aber gar nicht nach Scherzen zumute. Sie murmelt etwas Unver­ständlich­es, holt sich ein Glas Wass­er aus der Küche und wankt unsicheren Schrittes zurück ins Bett. Lauras Kopf dröh­nt höl­lisch, und stöh­nend ver­wirft sie alle für heute geplanten Termine.

Vom Rausch zum Referat, mit Bier zur Bib

Lau­ra studiert im vierten Semes­ter Biolo­gie und gehört damit zu der Gruppe mit dem größten Kon­sumver­hal­ten: Stu­dentIn­nen kip­pen im Durch­schnitt mehr Alko­hol als Auszu­bildende Erwerb­stätige, Arbeit­slose oder Schü­lerIn­nen. 37,3 Prozent aller Stud­is kon­sum­ieren regelmäßig alko­holis­che Getränke, wie eine Studie der Bun­deszen­trale für gesund­heitliche Aufk­lärung (BzgA) fest­stellte. Fast jede/r zehnte Stu­dentIn gab bei der Umfrage an, sich mehrmals pro Monat bis in den Rauschzu­s­tand zu trinken.

Allerd­ings stellte das Dänis­che Eval­u­a­tions-Insti­tut (EVA) bei ein­er Umfrage von 14 660 Studieren­den fest, dass Per­so­n­en, die regelmäßig in den Genuss von Alko­hol kom­men, mit ein­er höheren Wahrschein­lichkeit ihr Studi­um abschließen. Die Promille sind dafür aber lei­der nicht auss­chlaggebend, da der Zusam­men­hang keine Kausal­ität aufweist. Stattdessen führt die Inter­ak­tion mit Kom­mili­tonIn­nen zu neuen Fre­und­schaften am Uni­ver­sitäts­stan­dort und damit zu einem lebenswert­eren Stu­di­enum­feld. Diese Gesel­ligkeit wird oft­mals in Verbindung mit Genuss­mit­telkon­sum aus­gelebt, weshalb das Bier auch gerne mal durch eine alko­hol­freie Alter­na­tive erset­zt wer­den kann.

Illus­tra­tion: Ben­jamin Lindner
»Für die Deutschen ist Bier wie Trinkwasser.«

Das Handy leuchtet auf, und Lau­ra blickt aufs Dis­play – ihre beste Fre­undin hat einige Fotos der let­zten Par­ty­nacht gesendet. Lau­ra sieht sich die ver­schwomme­nen Auf­nah­men kri­tisch an. Dabei fällt ihr auf, dass fast jede Per­son ein alko­holis­ches Getränk in der Hand hält. Zu Par­tys gehört wohl für viele Men­schen Promille­haltiges wie selb­stver­ständlich dazu. Wer nichts trinkt, muss sich recht­fer­ti­gen. Alko­hol hat sich zur »gesellschaftlichen Norm« entwick­elt, da fast jede Beruf­s­gruppe kon­sum­iert und die Fol­gen dadurch ver­harm­lost wer­den. Deutsch­land gehört zu den »alko­hold­e­ter­minierten« Kul­turen: Der Kon­sum ist kollek­tiv anerkan­nt, solange ein bes­timmtes Maß nicht über­schrit­ten wird.

»Deutsche sind sehr gut darin, liter­weise Alko­hol, wie Bier, zu trinken. Ich würde jeden Wet­tbe­werb ver­lieren! Seit ich in Deutsch­land bin, rauche ich nicht mehr, aber habe begonnen, die kleinen Likör­flaschen wie Klopfer oder Jäger­meis­ter zu mögen. Außer­dem genieße ich Wein und Radler. Und als es Win­ter wurde, war der Alko­hol sehr hil­fre­ich, um mich warm zu hal­ten«, beschreibt Anto aus Indone­sien seine Erfahrun­gen. Der usbekische Dosov hat ähn­liche Beobach­tun­gen gemacht: »Für die Deutschen ist Alko­hol, ich meine Bier, wie Tee für uns, den wir trinken, wenn wir früh­stück­en. Für die Deutschen ist Bier wie Trinkwasser.«

Auch zahlre­iche Rit­uale sind mit dem Genuss von Spir­i­tu­osen ver­bun­den. Wein oder Sekt assozi­ieren wir beispiel­sweise mit fes­tlichen Aktiv­itäten wie den Feier­lichkeit­en bei ein­er Taufe oder Hochzeit. Außer­dem ist die Kon­sumart ein Indika­tor des gesellschaftlichen Sta­tus. So wäre es beispiel­sweise eher ungewöhn­lich, Bauar­bei­t­erIn­nen während der Arbeit mit einem Glas edlen Cham­pag­n­ers in der Hand zu beobachten. 

Zum Kon­sumver­hal­ten von ver­schiede­nen Völk­ern beste­hen eben­so Stereo­type, so verbindet man beispiel­sweise Wod­ka mit Rus­s­land oder Polen, wohinge­gen Griechen­land mit Ouzo verknüpft wird. Durch diese Abgren­zung zu anderen Kul­turen, aber auch durch mit ein­er bes­timmten Alko­ho­l­art ver­bun­de­nen Rit­ualen bestärkt der Kon­sum die Iden­ti­fika­tion mit der eige­nen Nation.

Juan aus Kolumbi­en schreibt: »In Deutsch­land darf man Bier ab 16 trinken, in Kolumbi­en erst ab 18. Wobei die Leute nor­maler­weise mit 15 oder 16 Jahren auf den Par­tys anfan­gen zu trinken, einige davon, ohne dass es die Eltern über­haupt wis­sen. Der Alko­hol ist teur­er in Kolumbi­en, da viel importiert wird und auch die Mehrw­ert­s­teuer hoch ist. Am häu­fig­sten zu sehen ist ein tra­di­tioneller Aniss­chnaps, der Aguar­di­ente, ähn­lich zu Ouzo.« Auch in Indone­sien treten einige gesellschaftliche Unter­schiede auf: »Es gibt viele ver­schiedene Kul­turen in Indone­sien – Chris­ten, Mus­lime, Hin­duis­ten, Bud­dhis­ten und so weit­er. Jede Kul­tur hat ihre eige­nen Regeln und Tra­di­tio­nen. Ich bin Moslem. Eigentlich wäre es für mich ver­boten, Alko­hol zu trinken, aber wir nen­nen uns selb­st ›flex­i­bel‹ – das bedeutet, dass jed­er trinken kann, wenn wir zusam­men­sitzen oder zu ein­er Par­ty gehen, vor allem die jün­geren Gen­er­a­tio­nen. Nur an Ramadan sollte man entschei­den, ob man den Regeln fol­gt oder nicht. Alko­hol ist in Indone­sien kein großes The­ma, nur in den touris­tis­chen Gebi­eten wird viel Promille­haltiges getrunk­en. Wichtiger sind Zigaret­ten. Aber jed­er indone­sis­che Mann mag Whisky! Wein oder har­ter Alko­hol sind in Indone­sien zum Beispiel sehr teuer. Der bekan­nteste Alko­hol ist Bin­tang-Bier oder Tuak, ein selb­st­gemachter Palmwein«, erzählt Anto.

Illus­tra­tion: Ben­jamin Lindner
Ur-Alkohol aus der Milch trächtiger Stuten

Schon Lauras Vor­fahren haben sich mit großer Wahrschein­lichkeit an dem Genuss­mit­tel erfreut. Alko­hol beziehungsweise Ethanol oder Äthy­lalko­hol (C2H5OH) kann als Genuss‑, Nahrungs- und Rauschmit­tel auf eine lange Tra­di­tion blick­en. In der Mit­tel­steinzeit um 10 000 vor Chris­tus ent­deck­ten unsere Vor­fahren zufäl­lig die berauschende Wirkung über­reifer Früchte. Die ersten schriftlichen Aufze­ich­nun­gen über die gezielte Her­stel­lung alko­holis­ch­er Getränke reichen bis ins dritte Jahrtausend vor Chris­tus zurück und stam­men aus Ägypten. Andere Quellen datieren die erste Wein­her­stel­lung in Mesopotamien und dem Iran sog­ar schon auf das fün­fte Jahrtausend vor Chris­tus. Im Laufe der Geschichte wur­den die Men­schen immer kreativ­er, um aus den vorhan­de­nen Ressourcen Alko­hol zu pro­duzieren. So lern­ten beispiel­sweise die Ger­ma­nen, Honig­met aus altem Honig herzustellen, die Römer kel­terten ihren Wein aus ver­gore­nen Trauben, und umherziehende Nomaden erhiel­ten Alko­hol aus der Milch trächtiger Pferde.

Da beson­ders die Wein­her­stel­lung im Mit­te­lal­ter sehr aufwendig und teuer war, kon­nte sich zunächst nur die obere Bürg­er­schicht an dem Genuss­mit­tel erfreuen. Schließlich wur­den die zweite Hälfte des Mit­te­lal­ters und die Früh­phase der Mod­erne durch die Erfind­ung des Bran­ntweins bee­in­flusst. Zuerst diente die neue Ent­deck­ung als Arzneimit­tel, welche in Klöstern gebraut und in Apotheken als Wun­der­mit­tel verkauft wurde. Allerd­ings entwick­elte sich der Bran­ntwein im 15. Jahrhun­dert zum Genussmittel.

Mit dem Beginn der Indus­tri­al­isierung änderte sich das Kon­sumver­hal­ten grundle­gend. Aus­gelöst durch die harte Arbeit und die entste­hende Armut kam der »Elend­salko­holis­mus« auf. Immer mehr Per­so­n­en hat­ten mit ihrer Sucht zu kämpfen, die durch die Bezahlung zahlre­ich­er Arbei­t­erIn­nen und Tagelöh­ner­In­nen mit alko­holis­chen Getränken begün­stigt wurde. Einige Län­der reagierten auf den sich aus­bre­i­t­en­den Alko­holmiss­brauch, wie die USA mit der Pro­hi­bi­tion, welche die Her­stel­lung und den Ver­trieb von Alko­hol zwis­chen 1920 und 1933 verbot.

Auch die Medi­zin reagierte nur sehr schlep­pend: Erst im Jahr 1968 wurde Alko­holis­mus offiziell als Krankheit eingestuft.

Das Leben fest im Griff oder doch die Flasche?

Rück­blick zur let­zten Nacht. Bauern­club, kurz nach halb drei. Lau­ra set­zt die Wein­flasche an und trinkt. Der Alko­hol gelangt über die Schleimhaut des Ver­dau­ungstrak­tes in den Blutkreis­lauf und wird von dort aus in ihrem ganzen Kör­p­er verteilt. Etwa 30 bis 60 Minuten nach dem Genuss kann deshalb die höch­ste Blutalko­holkonzen­tra­tion gemessen wer­den. Das Genuss­mit­tel wird über das Blut auch ins Gehirn trans­portiert und wirkt zunächst stim­ulierend auf die Ner­ven­zellen, dann hem­mend. Oft wird das Hor­mon Dopamin aus­geschüt­tet, welch­es die Aktivierung des Beloh­nungssys­tems antizipiert.

Illus­tra­tion: Ben­jamin Lindner

Sobald der Alko­hol in den Kör­p­er gelangt ist, schüt­ten die Ner­ven statt aktivieren­der vor allem hem­mende Boten­stoffe aus, wodurch die Weit­er­leitung zwis­chen den Zellen gestört wird. Dadurch lässt sich auch erk­lären, weshalb Befehle nicht mehr so schnell wie im nüchter­nen Zus­tand bei den Muskeln ankom­men und Betrunk­ene anfan­gen zu taumeln. Laut einem Infoblatt der Amer­i­can Asso­ci­a­tion for the Advance­ment of Sci­ence ist die Gehirn­re­gion, die beson­ders schnell vom Alko­hol erre­icht wird, das Zurück­hal­tezen­trum. Somit lässt sich auch erk­lären, weshalb angetrunk­ene Per­so­n­en viel offen­er und gesprächiger wer­den. Kurzfristige Fol­gen nach dem Kon­sum kön­nen außer­dem Gereiztheit, Aggres­sion, Kom­mu­nika­tion­ss­chwierigkeit­en, schlechte Urteil­skraft, Benom­men­heit und gesenk­te Aufmerk­samkeit sein. Bei der Beschrei­bung der Phänomene ist es allerd­ings unmöglich, all­ge­me­ingültige Aus­sagen zu tre­f­fen, da jede Per­son anders auf das Genuss­mit­tel reagiert. Außer­dem sind die Effek­te abhängig von Alko­holkonzen­tra­tion, Gewöh­nung, seel­is­ch­er und kör­per­lich­er Beschaf­fen­heit sowie Tol­er­anzen­twick­lung. Die Deutsche Haupt­stelle für Sucht­fra­gen e. V. beschreibt einen Zusam­men­hang zwis­chen Kon­sum und risikobere­it­em Ver­hal­ten sowie Unfall­ge­fahr. Das ist auch der Grund dafür, dass es unter­sagt ist, ab einem bes­timmten Promil­lege­halt im Blut Auto zu fahren.

Nach dem Rauschzu­s­tand funk­tion­iert die Weit­er­leitung zwis­chen den Zellen wieder wie zuvor. Bei der britis­chen Studie »White­hall II« wur­den 5000 Per­so­n­en mit unter­schiedlichem Trinkver­hal­ten aufge­fordert, Denkauf­gaben zu lösen. Erstaunlicher­weise schnit­ten die Absti­nen­zler im Durch­schnitt am schlecht­esten ab. Die meis­ten betrunk­e­nen Per­so­n­en erhiel­ten wohl die größten Hirn­schädi­gun­gen durch einen Sturz oder eine Schlägerei, schreibt auch das Por­tal »The Naked Sci­en­tists« der Uni­ver­sität in Cambridge.

Allerd­ings schadet Alko­hol bei über­mäßigem Kon­sum doch dem Kör­p­er und damit auch dem Gehirn. Ein durch exzes­sives Trinkver­hal­ten aus­gelöster Vit­a­min-B1-Man­gel kann beispiel­sweise zum Wer­nicke-Kor­sakow-Syn­drom führen, bei dem Betrof­fene wed­er neue Gedächt­nis­in­halte bilden noch alte abzu­rufen ver­mö­gen. Eine weit­ere Langzeit­folge stellt die Entzün­dung der Leber als Ent­gif­tungszen­trale des Kör­pers dar. Dabei kann beispiel­sweise zu viel Ammo­ni­ak ins Blut gelan­gen, das die Ner­ven­zellen im Gehirn angreift. Die 2009 ges­tartete Kam­pagne »Alko­hol? Kenn dein Lim­it« der BzgA benen­nt auf ihrer Web­seite zahlre­iche weit­ere Folgeschä­den: Neben einem erhöht­en Risiko für Bluthochdruck und Herz­muskel­erkrankun­gen steige auch die Wahrschein­lichkeit, an Übergewicht zu lei­den. Außer­dem könne es zu Gas­tri­tis, ein­er Entzün­dung der Magen­schleimhaut, oder zu Pankreati­tis, ein­er entzün­de­ten Bauch­spe­ichel­drüse, kom­men und Kreb­s­bil­dung in Mund­höh­le, Leber oder Speis­eröhre begün­stigt wer­den. Nicht zulet­zt werde die sex­uelle Potenz und Lust sowohl bei Frauen als auch bei Män­nern gemindert. Außer­dem sei Alko­holmiss­brauch häu­fig für das Auftreten psy­chis­ch­er Prob­leme wie Depres­sio­nen oder kon­se­quentem sozialem Rück­zug verantwortlich.

»Vor vier zehn Bier« – wenn aus Genuss Sucht wird

Während Lau­ra gelang­weilt an die Zim­merdecke star­rt, hat es sich ihr Mit­be­wohn­er in der Küche gemütlich gemacht und begin­nt, ein Video zu schauen. Neugierig schle­icht Lau­ra ans Schlüs­sel­loch ihrer Zim­mertür und ver­sucht her­auszufind­en, von welchem Film ihr Mit­be­wohn­er gefes­selt ist. Doch dieser ent­deckt seine stumme Beobach­terin schnell an einem schmalen Schat­ten unter dem Türspalt und ruft sie etwas verärg­ert in die Küche. »Spi­onierst du mir hin­ter­her?«, fragt er entrüstet. »Ich wollte dich bei deinem Porno nicht stören«, antwortet Lau­ra ver­schmitzt. Ihr Mit­be­wohn­er verzieht ein wenig gen­ervt das Gesicht, dreht dann aber den Lap­top in ihre Rich­tung. »Ich sehe mir eine Doku­men­ta­tion über Alko­hol­sucht an. Nach deinem Absturz gestern Nacht möchte ich gewapp­net sein. Du soll­test dich auch über das The­ma informieren.« Lau­ra streckt ihm die Zunge her­aus, lässt sich aber auf einen wack­e­li­gen Küchen­stuhl plumpsen, um der Doku­men­ta­tion fol­gen zu können.

Illus­tra­tion: Ben­jamin Lindner

Die BzgA hat diag­nos­tis­che Leitlin­ien für das »Abhängigkeitssyn­drom« entwick­elt. Sind min­destens drei dieser Aus­sagen zutr­e­f­fend, könne von ein­er Sucht gesprochen werden:

  • Es beste­ht ein stark­er Wun­sch oder Zwang, Alko­hol zu konsumieren.
  • Es beste­ht eine ver­min­derte Kon­trollfähigkeit bezüglich des Beginns, der Beendi­gung und der Menge des Konsums.
  • Das Auftreten eines kör­per­lichen Entzugssyndroms.
  • Es kann eine Tol­er­anz nachgewiesen wer­den, das heißt, es sind zunehmend höhere Dosen erforder­lich, um die ursprünglich durch niedrigere Dosen erre­icht­en Wirkun­gen hervorzurufen.
  • Andere Vergnü­gun­gen oder Inter­essen wer­den zugun­sten des Sub­stanzkon­sums zunehmend vernachlässigt.
  • Der Alko­holkon­sum wird trotz nach­weis­bar­er ein­deutiger schädlich­er Fol­gen kör­per­lich­er, sozialer oder psy­chis­ch­er Art fortgesetzt.

Seit eini­gen Jahren geht der Alko­holkon­sum allerd­ings zurück. Im »Jahrbuch Sucht 2019« der Deutschen Haupt­stelle für Sucht­fra­gen find­en sich einige offizielle Zahlen. So kon­sum­ierten alle Deutschen, die älter als 15 sind, 1990 durch­schnit­tlich noch 13,4 Liter Reinalko­hol pro Jahr, während es 2016 nur noch 10,6 Liter waren.

Friederike Wienß von der Evan­ge­lis­chen Stadt­mis­sion stellt eben­falls fest: »Wenn ich auf die let­zten 50 bis 60 Jahre zurück­blicke, kann ich einen pos­i­tiv­en Rück­gang erken­nen. In den 50er Jahren war es gang und gäbe, dass eine Bierk­iste am Arbeit­splatz stand. Heutzu­tage wird die The­matik viel sen­si­bler zwis­chen Arbeit­ge­ber und Arbeit­nehmer betra­chtet. Alko­hol gehört nicht mehr so stark zum All­t­ag, auch auf das Arbeit­sum­feld bezo­gen. Allerd­ings kann man auch ger­ade bei den jün­geren Gen­er­a­tio­nen beobacht­en, dass eine Ver­schiebung zu anderen Dro­gen, allem voran Cannabis, stattge­fun­den hat. Außer­dem treten nicht mehr so viele reine Alko­ho­lik­er auf, son­dern Mis­chkon­sum wird betrieben.«

Im »Jahrbuch Sucht 2019« heißt es allerd­ings auch: »Trotz eines gerin­gen Kon­sum­rück­gangs kann keine Ent­war­nung gegeben wer­den: Deutsch­land ist ein Hochkon­sum­land in Bezug auf Alko­hol. Etwa 74 000 Todes­fälle jährlich wer­den durch Alko­holkon­sum oder den kom­binierten Kon­sum von Tabak und Alko­hol verur­sacht. Mit 314 211 Behand­lungs­fällen wurde im Jahr 2017 die Diag­nose ›Psy­chis­che und Ver­hal­tensstörun­gen durch Alko­hol‹ als zwei­thäu­fig­ste Haupt­di­ag­nose in Kranken­häusern gestellt. Davon waren 228 928 männliche Patien­ten und 85 283 Frauen.«

Illus­tra­tion: Ben­jamin Lindner

In Halle befind­en sich drei Sucht­ber­atungsstellen, die sich unter anderem auf die The­matik Alko­holmiss­brauch spezial­isiert haben: die AWO, die »drobs« und die Evan­ge­lis­che Stadt­mis­sion. Friederike Wienß erk­lärt im Gespräch: »Die Diakonie beschäftigt sich mit legalen Dro­gen. In Einzelge­sprächen, Grup­penge­sprächen und Sport­grup­pen kön­nen alle Betrof­fe­nen Hil­fe bekom­men. Die Gren­ze zwis­chen Miss­brauch und Genuss ist nicht so deut­lich. Jed­er sollte sich mit seinem eige­nen Kon­sum auseinan­der­set­zen. Beratung kann jede Per­son auf Wun­sch anonym und kosten­los erhalten.« 

Die BzgA hat auf ihrer Inter­net­seite klare Empfehlun­gen for­muliert: Frauen ab 21 Jahren wird ger­at­en, max­i­mal 12 Gramm reinen Alko­hol (das entspricht 0,3 Liter Bier oder 0,125 Liter Wein), Män­nern, max­i­mal 24 Gramm reinen Alko­hol täglich zu kon­sum­ieren, wobei an min­destens zwei Tagen in der Woche auf das Genuss­mit­tel verzichtet wer­den solle. Vor dem 20. Leben­s­jahr wird emp­fohlen, möglichst gar keinen Alko­hol zu sich zu nehmen, da das Zell­gift Umbauprozesse im Gehirn während des Wach­s­tums stören kann.

Während es langsam dem Abend ent­ge­genge­ht, reibt sich Lau­ra ein let­ztes Mal über die Stirn, beschließt, ein paar Seit­en ihres Romans zu lesen und danach schlafen zu gehen. Wenig begeis­tert stellt sie fest, dass wieder ein­mal ein ganz­er Tag von den Auswirkun­gen ihres exzes­siv­en Trinkver­hal­tens dominiert wurde.

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