Im Rah­men des Dig­i­tal-Pro­jek­ts „lose and win on – Spielfeld Dig­i­tal­ität“ ver­anstal­tete das WUK The­ater Quarti­er ein War­craft III-Turnier. Damit sind die Veranstalter:innen Vor­re­it­er des eSports in Sach­sen-Anhalt. 

Am 19. Novem­ber stellte das The­ater keine Schauspieler:innen und Req­ui­siten auf seine Bühne, son­dern zwei Com­put­er und ein Mod­er­a­toren­pult. An diesem Tag sollte kein Stück vor­ge­tra­gen wer­den; es fand das Eins­Ge­genEins, ein eSports Turnier für das Spiel War­craft III, statt. Es ist der erste öffentliche Wet­tkampf dieser Art in Sach­sen-Anhalt. Neun Kon­tra­hen­ten kämpften dabei um das Preis­geld von 200 Euro. 

Sport, aber elektronisch 

Ein eher unge­wohntes Büh­nen­bild im WUK The­ater Quartier

Ganz neu ist der Begriff eSport inzwis­chen nicht mehr, von einem Bre­it­en­phänomen kann man in Deutsch­land den­noch nicht sprechen. Der elek­tro­n­is­che Sport beze­ich­net das kom­pet­i­tive Spie­len von Com­put­er­spie­len in Wet­tbe­wer­ben und Turnieren. 

Der erste organ­isierte Wet­tkampf, der zum eSport zählte, wurde schon 1972 auf dem Cam­pus der Stan­ford Uni­ver­si­ty ver­anstal­tet. Damals spielte man Space­war! – ein Spiel, in dem zwei aus weni­gen Pix­eln zusam­menge­set­zte Raum­schiffe, ges­teuert von je einem oder ein­er Spieler:in, ver­suchen, das jew­eils andere mit Geschossen zu tre­f­fen. Der oder die Gewinner:in erhielt ein Jahresabon­nement des Rolling Stone. Fün­fzig Jahre später sind die Dimen­sio­nen deut­lich gewach­sen; das DotA‑2-Turnier „The Inter­na­tion­al 2021“ ver­gab Preis­gelder von ins­ge­samt 40 Mil­lio­nen US-Dol­lar an 18 Teams. Der erste Platz allein war mit mehr als 18.000 Dol­lar dotiert. 

Dabei wurde in der Ver­gan­gen­heit wie heute immer wieder die Frage disku­tiert, ob man das Spie­len am Com­put­er über­haupt „Sport“ nen­nen könne. Die Organisator:innen des WUK-The­aters sind sich einig: auf jeden Fall. „Es gibt organ­isierte Vere­ine und Turniere. Es geht darum, gemein­sam Regeln auszuhan­deln und Gesellschaft zu for­men“, so Stephan „Alfred“ Alschews­ki aus der Pro­jek­tleitung dig­i­tale Pro­jek­te. Den eSport als Sport auszublenden, nur weil man keine Berührungspunk­te mit kom­pet­i­tivem Gam­ing hätte, find­et er schade: „Mehr als die Hälfte der Bevölkerung in Deutsch­land spielt [Com­put­er­spiele] und hat total­en Bezug. Und spie­len ist ja auch das Menschliche.“ 

Für die Horde – für die Allianz! 

Vor Pub­likum spie­len kann nervös machen.

Auch der eSport ken­nt nicht nur eine Diszi­plin – jedes Spiel, in dem sich die Spiel­er messen kön­nen, stellt eine eigene dar. Das Pro­jek­t­team des WUK-The­aters hat sich für War­craft III entsch­ieden – Ein Strate­giespiel, das mit der gespiel­ten Erweiterung Frozen Throne bere­its 2003 von Bliz­zard veröf­fentlicht wurde und zu den Real-Time-Strat­e­gy (RTS) Games gehört. Jede:r Spieler:in wählt ein Volk, baut Gebäude, bildet Trup­pen aus und zieht gegen seine oder ihre Mitspieler:innen in die Schlacht. Wer zulet­zt noch ste­hende Gebäude hat, gewinnt. 

Warum sollte man aber ein 20 Jahre altes Spiel spie­len? Die Entwick­ler­stu­dios haben seit­dem schließlich viel Neues auf den Markt gebracht. Ein wichtiger Fak­tor ist Zugänglichkeit. War­craft III erfreute sich sein­er Zeit so großer Beliebtheit und Verkauf­szahlen, dass viele noch irgend­wo einen Lizen­z­code auf dem Dachbo­den des Eltern­haus­es find­en kon­nten. Zugänglichkeit bezieht sich auch auf das Spiel­er­leb­nis. Selb­st als Laie finde man ins Spielgeschehen und so habe man auch als Zuschauer:in schnell Spaß an dem Event, find­et Mereth Garbe, Pro­jek­tleitung und Assis­tenz der Kün­st­lerischen Leitung am WUK The­ater Quarti­er. Das Ziel des Spiels ist gut erkennbar und die Aktio­nen und Züge der Spie­len­den durch kom­pe­tente Mod­er­a­tion nachvol­lziehbar erklärt. 

Reflexe und Replays 

Während sich ein Fußball­spiel­er regelmäßig auf den Platz stellen muss, um an Tech­nik und Strate­gie zu feilen, gilt das gle­iche auch für eSportler. Manche der Spiel­er  geben an,  sie hät­ten seit ihrer Jugend jeden Tag gespielt. So auch Oliv­er Juesten, der zur Teil­nahme mehr als 450 km von Köln nach Halle gereist ist: „Wenn man so oft und gern spielt, wird das irgend­wann zu ein­er Rou­tine. Ein extra Train­ing ist dann nicht mehr notwendig.“ Im Voraus noch so selb­st­sich­er, ver­liert er gegen seinen ersten Geg­n­er und schei­det aus dem Turnier aus. 

Bevor das Turnier startet, gibt es noch let­zte Tipps für Mar­cus vom Profi Diebner.

Da es aber auch Teil­nehmer gab, die entwed­er für viele Jahren kaum oder gar nicht War­craft III gespielt haben, lud Flo­ri­an Dieb­n­er, pro­fes­sioneller World of War­craft-Spiel­er aus Halle, zum Inten­siv­train­ing einige Tage vor dem Turnier im The­aterquarti­er ein. Wie sich dabei schnell zeigte, macht wahllose Zeit vor dem Bild­schirm einen nicht zum All­rounder, son­dern jedes Spiel fordert und trainiert unter­schiedliche Fähigkeit­en. Das merk­te auch Flo­ri­an Dieb­n­er: „Während ich in mein­er Nis­che, also World of War­craft, wirk­lich haushoch über­legen bin, braucht es in War­craft III ganz andere Skills, in denen ich dann auch getoppt werde. Und da habe ich beim Train­ing gemerkt ‚das wird span­nend‘ und mich deswe­gen auch entsch­ieden, selb­st als Teil­nehmer am Turnier anzutreten.“ 

„Dort haben wir dann auch kör­per­liche Übun­gen gemacht – Reflexe, Koor­di­na­tion. Das war ganz nett, da hat man auch mal mit­bekom­men, dass mehr dazu gehört, als den ganzen Tag vorm PC zu sitzen“, erk­lärt Mar­cus Gagel­mann, Studieren­der im Mas­ter Inter­ak­tive Medi­en an der MLU und Teil­nehmer am Turnier. Erste Kon­tak­te zu War­craft III hat­te er mit etwa 13 Jahren gemein­sam mit seinem Brud­er und seinem Cousin. „Da habe ich mich noch nicht damit beschäftigt, wie man Spiele sin­nvoll spielt. Wir haben nur ein biss­chen rumgedad­delt“, erin­nerte er sich. 

Als er von dem Turnier erfuhr, weck­te das neue Moti­va­tion; beson­ders der kom­pet­i­tive Aspekt von Strate­giespie­len habe ihn begeis­tert. „Hätte ich zu dem Zeit­punkt ange­fan­gen, online gegen Leute zu spie­len, hätte ich übel abgelost.“ Zur Vor­bere­itung habe er sich zu Beginn vor allem Spiele von Profis angeschaut – vor allem, wie sie auf bes­timmte Sit­u­a­tio­nen reagieren. „Dann habe ich online gegen andere gespielt, gewon­nen oder ver­loren, und mir die Replays angeguckt […], um zu über­legen, wie ich das beim näch­sten Mal bess­er ange­hen kann.“ 

Eins Gegen Eins 

Nach aller Vor­bere­itung und viel Train­ing ste­ht nun der Wet­tkampf an. Wo son­st Schauspieler:innen vor Kulis­sen ihre Stücke dar­bi­eten, ste­hen sich heute zwei Podeste mit je einem Gam­ing Set­up gegenüber. Dort wer­den die Teil­nehmer in einem Best-of-Three-Sys­tem gegeneinan­der um den Auf­stieg im Turnier­baum rin­gen. Mar­cus’ Ner­vosität hält sich in Gren­zen: „Gut, dass ich [beim Train­ing] schon­mal hier war, dadurch kenne ich schon die Men­schen und bin in bekan­nter Umge­bung. Gestern hab‘ ich schon gezittert.“ 

Die Mod­er­a­toren machen das Spielgeschehen für Laien greifbar.

Zwis­chen den Spiel­er­podesten haben zwei Mod­er­a­toren ihre Plätze, hin­ter ihnen wird das Spielgeschehen für das Pub­likum an eine Lein­wand pro­jiziert. Während der Duelle kom­men­tieren sie das Spielgeschehen und die Tak­tiken der Kon­tra­hen­ten. Es gelingt ihnen dabei, eine gute Bal­ance zu find­en, um ihre Erk­lärun­gen nicht lan­gat­mig zu gestal­ten und trotz­dem den War­craft-Laien im Saal den Fach­jar­gon zu erläutern und die Aufmerk­samkeit auf die wichti­gen Aktio­nen zu lenken. Zwis­chen­durch wird ein­er der Mod­er­a­toren durch einen der bere­its aus­geschiede­nen Spiel­er abgelöst, der so noch eine andere Per­spek­tive für die Zuschauer:innen offenbart. 

Mar­cus kann sich gegen seinen Geg­n­er nicht behaupten und unter­liegt in seinem ersten Spiel. Während seines zweit­en ver­liert das WUK The­ater lei­der die Verbindung aller Rech­n­er zum Inter­net und das Spiel muss unter­brochen wer­den. Statt span­nen­der Schlacht­en gibt es eine Pause, in der Spiel­er wie Zuschauer:innen frische Luft schnap­pen kön­nen. „Ich war ein biss­chen ent­täuscht von mein­er eige­nen Leis­tung, aber das war eine ver­rück­te neue Sit­u­a­tion, auf der Bühne zu spie­len. Dann hab ich halt […] zwei kleine Fehler gemacht, da wäre auf jeden Fall noch Luft nach oben gewe­sen“, erk­lärt Mar­cus im Nach­hinein. Sein zweites Spiel kann er nicht wieder­holen; sein Geg­n­er wäre schon zu weit im Vor­sprung, als das er noch hätte auf­holen kön­nen, entsch­ied die Wet­tkampfleitung. Auch Alfred von der Organ­i­sa­tion ärg­ert sich über die Panne: „Das sind natür­lich spon­tane Sachen, die kann man nicht pla­nen oder testen.“ 

Zwis­chen hitzi­gen Duellen in die eisi­gen Saale

Um die aufge­heizten Gemüter von Spiel­ern und Zuschauer:innen wieder abzukühlen, gibt es am Saaleufer vor dem The­aterquarti­er in der Pause noch eine beson­dere Erfrischung. In der inter­na­tionalen Profi­mannschaft von Flo­ri­an Dieb­n­er ist unter anderem eine Schwedin vertreten, die bei ‑2 °C Luft­tem­per­atur zum Eis­baden in der Saale ein­lädt. Während zur Sicher­heit ein Ret­tungssan­itäter zur Seite gestellt wor­den ist, stürzen sich tat­säch­liche einige der Spiel­er ins kalte Nass, entwed­er geplant in mit­ge­brachter Bade­hose oder spon­tan im Adamsanzug. 

Auch Flo­ri­ans Eltern sind Teil des Pub­likums. Während sie ihn als Kind noch regelmäßig gerügt haben, er solle nicht zu viel Zeit vor dem PC ver­brin­gen, sind sie heute stolz und begeis­tert, dass der eSport endlich auch in Halle in die Öffentlichkeit gerückt wird. „Als Eltern hat man immer Sorge, dass die Kinder sich zu wenig bewe­gen und vielle­icht doch spiel­süchtig wer­den. Aber er hat ja auch anderen Sport betrieben, Fußball, Karate – seinen Aus­gle­ich hat­te er schon und auch immer Fre­unde gehabt […] und sich nicht eingeigelt“, erzählt seine Mutter. 

Ohne weit­ere tech­nis­che Aus­fälle geht es in der zweit­en Hälfte weit­er. In schnellen und knap­pen Spie­len arbeit­en sich die Teil­nehmer durch den Turnier­baum, bis nur noch zwei übrig sind. Flo­ri­an Dieb­n­er und Sebas­t­ian Heyns ste­hen sich im Finale gegenüber. „Ich hab‘ nicht damit gerech­net. Ich denke auch nicht, dass ich der beste Spiel­er im Turnier bin – den habe ich in der Vor­runde besiegt“, so Sebas­t­ian, der in Halle Geografie und Poli­tik studiert hat, mit­tler­weile jedoch in Berlin wohnt, vor dem entschei­den­den Spiel. 

Mit einem knap­pen 2–1 Sieg für Sebas­t­ian endet das Turnier. Die Freude über den ersten Platz wiegt mehr als das Preis­geld. Er entschei­det sich sog­ar, es mit Oliv­er Juesten zu teilen, um ihm die Rück­fahrt nach Köln zu finanzieren. 

Nach dem Spiel 

Sebas­t­ian Heyns strahlt über den Sieg, Mereth Garbe über das erfol­gre­iche Turnier. 

Sach­sen-Anhalts erstes eSports-Turnier ist zu Ende. Die Preise wur­den ver­liehen, die Gewin­ner geehrt und Spiel­er, Zuschauer:innen und Organisator:innen sind gle­icher­maßen glück­lich über das Event. Den Abend schließt ein Gitar­renkonz­ert, welch­es das The­aterquarti­er wieder aus dem Wet­tkampfkon­text löst und in ein kün­st­lerisches Pro­gramm bettet. 

Das WUK-Team hat einen ersten Schritt getan, den dig­i­tal­en Sport in die Öffentlichkeit zu rück­en und in unser­er Region zu etablieren. Auch wenn es noch keine konkreten Pläne für ein näch­stes Mal gibt, haben sie den­noch bei vie­len Inter­esse gesät. Es muss ja auch nicht sofort ein öffentlich­es Turnier sein; Mar­cus Gagel­mann beispiel­sweise plant schon an der näch­sten LAN-Par­ty, um mit und gegen seine Fre­unde im kleinen Kreis in die Schlacht zu ziehen. 

Ste­fan M. Kranz 

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