Ein Apfel-Logo auf der Rückseite eines Laptops ist ein bekanntes Bild. Den Pinguin Tux als Maskottchen der Linux-Welt sieht man seltener. Spielt es eine Rolle welchem Lager ich mich anschließe? Ein Gespräch mit dem Designer, vor allem tätig im Lerndesign, Matthias Baran.
Stellt man sich einen Designer vor, wird sich in den meisten Köpfen ein ähnliches Bild abzeichnen. Lässiger aber seriöser Look, Mac und Grafiktablet auf dem Schreibtisch und bastelt vielleicht gerade an einem Logo mit Hilfe der Adobe Suite.
Unser Interviewpartner Matthias Baran ist Designer mit Diplom und jahrelanger Berufserfahrung, doch auf seinem Schreibtisch steht ein Linux System. Seine Aufträge erfüllt er quasi ausschließlich mit freier open-source Software, kurz FOSS.
Oft ist das Potential freier Software nicht bekannt und deren Verwendung wird als Gegensatz zu kommerzieller Software empfunden. Seiner Meinung nach eine hinfällige Diskussion: „Es sind alles nur Werkzeuge, wichtig ist was ich damit tue und was schlussendlich dabei heraus kommt.“ Was für den Handwerker seine Werkstatt mit Hammer und Schraubenschlüssel ist, ist für ihn Computer und Software. Zudem sieht er in freien Tools sogar größere Möglichkeiten zur Selbstentfaltung und zum Erhalt der eigenen digitalen Souveränität.
Was ist freie Software für dich und wie ist sie in deine Arbeit integriert?
Freie Software ist ein Werkzeug wie viele andere auch und meine Arbeitsabläufe kann ich zu nahezu 100% damit abbilden. Im Grunde eine Sammlung von für mich komplett ausgebauten Arbeitsmitteln, mit denen ich alle meine Aufträge und Engagements erfüllen, so mein Einkommen verdienen und das tun kann, was zu tun ist und ich tun möchte — in meinem Fall also kreative Arbeit, Design, Unterricht und Lehre.
Der „Standard“, der ja beispielsweise auch an der Uni gelehrt wird, sind nun aber doch die Produkte von Microsoft, Adobe oder anderen Lizenzträgern. Wann kam der Punkt, an dem du dich dagegen entschieden hast und warum?
Da würde ich schon mal fragen: Was ist ein Standard? Was du meinst sind wohl eher „etablierte Gewohnheiten“. Als ich studiert habe zum Beispiel, erschien es im Klischee manchem vielleicht Standard, dass alle Designer in schwarz gehen und ein MacBook unter dem Arm tragen. Das ist Lebens- und Arbeitsrealität und hat sich so etabliert. Aber ist das Standard? Es gab eine Zeit, da war es Standard im Wald zu trommeln, um sich zu verständigen. Wenn Gewohnheiten mich behindern, stelle ich sie in Frage und finde Alternativen. Natürlich spielen Standards auch in meinem Job eine wichtige Rolle. Dabei lege ich Wert darauf, dass die Arbeit offen und transparent, sowie lehr- und lernbar bleibt, dass Austausch und Ergebnisse zukunftssicher, schlank und effizient sind. Insofern verantworte ich viele meiner Arbeitsgewohnheiten und Werkzeuge selbst. So kann eine effektive Arbeitskultur wachsen.
Komme ich doch in ein Arbeitsumfeld, mit einem anderen “Ökosystem”, muss ich natürlich auch kompatibel sein. Das läuft aber dann nicht über die Werkzeuge, sondern die Konventionen und Standards für Informationen, Abläufe und Materialien. Und auch da lehrt freie Software mich auf die offenen und transparenten Vertreter in der Branche zu konzentrieren.
Sind es dann die offenen Strukturen im Inneren freier Software, die diese Austauschbarkeit ausmachen?
Definitiv, aber letztendlich ist es auch eine Frage der Arbeitsweise. Wenn ich tendenziell oberflächlich arbeite — im Sinne von “es muss schnell fertig werden” — und mir nicht erlaube in Hintergründe einzutauchen und neue Werkzeuge zu erlernen, dann bleibe ich natürlich gefangen in dem Ökosystem, was mir vor die Nase gesetzt wird. Das ist aber ein Pyrrhussieg, den ich teuer mit meiner Optionsarmut bezahle.
Ich habe es andersherum zu schätzen gelernt. In dem Moment, in dem ich mich auch um Plan B und C kümmere, also Alternativen in der Hinterhand habe, mache ich mich nicht nur kompatibel, sondern verstehe auch viel mehr von den Zusammenhängen, die hinter der Bühne eine Rolle spielen. Durch dieses Verständnis geht meine Arbeit dann sogar oft schneller. Solange ich in einem Ökosystem bin, fällt das nicht sofort auf, aber sobald ich die Alternativen kenne und vor diesem Kontrast bewerten kann, sehe ich das.
Sollte das jeder so anstreben und in eigener Verantwortung die Hintergründe seiner Arbeit erlernen? In der Lehre beispielsweise kann es ja durchaus von Vorteil sein einen zwar beschränkten, aber gemeinsamen Nenner zu haben.
Das kann ich nur für mich allein entscheiden wie viel Zeit und auch Geld ich in welche Werkzeuge und Wissen investiere. Ich kann es auch gut verstehen, wenn jemand sagt, er möchte das mit Absicht nicht.
Ich zeige relativ oft, warum das für mich gut funktioniert, allerdings auch, dass das — wie alles — seinen Preis hat. Also zum Beispiel erst einmal zeitlich in Vorleistung zu gehen, lernen und mich auch verantwortlich fühlen meine Werkzeuge zu pflegen. Sie also aktuell zu halten, deren Entwicklung zu verfolgen, eventuell sogar dazu beizutragen. Aus dem Handwerk ist mir diese Einstellung noch sehr vertraut.
Probleme tauchen immer auf und diese selten geradlinig und wenn man Zeit hat sich ihnen zu widmen. Und wenn das der Fall ist, habe ich für mich erkannt, dass sehr viel Optionsvielfalt es ermöglicht, unterschiedliche Wege zu deren Lösung auszuprobieren.
Außerdem macht es doch auch Spaß eine Lösung selbst gefunden zu haben.
Wenn man nun den Wechsel zu freien Alternativen macht, erntet man skeptische Blicke von Kollegen?
Ich kenne den Fall nicht, dass man sich “entscheidet” freie Werkzeuge zu benutzen, dazu müsste man ja eine spontane Kehrtwende machen — eine Kopfentscheidung, die weder mit Herz, noch Hand damit verbunden ist. Es ist eher ein organisches Wachsen.
Als ich angefangen habe mit freier Software zu arbeiten, da war das natürlich alles andere als üblich. Da habe ich natürlich damit gerechnet, auf Widerstände zu stoßen. Diese reflektierte Skepsis habe ich von meinem Umfeld geerbt. Ich kenne auch heute einige Kollegen, die auf freier Software arbeiten, aber Manschetten haben, das präsent zu machen.
Es ist ja bis heute so, dass wir über die Werkzeuge reden und nicht über das Tun, und das geht vollkommen am Thema vorbei.
Als ich anfing, habe ich freie Werkzeuge einfach benutzt. Die Ausstattung meiner Werkstatt ist alleine meine Regie. Ich habe meine Leistung erbracht und meine Aufträge erfüllt, damit gab es zum Naserümpfen überhaupt keinen Anlass. Was am Ende zählt, ist das Ergebnis.
Frei verbindet man oft auch mit kostenfrei. Wirkt sich das auf deine Arbeit aus?
Nein und Ja. Meine Arbeit hat natürlich unter Verwendung freier Software denselben Preis. Ich habe allerdings den Luxus, entscheiden zu können, wie ich mit Verwertungsrechten für meine Arbeiten umgehe. In einer Konstellation, die zum Beispiel gemeinnützig orientiert ist, kann man gern auch darüber reden, diese unter freier Lizenz weiter zu geben, was sonst eher unüblich ist. Das ist der erste Mehrwert.
Da die von mir benutzten Werkzeuge jedem frei zur Verfügung stehen, können die Arbeiten direkt eigenständig weiterbearbeitet und ‑verwendet werden, ohne in teure Programm-Lizenzen investieren zu müssen. Das ist der zweite Gewinn.
Nicht selten bekomme ich im Nachgang obendrein die Bitte, noch eine Schulung für diese Tools durchzuführen. Das klingt zunächst paradox. Dann kann ja jeder danach seine Sachen selber gestalten. Das ist zumindest die Kritik, die ich oft höre – und genau das ist der Plan.
Die naheliegende Befürchtung, ich könnte mich als Designer auf diese Art selbst meiner Arbeit berauben, hat sich nicht bestätigt. Nach meiner Erfahrung geht es eher in die andere Richtung, dass sich Wertschätzung einstellt, nachdem transparent ist, welcher Aufwand mit den Arbeiten verbunden ist und wie die Abläufe gestaltet sind. So kann sich eine sehr produktive, angenehme Arbeitskultur auf Augenhöhe entwickeln. Das ist ein großer Gewinn für alle Beteiligten.
Wie sähe deine Vision bezüglich freier Software in der Lehre an der MLU aus ?
In der Idealvariante wird es beides geben: die gewohnten kommerziellen Produkte und Services einerseits und mindestens gleichwertig dazu innovative, freie und offene Werkzeuge und Plattformen. Beides steht nicht im Widerspruch, sondern kann voneinander profitieren, wird entwickelt und gepflegt. So wird es den Studierenden möglich sein, frei und flexibel das für sie selbst und ihre Aufgaben optimale Arbeitsumfeld zu nutzen, ihre eigenen Arbeitsweisen zu entwickeln und zu verantworten.
Eine einseitige Prägung allein auf kommerzielle Tools und Plattformen halte ich für problematisch und kurzsichtig. Viele aktuelle und zukünftige Herausforderungen sind mit Konkurrenz, Konsum und Monokultur allein aus meiner Sicht einfach nicht mehr zu meistern.
Freie Software kann zu einer alternativen Arbeitsweise inspirieren.
Aber selbst wenn man das wollte und wenn die Zeichen vielleicht gerade günstig stehen für solche Vorhaben, es fehlen schlicht die Leute, um so etwas umzusetzen. So ist es die größte Herausforderung, erst einmal Menschen zu finden und zu bilden, die so eine Arbeitskultur tragen und mit ihren Erfahrungen real machen können. Da wir das noch nicht haben, wird es viele Anlaufschwierigkeiten geben, die man aushalten und in die man investieren muss. Ein paar freie Tools zu installieren, reicht da sicher nicht.
Coole Ansichten und er hat seine Meinung gut rüber gebracht.