Mindestens drei Betätigungsfelder des Studierendenrats seien zu allgemeinpolitisch, findet die Liberale Hochschulgruppe. Davon kann sie die anderen aber nicht überzeugen.
Auf seiner vorletzten Sitzung in alter Besetzung am 16. Juni 2025 hat der Studierendenrat drei Anträge der Liberalen Hochschulgruppe (LHG) abgelehnt. Diese zielten darauf ab, aus einem Verband auszutreten und zwei Arbeitskreise aufzulösen, die nach Ansicht der Antragsteller unzulässig allgemeinpolitisch tätig sind. Allen drei Anträgen stimmten jeweils nur die fünf LHG-Mitglieder zu.
LHG beruft sich aufs Hochschulgesetz
Zunächst wollte die Hochschulgruppe den Austritt aus dem FZS erwirken. Der „freie zusammenschluss von student*innenschaften“ ist ein bundesweiter Dachverband, der die hochschulpolitischen, sozialen und wirtschaftlichen Interessen von 97 Studierendenschaften vertritt. Das entspricht einem knappen Viertel aller Hochschulen in Deutschland.Im Jahr 2025 zahlt der Studierendenrat der Uni Halle circa 13 000 Euro an den Verband – 40 Cent pro Mitglied der Studierendenschaft und Semester. Einige Studierendenschaften anderer Hochschulen haben den FZS wieder verlassen, mal aus politischen Gründen, mal um Geld zu sparen. Doch die Beitritte überwiegen: Vor zehn Jahren gehörten dem Verband erst 83 Studierendenschaften an.
Lukas Pöhl, Referent der Studierendenrats für äußere Hochschulpolitik, stellte die Arbeit des FZS vor und räumte ein, dass die Kooperation mit dem Dachverband durchaus verbesserungsfähig sei, was jedoch auch vom Engagement des Studierendenrats abhänge. Auf der letzten Mitgliederversammlung hatte die hallische Delegation einen Antrag mit dem Titel „80 Jahre Befreiung – auch an den Hochschulen!“ erfolgreich zur Abstimmung gestellt. Zudem wurde Yujin Bohnsack in den Kassenprüfungsausschuss des FZS gewählt. Im „Ausschuss der Student*innenschaften“, der die kontinuierliche Arbeit zwischen den Mitgliederversammlungen übernimmt, sind ostdeutsche Unis jedoch nicht vertreten: sechs kommen aus Westdeutschland und vier aus Bayern.
Verfassungswidrig?
Für die LHG begründete Jobst Poggenklaas, warum ein Austritt aus dem FZS geboten sei. Der Verband äußere sich zu allerlei politischen Themen, die über das Mandat von Studierendenschaften hinausgingen. Der Studierendenrat sei an die Aufgaben gebunden, die das Landeshochschulgesetz vorgibt. Dass Studenten zumindest für ein Semester lang verpflichtend Mitglied seien, stelle einen Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit nach Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes dar, der nur mit der Wahrnehmung spezifischer Interessen dieser Gruppe zu rechtfertigen sei. Daher verstoße eine allgemeinpolitische Betätigung nicht nur gegen Landesrecht, sondern sei auch verfassungsrechtlich verboten. Dazu berief sich Jobst auf ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin sowie einen Kommentar zum Hochschulrahmengesetz des Bundes, das bis 2005 galt. Denn die damaligen Formulierungen zu den Aufgaben der Studierendenschaft seien weitgehend in verschiedene Landeshochschulgesetze übernommen worden.

Lukas entgegnete, dass der FZS von Bundes- und Landespolitikern als legitimer Gesprächspartner anerkannt sei. Wäre er verfassungswidrig, könnte so eine Zusammenarbeit wohl kaum stattfinden.
Die politischen Fronten waren erkennbar verhärtet, so dass der Studierendenrat sich mehrheitlich für einen Abbruch der Debatte entschied. Eine längere Diskussion hätte wohl niemanden von seiner Meinung abgebracht. Auf Antrag von Jobst stimmte das Gremium namentlich über den Austritt aus dem FZS ab. Das Ergebnis war eindeutig: Nur die fünf Mitglieder der LHG wollten den studentischen Dachverband verlassen.
In welcher Breite die verfassten Studierendenschaften sich politisch betätigen sollen und dürfen, ist seit ihren ersten Gründungen vor über 100 Jahren immer wieder umstritten. Liberale und konservative Gruppen, die in den Gremien regelmäßig in der Minderheit sind, lehnen ein allgemeinpolitisches Mandat ab, wobei sie auf die Pflichtmitgliedschaft oder auch niedrige Wahlbeteiligungen verweisen. Linke Hochschulgruppen argumentieren, dass sich Hochschul- und Allgemeinpolitik nicht klar voneinander abgrenzen ließen. Immerhin gehörten etwa die politische Bildung sowie das Eintreten für Grund- und Menschenrechte ebenfalls zu den Aufgaben der Studierendenschaften. Zudem stünden Studenten nicht außerhalb der Gesellschaft und seien in vielfältiger Weise von politischen Entscheidungen betroffen.
Legitime Aufgaben?
Mit vermeintlich unzulässiger allgemeinpolitischer Tätigkeit begründeten die Liberalen auch ihre weiteren Anträge zur Auflösung der Arbeitskreise Protest und Zivilklausel.
Im Herbst 2012 als Organisationsteam für studentische Proteste gegen Kürzungen an der Universität ins Leben gerufen, beteiligte sich der Arbeitskreis Protest in den letzten Jahren hauptsächlich an diversen Demonstrationen. Als Beispiel nannte die LHG eine Kundgebung gegen einen Bundestagsbeschluss von CDU/CSU, FDP und AfD, dessen Inhalt nicht erkennbar mit Hochschulpolitik zu tun habe. Zu Protesten mit allgemeinpolitischen Themen sei der Studierendenrat grundsätzlich nicht befugt. „Dem Ziel der Förderung politischer Bildung, des staatsbürgerlichen Verantwortungsbewusstseins und der Bereitschaft der Mitglieder zur aktiven Toleranz sowie zum Eintreten für die Grund- und Menschenrechte werden z. B. Informationsangebote und Veranstaltungen gerecht, in denen unterschiedliche Positionen zu Wort kommen können. Eine Demonstration fällt ohne Zweifel nicht unter diese Aufzählung.“
Mehrheit unterstützt politische Ausrichtung
Außerdem lege der Arbeitskreis trotz wiederholter Mahnungen nur sehr selten Berichte vor und sei zu keiner Sprechstunde erschienen. An einem verpflichtenden Finanzworkshop habe niemand teilgenommen, und nachdem ein Mitglied des Studierendenrats Einsicht in Protokolle nehmen wollte, wurden diese nie vorgelegt. „Da der AK Protest vorsätzlich gegen die Geschäftsordnung des Studierendenrates verstößt und dies trotz Anerkennung der Missachtung von Berichts- und Anwesenheitspflichten vorsätzlich weitergeführt wird, ist eine Auflösung des Arbeitskreises unumgänglich“, begründet die LHG im Antrag ihre Haltung.
2013 wurde der Arbeitskreis Zivilklausel gegründet. Sein Ziel war, die Hochschulforschung rein zivil auszurichten und eine entsprechende Selbstverpflichtung der Universität zu diskutieren und durchzusetzen. Dagegen bemängelte die LHG, „dass die inhaltliche Arbeit nahezu vollständig auf außen- und geopolitische Themen konzentriert ist, die keinerlei Bezug zur Zivilklausel oder zur Hochschulpolitik erkennen lassen.“ Auf Instagram äußere sich der Arbeitskreis etwa zur „kurdisch-
demokratischen Bewegung“, fordere „Freiheit für die Westsahara“ und stelle sich „[g]egen die iranische Diktatur.“ Besonders problematisch findet die LHG, dass für Druckmaterialien zu solchen Themen auch Geld der Studierendenschaft ausgegeben wurde. Inhaltlich sind die Liberalen jedoch auch gegen das Kernziel des Arbeitskreises, denn es sei „in Anbetracht der aktuellen weltpolitischen Lage unverantwortlich, weiterhin an einer Zivilklausel festzuhalten oder pauschal bundeswehrfeindliche Rhetorik zu verbreiten.“
Von beiden Arbeitskreisen war jeweils ein Vertreter anwesend. Für den AK Protest erklärte Clemens Wagner, dass der Arbeitskreis „personell nicht gut aufgestellt“ sei und daher seinen Pflichten nicht mehr nachkommen könne. Bald jedoch sollten die Sprecherpositionen im Arbeitskreis neu besetzt werden. Die breiter aufgestellten Aktivitäten des Arbeitskreises seien vom Studierendenrat abgesegnet worden und daher legitim. Laut Lukas Wanke vom AK Zivilklausel war die Debatte um die Selbstverpflichtung der Universität bereits 2015 „weitgehend ausdiskutiert“. Heute befasse sich der Arbeitskreis mit Themen zu Krieg und Frieden und den zivil-militärischen Verhältnissen in der Gesellschaft. Dieses „weitere Selbstverständnis“ habe der Studierendenrat auch gebilligt.
Die Gegenargumente überzeugten Jobst nicht. Über geltendes Recht könne sich der Studierendenrat nicht hinwegsetzen. Doch auch die LHG-Anträge zur Auflösung der beiden Arbeitskreise wurden ohne lange Debatte abgelehnt. In einer letzten Wortmeldung kündigte Jobst an, die Sache vom Justitiariat der Universität prüfen zu lassen. Dabei handelt es sich um eine Stabsstelle der Verwaltung, die Universitätsuntergliederungen und Mitarbeiter in Rechtsangelegenheiten der Hochschule berät.
Text und Illustration: Konrad Dieterich
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