Frauen an Universitäten: Was heu­te nor­mal scheint, war vor 100 Jahren noch eine Seltenheit. Studieren war damals fast aus­schließ­lich Männersache. Doch die Frauenrechtsbewegung hat einen lan­gen Weg hin­ter sich und hat dabei eini­ge Hindernisse über­wun­den, bis auch Frauen an der MLU zuge­las­sen wurden.

Heutzutage kämp­fen Frauen gegen Alltagssexismus und Gleichberechtigung am Arbeitsplatz, frü­her dafür, dass sie über­haupt Bildung erfah­ren dür­fen: Auf der schier end­los lan­ge Liste, was Frauen zu Anfang des letz­ten Jahrhunderts – also vor ein wenig mehr als 100 Jahren – noch nicht durf­ten, sind Wählen gehen, Bankkonten eröff­nen oder Autofahren, ja sogar das Tragen von Hosenanzügen (seit den 1960er Jahren gesell­schafts­kon­form) nur eini­ge Frauenrechte, die im 21. Jahrhundert kaum weg­zu­den­ken sind. Doch kom­men auch die nicht von irgend­wo. Frauen sind für sich und zukünf­ti­ge Generationen auf­ge­stan­den und haben sich die­se Rechte müh­sam erkämpft. So war das weib­li­che Geschlecht bis dato auch aka­de­misch noch außen vor. Doch im Kampf um das Frauenstudium sei die Martin-Luther-Universität ein Vorreiter, so Dr. Michael Ruprecht, Direktor des Leipziger Stadtarchivs und ehe­ma­li­ger Leiter des Archivs der MLU.

Illustration: Esther Wetzel
Der Anfang des Frauenstudiums in Halle

Von der Gründung der Universität Wittenberg 1502 und der Gründung der Friedrichs-Universität zu Halle 1694 (erst 1933 wur­den die Universitäten unter dem Namen „Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg“ zusam­men­ge­legt) dau­er­te es noch eini­ge Jahrzehnte, bis der ers­te Meilenstein in der hal­li­schen Geschichte des Frauenstudiums gelegt wur­de. Voraussetzung dafür war eine Bildungsreform Anfang des 18. Jahrhunderts, die Frauen ermög­lich­te, das Schreiben und Lesen zu ler­nen, solan­ge ihr Vater oder Ehemann damit ein­ver­stan­den war. So kommt es 1733 dazu, dass erst­mals eine Frau den kai­ser­li­chen Literaturpreis der poe­ti­schen Dichterkrone von der Universität Wittenberg ver­lie­hen bekam: Christiana Mariana von Ziegler. Diese Entscheidung stößt in der Gesellschaft auf viel Kritik, die sich in Schmähschriften von [männ­li­chen] Studenten äußer­te, sagt Ruprecht. Trotz der kri­ti­schen Worte lässt sich die Frauenbewegung nicht auf­hal­ten, und so wird 1751 das ers­te in sich geschlos­se­ne phi­lo­so­phi­sche Werk einer Frau publi­ziert: „Grundriß einer Weltweißheit für das Frauenzimmer“, geschrie­ben von der Hallenserin Johanna Charlotte Unzer.

Daraufhin ermög­licht die Friedrichs-Universität zu Halle nur drei Jahre spä­ter der bereits prak­ti­zie­ren­den Ärztin Dorothea Christiana Erxleben etwas, das dem Frauenstudium vie­le Türen öff­nen soll­te: Die Universität erlaubt Erxleben im Bereich Medizin zu pro­mo­vie­ren, um damit den Doktor der „Arzeneygelahrtheit“ zu erhal­ten. Dies aller­dings nur unter der Voraussetzung, dass der dama­li­ge König (Friedrich XI von Preußen) es per­sön­lich geneh­migt. So ver­tei­digt Erxleben 1754, als ers­te Frau im deutsch­spra­chi­gem Raum, ihre Doktor­arbeit zum Thema: „Academische Abhandlung von der gar zu geschwin­den und ange­neh­men, aber des­we­gen öfters unsi­che­ren Heilung der Krankheiten“.

Für die nächs­ten 150 Jahre bleibt die Dissertation Erxlebens das größ­te Ereignis in der Geschichte des Frauenstudiums, bis Ende des 19. Jahrhunderts ein Schreiben mit fol­gen­der Forderung bei der Universität zu Halle ein­geht: Hildegard Wegschneider, die 1895 als ers­te Frau das preu­ßi­sche Abitur abschloss, möch­te eine Zulassung für ein Studium an der Universität zu Halle erhal­ten. Im glei­chen Jahr noch erhält Wegschneider eine Gasthörerinnenschaft und ist damit die ers­te Frau, die offi­zi­el­le Vorlesungen in Halle besu­chen darf. Mit die­ser Handlung lässt der dama­li­ge Rektor Franz von Liszt ohne Zustimmung des preu­ßi­schen Kultusministeriums Frauen an sei­ner Universität als Gasthörerinnen zu. Dieses Angebot neh­men nur vier Jahre spä­ter bereits 80 wiss­be­gie­ri­ge Fr­auen wahr, dar­un­ter auch die Schwester Wegschneiders.

Um aber als Gasthörerin zuge­las­sen zu wer­den, müs­sen die inter­es­sier­ten Frauen in den dar­auf­fol­gen­den Jahren einen Nachweis über sitt­li­ches Verhalten und Sondergenehmigungen der Dozenten, des Rektors und des zustän­di­gen Ministeriums ein­rei­chen. Der 1909 gegrün­de­te hal­li­sche Frauenbildungsverein ermög­licht Frauen der­weil, sich für das Studium an der Universität zu qua­li­fi­zie­ren, da ein Abschluss der Mädchenschule oft­mals nicht aus­rei­chend ist.

Zudem lässt die Universität zu Halle ab 1900 Frauen mit Abitur als Gasthörerin an der Medizinischen Fakultät zu und ist somit die ers­te Universität im deut­schen Reich, an der Frauen das medi­zi­ni­sche und phar­ma­zeu­ti­sche Examen able­gen können.

Das Immatrikulationsrecht
Illustration: Esther Wetzel

Das 20. Jahrhundert hat­te es dann in sich: Ab 1908 dür­fen sich – auf Grundlage eines Erlasses des preu­ßi­schen Kultusministers – Frauen offi­zi­ell an Hochschulen und Universitäten imma­tri­ku­lie­ren. Es gilt aller­dings ein ein­ge­schränk­tes Immatrikulationsrecht, das Frauen von juris­ti­schen und theo­lo­gi­schen Berufen aus­schließt. Als ers­te Frau im Wintersemester 1908/09 schreibt sich trotz des­sen Getrud Küster an der Universität zu Halle ein und kann in die­sem Jahr zusam­men mit 21 wei­te­ren Studentinnen zum ers­ten Mal in der deut­schen Geschichte offi­zi­ell die Universität besu­chen, einen aka­de­mi­schen Abschluss errei­chen und in der Wissenschaft arbei­ten. Zeitgleich sind cir­ca 2500 [männ­li­che] Studenten in Halle ein­ge­schrie­ben, sodass die 21 weib­li­chen Studentinnen in Halle einen pro­zen­tua­len Anteil von nicht ein­mal einem Prozent ein­neh­men. In ganz Deutschland ergrei­fen 1469 Frauen ihr neu­es Recht, sodass letzt­lich an der Universität Halle im Jahr 1908 mehr Männer stu­die­ren, als Frauen in ganz Deutschland zusam­men. Ab 1914 sind über 100 Studentinnen an der Universität Halle imma­tri­ku­liert. 1920 wird das Habilitationsrecht für pro­mo­vier­te Frauen ein­ge­führt, und seit 1985 sieht eine Änderung des Hochschulrahmengesetzes vor, dass Hochschulen auf die Beseitigung der Nachteile gegen­über Wissenschaftlerinnen hin­wir­ken müssen.

Eine neue Ära des Frauenstudiums

Der Widerstand gegen Frauen als Studentinnen, Professorinnen und Wissenschaftlerinnen war immens, und ins­be­son­de­re die kon­ser­va­ti­ve Gesellschaft tat sich mit dem Wandel schwer. Doch haben es Frauen über die Jahrhunderte hin­weg so weit geschafft, sich nicht von ihrer gesell­schaft­lich bestimm­ten geschlechts­spe­zi­fi­schen Rolle unter­drü­cken zu las­sen, und sich damit das Recht des Studierens erkämpft. Und es hat sich aus­ge­zahlt. Zwar bestehen noch immer Probleme, wie Geschlechterdiskriminierung am Arbeitsplatz oder gar sexu­el­le Belästigung, die an die­ser Stelle kei­nes­falls klein­ge­re­det wer­den sol­len, doch schaut man sich die Zahlen der Student:innen an der Universität Halle-Wittenberg in den letz­ten Jahren an, sieht man fol­gen­des: Im Wintersemester 2019/20 ord­nen sich von den ins­ge­samt 20 885 Immatrikulierten 56,5 Prozent (11 797) dem weib­li­chen Geschlecht zu. Der Anteil der Studentinnen liegt all­ge­mein in den letz­ten Jahren kon­stant bei cir­ca der Hälfte aller Student:innen. Das heißt, zumin­dest bei den Zulassungen an der Universität schei­nen Geschlechter mitt­ler­wei­le gleich­be­rech­tigt zu sein.

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