Das Testen von Lerninhalten ist eine der effek­tivs­ten Lernstrategien, um Informationen im Gedächtnis zu behal­ten. Es hat sich aber her­aus­ge­stellt, dass Studierende meis­tens sehr inef­fek­ti­ve Lernmethoden, zum Beispiel Markieren, Wiederholen oder noch­ma­li­ges Lesen, zum Lernen nut­zen. Wie Studierende der MLU pau­ken, erforscht aktu­ell eine Arbeitsgruppe aus Psychologen der Abteilung Entwicklungspsychologie. Ein Gastbeitrag.

Das Studentenleben stellt uns täg­lich vor vie­le Herausforderungen, doch nicht auf alle ist man nach dem Abi opti­mal vor­be­rei­tet: Da muss hier noch ein BAföG-Antrag gestellt, da noch eine Hausarbeit geschrie­ben wer­den, und dann wären da noch die­se Prüfungen.

Lernen, wann haben wir das denn mal wirk­lich gelernt? In der Schule hat man höchs­tens ein­mal getes­tet, ob man ein visu­el­ler oder audi­tiver Lerntyp ist. Aber nie­mand hat es sich zur Aufgabe gemacht, einem näher­zu­brin­gen, was den eher unge­lieb­ten Teil des sonst so schö­nen Studentenlebens in Anspruch nimmt, näm­lich: Wie bekom­me ich das Wissen in mei­nen Kopf – und kann es lang­fris­tig dort behal­ten? Die Antwort lau­tet: Durch Lernstrategien, wel­che den Prozess des Lernens maß­geb­lich beeinflussen.

Was sind Lernstrategien?

Lernstrategien sind Handlungspläne, die dazu die­nen, ein Lernziel zu errei­chen. Sie steu­ern also das Vorgehen beim Lernen, prä­zi­ser aus­ge­drückt die Aufnahme, Verarbeitung, Speicherung und Wiedergabe von Informationen. Eine gan­ze Reihe von Faktoren beein­flusst die Wirksamkeit von Lernstrategien: indi­vi­du­el­le Lernvoraussetzungen wie Intelligenz,
Vorwissen, Lernstile und Motivation; vor­han­de­ne Ressourcen wie Lernpartner, Lehrbücher und Zeit, aber auch das Prüfungsformat und nicht zuletzt das Lernmaterial selbst. Um den bei jedem Menschen ein­zig­ar­ti­gen Prozess des Lernens zu erfor­schen, haben Psychologen der MLU eine Fragebogenstudie durch­ge­führt, in wel­cher stu­den­ti­sche Lernstrategien erho­ben wurden.

Die Aussagen der rund 200 Studierenden lie­ßen sich zwölf Lernstrategien zuord­nen. Am häu­figs­ten wur­den dabei das noch­ma­li­ge Lesen, Zusammenfassen, Wiedergeben, Karteikarten schrei­ben oder Markieren genannt. Jeder von uns fin­det sich wohl in einer oder meh­re­rer die­ser Strategien wie­der, was nichts Spektakuläres ist, weil die meis­ten Menschen ver­schie­de­ne Methoden kom­bi­nie­ren. Aber wenn man sich die Effektivität die­ser prä­fe­rier­ten Strategien anschaut, ist fest­zu­stel­len, dass über­wie­gend inef­fek­ti­ve Methoden wie das noch­ma­li­ge Lesen genutzt werden. 

In einer Studie wur­den das test­ba­sier­te Lernen und das noch­ma­li­ge Lesen gegen­über­ge­stellt und die Abrufleistung ver­gli­chen. Dabei soll­ten die Teilnehmer der Studie einen Text ler­nen, wel­cher in ver­schie­de­ne Passagen ein­ge­teilt wur­de. Konkret sah das dann so aus, dass ein bereits gele­se­ner Text ent­we­der noch­mals gele­sen wer­den oder man sich tes­ten soll­te. In der Testbedingung wur­den die ein­zel­nen Passagen-Überschriften genannt, und die Probanden soll­ten aktiv aus dem Gedächtnis das abru­fen, an was sie sich noch erin­nern konn­ten. In dem fina­len Test zeig­te sich, dass die Teilnehmer der Testbedingung zwar nach fünf Minuten etwas weni­ger erin­ner­ten als die Teilnehmer der ande­ren Bedingung. Nach einem Intervall von zwei Tagen bezie­hungs­wei­se einer Woche, als die Teilnehmer noch­mal den Inhalt des Textes abru­fen soll­ten, zeig­ten sich aller­dings kla­re Vorteile in der Test-Gruppe: Die Teilnehmer erin­ner­ten sich an 15 Prozent mehr als die Probanden aus der Lesebedingung. 

Da die­ser Effekt des Testens sich auch in zahl­rei­chen wei­te­ren Studien gegen­über ande­ren Lernstrategien auf die­se Weise als über­le­gen zeigt, nennt man die­ses Phänomen in der Wissenschaft auch den Testing Effect.

Durch die­se expe­ri­men­tal­psy­cho­lo­gi­schen Studien kann man als Lernender eine kla­re Schlussfolgerung zie­hen: Das test­ba­sier­te Lernen ist für ver­schie­de­ne Studienfächer und Lernmaterialien ande­ren Strategien gegen­über über­le­gen. Denn dabei wer­den unter ande­rem Lerninhalte län­ger behal­ten, Lücken im Wissen schnel­ler iden­ti­fi­ziert und Informationen bes­ser in einen neu­en Kontext über­tra­gen. Vieles des Gelernten nach einer gewis­sen Zeit zu ver­ges­sen bedeu­tet hin­ge­gen, dass man kei­ne adäqua­ten Lernstrategien verwendet. 

Illustration: Emilia Peters
Wieso, weshalb, warum

Natürlich hat man in der Fragebogenerhebung an der MLU nicht nur her­aus­ge­fun­den, wie inef­fi­zi­ent Studierende ler­nen. Auch effek­ti­ve Strategien, wie das test­ba­sier­te Lernen an viert­häu­figs­ter Stelle, wur­den unter den Studierenden benannt. Diese Strategie umfasst jede Form des Testens, das den akti­ven Abruf zuvor enko­dier­ter Informationen übt. Es kann daher auch als Abruf oder »Erinnern üben« ver­stan­den wer­den und ist ver­gleich­bar mit einer ech­ten Testsituation, in wel­cher auf das Lernmaterial nicht mehr zurück­ge­grif­fen wer­den kann. 

Der Begriff »Test« ist hier­bei sehr weit gefasst. Es bedarf nicht not­wen­di­ger­wei­se vor­ge­fer­tig­ter Tests wie Altklausuren oder Übungsaufgaben. So kann zum Beispiel ein Lernender bei der Texterschließung nach jedem Abschnitt die Instruktion an sich selbst rich­ten: »Schreibe drei zen­tra­le Begriffe des Abschnitts oder dar­auf bezo­ge­ne Fragen auf.« Dadurch über­prüft bezie­hungs­wei­se »tes­tet« er sein Textverständnis und Erinnerungsvermögen. Die Anwendung ist also sehr fle­xi­bel und stellt damit einen wei­te­ren Vorteil dar: Es kann fremd- (zum Beispiel sich Abfragen las­sen) oder selbst­ge­steu­ert (zum Beispiel mit­tels Karteikarten) erfol­gen, schrift­lich oder münd­lich, allein, zu zweit oder in der Gruppe. Zudem kann die Art und Weise des Testens sehr unter­schied­lich in offe­nen und Multiple-Choice-Fragen oder Zuordnungsaufgaben gestal­tet sein.

Einziger Nachteil: »No pain, no gain«. Denn das Testen des Lernmaterials bedarf mehr kogni­ti­ven und geis­ti­gen Aufwandes, als ein­fach ein paar Textpassagen zu lesen und zu mar­kie­ren. Zudem braucht die Änderung der Lerngewohnheiten – das gilt für Routinen im Allgemeinen – Zeit, bis die Vorgehensweise aus­rei­chend ver­in­ner­licht ist und sich ihre Wirksamkeit voll aus­schöp­fen lässt. Zeit, die ins­be­son­de­re wäh­rend der Prüfungsvorbereitung rar ist. Wurden Lernroutinen über vie­le Jahre ent­wi­ckelt und ver­in­ner­licht, ist die Hemmschwelle hoch, Veränderungen vor­zu­neh­men. Es kann den­noch auch in spä­te­ren Phasen der Ausbildung sinn­voll sein, sein Lernverhalten zu reflek­tie­ren und test­ba­sier­tes
Lernen in die­ses zu inte­grie­ren. Auch des­halb, da die Lerninhalte gefes­tig­ter sind und die Wahrscheinlichkeit, die­se zu spä­te­ren Zeitpunkten wie­der zu ver­ges­sen, ver­rin­gert ist. Und wer fin­det das nicht erstrebenswert?

»TELL«
… steht für Testbasiertes Lehren und Lernen. Als Studierende® der Universität Halle hast Du die Möglichkeit, an einem Training teil­zu­neh­men. Dieses ist kos­ten­los, dau­ert unge­fähr eine Stunde und zeigt Dir Möglichkeiten auf, test­ba­sier­tes Lernen in Dein Lernverhalten zu inte­grie­ren. Zugleich hilfst Du der Arbeitsgruppe bei der wei­te­ren Forschung.
Interessiert? Dann mel­de Dich bei dem Projektverantwortlichen Fabian Jobst: fabi­an [dot] jobst [at] psych [dot] uni-hal­le [dot] de

Text: Laura Barleben, Diplom-Psychologe Fabian Jobst
Co-Autor: Dr. Alp Aslan 

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