Für Forschungsinteressierte und die Einwohner:innen von Halle hat die lange Warterei ein Ende gefunden. Knapp zehn Jahre nachdem die Saalestadt den Verlust von zwei Kulturstätten verkraften musste, kann man nun einen Kompromiss dieser beiden besuchen. Das neu erbaute Planetarium ist nicht nur für unsere Stadt, sondern sogar für Sachsen-Anhalt und auch ganz Europa eine kulturelle Bereicherung.
Ein alter Stern erleuchtet in neuem Licht
Ende März 2023 wurde der Stadt Halle die Möglichkeit eröffnet, unserer Galaxie ein Stück näher zu kommen. Das Team des Planetariums hielt daher ein mehrtägiges Eröffnungsprogramm ab, zu dem Bürgermeister Egbert Geier nicht nur die Hallenser:innen herzlich einlud, sondern auch Gäste aus ganz Deutschland ansprach. In seiner Rede bezeichnete er das Planetarium als „Zentrum eines neuen, attraktiven Quartiers, eines Naherholungs‑, Kultur- und Bildungskosmos“. Der Planetariumsleiter Dirk Schlesier erklärte es als „einen Ort für erlebnisreiche Wissensvermittlung und astronomische Lehre, aber auch ein besonderer Raum für Kultur und Begegnung“.
Von der Ruine zum Sternentempel
Natürlich hat das neue Planetarium durch das Licht, in welches es gestellt wird, einen besonderen Wert erhalten. Die Adresse Holzplatz 5 könnte für Interessenten der Stadtgeschichte bereits bekannt sein, da genau an diesem Standpunkt der Gasometer der Stadt Halle stand. Es wurde in dem Zeitraum von 1889 bis 1905 erbaut. Nachdem es bis 1972 als städtisches Gaswerk diente, wurde es saniert und als denkmalgeschützte Ruine eingestuft. Dies eröffnete die Möglichkeit, die Räumlichkeit weiterhin zu nutzen, um dort zu vereinbarten Terminen Veranstaltungen, wie Theateraufführungen und Konzerte, abhalten zu können.
Allerdings macht das Wasser auch vor den schönsten Dingen nicht Halt. Die Schäden an dem Gasometer, die durch das Hochwasser im Jahr 2013 verursacht wurden, waren irreversibel. Die Stadt Halle bedauerte allerdings nicht nur diesen Verlust. Auch das Raumflug-Planetarium „Sigmund-Jähn“ auf der Peißnitzinsel war von den Folgen betroffen. Diese Kulturstätte wurde am 10. November 1978 eröffnet und nach dem ersten deutschen Kosmonauten, Sigmund Jähn, benannt wurde. Der Schriftzug „Raumflug-Planetarium“ ist als einziges Andenken erhalten geblieben. Das Landesverwaltungsamt sah allerdings davon ab, beiden Projekten die Gelder zu stellen, die für einen Wiederaufbau benötigt wurden. Deshalb wurde entschieden, dass die Fluthilfemittel von Bund und Land im Wert von 21 Millionen Euro in den Bau eines neuen Planetariums an dem Standort des alten Gasometers investiert werden. Im Jahr 2018 wurde nach langen Verhandlungen und immer wieder verschobenen Terminen das Planetarium auf der Peißnitzinsel abgerissen. Bei der Beseitigung des alten Planetariums fühlten sich mehrere Initiativen übergangen, da sie sich über die Jahre für die Rettung des Gebäudekomplexes eingesetzt hatten. Die Stadtratsfraktionen bezeichnet die Durchführung des Abrisses als „Missverständnis“, da sie selbst keinen Abriss gefordert haben, sondern lediglich nicht die Finanzierung für beide Projekte tragen wollte. Diese Aussage ist jedoch in den Augen der Verfechter:innen, die den Erhalt der Planetariumsruine befürworteten, keine Rechtfertigung für die schlussendliche Durchführung des Abrisses. Nachdem die Vertreter:innen der Initiativen vor vollendete Tatsachen gestellt wurden, muss man sich selbst eingestehen, dass keine Worte des Stadtrates die gefallenen Steine der Planetariumsruine wieder zu stehenden Mauern hätte verbinden können.
Der neue Stern der Stadt
Das neue Planetarium weist mit einer Höhe von 16 Metern und einem Durchmesser von 30 Metern eine beeindruckende Größe auf. Die Ausstellung verteilt sich auf drei Etagen. Nach dem Haupteingang betritt man das Foyer, welches mit historischer, als auch moderner Architektur glänzt. In diesem befindet sich zudem der Zugang zum Kuppelsaal und dem Sternencafé. Zusätzlich führen zwei Treppen und ein Fahrstuhl in das Obergeschoss, in welchen man die Büroräume, den unscheinbaren “Kopf” des Planetariums, finden kann. Hier werden die Veranstaltungen durch die Mitarbeiter:innen geplant und koordiniert. Des Weiteren stellt das Planetarium zwei Veranstaltungsräume, sowie ein kleines Technikstudio zur Verfügung, um dort Tagungen und Workshops abzuhalten. Hierbei hat man die Möglichkeit, selbst eine multimediale Produktion auf die Beine zu stellen. Eine weitere Treppe führt nun zum atemberaubendsten Ort, welchen die Kulturstätte zu bieten hat: die 200m² große Dachterrasse. Allerdings ist dieser Anblick der breiten Öffentlichkeit verwehrt, da sich dort die zwei Teleskope des Planetariums befinden. Diese können nur von Personen mit dem nötigen Fachwissen benutzt werden.
Zu Ehren der Vergangenheit
Weiterhin gibt es noch zwei Besonderheiten bei der Gestaltung des neuen Sternentempels. Damit die weit über die Stadtgrenzen hinaus reichende Geschichte des alten Planetariums nicht in Vergessenheit gerät, entschloss die Stadt Halle, den geretteten Schriftzug „Raumflug-Planetarium“ über dem neuen Haupteingang anzubringen. Außerdem wurde auf dem Betonsockel zur Verzierung das Jahresband der Sternzeichen abgebildet.
Allerdings hat die Kulturstätte noch weitere Eigenschaften vorzuweisen, welche der Ausstattung anderer Planetarien in Bezug auf ihren Bau und die Ausstattung in Sachsen-Anhalt und Europa in den Schatten stellen. Da bei dem Bau nur die modernste und leistungsfähigste Technik ausgewählt und verwendet wurde, stellt dieses Planetarium das größte in Sachsen-Anhalt und technisch modernste Planetarium in Europa dar. Dadurch bezeichnet der hallische Bürgermeister es als „eine weitere großartige und bildenden Attraktion“ der Stadt Halle.
Mein eigener Ausflug in die Galaxie
Bei meinem Besuch Anfang Mai konnte ich die versprochenen Sehenswürdigkeiten wieder finden. Für die Besucher:innen ist das Erdgeschoss zugänglich. Der Zutritt zu den Büros, bleibt allerdings auch technisch interessierten Besucher:innen verwehrt.
Schon von außen strahlt das neue Planetarium einen gewissen Charme aus, da durch die Anlehnung an das Planetarium auf der Peißnitzinsel ein Gefühl von Nostalgie aufkommt. Besonders schön ist die Gestaltung des Betonsockels gelungen. Die kunstvolle Darstellung der Sternzeichen kann man in ihrer vollen Pracht durch eine Umrundung des Gebäudes betrachten. Den Schriftzug „Raumflug-Planetarium“ als Andenken an das alte Planetarium vorweisen zu können und somit auch auf die Stadtgeschichte aufmerksam zu machen, erfüllt die Mitarbeiter:innen des neuen Planetariums mit Stolz.
Bei dem ersten Kunstwerk, das in dem Planetarium ausgestellt wird, handelt es sich um die preisgekrönte Installation “As far as the eye can see.” von Etienne Dietzel, einem hallischen Künstler. Er ordnete dafür 6000 Bücher in 25 Regalreihen an, sodass ein buntes Rechteck mit unterschiedlichen Farbschattierungen entsteht. Hat man nun Interesse an den Gründen dieser Anordnung entwickelt, bietet das Planetarium einen Vortrag im Sternensaal an, welcher einen Einblick in seine künstlerische Welt ermöglicht.
Im Erdgeschoss kann man einen kleinen Rundgang durchlaufen. Dieser hat nicht nur viele Informationen zu den Auszeichnungen des Planetariums, sowie der Raumfahrtgeschichte von Halle zu bieten, sondern präsentiert auch eindrucksvolle Kunstwerke. Am Anfang des Rundgangs steuert man geradewegs auf das Sternencafé zu. Eine Treppe führt auf die höher gelegte Sitzfläche, unter welcher sich die Ausgabe des Cafés befindet. Ein Stück entfernt steht der Zeiss RFP-DP Spacemaster, welcher nun äußerlich erneut in seiner vollen Pracht erstrahlt. Hierbei handelt es sich um den modernsten Sternprojektor aus dem Jahr 1978. Er wurde von Carl-Zeiss aus Jena erbaut. Allerdings hat auch diese Technik extremen Schaden durch das Hochwasser erlitten, wodurch er nicht mehr funktionstüchtig ist. Das Planetarium selbst bezeichnet ihn deshalb als „Zeitzeugen der Vergangenheit“. Hinter dem Sternenprojektor befindet sich eine Glasvitrine, in welcher die historischen Andenken an den Beginn der Sternenforschung und auch die Auszeichnungen ausgestellt sind, welche 2008 von der Initiative „Deutschland – Land der Ideen“ an die Astrolinos vergeben wurde. Die Astrolinos sind eine “Astronomische Arbeitsgemeinschaft für Kinder und Jugendliche” und haben sich auf ein Freizeitangebot für Kinder mit Fokus auf das Weltall und die Raumfahrt spezialisiert.
Möchte man nun nach diesem kleinen informativen Rundgang einen Vortrag besuchen, empfiehlt es sich die Karten schon vorher zu bestellen. Da das Planetarium eine neue und attraktive Sehenswürdigkeit für Halle und auch das Umland darstellt, sind die Vorträge und Vorstellungen gut besucht und schnell ausverkauft. Die Programme nehmen meist einen Zeitraum von 45 bis 60 Minuten ein und werden mehrfach am Tag abgehalten. Die Termine für die Vorstellungen in den verschiedenen Kategorien, sowie spezielle Vorträge mit Gastredner:innen oder Kinderprogramme sind in dem Programmplan auf der Internetseite oder an der Kasse einsehbar.
Ein Besuch im Planetarium ist lohnenswert, da die Gestaltung von innen sowie auch von außen der Stadt Halle sichtlich gelungen ist. Auch die Mitarbeiter:innen stehen Interessierten bei Fragen stehts zur Seite und geben den Besucher:innen gern noch zusätzliche Informationen und Erklärungen zu dem Rundgang mit. Personen aller Altersgruppen werden angesprochen und in das Erlebnis integriert.
Text und Fotos: Anna Fenzl