Deine Smartphone-Galerie kann sich vor Fotos nicht retten und du suchst einen neuen Blick auf deine Umwelt? Du magst kleine Überraschungen und möchtest einen neuen Vibe in deine Medien bringen? Dann bist du hier genau richtig! Anschließend gibt’s einen kleinen Einblick in die Welt der Analogfotografie, Tipps und Tricks für die besten Bilder und die abschließende Entwicklung.
Der erste Versuch
Für den ersten Versuch oder eine einmalige Sache bieten Müller, dm und Rossmann Einwegkameras für etwas über zehn Euro an. Diese verfügen meist über sehr simple Einstellungen und sind selbsterklärend in der Verwendung. Genau das Richtige für einen Urlaub oder um das erste Mal mit dem analogen Fotografieren in Kontakt zu kommen. Der große Vorteil: die Einwegkameras verfügen bereits über einen eingelegten Film und du musst dich nicht auf die Suche nach den zurzeit sehr begehrten Rollen machen. Der Nachteil: ihre Einstellungen sind, wie beschrieben, stark vereinfacht und somit etwas einschränkend im Experiment mit Licht und Bilddesign. Zudem sind sie unökologisch und auf lange Sicht teurer als ein wiederverwendbares Modell.
Blut geleckt? Was du brauchst und wo du es bekommst
1. Kamera: Da der Charme des analogen Fotografierens mittlerweile auch wieder unser kapitalistisches System erreicht hat, kannst du bei Betrieben wie zum Beispiel Saturn oder Amazon neuproduzierte Geräte in allen möglichen Varianten kaufen. Wenn du es aber lieber traditionell magst und etwas mehr auf Überraschungen stehst, ist eBay-Kleinanzeigen empfehlenswert. Hier tauchen täglich verschiedene Modelle gebrauchter Analogkameras in allen Preisklassen auf. Auch bei Oma und Opa beziehungsweise den eigenen Eltern zu fragen, schadet nicht – oft findet sich im Keller oder auf dem Dachboden eine schöne Kamera, die längere Zeit in Vergessenheit geraten ist.
2. Batterien: Je nachdem, für welches Modell von Kamera du dich entscheidest, benötigst du gegebenenfalls ein bis zwei entsprechende Batterien oder Akkus. Am besten, du fragst das Vorbesitzy, welcher Typ Batterie benötig wird und schaust, ob du diese organisiert bekommst. Mittlerweile werden Batterien wieder extra für analoge Kameras angefertigt und lassen sich zum Beispiel bei Müller finden. Der Preis für eine dieser Sonderbatterien kann bei bis zu zehn Euro liegen, dafür haben sie aber eine lange Lebensdauer.
3. Filme: Sehr solide Farbfilme produziert Kodak, hier kannst du dich an der Standardvariante mit einer ISO 200 oder auch den Spezialfilmen ISO 100 oder ISO 400 ausprobieren. Bei der Filmsuche empfiehlt es sich aktuell, verschiedene Drogeriemärkte abzuklappern oder Verwandtschaft auf dem Land einzuschalten, da Filialen in der Stadt schnell ausverkauft sind. Die Kodakfilme wurden über die Coronazeit nicht produziert, so kam es zu einem Engpass, der auch heute noch deutlich zu spüren ist. Eine eBay-Suche zeigt, dass die Filme teilweise zum drei- oder vierfachen Preis angeboten werden. Ein Dreierpack Kodakfilme mit einer ISO 200 kostet in den Drogerien um die zehn Euro, Einzelfarbfilme wie auch schwarz-weiß-Filme meist um die sechs Euro.
4. Entwickly deines Vertrauens: Viele Drogerien bieten die Möglichkeit, Filme einzuwerfen und in verschiedenen Varianten entwickeln zu lassen. Da die Entwicklung maschinell geschieht, kann es passieren, dass einzelne Fotos nicht erkannt oder falsch geschnitten werden. Wer also auf Nummer sicher gehen will, bezahlt ein, zwei Euro mehr und sucht sich ein lokales Geschäft mit eigenem Entwicklungsraum. Besonders anschaulich sind deine Abzüge in matt statt glatt, das kostet mitunter aber etwas mehr. Die Entwicklung dauert teilweise bis zu zwei Wochen, dann kannst du deine Schnappschüsse bestaunen und gegen Vorlage des Personalausweises oder eines Abholscheins mit nach Hause nehmen.
Für die absoluten Profis
Jede Kamera hat ihren eigenen Stil, manchmal lohnt es sich, ein paar Modelle auszuprobieren und situativ zu benutzen. Wenn du jetzt immer noch nicht genug hat, kannst du deine Filme auch selbst entwickeln. Dafür bedarf es aber weiterer Anschaffungen, Platz und Begeisterung am Experimentieren mit Chemikalien. Oder man schaut beim Eigenbaukombinat vorbei, dort gibt es einen Entwicklungsraum, der von Mitgliedern genutzt werden kann.
Wichtige Tipps allgemein:
- Schreib dir bei einer neuen Kamera und dem ersten Film auf, welche Einstellungen du bei welchem Foto verwendet hast. Damit kannst du nach der Entwicklung nachvollziehen, was gut funktioniert hat und wie die Bilder gelingen.
- Lass dir Zeit und hab Spaß am Ausprobieren. Jede Entwicklung hat einen wundervollen Wow-Effekt und man behält die vergangenen Momente andächtig in Erinnerung.
- Grundsätzlich gilt, je höher der ISO-Wert, desto schlechter dürfen die Lichtverhältnisse sein. Jedoch verändert der ISO-Wert auch die Körnung und bringt je nach Verwendung unterschiedliche Stile hervor.
- Mach dir vor dem Entwickeln bewusst, wie du deine Fotos nutzen möchtest. Abzüge machen sich gut im Fotoalbum, alternativ gibt es auch die Möglichkeit, deine Bilder digital entwickeln zulassen. Dann kannst du sie zunächst begutachten und anschließend sogar bearbeiten und hochlanden.
- Hat deine Kamera keine Modi zur Lichteinstellung, empfiehlt es sich, zu Beginn dein Handy dabei zu haben. Mit Hilfe von verschiedenen Apps wie beispielsweise ExpoCalc oder FotometerPro kannst du die Belichtungszeit und die Lichtintensität bestimmen. Diese Einstellungen kannst du dann auf deine analoge Kamera übertragen und sicherstellen, dass deine Fotos richtig belichtet und scharf entwickelt werden.
Viel Freude beim Ausprobieren!
Welche Erfahrungen hast du gemacht?
Der Umgang mit der eigenen Kamera, Missgeschicke und die Ursprungsmotivation können sich von Mensch zu Mensch stark unterscheiden. Anschließend geben zwei Redakteurys der Hastuzeit einen kurzen Einblick in ihren persönlichen Stil des analogen Fotografierens.
Persönlicher Erfahrungsbericht von Marlene
Warum machen wir das Ganze? Warum laufen wir mit extra Filmrollen in der eh schon zu voller Tasche herum, statt unser Handy in jedem Augenblick zu zücken, der uns wertvoll genug erscheint, festgehalten zu werden?
Ganz klar ist analoge Fotografie an einigen Stellen etwas einschränkend, etwas weniger Mainstream und zwingt uns heutige, durch Social Media geprägte Gewohnheiten zu verlassen. Das Foto von der perfekten Açai-Bowl aus dem schicken Restaurant um die Ecke kann nicht eben auf Instagram hochgeladen, die besten Freunde können nicht schnell verlinkt werden und auch das aufwendige Facetuning in der App, das wir alle sowieso nicht zugeben würden zu machen, fällt weg. Also wieso das Ganze?
Ich würde lügen, wenn ich behaupten würde, dass der Nostalgie-Faktor für mich keine Rolle spielt. Die Chance, dass meine zukünftigen Enkel:innen in einigen Jahrzehnten analoge Fotos auf meinem Dachboden finden und mich zu diesen ausfragen – wie auch ich es bei meinen Großeltern gemacht habe – gibt mir ein warmes Gefühl der Nostalgie, das ich ehrlicherweise nicht missen möchte. Fotos leben von den Geschichten, die sie erzählen, den Landschaften und Atmosphären, die unsere Familien und Freunde, oder auch ganz Fremde im Gespräch aufbauen. Und bei einem physischen Foto, das liebevoll und zeitaufwendig in einer Dunkelkammer – ja, die gibt es noch – entwickelt wurde, fällt das um einiges leichter als mit dem Instagrampost auf dem Handy.
Analoge Fotografie bedarf einiger Gedanken im Vorhinein. Gerade im digitalen Zeitalter sind wir eine Sinn- und Reizüberflutung gewohnt, in der das Fotografieren mit einer analogen Kamera die perfekte Balance für mich herstellt. Es führt zur Entschleunigung, zu höherer Konzentration und mehr Fokus. Ich nehme meine Umgebung besser und bewusster wahr. Denn bei 36 Fotos pro Film überlegt man sich dreimal, ob das Objekt vor der Linse einem wirklich wichtig und besonders genug erscheint. Nachdem dann die allerersten entwickelten Fotos eine Katastrophe sind, denkt man außerdem noch viel stärker über Belichtungsverhältnisse nach. Denn im Kontrast zur digitalen Fotografie, bei der man eine sehr genaue Idee davon bekommt, wie das Resultat im Endeffekt aussieht, ist jedes analoge Foto einzigartig und zum Teil auch unvorhersehbar.
Persönlicher Erfahrungsbericht von Ronja
Eine Stelle aus dem Film “Das erstaunliche Leben des Walter MITTY” hat mein Fotoverständnis stark verändert. Der Hauptcharakter sitzt mit seinem lang gesuchten Freund im Hochgebirge und wartet auf Schneeleoparden. Sein Freund – ein berühmter Fotograf – beobachtet durch ein gigantisches Objektiv die scheuen Tiere am andern Berghang. Als Walter ihn nach dem Geheimnis seiner guten Fotos fragt, antwortet der Fotograf etwas, das bei mir ankam wie: Wenn ich durch das Objektiv der Kamera schaue, werde ich eins mit der Szene vor der Linse. Ich verfolge den Augenblick und drücke ab, wenn es sich richtig anfühlt. Manchmal drücke ich auch nicht ab, wenn ein Bild mich besonders in seinen Bann zieht und genieße einfach den Moment.
Wahrhaftig hinschauen. Mir einen Moment Zeit nehmen, bevor ich abdrücke. Meinen Fokus auf die Szene vor mir legen, die durch das Objektiv wie vom Rest der Welt abgeschnitten wirkt. Den Augenblick genießen. All das bedeutet analoges Fotografieren für mich. Als würde ich mit neuen Augen durch die Stadt laufen, neue Perspektiven und Farben wahrnehmen, die mir zuvor im Alltag der Eindrücke abhandengekommen sind. Ich zücke meine Kamera und die Welt steht still. Für den Augenblick gibt es nur mich und das Bild vor mir. Wenn ich den Abzug nach der Entwicklung in den Händen halte, ist da viel mehr als ein schönes Foto. Mein Gedächtnis hat den Moment gespeichert, der vor meinem inneren Auge wieder lebendig wird.
Ich habe mit dem analogen Fotografieren vor zwei Jahren angefangen. Ab und zu misslingt mir ein Foto: das Bild ist unscharf, ein Baum doppelt fotografiert, die abgelichtete Person hat die Augen zu oder mein Finger ist zu sehen. Doch auf jedem meiner bisher entwickelten Filme befanden sich auch wundervolle Momentaufnahmen und damit blieb die Lust weiterzumachen. Heute besitze ich vier analoge Kameras. Meine Lieblingskamera habe ich für 30€ über eBay in Halle abholen können. Sie ist eine Nikon F60 (analoge Spiegelreflexkamera) und verfügt über ein manuell verstellbares Objektiv.
Text: Ronja Tummelscheit
Fotos: Marlene Nötzold