Das “Irish Fiddler” in Halle ist, neben sei­nes ein­la­den­den Innenhofes und sei­ner typi­schen Pub Atmosphäre, vor allem mon­tags ein belieb­ter Treffpunkt für Jung und Alt. Das dort wöchent­lich statt­fin­den­de Bingo zieht das Publikum nicht nur wegen der Aussicht auf ein Feierabendbier, son­dern haupt­säch­lich wegen der Chance auf einen beträcht­li­chen Geldgewinn an. Dies soll der Gaststätte nun jedoch zum Verhängnis wer­den: der Vorwurf des ille­ga­len Glücksspiels sorgt für lee­re Bierbänke und lee­re Blicke in den Gesichtern der­je­ni­gen, die in der Veranstaltung statt sich ein­schlei­chen­der Spielsucht eine net­te Abwechslung zu ihrem Alltag gese­hen haben.  

Seit nun mehr als 12 Jahren fin­den sich jeden Montag die unter­schied­lichs­ten Menschen aus Halle und Umgebung in dem, in der Innenstadt gele­ge­nen Pub, das „Irish Fiddler“ ein, um einen aus­ge­las­se­nen Abend mit Spiel, Spaß und Spannung zu erle­ben. „Es ist Montag, will­kom­men zum Bingo“, heißt es dann wie­der von Seiten des Ladenbesitzers, Entwicklers und lang­jäh­ri­gen Moderators der wöchent­li­chen Veranstaltung, Max. Statt Altenheimatmosphäre schafft die­ser mit sei­nem ein­zig­ar­ti­gen Bingo und sei­nen unver­kenn­ba­ren Sprüchen einen Raum für alle, die nach dem Start in die neue Woche Ablenkung suchen, gute Getränke genie­ßen und einen schö­nen Abend mit ihren Liebsten ver­brin­gen wol­len. Auch wenn nur eine:r den Abend mit dem Hauptgewinn ver­lässt, gewinnt doch jede:r ein abwechs­lungs­rei­ches Puberlebnis. Nach Jahren der Zahlenzieherei zie­hen nun aber schlech­te Nachrichten in den Pub ein: das Fiddler wur­de angezeigt. 

Der Tatbestand  

Der Vorwurf des ille­ga­len Glücksspiels hat den Besucher:innen der Bar in der gro­ßen Ulrichstraße nun bereits vor Wochen einen Strich durch den Bingoschein gemacht. Obwohl der Laden durch das Bingo selbst kei­ne Einnahmen gene­riert, stellt die Bereitstellung eines Geldgewinns ein Problem dar. Für einen Beitrag von drei Euro konn­te der:die Gast:Gästin einen Bingoschein erwer­ben, um im Folgenden die gezo­ge­nen Zahlen auf die­sem anzu­strei­chen. Bei der ers­ten vol­len Reihe und nach anschlie­ßen­dem lau­ten „Bingo!“ — Ruf erhielt der:die glück­li­che Gewinner:in eine Flasche Sekt für sich und seinen:ihren Tisch. Weitergespielt wur­de dann noch so lan­ge, bis ein gan­zes Kästchen, bestehend aus drei sol­cher Reihen, aus­ge­füllt war. Der Hauptgewinn bestand dabei aus dem Endbetrag aller vor­her durch den Scheinverkauf ein­ge­nom­me­nen Geldbeiträge. Die Aussicht auf die­sen, jeden Montag neu umspiel­ten und von den Gäst:innen selbst finan­zier­ten Gewinn, brin­ge jedoch ein gewis­ses Suchtpotential mit sich. Äußernd zu den Vorwürfen reagiert der Ladenbesitzer mit Unverständnis. Veranstaltungen sol­cher Art sei­en heut­zu­ta­ge über­all in Deutschland sehr eta­bliert. Sowohl in Leipzig als auch in Erfurt haben zwei Gastronomien das Bingo, wie Max es selbst für den Pub erfun­den und ange­passt hat, sogar viel­mehr kopiert. Nachdem die Veranstaltung seit 12 Jahren, unter regel­mä­ßi­ger Kontrolle und Begutachtung der dafür zustän­di­gen städ­ti­schen Behörden, bestand und der Montag zum Großteil für den Erhalt des Ladens, auch nach und durch die Schwierigkeiten, die die Corona – Pandemie für die Gastronomie mit sich gebracht hat­te, gesorgt hat, zeigt sich Max mehr als ent­täuscht über den der­zei­ti­gen Umgang mit der Sachlage. Er hat den Pub nach jah­re­lan­gem Angestelltenstatus nun erst zum Jahreswechsel 2022/23 über­nom­men. Der Einstieg als Neuling in der Selbstständigkeit stel­le ihn so vor eine unge­ahn­te Notlage. Die Stadt Halle ver­hal­te sich unko­ope­ra­tiv und schei­ne nicht dar­um bemüht zu sein die hie­si­ge Gastronomie zu unter­stüt­zen. Er fügt hin­zu, die­ser Missstand beträ­fe nicht nur ihn. In der Kleinen Ulrichstraße, bekannt für ihr gro­ßes Bar‑, Café — und Restaurantaufgebot, mache sich immer mehr Leerstand breit und die Geiststraße ihrem Namen so lang­sam alle Ehre. Der Pubbesitzer fühlt sich im Stich gelas­sen und fin­det sich, trotz aller Bemühungen, in einer Warteposition wie­der. Um die­se Zeit auch im Sinne der Gäst:innen den­noch über­brü­cken zu kön­nen hat sich Max nun eine Alternative überlegt. 

Das Überbrückungsbingo 

Statt mit Bargeld wer­den die Spielenden nun in Form von Getränkegutscheinen belohnt, was zwar kei­ne Dauerlösung dar­stel­len kann, die Bingo-Fans jedoch zeit­wei­se beschwich­ti­gen soll. Der:Die Teilnehmer:in bekommt einen Bingoschein geschenkt, wodurch pro ver­teil­ten Schein der Gewinngutschein um 1,50 Euro erhöht wird. Außerdem kann sich der:diejenige, der:die das letz­te Bingo ergat­tert über einen soge­nann­ten Wichtelbeutel freu­en, in wel­chem sich jeden Montag ver­schie­dens­te Kleinigkeiten befin­den. Die Reaktionen der Pubbesucher:innen ver­hiel­ten sich zunächst durch­wach­sen, doch scheint sich nun zum Großteil Akzeptanz unter ihnen breit gemacht zu haben. Auch wenn vie­le die gewohn­ten Phrasen, wie die sich nun erüb­ri­gen­de Frage danach, was man denn mit dem Gewinn anstel­len wür­de, ver­mis­sen, scheint der Anspruch auf einen Geldgewinn des mon­täg­li­chen Spielspaßes und des Zusammenseins mit Freund:innen erle­gen zu sein. Für vie­le ist der Bingo-Montag zu einer Art Tradition gewor­den, die sie nicht mis­sen wol­len. Teilweise haben Stammspieler:innen die Kulturveranstaltung bereits zu ihrer 12 Jahre zurück­lie­gen­den Premiere besucht, damals noch mit ca. 19 wei­te­ren Mitstreiter:innen. Was aus Leidenschaft und Kreativität ent­stand, begann klein, doch hat sich mit den Jahren zu einer hal­li­schen Institution eta­bliert. Ob inner­halb der berüch­tig­ten Ersti-Wochen oder auf Empfehlung eines Reiseführers — Der Bingo-Montag bringt hof­fent­lich auch in Zukunft wei­ter­hin wöchent­lich die ver­schie­dens­ten Menschen zusam­men. Wie sich die­se Zukunft für den Pub, sei­ne Besucher:innen und Mitarbeitenden, zu denen auch ich zäh­le, gestal­ten wird, liegt wohl in der Hand der Kommunen. Ich für mei­nem Teil bli­cke opti­mis­tisch auf die kom­men­den Montage — ganz nach dem Motto: Abwarten und Bier trinken. 

Text und Foto: Rika Garbe

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