Wenn die Pause zwi­schen zwei Seminaren nur drei­ßig Minuten beträgt, reicht die Zeit oft­mals nur aus, um sich ein Heißgetränk im Café zu kau­fen. Das ist bequem, geht schnell und lässt sich auch noch wäh­rend des nächs­ten Seminars genie­ßen. Einziges Manko: Der Pappbecher. 

Mittwochs in der Cafébar Steintor-Campus zwi­schen 11.45 und 13.15 Uhr: Die Schlange an der Kasse reicht bis hin­aus auf die Terrasse. Schnell etwas für zwi­schen­durch kau­fen, bevor der nächs­te Kurs beginnt. Ein Baguette und einen Kaffee »To Go«. Ungefähr drei Euro wech­seln den Besitzer für den schnel­len Genuss zwi­schen­durch. Zurück blei­ben Papiertüten, die schon außer­halb des Cafés wie­der weg­ge­wor­fen wer­den, und Pappbecher, die im Idealfall (aber sel­ten) in der Mülltonne lan­den. Und wenn, dann lei­der nicht fach­ge­recht getrennt, da in den öffent­li­chen Entsorgungsmöglichkeiten lei­der alles zusammenkommt.

Foto: Lisa Kollien

Im zwei­ten Fall, also dem weni­ger idea­len, lan­den die Becher an äußerst unge­wöhn­li­chen Orten. Nicht nur lieb­los auf der Straße lie­gend und von etli­chen Füßen und Rädern zu einer glat­ten Schablone gepresst, son­dern auf Fensterbänken, in Hauseingängen, im Gebüsch, auf Baugerüsten, auf einem Fahrradgepäckträger raf­fi­niert ein­ge­klemmt. Diese Liste lie­ße sich end­los wei­ter­füh­ren, aber das wür­de den Rahmen sprengen.

Die Masse macht’s

»To Go« ist im Trend. Es geht flott, kann beim Gehen kon­su­miert wer­den und ist den­noch ein Stückchen Luxus zwi­schen zwei Seminaren – oder allen Gelegenheiten, die sich im Bereich von einem Startpunkt A und einem Ziel B befin­den. Das gute dar­an: Außer Haus sind die Preise in eini­gen Lokalen nied­ri­ger, denn statt 19 Prozent wer­den ledig­lich 7 Prozent Mehrwertsteuer vom Anbieter berech­net. Das kommt auch dem Verbrauchenden zugu­te. Allgemein wird han­dels­üb­li­che Pappe aus nach­wach­sen­den und recy­cel­ten Rohstoffen her­ge­stellt. Außerdem spart es den Abwasch, und Mülleimer gibt es an prak­tisch jeder Ecke.

Aber wie alles im Leben hat die­ser Trend auch eine Schattenseite, und die hat es in sich. Denn der Becher mag zwar aus Pappe sein, aber nach­hal­tig ist er dadurch nicht auto­ma­tisch, denn er muss mit eini­gen Zusätzen modi­fi­ziert wer­den. Dazu gehö­ren Bisphenol A (ein che­mi­scher Stoff für die Beschichtung von Produkten), Druckerfarbe, eini­ge Polymere und auch Polystyrol fin­den sich in den Mitnehmbechern. Wer schon ein­mal über sei­ne Aufzeichnungen Flüssigkeiten geschüt­tet hat, der weiß: Papier allein hält die Feuchtigkeit nicht. Mit den Chemikalien läuft das Getränk nicht aus, und die Becher kön­nen zusätz­lich bei nied­ri­gen Außentemperaturen ihr Inneres eini­ger­ma­ßen lan­ge warm hal­ten (und man ver­brennt sich nicht sofort die Finger).

Foto: Lisa Kollien

Im Jahr 2014 trank im Schnitt jeder Deutsche 162 Liter Kaffee, 5 Prozent davon aus Einwegbechern. Das ent­spricht also etwa 8 Litern Kaffee »To Go«. Nicht berück­sich­tigt sind die ande­ren Heißgetränke wie Tee oder Kakao. Rechnet man das auf die Größe der Becher um, so ergibt das bei einem nor­ma­len Getränk von 200 ml eine Menge von 40 Bechern pro Kopf. Klingt erst ein­mal nach nicht viel, denn im Jahr wäre das weni­ger als ein Becher pro Woche. Allerdings darf man nicht ver­ges­sen, dass man die­se Menge nicht allein ver­braucht. So gin­gen 2014 ins­ge­samt 320 000 Becher über die Ladentheken – pro Stunde, wie es die Deutsche Umwelthilfe nach­ge­rech­net hat. Erstaunlich ist, dass sich in den letz­ten vier Jahren trotz der immer mehr in den Vordergrund gerück­ten Thematik der Nachhaltigkeit nicht viel ver­än­dert hat. Auf Nachfrage erklärt die Cafébar am Steintor-Campus, dass in der Woche etwa 800 Becher ver­braucht wer­den. Das sind im Monat 3200 Stück. Ähnliche Zahlen bestä­tig­te auch die Heidemensa. Rechnet man die­se Zahlen pau­schal auf die ande­ren Mensen der Martin-Luther-Universität um, liegt der monat­li­che Verbrauch bei sat­ten 22 400 Stück. In ganz Halle kom­men noch Bäckereien wie Steinecke, Schäfers oder Wendl, die Dönerbuden und Fastfoodrestaurants sowie pri­vat betrie­be­ne Cafés dazu, eben alle, die »To Go« anbieten.

Ein Baum wächst nicht in 15 Minuten

Foto: Lisa Kollien

Selten ist der Grundstoff Pappe für die Becher wirk­lich aus dem recy­cel­tem Material, denn 43 000 Bäume müs­sen jähr­lich für die Herstellung ihr Leben las­sen. Das Getränk wird im Schnitt in cir­ca 15 Minuten aus­ge­trun­ken. Kein Baum wächst so schnell wie­der nach. Zudem haben die Becher meis­tens einen Deckel, der sei­ner­seits aus Plastik besteht. Zusammen bringt es die Kombination auf 100 000 Tonnen Kohlenstoffdioxid im Jahr – allein in Deutschland. Recyclingfasern aus Altpapier kom­men so gut wie nie zum Einsatz, denn sie sind auf­wen­di­ger und teu­rer in ihrer Herstellung. Eine noch schlech­te­re Umweltbilanz haben die Becher aus den Automaten, die nur aus Polystyrol bestehen. Dazu kommt natür­lich auch der Inhalt selbst. Ob Tee (weiß, grün, schwarz), Kakao oder Kaffee, alle drei sind Importartikel. Pro Tasse Kaffee liegt der CO₂-Ausstoß zwi­schen 59 und 100 Gramm. Auf der Klimakonferenz in Bangkok wur­de öffent­lich, dass man den Ausstoß von Kohlenstoffdioxid nicht nur ver­min­dern, son­dern auf Null redu­zie­ren müs­se, um die Erderwärmung zu stoppen.

Dazu gehört nicht nur das Ende der Braunkohleindustrie, wel­che bis­her die meis­ten Treibhausgase ver­ur­sacht, auch das Material unse­rer Produkte spielt dabei eine gro­ße Rolle. Einige Geschäfte, wie etwa das Bewaffel Dich in Halle, haben schon Pfandbecher ein­ge­führt. Bei Steinecke gibt es 0,10 € Rabatt, wenn man sei­nen Mehrzweckbecher selbst mit­bringt. Auch eine Ökoabgabe ist in Planung. Wie bei den Plastiktüten im Supermarkt sol­len die Wegwerfbehälter für die Getränke mit 0,20 € »gekauft« wer­den. Ein System, was bei den Einwegbeuteln nach­weis­lich funk­tio­niert hat, denn vie­le Menschen tra­gen seit­dem einen Stoffbeutel oder eine Permanenttragetasche bei sich.

Veränderungen selbst bewirken

Foto: Lisa Kollien

Doch natür­lich soll­ten die gro­ßen Lösungen, Verbote und Gesetze auch in einen Wandel der eige­nen Lebenshaltung
ein­flie­ßen. Man muss nicht gleich von heu­te auf mor­gen auf das Lieblingsheißgetränk sei­ner Wahl ver­zich­ten. Aber ein paar Fragen soll­te man sich stel­len. Etwa, brau­che ich den Kaffee zwi­schen zwei Seminare so drin­gend? Habe ich spä­ter eine län­ge­re Pause, um ihn im Café aus einer Keramiktasse zu genie­ßen? Wäre es auch mög­lich, sich einen eige­nen Becher mit­zu­neh­men? In den Mensen der Uni Halle lau­tet die Antwort (auf alle Fragen): Ja! Man kann sich sei­nen Mehrwegbecher ger­ne mit­brin­gen. Wichtig dabei ist natür­lich die Hygiene. Der Becher soll­te sau­ber sein und auf eige­ne Verantwortung benutzt wer­den. Denn so löb­lich die Verwendung von Mehrzweckbehältern gene­rell ist – aus hygie­ni­scher Sicht kann sich dort eini­ges ansam­meln. Daher soll­te man den Becher nach dem Genuss aus­spü­len und am Ende des Tages in den eige­nen vier Wänden gründ­lich aus­wa­schen, bevor er am nächs­ten Tag wie­der mit auf die Reise geht. Bei den Bechern fin­den sich aller­hand Varianten auf dem Markt. Neben Mehrwegplastik gibt es auch Aluminiumbecher, Becher aus Keramik und auch aus dem Trendrohstoff Bambus. Natürlich ist auch hier ein Anteil von Plastikstoffen zu ver­zeich­nen. Da man den Becher aber über einen mög­lichst sehr lan­gen Zeitraum nutzt, ver­rin­gert sich der per­sön­li­che CO₂-Fußabdruck, die posi­ti­ve Ökobilanz steigt.

Foto: Lisa Kollien

Die Pappbecher sind selbst­ver­ständ­lich nicht die Wurzel des Übels. Fährt man mit dem Rad zur Universität oder geht ein Stück zu Fuß, kann man am Wegesrand eini­ges ent­de­cken. Angefangen bei Pizzakartons über Kronkorken, Aluminiumfolie, zer­bro­che­ne Glasflaschen, Sperrmüll und Elektroschrott ist alles dabei. Allein im Wasser der Saale, bei der Schleuse unter der Hochstraße, las­sen sich Bälle, Reifen und Plastikflaschen dabei beob­ach­ten, wie sie von der Strömung getrie­ben ein mun­te­res Ballett tan­zen. Es liegt also nicht nur an unse­rem Konsum von Kaffee, Tee und ande­ren Getränken, die wir »auf die Hand« neh­men, son­dern die Umweltverschmutzung ist ein Produkt unse­rer Wegwerf-Philosophie. Wenn etwas kaputt geht, wird es sel­ten repa­riert, denn ein neu­es Gerät ist meist bil­li­ger als die Reparatur selbst. Und der Neukauf ist auch weni­ger zeit­auf­wen­dig. Ein paar Klicks hier, ein Paket dort und schon steht die neue Kaffeemaschine in der Küche, kei­ne 24 Stunden spä­ter. Prime macht es mög­lich. Und wer kein Internet hat, geht in den nächs­ten Konsumtempel und shoppt sich durch das Sortiment. Das Zauberwort bei die­ser Debatte lau­tet nicht, neue Gesetze zu ver­ab­schie­den, um den mün­di­gen Bewohnern etwas zu ver­bie­ten. Es lau­tet: Umdenken. Und das fängt bei der eige­nen Person an, indem man sich selbst hin­ter­fragt. Natürlich könn­te man sich sei­nen Kaffee zu Hause brü­hen und dann mit­neh­men. Doch ein biss­chen Luxus soll­te hin und wie­der sein – und das geht erstaun­lich leicht auf eine nach­hal­ti­ge Art und Weise.

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