Call me by my name. Nenn mich bei meinem Namen. Trans* und nicht binäre Studierende mit ihrem Namen anzusprechen ist für viele Universitäten eine Herausforderung. Um dem Thema mehr Aufmerksamkeit zu geben und Veränderungen zu bewirken, wurde die Initiative “Call me by my name” in Halle gegründet, die aus Studierenden der Martin-Luther-Universität und der Kunsthochschule Burg Giebichenstein besteht.
Das queere Netzwerk Proudr hat zu Beginn des Pride Month Juni, einen Campus Report rausgegeben, in denen eingestuft wurde, wie queer (-freundlich) die deutschen Hochschulen sind. Die MLU gehört hier in fünf verschiedenen Kategorien zu den Spitzenuniversitäten. Sie führt vor allem in den Rubriken Expertise, Förderung und Beratung von Queers, Strukturen und LGBTIQ+ Diversity Management, sowie Initiativen und Engagement von und für Studierende.
Dem gegenüber steht die folgende Situation: Um bei Onlineseminaren mitmachen zu können, gelangen die Teilnehmenden in der Regel über den Studip in den entsprechenden Raum bei Bigbluebutton. Im Studip und auch in diesem Raum wird dann der Deadname (Geburtsname) von trans* und nicht binären Studierenden sichtbar. Es ist der Uni aus juristischen und technischen Gründen nicht möglich, den selbstgewählten Namen zu verwenden. Dadurch werden die Studierenden zu jedem Semesterbeginn wieder zwangsgeoutet. Ihnen wird noch mehr Kontrolle über die Eigenrepräsentation genommen, als sie ohnehin schon nicht haben.
Außerdem gibt es am Campus nur sehr wenige nicht gegenderte Toiletten, viele davon sind für Menschen mit Behinderung. Hier werden zwei Personengruppen in einen Topf geworfen, deren Bedürfnisse sich gar nicht unbedingt überschneiden.
Diese Probleme teilt sich die MLU mit vielen anderen Universitäten.
Call me by my name
Der Initiative geht es vor allem darum, die Studienbedingungen von trans* und nicht binären Personen an der MLU und der Burg zu verbessern. Auslöser war die Situation mit dem Studip. Viele betroffene Studierende lassen sich inzwischen von Freund:innen und Bekannten den externen Link aus der geöffneten Sitzung schicken, um sich mit ihrem korrekten Namen eintragen zu können. So geht es einigermaßen, aber eine Dauerlösung ist es nicht.
Glen Siegemund ist einer der Initiatoren von “Call me by my name”. Er ist außerdem vorsitzender Sprecher des Studierendenrates. Bei der Wahl im Frühling musste er mit seinem Deadname antreten. Weil die Unisysteme nicht zugelassen haben, dass er als Glen Siegemund auf dem Wahlzettel steht. Der Deadname ist fast immer mit Stress und Angst verbunden, in vielen Fällen auch mit Trauma. „Wenn es nach den Leuten meiner Liste gegangen wäre, hätte ich gerne meinen Namen eintragen können. Aber das gibt die Satzung nicht her.“, erklärt er. Bei den Sturasitzungen ist es inzwischen auch kein Problem, mit seinem Namen aufzutreten.
Aber trotzdem ist Zwangsouting Teil seines Alltags: Bei Videokonferenzen, im Studip und im Löwenportal. Alles Organisatorische findet eben noch mit dem falschen Namen statt. Hinzu kommen trans*feindliche Kommentare, Unverständnis, Misgendern und immer wieder muss er sich erklären. Das mache er zwar in einem bestimmten Rahmen gerne, aber eben nicht durchgehend. Mit einem vorwurfsvollen Lachen kommentiert er: „Wir haben auch noch ein anderes Leben und sind nicht 24/7 für gratis Bildungsarbeit verfügbar.“
Namensänderung auf dem Studierendenausweis
Eine Namensänderung an der Uni ist aufwändig und zeitintensiv. „Wenn man in seinem ersten Semester nach Halle kommt und dann anfängt langsam festzustellen, dass mein Name nicht repräsentiert wer ich bin, dauert es meistens bis zum Abschluss der Regelstudienzeit, bis man seinen Namen im Unikontext sieht…wenn man Glück hat“, erzählt Glen Siegemund.
Die Universität Halle knüpft eine Namensanpassung an drei verschiedene Bedingungen: Zuerst einmal muss ein Ergänzungsausweis vorliegen, der von der deutschen Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität ausgestellt wird. Dieser Ausweis funktioniert zusammen mit dem Personalausweis und kostet 20 Euro. Dann muss der Antrag zur Namens- und Personenstandsänderung bereits gestellt sein. Dieser Antrag ist einerseits kostenintensiv, er kostet zwischen 1500 und 3500 Euro und ist zusätzlich dazu noch zeitintensiv, weil er voraussetzt, dass sich die Betroffenen bereits seit längerer Zeit in Therapie befinden. Außerdem benötigt die Universität ein Dokument, mit dem unterschriebenen Versprechen, sich nicht noch einmal umzuentscheiden für einen anderen Namen. Das alles müssen sich die Studierenden überhaupt leisten können.
In ihren Grundrechten verletzt
Dabei muss es, laut einem Gutachten der Humboldt Universität von 2017, gar nicht so kompliziert sein. Auch hier wird der Kosten- und Zeitaufwand von trans* Studierenden hervorgehoben: “Die Ergebnisse der hier durchgeführten sowie anderer Erhebungen zeichneten ein Bild der Begutachtungsverfahren, das in vielen Fällen von unverhältnismäßigem Zeit- und Kostenaufwand, sowie von entwürdigenden und diskriminierenden Erfahrungen geprägt ist und somit die antragstellenden Personen in ihren Grundrechten verletzt.“ Außerdem wird beschrieben, dass einige Hochschulen eine Urkundenausstellung mit dem selbst gewählten Namen nicht möchten, mit der Begründung der Gefahr von Urkundenfälschung. Der Bericht argumentiert dagegen: „Aus strafrechtlicher Sicht ist das Ausstellen von Bescheinigungen mit dem selbstgewählten Namen unproblematisch, auch ohne gerichtliche Namensänderung. Es handelt sich weder um Urkundenfälschung noch um Falschbeurkundung im Amt oder Betrug.“
Es geht bei Zeugnisausstellungen, aber auch dem Namen auf dem Studierendenausweis, vor allem um die Möglichkeit einer Identifizierung. Diese kann über den Namen und das Geschlecht erfolgen, ist aber auch über andere Zeugnisse und Bescheinigungen wie auch den Ergänzungsausweis möglich. Deswegen sollte eine Änderung des Namens ohne gerichtlichen Antrag keine so große Hürde darstellen.
Ein hilfreicher Ally sein
Was wünscht sich die Initiative von der Studierendenschaft? Wie können auch cis Studierende ein hilfreicher Ally sein, also Verbündete im Kampf um bessere Bedingungen für trans* und nicht binäre Personen?
Es geht in erster Linie um Respekt und Anerkennung. So wäre es einfacher, wenn sich alle bei der Vorstellung nach dem Pronomen fragen, dann ist es gar nichts Besonderes mehr. Vor allem wenn man sich unsicher ist, ist es sinnvoller nachzufragen, als das falsche Pronomen zu verwenden. Genauso könnten sich cis Personen gegenseitig darauf hinweisen, queere Personen in ihrem Umfeld richtig zu gendern und anzusprechen. Es ist nicht die Aufgabe der Betroffenen dafür zu sorgen, dass sie nicht ausgeschlossen, sondern respektvoll behandelt werden.
Call me by my name hat es geschafft, in den letzten Monaten 500 Unterschriften für ihre Petition zu sammeln, die zum Ziel hatte, eine öffentliche Aufmerksamkeit auf die Probleme von Studierenden mit trans* und nicht binären Erfahrungen zu lenken. Außerdem war sie im März beim trans* day of visibility vertreten und hat im Mai eine spontane Demo gegen das Transsexuellengesetz organisiert.
Im Moment ist die Initiative in Gesprächen mit der Universitätsleitung — zusammen wird versucht eine Lösung zu finden. „Richtig cool ist, dass wir überhaupt gehört werden von der Uni“, sagt Glen Siegemund. Jetzt muss sich nur noch etwas ändern.