Das Smartphone ver­ein­facht unser Leben auf viel­fäl­ti­ge Weise. Ob als Wecker, Kalender oder Musikplayer, es ist immer an unse­rer Seite. Doch was, wenn das Handy unser Leben bestimmt und wir mehr Zeit vor dem Bildschirm ver­brin­gen, als uns lieb ist? Ein Essay über unse­ren Medienkonsum und die digi­ta­le Entgiftung.

Stell dir vor, du gehst auf ein Konzert. Es ist dun­kel. In Kürze betritt die Band das Rampenlicht. Die ers­ten Scheinwerfer auf der Bühne gehen an und das Getuschel in der Menge nimmt ab. Gleich geht es los. Der Puls steigt. Doch noch bevor die ers­ten Bandmitglieder die Bühne betre­ten, recken schon fünf Menschen direkt vor dir ihre Smartphones in die Luft und begin­nen zu fil­men. Du siehst gera­de noch den Rand der Bühne und kannst den Rest nur durch die Bildschirme dei­ner Mitmenschen betrach­ten. Das Satireportal Postillon titel­te dazu vor kur­zem pas­send: »Frau ver­passt kom­plet­tes Konzert, um wacke­li­ges, ver­schwom­me­nes Video samt unde­fi­nier­ba­ren Geräuschen mit ihrem Smartphone auf­zu­neh­men« und traf damit auf den Punkt, was mitt­ler­wei­le Standard auf vie­len Veranstaltungen ist.

Illustration: Golo Todorov

Das Smartphone ist immer und über­all dabei und doku­men­tiert jeden uns wich­ti­gen Moment oder fun­giert als unser klei­ner, all­wis­sen­der Assistent. Kein Clubbesuch bleibt ohne Bild für die Instagram-Story, kei­ne Diskussion mit Freunden ohne den Faktencheck auf Wikipedia. Immer wie­der holen wir es raus, um die neus­ten Nachrichten auf Whatsapp abzu­ru­fen, die Schlagzeilen des Tages zu lesen oder uns die Zeit in sozia­len Netzwerken tot­zu­schla­gen. Das Gerät, das unser Leben ver­ein­fa­chen soll, wird somit immer mehr zum Zeitfresser und Stressfaktor.

Wenn du schon ein­mal das Vibrieren in dei­ner Hosentasche gespürt hast, ohne dass das Handy tat­säch­lich vibriert hat, lei­dest du mög­li­cher­wei­se unter dem »Phantom-Vibration-Syndrom«. Ein Syndrom, wel­ches unter Smartphone-Nutzern weit ver­brei­tet ist und zu Fehlwahrnehmungen führt. Das Smartphone hat uns mehr im Griff, als wir manch­mal ver­mu­ten. Für eini­ge ist das Grund genug, sich zeit­wei­se kom­plett vom digi­ta­len Leben zu distan­zie­ren und auf das Mobiltelefon zu verzichten.

Doch ist es wirk­lich nötig, das Smartphone aus dem Fenster zu wer­fen und sich mit klo­bi­gen Tastenhandys zurück in die digi­ta­le Steinzeit zu kata­pul­tie­ren? Anstatt des radi­ka­len Verzichts wäre doch eine digi­ta­le Balance sinn­vol­ler. Wir müs­sen nicht kom­plett auf das Smartphone ver­zich­ten – denn dazu ist es zu hilf­reich. Jedoch soll­ten wir unse­ren Medien- und Handy­konsum kri­tisch hin­ter­fra­gen. Der Trend des Digital Detox unter Smartphonenutzern, wel­che sich nicht mehr von der Technik bestim­men las­sen wol­len, wird immer populärer.

Die stän­di­ge Erreichbarkeit zum Beispiel ist für vie­le mehr Stress als sinn­vol­le Errungenschaft. Wir soll­ten uns von dem Gedanken, auf jede Nachricht inner­halb von höchs­tens 10 Minuten ant­wor­ten zu müs­sen, befrei­en. Ein guter ers­ter Schritt für die Entgiftung wäre, die Push-Benachrichtigungen kom­plett aus­zu­schal­ten und wie­der selbst zu ent­schei­den, wann man Nachrichten lesen will.

Illustration: Golo Todorov

Um sich mehr vom Bildschirm zu lösen, kön­nen auch smart­phone­freie Räume sinn­voll sein. Niemand braucht das Handy neben dem Bett, wenn man sich genau­so gut von einem ana­lo­gen Wecker wecken las­sen kann. Die Morgenstunden ohne das Smartphone für sich zu nut­zen und nicht sofort erreich­bar zu sein, ist wesent­lich gesün­der, als noch im Bett die ers­ten Nachrichten zu beant­wor­ten. Womit wir auch schon bei einer wei­te­ren nütz­li­chen Strategie wären: smart­phone­freie Zeiten. Sei es nun für ein paar Stunden am Tag oder einen Tag in der Woche: Es hilft, sich regel­mä­ßig von sei­nem Smartphone zu ver­ab­schie­den. Auch das Treffen mit Freunden kann ohne die Ablenkung durch das Handy gestal­tet wer­den. Anstatt in einer Bar wäh­rend des Gesprächs stän­dig im Handy zu ver­sin­ken, kann man sich auch ein Spiel dar­aus machen, dar­auf zu ver­zich­ten. Einfach alle Geräte in der Mitte des Tisches sam­meln, und wer als ers­tes sein Smartphone in die Hand nimmt, darf die nächs­te Runde bezah­len. So kann man sich auf das Gespräch mit Freunden kon­zen­trie­ren und hat sogar die Chance auf ein Freigetränk.

Wichtig ist auch, sich wie­der ins Bewusstsein zu rufen, wie oft man das Handy tat­säch­lich benutzt. Mittlerweile gibt es zahl­rei­che Apps, mit denen man die Nutzungsdauer mes­sen und sich täg­li­che Limits set­zen kann. 20 Minuten Social Media am Tag kön­nen auch erfül­lend sein, wenn man sie bewuss­ter nutzt.

Letztendlich ist es jedem selbst über­las­sen, wie gestört er sich von sei­nem Smartphone fühlt. Trotzdem ist es ange­nehm, sich von Zeit zu Zeit mal aus dem digi­ta­len Leben zu ver­ab­schie­den. Es kann auch ganz schön sein, mit Freunden zu kochen, ohne gleich den Abend oder das Essen auf zig Bildern zu doku­men­tie­ren. Und an ein gutes Konzert erin­nert man sich auch ohne ver­wa­ckel­tes Video mit schlech­tem Sound. 

Versprochen!

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