Jetzt schon satt von Gans, Baumschmuck und Geschenkestress? Diese sechs internationalen Weihnachtsbräuche bringen neuen Schwung in die diesjährigen Feiertage.
Wenngleich Weihnachten als die Zeit der Besinnung und Freude gilt, lassen sich einige unserer hierzulande vertrauten Traditionen durchaus hinterfragen. Das verschwenderische Aufstellen und Entsorgen des Weihnachtsbaumes, der Stress um Geschenke und die immer gleiche kulinarische Gestaltung des Weihnachtsessens bilden in dieser Hinsicht die wohl offensichtlichsten Beispiele. Um jedoch die Freuden rund um Weihnachten wieder zum Leben zu erwecken, werden euch hier sechs Weihnachtsbräuche aus aller Welt vorgestellt, die ganz einfach in das eigene Wohnzimmer geholt werden können oder euch die ein oder andere Weihnachtstradition neu entdecken lassen.
Alternative Festessen in Italien und Polen
Wer kennt sie nicht, die kulinarischen Weihnachtsklassiker: Ob Gans, Wildbraten oder Würstchen mit Kartoffelsalat – meist dreht sich bei den Deutschen auch an Weihnachten alles ums Fleisch. Wer an den Feiertagen nun gern auf Rind, Schwein und Wild, aber nicht auf Tradition verzichten möchte, der kann sich beispielsweise vom Weihnachtsmenü der Italiener:innen inspirieren lassen. Dort ist es ausdrückliches Gebot, an Heiligabend auf Fleisch zu verzichten. Im Mittelpunkt stehen stattdessen Fisch und Meeresfrüchte, wobei auf die Frische und Regionalität der Speisen besonderer Wert gelegt wird.
Wer an Weihnachten allerdings ganz auf tierische Produkte verzichten möchte, versucht sich vielleicht an der ein oder anderen Speise der polnischen Weihnachtstafel – und die hat einiges zu bieten. Jedes Jahr werden dort am 24. Dezember ganze zwölf Gerichte serviert. Dieses üppige Weihnachtsmenü wird in der Landessprache als „Wigilia“ bezeichnet. Ihren Ursprung hat diese Tradition im christlichen Glauben und soll an die zwölf Apostel Christi erinnern. Das polnische (wie auch das italienische) Weihnachtsfest ist also vom Katholizismus geprägt und orientiert sich daher auch an der Tradition des Fastens, was sich konkret auf den Verzehr von Fleisch bezieht. Üblicherweise gibt es viele vegetarische Gerichte wie die „Barszcz czerwony“ (Rote-Bete-Suppe), mit Pilzen oder Kraut gefüllte „Uszka“ (Pierogi) oder Grünkohl mit Kastanien – die alle auch vegan zuzubereiten sind. Gerne mal ausprobieren!
Glückbringende Mandeln in Norwegen
Wie in den meisten Ländern haben auch die Norweger:innen ihr eigenes kulinarisches Programm, das die Weihnachtsfeiertage köstlich ‚ummandelt‘. Neben regional variierenden herzhaften Hauptspeisen wird am 24. Dezember zum Mittag auch ein großer Topf Milchreis – der sogenannte „Risgrøt“ – gekocht. Die Besonderheit beim Servieren dieser Nachspeise ist die Beigabe einer einzigen ganzen Mandel. Der- oder diejenige, der die Mandel auf seinem Teller wiederfindet, ist dem Glauben nach das kommende Jahr über mit Glück gesegnet. In anderen Teilen Skandinaviens soll die Mandel auch eine Hochzeit prophezeien. Diese stellt zwar nicht immer ein Garant für ewiges Glück dar, jedoch lädt diese norwegische Tradition durchaus zum Ausprobieren ein. Dessert-Idee für Heiligabend? Check.
Kleider zu Weihnachten in Simbabwe
‚Eine Schreibtischlampe habe ich schon‘, ‚mit den Espressolöffeln kann ich nichts anfangen‘ und ‚den Gutschein werde ich nie einlösen‘… Beim Thema Bescherung machen wir uns in Deutschland gerne Stress um das perfekte Geschenk, wobei leider nicht immer der richtige Ton getroffen wird. In den meisten Ländern Afrikas wird sich beim Beschenken besonders auf eine Sache konzentriert: Kleidung. Für viele Menschen stellt Weihnachten dort die einzige Zeit im Jahr dar, an dem sich neue Kleider für sich selbst und die Liebsten finanziell geleistet werden. In Simbabwe werden diese dann sogar bewusst und feierlich in Szene gesetzt. Zur christlichen Weihnachtsmesse – am Morgen des 25. Dezembers – ist das Tragen neuer Kleidung dort nämlich üblich und gilt als wichtiger Teil der weihnachtlichen Feierlichkeiten. Was wir aus dieser Konvention lernen können, ist bewusster mit unserem Konsumverhalten an Weihnachten und vor allem unserer Beziehung zu Kleidung und Mode umzugehen. Gerade in der Zeit von Fast Fashion und ständig rotierenden Modetrends ist es besonders wichtig, das eigene Kaufverhalten zu reflektieren.
Gewiss ist es schwierig, sich gegenseitig mit Kleidung zu beschenken und dabei Passform und Geschmack zu treffen. Allerdings könnte Weihnachten als Anlass genutzt werden, darüber nachzudenken, was wir wirklich brauchen und wie wir andere in dieser Zeit (ob finanziell, materiell oder anderweitig) unterstützen können. So lassen wir der weihnachtlichen Bescherung weniger Bedeutsamkeit zukommen und stellen wieder den Aspekt der gegenseitigen Wertschätzung in den Vordergrund.
Holzblöcke statt Weihnachtsbäume in Spanien
Obwohl auch in Spanien der übliche geschmückte Weihnachtsbaum immer beliebter wird, findet man in vielen spanischen Haushalten eine ganz besondere Art von Weihnachtsdekoration. Die Figur des „Tió de Nadal“ ist ein Holzklotz, der in Katalonien während der Festtage die Haushalte schmückt. Der Tradition zufolge scheidet el Tió am Weihnachtsfest Geschenke sowie Süßigkeiten aus. Ja, richtig gelesen. Er wird ab dem 8. Dezember ins Haus geholt, in einer Decke eingehüllt und jeden Tag symbolisch gefüttert. Um die Geschenke am Weihnachtsabend aus dem Holzklotz zu bekommen, sollen die Kinder Lieder über den Tió singen und dabei auf seinen Körper einklopfen. Was skurril klingt, gehört zu den alljährlichen weihnachtlichen Feierlichkeiten in Katalonien dazu wie der Weihnachtsmann bei uns. Im Vergleich zu dem uns bekannten Weihnachtsbaum nimmt der Klotz allerdings weniger Platz ein und ist ganz einfach wiederverwendbar. Der Tió ist also eindeutig nachhaltiger und sieht auch obendrein sehr niedlich aus.
Auf Rollschuhen durch Caracas in Venezuela
Die Einwohner der venezolanischen Hauptstadt Caracas pflegen alle Jahre wieder eine besonders originelle Weihnachtstradition. Im Zeitraum vom 16. bis zum 24. Dezember ist es dort üblich, zur Weihnachtsmesse auf Rollschuhen zu gelangen. Es lässt sich vermuten, dass der Rollschuh in dieser eher warmen Region wohl den in kälteren Regionen üblichen Schlittschuh ersetzen soll – ein klarer Ursprung der Tradition lässt sich jedoch nicht benennen. So oder so, das Rollschuhfahren erfreut sich in Caracas schon lang genug einer großen Beliebtheit. Der Innenstadtverkehr wird jährlich sogar offiziell für diesen Zeitraum gesperrt, sodass mehr Platz und Sicherheit für die Menschen auf ihren Rollschuhen gewährleistet werden kann. Der Entschluss die Innenstadt – zumindest während der weihnachtlichen Festzeit – so etwas zugänglicher für die Bewohner:innen zu machen, würde auch in deutschen Großstädten dazu beitragen, die Weihnachtszeit etwas besinnlicher und unbeschwerter zu gestalten. Ansonsten einfach mal zum nächsten Weihnachtsessen auf Schlittschuhen fahren, bei Schnee die Skier aus dem Keller kramen oder ganz einfach den guten alten Weihnachtsspaziergang wieder einführen. Warum nicht?
Ein freier Platz am Weihnachtstisch in Polen
Für diese letzte Tradition reisen wir noch einmal in unser Nachbarland Polen. Obwohl die zwölf Gerichte etwas zu viel des Guten sein mögen, erinnert ein weiterer Brauch im Rahmen des Festessens an die ursprüngliche Bedeutung der Weihnachtszeit. An der Festtafel wird jedes Jahr ein zusätzliches Gedeck für unerwartete Gäste und die verstorbenen Liebsten bereitgehalten. Diese Geste bildet ein wahres Plädoyer an die Gastfreundschaft und Nächstenliebe, die das Weihnachtsfest doch im Kern ausmachen.
All diese kleinen, verrückten und leckeren Traditionen sollen uns daran erinnern, dass die Weihnachtszeit nicht nur Traditionsdruck und Geschenkewahnsinn bedeuten sollte. Es geht im Grunde doch um so viel mehr. Es geht um die Zeit, die wir unseren Liebsten schenken, um die kleinen Gesten und Mühen und natürlich um die Späße und Freuden, die wir besonders an Weihnachten miteinander teilen. In diesem Sinne: Besinnliche Feiertage!
Text und Illustrationen: Ria Michel