Wenn das Akademische Orchester der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg auf der Bühne steht, sehen die Zuhörer:innen etwa 80 Musiker:innen, die gemein­sam musi­zie­ren. Doch was braucht es eigent­lich, um solch ein Konzert auf die Beine zu stel­len? Ein Blick hin­ter die Kulissen.

“Im Prinzip über­le­gen wir ein Jahr vor­her, was wir spie­len”, erklärt Daniel Spogis. Er ist seit 2021 Dirigent des Orchesters. Dabei geht es nicht nur um die Auswahl der Stücke, son­dern auch um die Koordination mit mög­li­chen Solist:innen. Programme wie Nordische Weiten, Fantasiewelten und Legenden oder Giganten ent­ste­hen nicht über Nacht – sie sind das Ergebnis sorg­fäl­ti­ger Planung.

Ist die Programmauswahl getrof­fen, beginnt die logis­ti­sche Arbeit: Noten müs­sen bestellt und für die ein­zel­nen Stimmen ein­ge­rich­tet wer­den. Die Orchestermitglieder erhal­ten die­se bereits in der vor­le­sungs­frei­en Zeit, sodass sie sich indi­vi­du­ell vor­be­rei­ten kön­nen. Mit Beginn des Semesters star­ten dann die mon­täg­li­chen gemein­sa­men Proben.

Intensive Probenarbeit

Die wöchent­li­chen Proben wer­den durch zwei beson­de­re Probenwochenenden pro Semester ergänzt. Ein Highlight ist dabei das Werkstattkonzert im November – eine kos­ten­lo­se Veranstaltung in der Händel-Halle, bei der dem Publikum anhand eines oder meh­re­rer sin­fo­ni­scher Werke gezeigt wird, wie aus vie­len ein­zel­nen Puzzleteilen ein gro­ßes Ganzes ent­steht. “Das bringt immer sehr viel, wenn man mal wirk­lich am Stück an Details arbei­ten kann”, berich­tet der Dirigent. Diese Werkstattkonzerte die­nen als Vorgeschmack auf das gro­ße Sinfoniekonzert, das jeweils zum Semesterende auf­ge­führt wird.

So ein­fach geht Sinfonie
Bericht von einem Werkstattkonzert des Akademischen Orchesters
Onlineartikel, 12.1.2024

Integration neuer Mitglieder und Solist:innen

Das Orchester ist ein leben­di­ger Organismus, der sich ste­tig erneu­ert. “Die Einbindung neu­er Orchestermitglieder funk­tio­niert sehr gut”, erklärt Daniel Spogis. Interessent:innen kön­nen zunächst unver­bind­lich eine Probe besu­chen. Anschließend gibt es ein klei­nes Vorspiel, bei dem sie ein Kammermusikstück, also ein Werk für eine klei­ne Instrumentalgruppe,  gemein­sam mit einem bestehen­den Orchestermitglied spie­len. “So ler­nen wir uns musi­ka­lisch und mensch­lich kennen.”

Auch die Zusammenarbeit mit Solist:innen wird sorg­fäl­tig vor­be­rei­tet. “Mir ist es immer wich­tig, früh­zei­tig mit die­sen zusam­men­zu­kom­men”, betont der Dirigent. Bereits Monate vor dem Konzert fin­den ers­te Treffen statt, bei denen am Klavier geprobt und eine gemein­sa­me Interpretation erar­bei­tet wird.

Logistische Herausforderungen

Die Organisation eines Orchesterkonzerts bringt auch prak­ti­sche Herausforderungen mit sich. “Wenn wir aus­wärts spie­len, wird es auf den Bühnen oft eng”, erläu­tert der Dirigent. Für 80 Musiker:innen wird nicht nur aus­rei­chend Platz benö­tigt, son­dern auch eine Podestierung für die Bläser:innen, damit die­se gut nach vor­ne schau­en kön­nen. Dazu kommt der Transport gro­ßer Instrumente wie Kontrabässe und Pauken – eine logis­ti­sche Aufgabe, die mitt­ler­wei­le zur Routine gewor­den ist.

“Auswärts wird es auf den Bühnen oft eng”

Mehr als nur Organisation

Die ehe­ma­li­ge Konzertmeisterin und Violinistin Cilja und der Kontrabassist Jan beto­nen, dass es bei der Orchesterarbeit um mehr geht als nur um Organisation und Proben. “Es ist mehr als nur Musik – es ist eine sozia­le und musi­ka­li­sche Erfahrung, die einen wach­sen lässt”, erklärt Jan. Cilja ergänzt: “Besonders schön ist es, wenn man als Klangkörper eins wird.”

Der Dirigent selbst hat dabei eine mehr­fa­che Funktion: Er ist nicht nur künst­le­ri­scher Leiter, son­dern küm­mert sich auch um Management und Logistik. “Bei mir lau­fen die Fäden zusam­men, wer sich wor­um küm­mert.” In den letz­ten zwei Wochen vor den Konzerten liegt der Fokus dann wie­der ganz auf der Musik: Die Partitur wird noch ein­mal durch­ge­ar­bei­tet, Details wer­den geschärft – alles mit dem Ziel, den Musiker:innen ein befrei­tes Musizieren zu ermöglichen.

Perspektiven aus dem Ensemble

Die per­sön­li­chen Erfahrungen der Orchestermitglieder zei­gen, wie viel­fäl­tig die Herausforderungen und Freuden der gemein­sa­men Arbeit sind. Cilja erin­nert sich noch gut an die beson­de­ren Umstände ihres Einstiegs: “Als ich 2020 ange­fan­gen habe, gab es kaum regu­lä­re Proben. Wir haben sogar drau­ßen auf einem Sportplatz geprobt – das war ziem­lich unge­wöhn­lich.” Diese Erfahrung zeigt beson­ders gut, wie fle­xi­bel und eng ver­bun­den das Orchester auch in schwie­ri­gen Zeiten war.

Als Konzertmeisterin die ers­te Geige spielen

Während ihrer Zeit als Konzertmeisterin brach­te die­se Rolle für Cilja eine beson­de­re Verantwortung mit sich. “Früher hat­te ich weni­ger Lampenfieber, aber als Konzertmeisterin ist der Druck grö­ßer”, erzählt sie. Als ers­te Geige war sie dafür zustän­dig, das Streicherensemble zu koor­di­nie­ren, musi­ka­li­sche Impulse zu geben und als Bindeglied zwi­schen Dirigent und Musiker:innen zu fun­gie­ren. Mittlerweile hat sie die­se ver­ant­wor­tungs­vol­le Position an ein ande­res Mitglied des Orchesters über­ge­ben. Jan bringt als Kontrabassist sei­ne eige­nen Herausforderungen mit: “Besonders kniff­lig ist es beim Pizzicato, also wenn die Saiten gezupft wer­den – das muss genau auf den Punkt sein.”

“Blicke, Zeichen, gemein­sa­mes Lachen – das sind unver­gess­li­che Momente”

Die Interaktion zwi­schen den Musiker:innen macht dabei einen gro­ßen Teil der Orchesterarbeit aus. “Auch die Interaktion unter­ein­an­der – Blicke, Zeichen, gemein­sa­mes Lachen in der Probe – das sind unver­gess­li­che Momente”, berich­tet Jan. Beide Musiker:innen haben auch Wünsche für die Zukunft: Eine län­ge­re Orchesterreise oder eine inten­si­ve Probenwoche ste­hen auf ihrer Liste.

Das Ergebnis die­ser mona­te­lan­gen Vorbereitung zeigt sich schließ­lich in den Konzerten, bei denen beson­ders in Halle vie­le Freunde und Familienmitglieder im Publikum sit­zen. Die dabei ent­ste­hen­de posi­ti­ve Anspannung trägt dazu bei, die lan­ge erar­bei­te­ten Stücke zu einem wür­di­gen Abschluss zu brin­gen, wie Cilja es zusam­men­fasst: “Orchesterspielen ist eine Erfahrung, die man gemacht haben soll­te. Es ist ein ein­zig­ar­ti­ges Gemeinschaftserlebnis.”

Text und Fotos: Tom Roeloffzen

0 0 vote
Article Rating
Abonnieren
Benachrichtige mich bei
guest

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

0 Comments
Inline Feedbacks
View all comments