Manche schieben es auf die Position des Mondes, für andere sind laute Mitbewohner der Grund für miserable Prüfungsergebnisse. Laut neuen Studien könnte auch der CO₂-Gehalt der Umgebung verantwortlich sein. Ein ausgezeichneter Anlass, sich ein Messgerät zu besorgen und die Luftqualität in den präferierten Lernquartieren der hallischen Studierendenschaft zu überprüfen.
Wann hast Du das letzte Mal gelüftet? Häufig vergisst man gerne stundenlang, das Fenster aufzumachen, während man den Klausurstoff zum zehnten Mal durchkaut. Verlässt man den Raum, um sich mal wieder einen Kaffee zu machen, fällt einem dann beim Wiederkommen die schlechte Luft auf. Denn bei jedem Atemzug stoßen wir Kohlenstoffdioxid (CO₂) aus, welches sich in der Raumluft sammelt und – neuen Studien mehrerer Universitäten zufolge – das Denken erschwert. Die Wissenschaftler der Harvard-Universität simulierten zum Beispiel bei verschiedenen CO₂-Konzentrationen den Betriebsablauf einer Firma und untersuchten dabei Eigenschaften wie Informationsverarbeitung oder Strategiefindung. Bei allen untersuchten Parametern war eine Abnahme bei steigendem CO₂-Gehalt messbar. In geschlossenen Räumen beträgt die CO₂-Konzentration häufig über 1000 ppm (parts per million), laut Studie führt dies zu einem Verlust der kognitiven Leistung von circa 20 Prozent. Zum Vergleich: In der Natur liegt der Wert zwischen 400 und 500 ppm. Doch auch Konzentrationen über 1400 ppm sind zum Beispiel in Schulklassen nicht selten, obwohl bei diesem Level bis zu 50 Prozent der »Denkkraft« verlorengehen kann.
Zuhause erscheint die Lösung einfach: öfter mal lüften. Aber wie sieht es wohl in Halles Bibliotheken aus? In der Erinnerung ist die Luft meistens erdrückend, warm und voll mit dem Angstschweiß hunderter Studierender. Doch wie steht es um dem CO₂-Gehalt? Sind die Tempel des Wissens wirklich zum Lernen geeignet oder machen sie die ohnehin schon schlauchende Prüfungsphase nur noch mühseliger?
Dicke Luft zuhause
Ein Messgerät soll Antworten liefern. Die ersten Zahlen aus der eigenen Wohnung sind ernüchternd, aber nicht gerade überraschend: mehr als 1000 ppm CO₂ wabern durchs schlecht gelüftete Zimmer. Also werden die Fenster geöffnet. Nach einer halben Stunde folgt die nächste Messung: Inzwischen liegt der Wert bei circa 570 ppm, also einem guten Level für Innenräume. Über die nächsten Stunden sinkt der Wert noch weiter. Trotzdem ist die Erkenntnis niederschmetternd: Wer zu Hause lernt, verschwendet leicht jede Menge Potential. Ohne reichliches Lüften kann man sich den Nobelpreis gleich abschminken. Dabei fällt einem der Mief in der eigenen Wohnung eigentlich nie besonders negativ auf, ganz im Gegensatz zur abgestandenen Dunstwolke der Bibliothek der Franckeschen Stiftungen.
Mäßige Messwerte
Franckeplatz 1, Haus 31: Inmitten zukünftiger Pädagogen, Theologinnen und Medienschaffenden findet sich noch ein Plätzchen. Das Gerät misst 650 ppm! Ein ziemlich guter Wert, wenn man bedenkt, dass rundherum hunderte Menschen sitzen, die mit jedem Atemzug CO₂ ausstoßen und in Sichtweite kein einziges Fenster geöffnet ist.
So eine niedrige Konzentration würde ja bedeuten, dass diese Ausrede für Abstinenz von Bibliotheken dahin wäre. Das sollte sich doch verhindern lassen. Die naheliegende wissenschaftliche Erklärung: Hier war eindeutig die Messgruppe nicht groß genug. Auf in das noch vollere Juridicum und erneut messen. Wieder nur 650 ppm. Sicherlich handelt es sich erneut nur um eine Ausnahme; weiter geht es in die Steintorbibliothek. Hier ist der Wert sogar noch niedriger: 560 ppm. Eine ausgezeichnete Luftqualität. Ist das denn zu fassen? Ist es etwa vorbei mit dem Prokrastinieren mit gutem Gewissen in der eigenen Wohnung? Heißt es sich zu den Kommilitoninnen in den Bibliotheken gesellen? Als letzte Hoffnung kommt die Heidebibliothek ins Spiel. Erinnerungen kehren zurück: wochenlanges Brüten zwischen den Büchern über Proteinbiochemie und Pflanzenphysiologie. Die Luft schien so dicht und abgestanden, dass man sie fast mit einem Messer durchschneiden konnte. Und tatsächlich, das Gerät zeigt einen Wert von circa 850 ppm an, laut dem Umweltbundesamt nur noch eine mittlere Luftqualität. Dennoch ist der CO₂-Gehalt nicht ansatzweise so hoch wie erwartet. Die These, dass es sich in Bibliotheken schlecht lernen lasse, weil die Luft schlecht sei, ist also zerschlagen.
Fehlschlag ist auch Fortschritt
Die Ergebnisse des Experiments sind wirklich überraschend. In allen Bibliotheken lag die CO₂-Konzentration in einem guten bis sehr guten Bereich, die einzige Messung, die ein Level von über 1000 ppm erreichte, war im kleinen Hörsaal der Biochemie. Dieser verfügt aber, anders als die Bibliotheken und moderne Hörsäle, über keinerlei Lüftungssystem.
An dieser Stelle war ursprünglich geplant, gute Alternativen zum Lernen in Bibliotheken vorzustellen. Da wäre zum Beispiel der botanische Garten, den Studierende kostenlos besuchen können. Da dies nun wegfällt, geht stattdessen ein Lob an die Klimatechnik der Büchereien. Anscheinend liegt es doch eher an einem selbst, wenn es mit dem Lernen nicht so gut läuft. Vielleicht könnte man als nächstes testen, wie sich die Mondposition auf die eigene Lernleistung auswirkt, aber es wird vermutlich noch eine Weile dauern, bis sich der Flug zum Mond finanzieren lässt. Zum Schluss noch ein Fun-Fact: Aufgrund der steigenden CO₂-Konzentration in der Atmosphäre könnten wir als Spezies einen Verlust der kognitiven Leistung von 10 bis 15 Prozent in den nächsten 100 Jahren hinnehmen müssen. Zum Glück hat das keine Auswirkungen mehr auf das eigene Studium.
Es gibt nichts schlimmeres als überfüllte Hörsaale, wo die Luft stickig ist! Bei stickiger Luft kann ich mich wirklich nicht konzentrieren und ich bin schnell müde. Leider haben viele meine Kommilitionen immer wegen Kälte gejammert, wenn ich firische Luft hereinlassen wollte. Deswegen habe ich jede Pause genutzt, um an die frische Luft zu gehen. In der Uni-Bibliothek suchte ich immer einen Plazt nahe am Fenster, damit ich diskret ein Fenster ankippen kann. Frische Luft und viel Wasser sind für mich Hauptvorausetzungen, um beim Lernen wach zu bleiben.