Im Früh­ling hat die MLU über harte Ein­schnitte berat­en und diese auch beschlossen. Warum es damit aber nicht getan ist und warum es sich trotz­dem lohnt, weit­er­hin dage­gen zu protestieren, führt dieser Kom­men­tar des Aktions­bünd­niss­es #MLUn­ter­fi­nanziert aus. 

Am 6. April 2022 hat der Akademis­che Sen­at die Selb­stkürzung der Uni­ver­sität beschlossen. In der „par­tiellen Fortschrei­bung des Hochschu­len­twick­lungs­planes“ (kurz: HEP), wie das als Selb­stverpflich­tung angelegte Papi­er aufwendi­ger­weise genan­nt wird, ste­ht einiges drin, was ein­er Hochschule unwürdig ist: 26 Pro­fes­suren, 250 Mitarbeiter:innenstellen und bis zu 4.000 Stu­di­en­plätze sollen bis 2030 einges­part wer­den. Das hat viele langjährige Beobachter:innen der Hochschulpoli­tik an den let­zten fatal­en Kürzungszyk­lus von 2012 bis 2015 erin­nert. Hier wurde drei Jahre lang ver­sucht, die MLU und die anderen Hochschulen im Land zu beschnei­den. Die Lan­desregierung machte Vorschläge zur Schließung der Uni­ver­sitätsmedi­zin und legte 2014 eine Hochschul­struk­tur­pla­nung vor, die bis heute Gültigkeit besitzt und die Schließung von fünf Insti­tuten vor­sieht. Nach den Vorstel­lun­gen des dama­li­gen Wis­senschaftsmin­is­teri­ums sollte die MLU die Psy­cholo­gie, die Infor­matik, die Geowis­senschaften, die Sportwissenschaften und die Medi­en- und Kom­mu­nika­tion­swis­senschaften abschaf­fen, um das Bud­get um mehrere Mil­lio­nen Euro verklein­ern zu kön­nen. Glück­licher­weise kon­nten diese Pläne durch bre­it­en Protest abgewehrt wer­den, der durch das dama­lige Aktions­bünd­nis getra­gen wurde, in dessen Fußstapfen das Aktions­bünd­nis „#MLUn­ter­fi­nanziert – Per­spek­tiv­en schaf­fen!“ seit 2021 zu treten versucht. 

Studenten stehen mit Bannern zusammen. Viele tragen einen Maske.
Protest auf dem Uni­platz vor der Sen­at­sentschei­dung am 6. April 

Nur lei­der kon­nte durch die Proteste zwar ver­hin­dert wer­den, dass die Zer­störung weit­er­er Fach­bere­iche von oben dik­tiert wurde – das grund­sät­zliche Prob­lem der struk­turellen Unter­fi­nanzierung der MLU wurde allerd­ings nicht behoben. Vielmehr ver­stärk­te sich dieses Prob­lem durch den erzwun­genen „Bern­burg­er Frieden“, bei dem sich die Hochschulen und das Wis­senschaftsmin­is­teri­um auf gerin­gere Kürzun­gen geeinigt haben – allerd­ings ohne dies demokratisch in Gremien zu beschließen oder die konkrete Vere­in­barung tat­säch­lich festzuhal­ten. In den Jahren nach 2015 wurde das struk­turelle Defiz­it jedes Jahr größer, so musste zum Beispiel die früher fehlende Über­nahme der Tar­if­steigerun­gen und der anfangs fehlende Infla­tion­saus­gle­ich kom­pen­siert wer­den. Von 2015 bis 2020 hat die MLU diese zusät­zlichen Kosten deshalb mit befris­teten Mit­teln gedeckt, die ins­beson­dere aus dem bun­desweit­en Hochschul­pakt kamen. 

Die gegen­wär­tige Kürzungs­de­bat­te ist deshalb unbe­d­ingt vor diesem Hin­ter­grund zu sehen. Wenn die Lan­desregierung sagt, die MLU müsse „ihre Hausauf­gaben machen“, dann ist das gemeint: Im Auf­gaben­heft ste­ht nicht etwa das bessere Finanz­man­age­ment, son­dern die Umset­zung der Kürzun­gen, die bei der let­zten Runde aus­ge­blieben sind. Deshalb kann sich der Min­is­ter entspan­nt zurück­lehnen: Denn die Ver­ant­wortlichkeit für die Kürzun­gen überträgt das Min­is­teri­um der Uni selb­st. Mit dem Rek­torat hat das Wis­senschaftsmin­is­teri­um unter Armin Will­ing­mann (SPD) einen ver­lässlichen Part­ner, denn während man sich am Uni­ver­sität­splatz dur­chaus an der man­gel­haften Lan­des­fi­nanzierung abgear­beit­et hat, wurde gle­ichzeit­ig der oben erwäh­nte Kurs der Selb­stkürzung eingeschla­gen. Dabei ist das Argu­ment, man müsse etwas tun, um dann vielle­icht mehr Geld zu bekom­men, ziem­lich absurd – nichts­destotrotz kon­nte die pro­fes­so­rale Mehrheit im April davon überzeugt wer­den. Auss­chlaggebend war hier aber kaum das Sachar­gu­ment, son­dern die Angst, ewig unter dem kurz vor der Debat­te ver­hängten Nothaushalt zu ächzen. 

Eine Masse von Menschen mit bunten Bannern.
Es war ein trüber Tag

Als Aktions­bünd­nis haben wir dage­gen bei Protesten und Ver­anstal­tun­gen darauf hingewiesen, dass die Selb­stkürzung nichts bess­er macht – denn die MLU bekommt kein Geld dafür, dass sie sich selb­st ver­spricht, in den kom­menden zehn Jahren viele Stellen aus­laufen zu lassen. Kurzfristig ändern die Beschlüsse wenig am Finanzprob­lem, aber richt­en immensen Schaden in den betrof­fe­nen Fach­bere­ichen an. In der Debat­te muss fest­gestellt wer­den, dass Lan­desregierung und Rek­torat bil­dungspoli­tisch ver­sagt haben. Die Hauptver­ant­wor­tung trägt allerd­ings ohne Zweifel die Lan­desregierung, die das struk­turelle Defiz­it trotz War­nun­gen fort­ge­set­zt hat und es selb­st bess­er wis­sen sollte. Denn sie selb­st hat eine Vere­in­barung mit dem Bund unter­schrieben, die allen Hochschulen in Sach­sen-Anhalt zusät­zlich zu den Bun­desmit­teln aus dem „Zukun­ftsver­trag Studi­um und Lehre stärken“ rund 40 Mil­lio­nen Euro mehr aus dem Lan­deshaushalt zugesteht. 

Aus dieser Per­spek­tive hat das Aktions­bünd­nis deshalb beschlossen, seine Arbeit nicht einzustellen – denn der Kampf um die Zukun­ft der Mar­tin-Luther-Uni­ver­sität ist noch lange nicht vor­bei. Der vom Rek­torat durchge­set­zte Hochschu­len­twick­lungs­plan löst das Finanzprob­lem nicht. Das kön­nte nur die erwäh­nte Ko-Finanzierung, die auch von Studieren­den­räten und Per­son­al­räten aus dem ganzen Bun­des­land gefordert wird. Wir sind uns sich­er, dass es gelin­gen kann, den notwendi­gen Druck auf die Lan­desregierung aufzubauen. Darüber hin­aus sind wir überzeugt davon, dass eine Mehrheit der Ange­höri­gen der MLU diese Kürzun­gen auf Kosten der Lehrqual­ität, der Studieren­den­zahlen und vor allem der soge­nan­nten „kleinen Fäch­er“ nicht will. Zulet­zt sind wir überzeugt­der Auf­fas­sung, dass die Umset­zung der Kürzungsvor­gaben umkämpft sein wird. Und einen ersten Vorgeschmack gab es dafür schon, denn der Sen­at der MLU ist bei der Poli­tik­wis­senschaft bere­its von kurzfristi­gen Spar­vor­gaben abgewichen. Let­z­tendlich gibt es ohne­hin keine Alter­na­tive, als sich für eine bessere Bil­dungs­fi­nanzierung einzuset­zen. Denn selb­st wenn das Land jet­zt glück­lich mit unseren „Hausauf­gaben“ sein sollte, kommt die näch­ste Kürzungsrunde bes­timmt. Dass diese in Sach­sen-Anhalt zyk­lisch auftreten, ist schlicht eine bit­tere Gewis­sheit, die zum Organ­isieren und Protestieren motivieren sollte. 

Lukas Wanke ist für die Offene Linke Liste im Fach­schaft­srat der Philosophis­chen Fakultät I.

Das Aktions­bünd­nis “#MLUn­ter­fi­nanziert — Per­spek­tiv­en schaf­fen” hat sich im Juli 2021 gegrün­det, um Protest gegen die disku­tierte Verän­derung der Hochschul­struk­tur zu organ­isieren und zu bün­deln. Das Aktions­bünd­nis sieht im Struk­tur­prozess eine Kahlschlagspoli­tik durch das Rek­torat und die Lan­desregierung und fordert eine bessere finanzielle Ausstat­tung der MLU. Mit­glied im Bünd­nis sind die Gew­erkschaften GEW und ver.di, der Per­son­al- und der Studieren­den­rat sowie u.a. Arbeit­skreise, Hochschul­grup­pen und Fachschaften. 

Foto: Kon­rad Dieterich, Nan­cy Glor

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