Die Fotografien, die der­zeit die Wände der Moritzburg schmü­cken, gehö­ren zu einer Ausstellung, wie man sie in Halle noch nicht gese­hen hat. Nach dem Tod Karl Lagerfelds 2019 zeigt das Kunstmuseum Moritzburg nun die ers­te Retrospektive sei­nes foto­gra­fi­schen Schaffens.

Es ist wohl eine der hoch­ka­rä­tigs­ten Ausstellungen, die Halle in den letz­ten Jahren zu sehen bekom­men hat. Nachdem das Kunstmuseum Moritzburg im letz­ten Jahr sei­ne bedeu­ten­de Vergangenheit teils wie­der­auf­le­ben las­sen hat, beein­druckt sie nun ein wei­te­res Mal. „Karl Lagerfeld. Fotografie. Die Retrospektive“ ist, wie der Name schon erah­nen lässt, die ers­te Ausstellung der foto­gra­fi­schen Tätigkeiten des jüngst ver­stor­be­nen Modedesigners.

Dabei war sie zunächst nicht als Retrospektive geplant. Lagerfeld selbst soll­te zur Eröffnung der Ausstellung kom­men, sie war sogar von ihm abge­seg­net wor­den. Doch der Tod kam dazwi­schen, und so wur­de sie zur welt­weit ers­ten musea­len Rückschau auf sein Wirken. Neben Museumsdirektor Thomas Bauer-Friedrich waren auch zwei enge Vertraute an der Entstehung der Ausstellung betei­ligt. Da ist ein­mal Eric Pfrunder, lang­jäh­ri­ger Image Director und jet­zi­ger künst­le­ri­scher Leiter von „Fashion Image“ und damit neben Virginie Viard neu­er krea­ti­ver Chef an der Spitze von Chanel. Pfrunder kam im glei­chen Jahr wie Lagerfeld zu Chanel – 1987. Er soll auch ent­schei­dend dazu bei­getra­gen haben, dass Lagerfeld neben sei­ner Tätigkeit bei Chanel sein foto­gra­fi­sches Talent wei­ter­ent­wi­ckel­te. An Pfrunders Seite steht für die Lagerfeld-Ausstellung Gerhard Steidl, ein deut­scher Verleger mit dem Lagerfeld oft und eng zusam­men­ar­bei­te­te. Mit ihm grün­de­te Lagerfeld sogar einen eige­nen Verlag – L.S.D. (Lagerfeld.Steidl.Druckerei.Verlag). So konn­te die Ausstellung trotz des uner­war­te­ten Ablebens Lagerfelds ohne Probleme zustan­de kommen.

Karl Lagerfeld Plakate im Hof der Moritzburg
Foto: Paula Götze
Perfektion bis ins letzte Detail

Im Innenhof der Moritzburg erwar­ten 60 lebens­gro­ße Selbstporträts Karl Lagerfelds auf 30 Stelen (vor­der- und rück­sei­tig ange­bracht) die Besucher der Moritzburg. Es sind Bilder, wie sie jeder von uns kennt. Bilder, die vor allem für Presseveröffentlichungen gedacht waren. Der Modezar lich­tet sich in ver­schie­de­nen Posen ab – immer Lederhandschuhe, immer Sonnenbrille, immer tod­schick. So will er erin­nert und so woll­te er immer wahr­ge­nom­men wer­den. Er war der per­fek­te Schöpfer. Alles, was er anfass­te, muss­te makel­los wer­den. Die Selbstporträts retu­schier­te er stun­den­lang. Nicht sein Gesicht, aber jede noch so klei­ne Falte in der Kleidung.

Auch die­se Ausstellung zeigt fast nur Perfektion. Zu sehen sind Models, wie Lagerfelds lang­jäh­ri­ge Muse Claudia Schiffer oder einer von Lagerfelds Erben, Baptiste Giabiconi. Neben ihnen hän­gen an den Wänden der Moritzburg aber auch Fotografien von Architektur und Natur, wie zum Beispiel ein­drucks­vol­le Bilder der Casa Malaparte. Einem Bau, der – so steht es in einem von Lagerfelds Fotografiebänden – wie nur weni­ge „anti­ke Schönheit und mythi­sche Magie ver­kör­pert“. So varia­bel wie sei­ne Motive war auch sein Stil. Er soll ein­mal über sich selbst gesagt haben: „Ich habe kei­nen Stil, son­dern vie­le oder kei­nen. Man darf nicht still­ste­hen, nicht im Leben, nicht in der Mode, nicht in der Fotografie.“

Mythische Fotografie neben kommerziellen Aufträgen

Lagerfeld fand sei­ne Inspiration oft bei ande­ren Künstlern. Neben Bildern, die an Edward Hoppers Gemälde erin­nern, hängt im ers­ten Stock, gegen­über der moder­nen Meister, eine Reihe, die ganz einem sol­chen gewid­met ist – Lionel Feininger. Der Maler, Karikaturist und Bauhaus-Meister, der auch eini­ge Zeit in Halle schuf und leb­te, war gro­ßes Vorbild Lagerfelds. Seine Verbindung zu Halle war viel­leicht auch ein ent­schei­den­der Grund dafür, dass die Lagerfeld-Ausstellung jetzt hier zu sehen ist. Viel mehr noch als von Inspirationen durch ande­re Künstler ist ein Großteil des foto­gra­fi­schen Werks Lagerfelds von Geschichten und Sagen durch­zo­gen. Ein gan­zer Raum im Kunstmuseum zeigt eine Bilderstrecke, die sich mit dem spät­an­ti­ken Liebesroman „Daphnis und Chloe“ ausein­andersetzt. Eine ande­re ist eine Hommage an Oscar Wildes „Das Bildnis des Dorian Gray“. Das immer glei­che Model wird, auf­wen­dig geschminkt, auf jedem Foto immer älter und häss­li­cher. Die Vergänglichkeit der Jugend. „So etwas hat Lagerfeld fas­zi­niert“, sagt Steidl gegen­über der LVZ.

Eingang der Moritzburg
Foto: Paula Götze

Neben den berau­schen­den künst­le­ri­schen Fotografien, wie zum Beispiel der Reihe „Body Parts“, sind im Kunstmuseum auch Fotostrecken zu sehen, die Lagerfeld für diver­se Kunden ange­fer­tigt hat – eine zum Beispiel für die Champagnermarke Dom Pérignon. Werke, die auf den ers­ten Blick nicht so ganz zum Rest der Ausstellung pas­sen mögen. Aber Lagerfeld war eben bei­des, Künstler und Geschäftsmann. 

Großer Schritt für die Moritzburg

Die Ausstellung selbst äußert sich nicht zur Person Karl Lagerfeld. Sie preist ihn als gro­ßen Künstler an. Dass er zum Beispiel sei­ne Mode nicht in gro­ßen Größen pro­du­zie­ren las­sen woll­te, weil er krank­haft am Bild des hage­ren, dür­ren Models fest­hielt und somit nur dün­ne Frauen von sei­ner Kleidung pro­fi­tie­ren soll­ten, muss hin­ten­an­ste­hen. Veranstaltungen aber, die sich mit dem Körperbild unse­rer Gesellschaft aus­ein­an­der­set­zen, fin­den sich im Begleitprogramm der Ausstellung. Direkten Bezug auf Lagerfeld schei­nen sie dabei nicht zu nehmen.

Dann gibt es da noch ein Bild, das auf den ers­ten Blick neben den gan­zen per­fek­ten Modelbildern nicht auf­fällt und doch viel über die­se Ausstellung zu sagen ver­mag. Es zeigt eine ver­meint­lich schwar­ze Frau mit gro­ßem Afro in einem hoch­schult­ri­gen, schwar­zen, pail­let­ten­be­setz­ten Kleid. Das Model: Claudia Schiffer. „Blackfacing“ nennt man das Darstellen wei­ßer Menschen als Schwarze. Ein höchst pro­ble­ma­ti­scher Prozess, beson­ders in einer Branche, in der es sowie­so eine Unterrepräsentation von People of Colour gibt. Und wäre das nicht schon pro­ble­ma­tisch genug, lässt die Moritzburg das Bild völ­lig kom­men­tar­los zwi­schen all den ande­ren hängen.

„Karl Lagerfeld. Fotografie. Die Retrospektive“ ist trotz­dem ein Triumph für die Moritzburg. Eine Ausstellung, die Menschen mobi­li­siert, die Publikum anzieht. Nach der letz­ten Ausstellung ist sie ein wei­te­rer Schritt in einer Entwicklung, die das Kunstmuseum zu erneu­tem Ruhm füh­ren soll. Aber wie schon in der letz­ten Ausstellung („Bauhaus Meister der Moderne. Das Comeback“) scheint die kri­ti­sche Auseinandersetzung mit Werken und Künstlern unter dem Streben nach alter Größe zu lei­den. In der Moderne war die Moritzburg eines der bedeu­tends­ten Museen Deutschlands. Dort ist sie noch lan­ge nicht, aber auf dem rich­ti­gen Weg scheint sie sich zu befinden.

Die Ausstellung läuft noch bis zum 6.1.2021. Mehr über die Entwicklung der
Moritzburg und die letz­te Ausstellung könnt Ihr in Ausgabe 87 oder online
unter hastuzeit.de lesen.

Werbung für die Lagerfeld Ausstellung
Foto: Paula Götze
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